Gestern Nacht beim Sortieren alter Blätter mit fast vergessenen Geschichten bin ich auf die Idee gekommen, ein paar der Ideen doch einfach mal aufzuschreiben. Sicher werden das keine Großprojekte, sondern kurze, knappe Stories (so um die 10 Seiten, denke ich jetzt mal ganz spontan). Die Ideen sind gute 10 Jahre alt. Viel Spaß bei Lesen.
Achtung, Steinschlag
Die Mitglieder des Außenteams marschierte über eine Hochebene eines namenlosen Planeten. Laut Scan von der Voyager gab es hier kein Leben. Keine humanoiden Lebewesen, Tiere, nur ein paar niedere Pflanzen, schlechte Luft, gerade so atembar und Steine. Dieser Planet war nichts, als ein riesiger Felsbrocken. Einige Crewmitglieder hatten ihn deshalb nicht ganz ernst gemeint auf den Namen 'Rocky' getauft. Da sie seit Wochen nirgendwo mehr Halt gemacht hatten, waren nahezu jedes Crewmitglied sofort bereit gewesen, mit auf Außenmission zu gehen. Und es war der Grund, warum sowohl der Captain des Schiffes, als auch der Erste Offizier dabei waren. Captain Kathryn Janeway hielt ihren Tricorder nach vorn gerichtet und blickte auf Anzeige. "Steine…" "Welch Überraschung", kommtentierte Commander Chakotay lächelnd. "Hatten Sie etwas anderes erwartet?" "Vielleicht ein wenig… Sand." Sie zuckte mit den Schultern und lachte leise. Ihr Blick traf den ihres ersten Offiziers. Seine braunen Augen funkelten, wie immer. Und wie so oft in den letzten Monaten jagte ihr dieses Funkeln einen Schauer über den Rücken. Schnell konzentrierte sie sich wieder auf die Tricorderanzeigen. "Vor uns gibt es ein Höhlensystem." Sie seufzte. "Wieso sind wir hier, Chakotay?" "Weil wir Forscher sind und neugierig", erklärte er ihr ruhig und nicht ganz ernst gemeint. "Das reicht mir nicht." Sie wischte sich über die Stirn. "Weil es in diesen Höhlen ein Material gibt, was wir vielleicht nutzen können, um die Energie unseres Warpkerns noch ein wenig zu verbessern. B'Elanna rechnete mit einer Leistungsverbesserung von bis zu 20 Prozent. Das würde das Schiff zwar nicht schneller machen, aber widerstandsfähiger und es würde nicht mehr so viel Energie kosten, hohe Geschwindigkeiten über einen längeren Zeitraum zu halten." Chakotay atmete tief durch und sah Janeway fragend an. "Reicht das?" "Ja. Vielen Dank, Commander." "Dafür bin ich da", sagte er leise. Genau das war seine Hauptaufgabe. Diese Frau zu unterstützen, wenn sie mal eine Schwächephase hatte, ihr zu helfen, das Schiff nach Hause zu fliegen, ihr beizustehen. Seit er auf der Voyager war, hatte er nichts anderes getan. Janeway sah sich um. Das Außenteam lief weit gefächert, alle hatten Tricorder in der Hand. Der Himmel hatte eine trübe Färbung, eine Mischung aus mittelbraun und orange. Eine Sonne sah man nicht, Wolken genauso wenig. Die Temperaturen lagen bei ungefähr 15 Grad, was für eine Wanderung ganz angenehm war. Janeway tippte ihren Kommunikator an. "Tuvok, können Sie mich hören?" Es rauschte, dann meldete sich der Vulkanier, der im Moment das Kommando über das Schiff hatte. "Schlecht, Captain. Das Metall in den Höhlen scheint die nicht nur das Beamen zu verhindern, wie wir befürchtet hatten. Wir verlieren nicht nur die Kommunikation zum Außenteam sondern auch Ihre Signale." "Wir gehen weiter und sehen uns die Höhlen an. Wenn es zu umständlich ist, das Metall abzubauen, hat es eh keinen Sinn, es zu versuchen. Wir melden uns in vier Stunden wieder." "Aye, Captain", sagte der Sicherheitsoffizier. Janeway sah Chakotay an. "Damit sind wir wohl auf uns gestellt." Der Mann blickte sich um. "Was hier auf diesem Felsbrocken wohl heißt, dass wir einsam sind, mehr aber auch nicht." Sie gingen weiter, wo sich in einiger Entfernung eine gähnende Höhle zeigte, die tief in den Felsen hinein reichte.
Über zwei Stunden waren sie jetzt schon in den Höhlen unterwegs. Es gab einen Hauptgang und von dort aus unzählige Abzweigungen. Die Gänge waren etwas über zwei Meter hoch. Ob sie natürlich waren oder künstlich angelegt, konnte man nicht mehr feststellen. Wenn eine Zivilisation sie irgendwann einmal künstlich angelegt haben sollte, musste das schon Jahrhunderte her sein. "Die Tricorder funktionieren nicht mehr richtig, Captain." Chakotay trat neben Janeway. "Dieses Metall ist… merkwürdig. Ich denke nicht, dass wir es an Bord brauchen können. Es stört unsere ganzen technischen Geräte." Sie hatten kleine Gruppen gebildet, die beiden Führungsoffiziere wollten sich eine Höhle ansehen, die relativ weit im Inneren des Bergmassivs lag. Sie nickte leicht. "Vielleicht haben Sie Recht." Ihr Blick war ein wenig enttäuscht. "Schade eigentlich. Aber nun ja. Wie sagten Sie so schön, wir sind Forscher. Und als solche muss man auch mal Rückschläge verkraften." Er nickte ihr aufmunternd zu. "Sehr richtig, Captain." "Schauen wir uns die Höhle noch an, dann können wir zurück zum Sammelpunkt und mit den anderen dann wieder hoch auf das Schiff." Schweigend folgte ihr Chakotay zu dem Vorsprung, von welchem man ihr Zielgebiet sehen konnte. Nach oben hin erstreckte sie sich über zehn Meter und bildete eine Kuppel von der spitze Stalagtiten hinab ragten. Unten, drei bis vier Meter unterhalb des Vorsprungs, auf dem die beiden Offiziere jetzt standen, erstreckte sich der Höhlenboden. Uneben und mit Felsbrocken bedeckt. Einige davon sahen aus, als wären sie erst vor kurzem von der Decke hinabgefallen. "Nicht sehr einladend." Chakotay blickte sich um, leuchtete mit seiner Taschenlampe, die mit Klettband an seinem rechten Arm befestigt war, die Höhle ab, die Wände und hoch zur Decke. Die Lampen waren zwar stark, aber sie reichten nicht bis nach oben. Die Schwärze gähnte ihn förmlich an. "Hier gibt es auch nicht mehr als draußen. Nur Felsen." Der Boden vibrierte leicht, es war als würde die Erde grollen. Kleine Steine lösten sich von der Decke und fielen nach unten. Die beiden Offiziere sahen sich ein wenig unsicher an. "Gehen wir wieder raus", sagte Janeway. "Vielleicht hat ja doch jemand etwas Interessantes entdeckt." Chakotay lächelte. Diese Frau gab einfach nie auf. Genau das liebte er so an ihr. Er schluckte. Mochte… er mochte es an ihr. Gemeinsam gingen sie wieder in den Gang, der zum Hauptweg führte.
Fähnrich Kim blickte schon eine Weile irritiert auf die Anzeigen, die er von den Sensoren erhielt. Er konnte damit nichts anfangen. Sie passten zumindest nicht zu den Erkenntnissen, die sie bisher erlangt hatten. Bis es zu spät war. "Lieutenant Tuvok", rief er aufgeregt. Der legte das Padd weg, welches er gerade gelesen hatte und erhob sich. Er ging zur Station des jungen Mannes und sah auf die Daten. Die Stimme von Kim verhieß nichts Gutes. Und bevor der Fähnrich ihm erklärt hatte, was los war, konnte er auch gleich selber nachsehen. Neben der Konsole blieb er stehen und sah sich die Daten an. Er zog eine Augenbraue hoch und tippte seinen Kommunikator an. "Tuvok an Janeway… Captain, hören Sie mich?" Nichts, nur Rauschen. Sie waren also noch in den Höhlen. "Lieutenant Paris, Sie haben die Brücke. Ich stelle ein Rettungsteam zusammen und beame mich auf die Oberfläche." Der Vulkanier verließ äußerlich ruhig die Brücke. Ein sehr, sehr aufmerksamer Beobachter hätte in dem glatten Gesicht und den ausdruckslosen Augen vielleicht eine Spur von Sorge entdecken können. "Harry, was ist los?" Tom Paris drehte sich auf seinem Navigatorenstuhl herum. "Es gibt starke, seismische Aktivitäten auf dem Planeten." "Ja, aber nur auf der Südhalbkugel. Unsere Leute sind weit im Norden." Kim schüttelte hastig den Kopf. "Nein. Da scheint sich unter dem Höhlensystem etwas zusammen zu brauen. Und wir können wegen der Störung des Funks das Außenteam nicht warnen." Tom murmelte etwas und machte ein besorgtes Gesicht. Harry nickte, auch wenn er den genauen Wortlaut nicht hatte verstehen können. Aber besorgt war auch er. Bei einem Erdbeben in einer Höhle herumzulaufen, war nicht das beste, was man tun konnte.
Instinktiv griff Janeway nach dem Arm ihres Ersten Offiziers, als der Boden unter ihren Füßen zu schwanken begann. Chakotay zog sie an sich und sah sich hektisch um. "Das zum Thema: Die Beben sind nur auf der Südhalbkugel." "Wir müssen hier raus." Janeway löste sich von ihm und wollte in Richtung Ausgang laufen. "Das ist zu weit, Captain. Wir müssen zu der Höhle zurück. Die Gänge sehen alles andere als stabil aus." Sie wollte protestieren, aber was Natur und Instinkt anging, war er eindeutig im Vorteil. Er fasste sie an der Hand und zog sie mit sich mit. Die Vor- und Nachteile dieser Entscheidung konnte sie auch beim Laufen abwägen. Steine brachen von der Decke und polterten auf den Boden. Instinktiv wich Chakotay den Brocken aus, zog Janeway dabei mit sich mit. Seine Schuhe knirschten auf dem Boden, er stolperte mehrfach, konnte sich aber abfangen. Vor sich sahen sie den Eingang zu der Höhle im Licht ihrer Taschenlampen auftauchen. Sie rannten schneller. Janeway stolperte, doch Chakotay zog sie schnell wieder hoch. Er fragte nicht einmal ob sie sich verletzt hatte, das war jetzt völlig irrelevant, denn hinter Ihnen stürzte der Gang ein. Sie mussten in die Höhle, sonst würden sie hier verschüttet werden. Sie erreichten die Kante und sprangen die wenigen Meter in die Tiefe. Hinter ihnen rumpelte es, die Erde zitterte. Sie standen langsam auf und leuchtete mit ihren Taschenlampen herum, um nach einem einigermaßen sicheren Unterschlupf zu suchen. Dabei bemerkte Chakotay aus den Augenwinkeln einen Schatten über Janeway.
Tuvok und das Rettungsteam landeten auf dem Planeten und sahen sich um. Kurz nach ihnen materialisierte auch Tom auf der Oberfläche. "Der Doc schickt mich. Falls es Verletzte gibt." Der Pilot half dem Doc, wenn es nötig war. Das medizinisch-holografische Notfallprogramm war nun mal nur ein Hologramm und damit an die Krankenstation gefesselt. "Dann los." Tuvok nickte. Die Erde bebte und machte das Laufen schwierig, aber hier auf der Ebene konnte nicht viel passieren, auch wenn sich hier und da Risse im Boden bildeten. Das Rettungsteam kam zügig voran, auch wenn sie wussten, dass es über eine Stunde dauern würde, bis sie die Höhlen erreicht hatten. Sollte es Verletzte geben, musste man sie hierher zurück bringen, damit sie an Bord des Schiffes gebeamt werden konnten.
"Vorsicht, Kathryn." Janeway erhielt einen Stoß und landete unsanft auf dem Boden. Sie schürfte sich die rechte Gesichtshälfte ein wenig auf und hörte im selben Moment hinter sich einen dumpfen Aufschlag und den Schmerzenschrei ihres Ersten Offiziers. "Chakotay", rief sie erschrocken und wollte sich hochstemmen, aber der Boden bebte so heftig, dass sie sich nur flach hinlegen konnte. Natürlich hatte er sie weggestoßen, um ihr zu helfen. Er nannte sie immer nur dann Kathryn, wenn er um sie besorgt war. Und wenn sie jetzt so darüber nachdachte, war er das ziemlich häufig. Sie schluckte, ihr Gesicht brannte wie Feuer. Erneut versuchte sie, sich aufzurichten, konnte sich zumindest soweit hochstemmen, dass sie den Kopf drehen und nach hinten blickten konnte. Chakotay lag verkrampft auf dem Boden und stöhnte leise. Auf seinem linken Bein lag ein Felsbrocken. "Chakotay", flüsterte Janeway erschrocken. Er hob langsam den Kopf und sah sie an. Trotz der Schmerzen warf er ihr ein aufmunterndes Lächeln zu und sie hätte am liebsten aufgeschrieen. Dieser Mann war einfach unglaublich. Er hatte ihr, mal wieder, das Leben gerettet. Hatte sich dabei, mal wieder, selber Verletzungen zugezogen. Und er machte sich nur Sorgen, wie es ihr ging, mal wieder. Sie senkte beschämt den Kopf. Dieser Mann war viel zu gut für sie. Als das Beben nachließ, kroch Janeway zu ihrem Ersten Offizier und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er lag immer noch auf dem Bauch, den Kopf auf dem Boden. Sie kroch weiter zu dem Stein und stemmte sich dagegen. Zum Glück war er so uneben, dass er leicht wegzurollen war. Viel Kraft hätte sich auch nicht gehabt, dazu war der Schreck viel zu groß. Ihr ganzer Körper schien zu zittern. Chakotay stöhnte auf und presste das Gesicht gegen seinen Arm, als die Last von seinem Bein rollte. Als Janeway ihn fragte, wie es ihm ginge, murmelte er leise: "Gut." "Sie werden schon genauso wie ich", tadelte sie ihn. "Lassen Sie das bleiben, es ist nicht gut." Sanft strich sie ihm über den Kopf und den Rücken. Ein wenig überrascht hob er den Kopf und sah sie an. Sein Gesicht war nass und Tränen schimmerten in seinen Augen. Er musste unheimliche Schmerzen haben. "Mein Bein tut weh", gab er zu. Janeway nickte und leuchtete mit der Lampe an seinem Körper entlang. Die Uniform war zerrissen, Blut lief auf den Boden. "Ich lass mal jegliche Untersuchungen sein. Es sieht nicht so gut aus." Sie zögerte und setzte sich neben ihn. Mit der Lampe leuchtete sie um sich herum. "Sie haben mir das Leben gerettet, Chakotay. Nicht zum ersten Mal." Er zuckte leicht mit den Schultern. "Reiner Reflex." Wieder stahl sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. "Was ist mit dem Höhleneingang?" "Der ist dicht. Die Decke ist eingebrochen. Außerdem kommen wir den Vorsprung nicht hoch. Also… Sie kommen den Vorsprung nicht hoch." "Dann gehen Sie allein. Vielleicht können Sie mit dem Phaser…" "Nein." Janeway war erschrocken, wie laut sie gesprochen hatte. "Nein", wiederholte sie leise und legte ihm wieder eine Hand auf den Rücken. "Ich lasse Sie sicher nicht allein hier, Chakotay. Wenn es noch ein Beben gibt…" Sie schwieg. Was sollte sie ihm sagen? Dass sie lieber hier mit ihm starb, als ihn allein zurück zu lassen? Das klang extrem kitschig, auch wenn sie fühlte, dass es die Wahrheit war. "Sicher hat die Voyager das Beben mitbekommen. Sie werden uns retten." Chakotay nickte, aber sein Gesicht zeigte, dass er Einwände hatte. Als sein Captain ihn fordernd ansah, seufzte er leise. "Wenn die gesamten Gänge eingestürzt sind, brauchen sie Wochen, um uns zu finden. Und hier drin gibt es weder Nahrung noch Wasser." Schweigend sahen sich die beiden Offiziere an. Janeway fluchte innerlich. Chakotay hatte natürlich Recht. Aber wieso ging er immer vom Schlimmsten aus? Sicher waren nicht die ganzen Gänge eingestürzt. Man würde sie schon finden. "Wieso so pessimistisch?", fragte sie halb im Scherz und versuchte, ihn aufzumuntern. "Weil ich die Hoffnung längst aufgegeben habe", sagte er leise und ließ den Kopf wieder sinken. Die Schmerzen in seinem Bein hatten ihn ein wenig die Beherrschung seiner Worte und Gedanken verlieren lassen und er bereute den Satz im selben Moment. Aber er konnte ihn auch nicht zurück nehmen. Und er wusste, dass Kathryn Janeway genau wusste, dass er mit seinen Worten nicht ihre derzeitige Situation meinte, sondern ihre Beziehung zueinander.
Tuvok erreichte mit dem Rettungsteam den Eingang der Höhle, als sich die ersten Crewmitglieder hinaus schleppten. Sie unterrichteten den Sicherheitsoffizier, dass Teile der Höhlendecke eingestürzt waren. Nach und nach kamen immer mehr Leute, die meisten hatte leicht Verletzungen erlitten, Schrammen und blaue Flecken. Tom Paris versorgte die Leute gleich an Ort und Stelle und schickte sie dann zum Sammelplatz, von wo sie sich auf das Schiff beamen lassen konnten. "Der Captain und der Commander fehlen noch", sagte Tuvok und blickte wartend auf den Höhleneingang. "Sie sollen in einem Gang weiter südlich gewesen sein. Ich gehe rein und sehe nach. Sollte ich in zwei Stunden nicht hier sein, schicken Sie ein komplett ausgerüstetes Rettungsteam hinterher. "Ich komme mit", sagte Paris schnell. "Falls die beiden verletzt sind." Tuvok nickte und ging vor. Der Rest des Teams würde draußen warten. "Die Wände und die Decke sehen alles andere als stabil aus, jetzt nach dem Beben." "Ich fürchte, dass sie auch vorher nicht besser ausgesehen haben, Lieutenant Paris. Wir sollten hoffen, dass es kein weiteres Beben dieser Stärke gibt." Paris sah sich unruhig um. "Dieser Hoffnung schließe ich mich gern an."