Das ist eine Story zur gleichnamigen Folge. Viel Spaß dabei!
Nasebands letzte Zigarette
Abgestresst halte ich an der Kreuzung, ein Stück vom K11 entfernt. Wenn man so im Stress ist, weil der Chef einen drängelt, die öden Berichte endlich fertig zu machen, muss man nun mal hin und wieder ein Zigarettchen mehr rauchen. Tja, und jetzt habe ich eben keine mehr. Langsam schiebe ich meine Kreditkarte in den Automaten und ziehe mehr erst mal ein schönes Päckchen. Genüsslich ziehe ich den ersten Stoß ein. Hmm, tut das gut. Nach so einem Tag! Lautes Geschrei reißt mich aus meinen Gedanken. "Hilfe, lass mich, ich hab nichts getan!", schreit ein Jugendlicher. Ich drehe mich. Nur ein paar Schritte von mir entfernt schlagen zwei Typen mit Baseballschlägern auf einen Jungen ein. Shit, und ausgerechnet jetzt habe ich meine Waffe im Büro gelassen. Verdammt. Schnell zücke ich mein Handy. "Ja, hallo, der Michael vom K11 hier. Ich brauch ganz dringen eine Streife zur Lotharkreuzung. Danke!" Damit renne ich auf das Pack zu, stürze mich auf einen. Dann spüre ich nur noch einen stechenden Schmerz in meinen Rippen. "Ahh…aua…verdammt, tut das weh!" Ich kriege nur am Rande mit, dass die Kollegen mittlerweile eingetroffen sind und die beiden Jungs festnehmen. "Michael, alles in Ordnung?" Anita greift an meinen Arm und schaut in mein schmerzverzerrtes Gesicht. "Komm, das soll sich ein Arzt ansehen." Nachdem ich geröntgt worden bin, ziehe ich langsam wieder mein Hemd an. Die äußerst schnuckelige Schwester meint noch, bevor sie geht: "Herr Naseband, der Doktor kommt gleich noch zu Ihnen. Warten Sie hier solange!" Ich grinse. "Okay!" Ach, nee…das muss ich mich jetzt schon mit so kleinen Schnüppkes zufrieden geben, weil die Frau, die ich wirklich liebe, kein Interesse an mir hat. Ist das ein Mist. Wenn ich nur an sie denke, bekomme ich gleich wieder Herzklopfen. Wenn Alex an ihrem Schreibtisch sitzt und mir flehende Blicke zuwirft, ihr ein paar Akten abzunehmen, dann habe ich immer das Gefühl, ich platze gleich vor lauter Liebe. Leider tue ich dann immer genau das, was ich eigentlich gar nicht will. Ich bin dann immer absolut ekelhaft zu ihr. Ob das eine reine Selbstschutzmaßnahme ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass das Alex immer sehr verletzt. "Haben Sie sich die Bilder angesehen, Schwester?", reißt mich die Stimme des Arztes aus den Gedanken. Er steht mit der Schnuckeligen wohl draußen vor der Tür. "Kein Zweifel. Lungenkrebs im Endstadium!" Was?? Ich habe Lungenkrebs im Endstadium?? Das kann doch gar nicht sein. Das…nein…ich bin…ich kann nicht….ich darf noch nicht…"Länger als sechs Monate hat er nicht mehr!", meint der Arzt. Das reicht mir, ich muss hier raus. Ich reiße die Tür auf, renne an diesem Arzt und seiner Schwester vorbei, nach draußen. "Michael, sollen wir…?", setzt Anita an. "Ach, was, lass mich in Ruhe!", fahre ich sie an und renne zu meinem Auto. Langsam läuft mir eine Träne die Wange hinab, als ich das Lied Time to say goodbye anhöre. Ich wollte in meinem Leben doch noch so viel erreichen. Ich wollte Alex die Wahrheit sagen, dass ich sie über alles liebe, mit ihr alt werden. Meine Enkelkinder aufwachsen sehen und…und…das soll jetzt alles nicht mehr gehen?? Das kann doch nicht sein. Leise fange ich an zu schluchzen. Auf meiner Mailbox ist ein Anruf von Mike. "Hallo, Papa. Mama hat mir erzählt, wir wollen in den großen Ferien surfen gehen? Find ich super. Melde dich mal." Noch mehr Tränen fließen. Mike, mein kleiner Schatz. Erst trennen sich seine Eltern und jetzt verliert er im Alter von fünfzehn Jahren auch noch seinen Vater, weil der an Lungenkrebs stirbt. Okay, so geht’s nicht. Was muss ich jetzt tun? Ein Testament schreiben, meine Wohnung abmelden, Lebensversicherung an Mike ausbezahlen lassen und…ich komm damit nicht klar. Und ich will an keinem qualvollen Tode sterben. Lieber fahr ich vor einen Baum oder lass mich als Geisel nehmen oder…irgendetwas, was schnell geht und nicht schmerzhaft ist. Immer mehr Tränen rinnen meine Wangen hinab und irgendwann merke ich, dass ich vorlauter weinen sehr müde geworden bin… Am nächsten Morgen stelle ich fest, dass ich in meinem Wagen übernachtet habe. Ach, scheiß drauf. Ist doch jetzt eh alles egal. Ich brettere viel schneller als nötig durch die Straßen und halte vor dem K11. Ich renne die Treppen hoch. Selbst wenn ich meine Lungen jetzt überlaste, ist doch egal. Ich geh doch sowieso drauf! Am Aufzug pralle ich mit Alex und Gerrit zusammen. "Hey, Michi, wo warst du? Hab tausendmal versucht, dich zu erreichen! Wir haben eine Geiselnahme, komm mit!" Besorgt sieht mich Alex an und legt ihre Hand vorsichtig auf meinen Arm. Sie soll mich nicht berühren. Das macht alles nur noch schlimmer. "Ach, ich hab keine Zeit!" Ich reiße mich von ihr los und haste ins Büro. Ich pflanze mich auf meinen Bürostuhl und lege den Kopf auf meine Arme. Was soll ich nur machen? Ich könnte auch gleich, nach den ganzen wichtigen Telefonaten mir die Kugel geben. Aber nein…besser! Ich geh gleich zu dieser Geiselnahme. Vielleicht schicken die ja eine andere Geisel raus und nehmen mich dafür! Als erstes rufe ich Maria, eine Freundin an, die auch gleichzeitig Notarin ist. "Hey…ich bin's, Michael. Wie geht’s dir? Ich brauche dringend ein Testament!" "Was? Wozu das denn?? Ist irgendetwas nicht in Ordnung mit dir?" Ich schlucke einen dicken Tränenkloß herunter. "Ja…nein, eigentlich ist gar nichts in Ordnung. Du bist 'ne Freundin, dir kann ich's ja sagen. Ich hab Lungenkrebs!" Einen Augenblick schweigt sie. "Oh, mein Gott, Michael. Wie…wie schlimm ist es?" "Ach, das willst du gar nicht wissen!" "Michael, jetzt sag schon. Wie lange hast du noch?" "Sechs Monate. Deswegen…!" "Ja, okay. Treffen wir uns morgen um Acht bei dir?" "Ja, okay." "Und Michael? Tut mir leid!" "Ja, mir auch!" Damit ist das Telefonat beendet und mir laufen wieder einige Tränen übers Gesicht. Verdammte Scheiße! Warum muss auch alles so laufen, wie man es nicht will?? Warum kann ich nicht einfach normal leben, ihr, der Frau meines Herzens, eben Alex, meine Liebe zu gestehen und mit ihr glücklich werden bis ich alt und faltig bin?? Oh, shit, da fällt mir ein, dass ich ja zu diesem Einsatz muss… Als ich dort ankomme, sind Alex und Gerrit bereits im Gebäude. "Hey, Michael, wo ist deine Weste?", grüßt mich Frank, der SEK-Leiter und sieht mich recht irritiert an. "Ach, den Quatsch brauch ich nicht. Wo sind die?" "Oben. Haben drei Geiseln. Wir haben nur eine feste Telefonleitung, aber seit einiger Zeit gehen die da nicht mehr dran." In diesem Moment klingelt das Telefon. "Ja?", gehe ich ran. "So, ich will eine Hotelangestellte, die den Koffer bringt. Alles klar?" Damit legt der Typ auf. Shit, was jetzt? Ich rufe Alex an. "Hey, ich bin's. Komm mal runter, die wollen eine Hotelangestellte, die die Übergabe macht!" "Ja, okay, Michael. Bin so gut wie da." Kurz darauf steht Alex vor mir in der Hoteluniform. Der Rock geht nur bis zu den Knien, weshalb ich ihre schlanken Beine perfekt sehen kann. Wunderbar! Das man so was auf seine letzten Tage noch sehen darf! Sie lächelt mich an. "Alex, wenn sie nicht ausdrücklich eine Frau verlangt hätten…!", setze ich an, aber sie unterbricht mich. "Quatsch, Michi, ich mach das doch nicht zum ersten Mal. Mach dir mal keine Sorgen um mich!" Damit rauscht sie auch schon davon. Oh, man, wie lange brauchen sie denn? Ich nehme das Funkgerät zur Hand. Bestimmt schon zwanzig Minuten sind sie darin. "Alex? Habt ihr sie?" "Ja, aber…Michi, hier im Keller ist 'ne Bombe. Sag dem Bombenkommando Bescheid!" "Ja, okay." Damit greife ich zu meinem Handy. "Hey, Michael. Was gibt’s?", meldet sich Florian, der Leiter. "Wir haben hier eine Bombe…!", beginne ich. "Ja, aber das dauert noch. Wir sind am Ende der Stadt. Sag dem SEK, dass sie die Leute erst mal evakuieren sollen. Okay, mach ich!" Damit beenden wir das Gespräch. "Frank, evakuiert ihr die Leute im Umkreis von zwei Kilometern. Ich geh da jetzt rein. Wir haben keine Zeit!" Damit renne ich ins Gebäude und nehme die Treppe nach unten in den Keller. Schon im ersten Kellerraum werde ich fündig. Oh, Scheiße! Frank kommt zu mir. "Oh, man…hoffentlich beeilen die sich!", murmelt er. "Hast du ein Handy dabei?" "Äh, ja! Hier!" "Danke…Florian? Ich bin's noch mal, Michael. Wie lange braucht ihr noch?" "So zwanzig Minuten bestimmt!" "Solange können wir nicht warten. Der Zeitzünder steht auf zehn Minuten. Du musst mir vom Telefon aus helfen." "Das kann ich nicht. Michael, darauf kann ich mich nie konzentriere und wenn ich was Falsches sage, fliegt ihr mit dem ganzen Laden in die Luft!" "Ja, ist ja okay. Beeilt euch, ciao! Frank? Mach, dass du hier rauskommst. Ich nehme hier gleich eins der beiden Kabel und schneide es durch." Entsetzt sieht er mich an. "Michael? Hast du 'nen Knall? Das ist purer Selbstmord!" "Ach, Frank, ich hab Lungenkrebs im Endstadium. Das bringt es nichts mehr. Also, hau ab!" Verdattert steht er auf. "Okay, wenn du meinst!" Endlich ist er verschwunden. Ich werde gleich das blaue Kabel nehmen. Wenn der Zeitzünder nur noch auf zehn Sekunden steht. Mittlerweile sind wir bei zwei Minuten angekommen. Gleich ist es soweit. Eine fifty-fifty Chance. Ich habe soweit alles geregelt. Ein paar Tränen laufen mir die Wangen hinab. Hoffentlich tut es nicht allzu weh und…"Michi!", werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Die Stimme kenne ich nur zu genau. "Alex! Was tust du hier. Hau ab. Wir fliegen gleich beide in die Luft!", fauche ich sie an. Ich will nicht, dass sie meinetwegen auch noch sterben muss. Sie strahlt mich an. In ihren wunderschönen braunen Augen bilden sich kleine Tränchen. "Michi, du hast kein Krebs. Das war ein riesen Missverständnis!", erklärt sie plötzlich. Ungläubig sehe ich sie an. "Was? Woher weißt du überhaupt davon?" "Ist doch jetzt völlig egal!" Sie geht neben mir in die Hocke und kommt näher an mich heran. Ich lege meinen freien Arm, der nicht die Zange am Kabel hält, um sie. "Warum bist du denn gekommen, Alex? Jetzt fliegst du mit mir in die Luft." "Egal, dann sterbe ich wenigstens noch mit dir zusammen. Ohne dich könnte ich sowieso nicht leben!" Langsam sehe ich sie an. "Michi, jetzt schneit durch!", zetert sie. Sieben Sekunden noch. "Was denn, rot oder blau?" "Blau!" "Okay." Ich kneife die Augen zusammen und spüre noch, wie sie ihr Gesicht an meiner Schulter vergräbt und schneide dann. Ein paar Sekunden verstreichen, in denen nichts passiert. "Boah, ein Glück. Wir haben's geschafft!", meint sie und steht auf. Ich erhebe mich ebenfalls, mein Herz rast. Nicht vor Angst, sondern vor Glück. Alex hat erst vor ein paar Sekunden gesagt, dass sie mich liebt! Dicht stehe ich vor ihr. "Ja, wir haben's geschafft, mein Engel!", flüsterte ich und ziehe sie ziemlich selbstsicher zu mir herüber. Dann küssen wir uns. Alex' Lippen sind so weich und passen perfekt in meine. Das ist so ein irres Gefühl. Ihre Arme wandern vorsichtig um meinen Nacken und auch ich ziehe sie während des Kusses fester in meine Arme. Langsam tastet ihre Zunge sich voran und liebkost erst meine Lippen, bevor ich diese öffne, um diesen wunderschönen Kuss zuzulassen. Mein Herz schlägt gegen ihre Brust, ihres gegen meine. Wir werden durch ein Räuspern unterbrochen. "Tut mir leid euch stören zu müssen, aber ihr solltet langsam mal hier raus, das Bombenkommando ist da und die wollen das Teil wegbringen und zweitens gibt’s echt schönere Plätze für den ersten Kuss und weitere. Also kommt, ihr Zwei!", meint Gerrit. Verlegen lächeln Alex und ich uns an. "Ich liebe dich, Michi!", flüstert sie, während wir rausgehen. Ich küsse sie schnell und flüstere: "Ich dich auch, mein Schatz!" Draußen stehen wir alle total happy zusammen. "Boah, Michael. Jag uns nie wieder so einen Schrecken ein!", lacht Gerrit. Ich nicke und Alex küsst mich zur Bestätigung. "Na ja, wie auch immer Leute, ich habe jetzt das dringende Bedürfnis mit meinem Sohn zu sprechen."