Am Horizont tauchte, recht schnell, wie es sich bei einem Dampfschiff versteht, das Land auf, wie eine Schildkröte, deren unebener und nahezu zerklüfteter Panzer aus dem blauen, spiegelglatten See emporstieg und sich so zu einem kleinen Felsen erhob. Der Kragen der Uniform glatterte ein wenig im Wind; das Schiffchen, welches ein wenig schräg auf dem Kopf saß, blieb jedoch trotz des Windes an seinem vorbestimmten Platz. Er trug nicht die typische Matrosenuniform, bei weitem nicht. das einzige was ihn als einen Matrosen hätte auszeichnen können war eben dieses Schiffchen, von schwarzer Farbe (was widerum unüblich war, denn gewöhnlich waren sie dunkelblau, wie das aufgewühlte Meer im Sturm, ebenso wie die Uniform der Matrosen) und aus festem, schwarzem Baumwollstoff. Als er sich mit der Hand durch das Gesicht wischte, bildete sich auf seiner, nur leicht gebräunten, Haut ein dunklegrauer bis schwarzer Streifen, der sich über eine Wange zog. Ein Gemisch aus Ruß, Kohlenstaub und dem normalen Staub, welcher sich während ihrer Landgänge im Maschinenraum gesammelt hatte; das alles lagerte sich nun auf seiner haut ab, hinterließ Spuren. Spuren seiner Arbeit, der Arbeit fernab des Lichtes desTages, welches nicht einmal durch ein kleines Bullauge den Weg in den Schiffsbauch fand, zwischen alle jene Maschinen. Mindestens 8 Stunden am Tag hatte er im Maschinenraum gestanden, im künstlichen Licht der Lampe, nur in Gesellschaft einer Maus, die gelegentlich vorbeihuschte oder auch kurz innehielt und ihn bei seiner Arbeit begutachtete. Vermutlich hielt sie ihn einfach für ein großes Tier, vielleicht ein Raubtier, doch er warf ihr gelegentlich ein Stück Obst, welches er auf seinem landgang erworben hatte,hin, welches sie schnell mopste und damit in den Weiten des Maschinenraums, zwischen all den Rohren, verschwand, während er weiter arbeitete. Meistens hatte er sein Schiffchen abgenommen, um es nicht zu verlieren oder verdrecken, und er hatte auch stets darauf gewartet, dass sie sich irgendwann ein Nest darin baute; eigentlich war es wider der Schiffsordnung, die Uniform (ausser auf Befehl) nicht komplett zu tragen, doch war er nie getadelt worden, da er jenes Schiffchen sobald er auf Deck war trug. Es hatte ihm nur ein Mal Ärger bereitet, als ein junger Spund, welcher noch recht neu an Bord war, ihn für einen blinden Passagier gehalten hatte und von Bord werfen wollte, um alls den Ruhm einzustreichen - immerhin wurde soetwas reich belohnt und hoch angesehen. Die Kameraden hatten ihn gerade noch eben aufhalten können, und genau dieser Vorfall war es auch, der dazu geführt hatte, dass er eine dunkle Uniform, ein wenig an die der Matrosen angelehnt, erhalten hatte. Natürlich ohne den typischen Kragen, denn das wäre zu gefährlich, wenn er an den Maschinen arbeitete, immerhin hätte er sich verhedddern und, als Folge dessen, strangulieren können. Er trug jedoch die typischen Streifen auf Ärmelbündchen und Hosensaum, damit man ihn eindeutig als Teil der Besatzung erkennen und identifizieren konnte. Das Land war fast greifbar. Er lächelte leicht, ein wenig glücklich. Diese Erinnerungen stimmten ihn glücklich, so glücklich, dass er sich immer wieder gerne daran erinnerte, selbst an die negativen Vorfälle; meistens holten ihn diese Erinnerungen kurz vor dem Heimathafen ein, wen sie ihrer Heimat immer näher kamen und jedem langsam klar wurde, dass sie sich nach dem letzten Appell für einige Zeit trennen und für eben diesen Zeitraum ein Leben jenseits der azurblauen Wellen des Meeres führen würden. Sie alle empfanden dabei eine Mischung aus Glück und Trauer, wieder bei Familie und Freunden zu sein, die fernab der Seefahrt lebten und nur durch ihren Verwandten oder Freund irgendwie mit ihr in Berührung kamen. Der Appell folgte, und die Matrosen stellten sich in einer Reihe auf, wie gewohnt. Er stellte sich dazu, gewohnter Weise, und so lauschten die den vorerst letzten Worten ihres Kommandanten, der ihre Arbeit lobte, während ihre Krägen im Wind flatterten. In jenem Moment war ihnen allen eines klar: Sie waren angekommen in der Heimat, wieder zu Hause. Am Kai standen ihre Familien, voll freudiger Erwartung, ihre Seefahrer wieder in die Arme schließen zu können. Er nahm, wie die anderen, seinen Seesack auf die Schultern und ging dann langsam mit ihnen von Bord. Sie hatten verabredet, sich heute Abend noch in ihrer Stammkneipe zu treffen, um mit anderen ihrer Sorte Erfahrungen und Erzählungen austauschen zu können, doch vorerst zählten ihre Familien. Als er den ersten Fuß aufs Land setzte und seine kleine Tochter sah, wie sie auf ihn zurannte um ihn endlich wieder in die Arme zu schließen, vergrößerte sich das Lächeln auf seinem Gesicht. Seine Frau beobachtete die beiden aus einiger Entfernung, ebenfalls glücklich. Und als seine kleine Tochter sich das, für ihren Kopf eindeutig zu große, Schiffchen auf die blonden Locken setzte und sich mit einem fröhlichen Lachen in seine Arme und somit gegen seine Brust warf, wusste er, dass er wirklich zu Hause war.... bis er die See erneut vermisste.