So, wieder mal eine Kurzgeschichte von mir ... Bin gespannt, wie sie euch gefällt!
Berufsrisiko
„Der Kerl ist zu allem fähig, passt bloß auf.“ hatte der SEK-Leiter ihnen während der Einsatzbesprechung mehrmals eingebläut, obwohl es ihnen eigentlich bereits klar war. Laut der ersten Kollegen, die am Tatort waren, hatte er zu beginn des Überfalls einen der Angestellten erschossen und die anderen als Geisel genommen, als er bemerkt hatte, dass die Polizei alarmiert worden war. Zuerst war auch alles nach Plan gelaufen, aber dann: Als eigentlich alles schon beendet schien, schnappte sich der Täter Alexandra und bedrohte sie. Er drückte ihr seine Waffe an die Schläfe und wirkte zu allem entschlossen, wenn sich das SEK nicht augenblicklich zurückzog. Da die Beamten nicht sofort reagierten wurde der Täter immer nervöser und schien ernst machen zu wollen und der Druck, den er mit der Waffe auf Alexandras Schläfe ausübte verstärkte sich. So dass der erfahrenen Kommissarin klar wurde, das diese Situation nun endgültig aus dem Ruder zu laufen schien. Angst und Panik keimten in ihr auf. Verzweifelt sah sich zu ihren Kollegen. Gerrit und Michael sah sie, beide starrten sie nicht minder geschockt an. Doch sie konnten ihr im Moment nicht helfen, selbst ein Schuss auf den Geiselnehmer war nicht möglich, da er die Kommissarin so vor sich gezogen hatte, dass sie sein Schutzschild bildete. Alexandra sah sich weiterhin um, soweit das möglich war. Wo war ihr dritter Kollege, Robert? Sie versuchte sich den Einsatzplan ins Gedächtnis zu rufen und sich zu erinnern, wo er eingesetzt worden war. Warum sie das tat wusste sie selbst nicht, wahrscheinlich um sich an einen letzten Hoffnungsfunken zu klammern. Aus ihren Gedanken wurde sie plötzlich heraus gerissen, als ein Ruck durch den Geiselnehmer fuhr, dieser zu taumeln begann und gleichzeitig ein Knall den Innenraum der Bank erfüllte. Sie spürte, wie der Mann, der sie eben noch gewaltsam festgehalten hatte nun seinen Griff lockerte, sie schließlich ganz los ließ und dann in sich zusammensackte. Die Kommissarin sah zu ihren beiden Kollegen, welche sofort auf sie zustürmten. Beide wirkten sehr erleichtert. Dann wandte sie ihren Blick um und sah ihren dritten Kollegen. Robert stand am anderen Ende des Raumes und hielt seine Waffe noch genau so, wie er sie gehalten hatte, als er den Schuss löste. Alexandra suchte seinen Blick, fand ihn jedoch nicht. Robert starrte auf den Mann, der am Boden lag und wirkte wie Hypnotisiert. Seine Umwelt schien der junge Kommissar nicht wahr zu nehmen. Die Kommissarin sah nun auch auf den Geiselnehmer und erkannte eine Schusswunde unterhalb des rechten Schulterblattes. Sie kniete sich hinunter und legte zwei Finger an seinen Hals, suchte nach seinem Pulsschlag, fand aber keinen mehr. Er war tot. Sie hob den Blick wieder und sah zu Robert. Nun trafen sich ihre Blicke, Robert hatte offensichtlich ihr Handeln verfolgt. Alexandra schüttelte nur den Kopf und sah noch, bevor Michael sie erreichte, dass Robert nun endlich seine Waffe sinken ließ. Seit dem Schuss war höchstens eine Minute vergangen und allmählich kam wieder Bewegung in die SEK-Beamten und Polizisten. Michael kümmerte sich um Alexandra, Gerrit koordinierte die weitere Beamte um den Tatort zu sichern und die SEK-Beamten machten sich nun daran die restlichen Geiseln, die in einem der Büros im hinteren Teil des Gebäudes eingeschlossen waren, zu befreien. Robert steckte seine Waffe wieder in das Holster an seinem Gürtel und starrte unentwegt auf den toten Geiselnehmer. Der junge Kommissar fühlte sich seltsam leer, er nahm alles wie durch eine dicke Glaswand wahr, alles, bis auf den Toten vor ihm. Er hatte abgedrückt, er hatte ihn umgebracht! Er hätte besser zielen müssen, hätte sich eine Sekunde mehr Zeit lassen müssen! Alex hatte seinen Puls überprüft, der Mann war tot! Tot durch ihn! Alex … würde sie noch leben, wenn er sich eine Sekunde mehr Zeit gelassen hätte? Aber der Mann war jetzt tot! Das hätte nicht passieren dürfen. Ohne dass jemand Notiz von ihm nahm verließ Robert das Bankgebäude und ging in die Richtung des geparkten Dienstwagens. Noch immer nahm er seine Umwelt nur bedingt wahr, kreisten seine Gedanken um den Schuss. Er hatte sich immer davor gefürchtet, immer hatte er Angst davor gehabt. Jetzt war es soweit. Er hatte jemanden erschossen, hatte ein Leben beendet. Selbstverständlich gehörte zur Ausrüstung eines Polizisten eine Waffe und natürlich musste man sie auch gelegentlich benutzen, das blieb nicht aus. Aber einen Menschen tödlich verwunden, dieses Gefühl wünschte er keinem! Der Kommissar erreichte den Dienstwagen und stieg ein. Einen Moment lang starrte er vor sich hin, immer wieder lief die Szene in seinem Kopf ab. Zwei SEK-Beamte und er waren durch den Hintereingang ins Gebäude gelangt. Sie schlichen durch die Gänge des Hauses, immer auf der Hut dem Geiselnehmer zu begegnen. So erreichten sie den Kundenraum, wo sich ihnen eine dramatische Szene bot. Der Geiselnehmer hatte seine Kollegin Alexandra in seiner Gewalt, forderte die anderen Beamten vor ihm auf, das Gebäude zu verlassen und wurde immer nervöser, als diese nicht reagierten. Robert hatte einen Blick in die Gesichter seiner Kollegen Gerrit und Michael erhascht, sie wirkten geschockt und ängstlich. Und auch ihm wurde klar, dass man mir diplomatischen Versuchen hier nichts würde erreichen können. So richtete er seine Waffe auf den Geiselnehmer und zielte auf dessen Schulter. Die beiden SEK-Beamten und er waren die einzigen, denen dies möglich war, ohne Alexandra zu gefährden, da sie hinter dem Geiselnehmer standen und dieser sie nicht bemerkt hatte. Erneut hatte er das Ziel überprüft und dann abgedrückt. Zwischen dem Schuss und seinem Eintreffen in dem Raum waren höchstens dreißig Sekunden vergangen. War das zu kurz gewesen? Die Kugel hatte ihr Ziel verfehlt, vielleicht hatte der Geiselnehmer sich zu sehr bewegt, oder er hatte im Abdrücken die Waffe verrissen. Robert wusste es nicht. Er hatte dann nur noch wahrgenommen, dass Alex sich zu dem Mann hinunterbeugte und seinen Puls überprüfte. Ihr kopfschütteln hatte ihn noch mehr in Trance versetzt. Hatte die Schulgefühle und Vorwürfe unerträglich groß werden lassen. „Verdammt!“ entfuhr es dem jungen Kommissar und er schlug mit der Faust auf das Lenkrad vor ihm. Der Mann war tot, er hatte zwar eine Bank überfallen und selbst einen Menschen getötet, aber so etwas hatte er nicht verdient. Er, 32 Jahre, nur vier Jahre älter als der Kommissar selbst, war nun tot. Robert startete den Motor des Wagens und fuhr los. Wohin sollte er? Egal, Hauptsache weg von hier. So wendete er und fuhr davon.
Armer Robert.... Der kann einem nur schrecklich leid tun... Mal eine andere Perspektive und die echt klasse geschrieben!!! Freue mich schon darauf wie es weiter geht!!!
„So, ich glaube das war’s“ sagte Gerrit, als er zu seinen Kollegen trat. „Alex, geht’s dir gut?“ „Ja, mir geht’s gut, das versuche ich auch Micha schon die ganze Zeit begreiflich zu machen.“ Antwortete seine Kollegin mit einem Blick auf Michael, der neben ihr stand und eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie selbst saß auf einem Stuhl, welcher im Vorraum der Bank stand. „Wo ist eigentlich Robert?“ stellte nun Michael die Frage in den Raum. „Also bei mir war er nicht.“ antwortete Gerrit. „Wie, bei dir war er nicht?“ wiederholte Alexandra und sah ihn an. „Hat sich niemand um ihn gekümmert?“ Ihre Kollegen schüttelten beide den Kopf. „Oh, man … der Arme. Wie habt ihr euch gefühlt, als ihr bei einem Einsatz mal einen Täter erschossen habt?“ „Oh man, wir sind so doof.“ sagte Michael und schlug sich die Hand vor den Kopf. „Es ist das erste Mal, dass Robert in so einer Situation ist, oder?“ fragte Gerrit vorsichtig nach, seine Kollegen nickten nur. Nun machte sich auch bei ihm das schlechte Gewissen breit und er sagte: „Na dann los, lasst uns Robert suchen, irgendwo muss er ja sein.“ Seine Kollegen stimmten ihm zu. So verließen sie die Bank und bemerkten, dass der eine Dienstwagen fehlte. Sie vermuteten, dass Robert mit diesem gefahren war und machten sich gleich mit dem anderen Wagen auf den Weg zum Büro. Sie hofften ihn dort zu finden.
Das hat aber bei denen gedauert, bis sie mal an Robert gedacht haben.... Aber wenigstens suchen sie ihn jetzt.... Hoffentlich finden sie ihn und können ihm helfen!!! Bin schon gespannt, wie es weiter geht!!!
Warum genau wusste er nicht, aber er war mit einigen Umwegen fast automatisch zum Büro gefahren. Dort hatte er geparkt und war in das Gebäude gegangen. Er hatte die Treppe nach oben genommen und stand nun vor der Bürotür. Robert öffnete sie und trat ein. Niemand befand sich darin, so setzte er sich auf Michaels Stuhl. Seine Waffe nahm er vom Gürtel ab und legte sie vor sich auf den Schreibtisch. „Mordwerkzeug.“ ging es ihm dabei durch den Kopf. Wieder starrte er vor sich hin und wieder lief die ganze Szene in der Bank vor seinem inneren Auge ab und wieder keimten die Schuldgefühle auf. Erst nach einigen Sekunden bemerkte er die Akte, die unter seiner Waffe auf dem Schreibtisch lag. Es war die Kriminalakte des Geiselnehmers. Robert schluckte. Er betrachtete das Foto, las dann den Namen und das Geburtsdatum. Dann aber durchfuhr ihn ein Schock, als er die folgende Zeile der Akte las. „Familienstand: verheiratet, 1 Sohn“ las es da. Er fühlte sich elend. Der Mann hatte eine Familie gehabt. Hatte eine Frau und einen Sohn. Er hatte also eine ganze Familie zerstört, einem Sohn den Vater genommen und eine Frau zur Witwe gemacht. Robert seufzte, stütze den Kopf auf die Hände und schloss kurz die Augen. Das Ganze wurde immer schlimmer und nahm allmählich Dimensionen an, die er nicht wusste, richtig zu tragen. Wie sollte er nur damit umgehen? So saß Robert eine ganze Weile reglos da und starrte vor sich hin. Immer wieder versank er in seinen Gedanken. Den toten Geiselnehmer sah er immer wieder vor sich. Er hätte nicht schießen dürfen, bestimmt hätte es eine andere Möglichkeit gegeben Alexandra zu retten. Oder nicht? Der Zweifel nagte an ihm und hatte keine Ahnung, was er jetzt denken oder tun sollte. Plötzlich öffnete sich die Bürotür und Michael, gefolgt von Alexandra und Gerrit traten ein. Wie lange saß er hier denn schon, wenn die drei jetzt auch schon kamen? Offensichtlich hatte er sein Zeitgefühl völlig außer acht gelassen. Robert hob seinen Kopf kurz und nickte ihnen zum Gruß zu, etwas sagen konnte er nicht. „Ihm scheint es schrecklich zu gehen.“ ging es Alexandra durch den Kopf. Sie ging auf Robert zu und nahm ihn kurzerhand in den Arm. „Danke Robert, ohne dich wäre ich vielleicht nicht mehr hier …“ sagte sie leise. Michael nahm auf den Sofa platz, Gerrit lehnte sich an den Schrank neben dem Fenster. Beide beobachteten Alexandra und Robert. „Danke Alex …“ Roberts Stimme klang belegt und brüchig. Er sah ihr in die Augen und konnte darin Dankbarkeit erkennen, was seinen inneren Konflikt noch verstärkte. Vielleicht hatte er sie wirklich gerettet aber um welchen Preis? Hatte es wirklich keine andere Möglichkeit gegeben? Alexandra löste die Umarmung und sah ihren jungen Kollegen an. Er tat ihr leid aber aus eigener Erfahrung wusste sie auch, dass niemand ihm jetzt wirklich helfen konnte. Alle guten Worte würden nichts bewirken. „Robert, du hast richtig gehandelt. Glaub mir, niemand hätte Alex anders helfen können.“ sagte nun auch Gerrit. Robert sah ihn an und sagte: „Wie kann das richtig gewesen sein? Der Mann ist tot! Ich hätte mir mehr Zeit lassen sollen, hätte besser zielen müssen … oder am besten gar nicht geschossen.“ „Du musstest schießen, es gab keine andere Möglichkeit. Der Geiselnehmer hätte eine Sekunde später vielleicht auch auf Alex geschossen – gezögert dies zu tun hätte er jedenfalls nicht, da bin ich mir sicher.“ Antwortete Gerrit darauf nur und dachte an diese Entschlossenheit in den Augen des Geiselnehmers, die ihm Angst um das Leben seiner Kollegin gemacht hatte. Robert seufzte und richtete den Blick wieder nach unten. Alles in ihm sträubte sich diesen Schuss als richtig zu akzeptieren und doch hatte Gerrit ja Recht. „Es ist … nein … ich fühle mich schuldig … der Mann hatte eine Frau und einen Sohn …“ stotterte er leise. Er wusste nicht, wie er das, was er fühlte ausdrücken sollte. „Du hast richtig gehandelt, Robert.“, ergriff nun Michael das Wort, „auch wenn es sich nicht so anfühlt. Der Geiselnehmer hatte bereits eine Geisel erschossen und es war davon auszugehen, dass er auch Alex etwas antut. Das du jetzt so fühlst ist völlig in Ordnung. Mensch, Junge, du hast das Herz am rechten Fleck, wir alle und du selbst auch, wissen, dass du den Mann niemals mit Absicht erschossen hättest. Natürlich ist es schwer mit so etwas fertig zu werden, mir ginge es nicht anders. Das ist die Schattenseite an unserem Beruf. Aber glaub mir, solange es dir so geht bist du ein guter Polizist. Ich habe Kollegen erlebt, die es völlig kalt gelassen hat, wenn sie in so einer Situation waren. Und das finde ich bedenklich, wenn man so abstumpft.“ Er sah seinen jungen Kollegen an, der nun den Kopf wieder gehoben hatte und ihn ansah. „Nimm dir Zeit um damit fertig zu werden. Niemand verlangt, dass du jetzt hier bleibst. Und wenn du mit jemandem reden möchtest, wir sind immer für dich da.“ Gerrit und Alex nickten. Robert lächelte leicht. „Danke.“ murmelte er. Einige Zeit später verließ Robert das Büro um nach Hause zu fahren. Mit der Hilfe seiner Kollegen hatte er den Staatsanwalt davon überzeugen können, die nun anstehende Befragung durch die Internen Ermittlung auf Morgen zu legen.
Sehr ehrliche Worte, die Michael von sich gibt!!! Hoffentlich nimmt Robert die Hilfe seiner Kollegen auch wirklich an! Mal sehen was die Interne Ermittlerin da raus jetzt macht...
Vielen Dank für eure Kommis ... Da dies eine Kurzgeschichte ist, ist sie nach diesem Teil zu Ende ... ich habe auf eine explizite Klärung des Falles verzichtet und das Ende eher offen gelassen ...
Vier Tage später stand er vor dem Grab des Mannes, der durch seine Kugel gestorben war. Der Gedanke daran behagte ihm immer noch nicht. Noch immer fühlte er sich schuldig und hätte das alles gern rückgängig gemacht. Die Interne Ermittlung hatte nichts ergeben. Er hatte sich, laut deren Untersuchung, richtig verhalten. „Richtig … Was war denn schon richtig?!“ Das was er getan hatte hielt er immer noch nicht dafür, würde es wahrscheinlich nie dafür halten. Er sah auf das Datum auf dem Grabstein. Diesen Tag würde er nie vergessen, nicht die Szene, in der sich alles abspielte, nicht das Aussehen des Mannes, nicht sein Schuldgefühl. Er seufzte. „Es tut mir leid.“ flüsterte er leise und starrte auf den Stein. Nach einigen Sekunden löste er den Blick, wand sich um und ging über den Kiesweg des Friedhofs in Richtung Ausgang.