Hi, liebe Leser. Hier habt ihr ´ne kurze Idee. Ich habe die Story in 2 Tagen zusammengeschrieben und werde sie irgendwann, wenn ich Zeit und Lust habe, noch auf eine normale Länge ausarbeiten, mit Vorgeschichte und so weiter. Momentan ist es nicht mehr als der Kern, den ich aufgeschrieben habe. Aber da es eine in sich doch abgeschlossene Story ist, dachte ich, ich stell sie euch mal zum Lesen hier rein.
Flugstunden
Gähnend streckte sich Florian und blickte aus dem Fenster. Unter sich sah er Wolkenfelder, also waren sie noch nicht im Landeanflug auf München, so wie er es eigentlich erwartet hätte, nach seiner inneren Uhr. Normalerweise hatte er sein Zeitgefühl besser im Griff. Er zuckte kurz mit den Schultern und blickte sich in der Maschine um. Zwei Stewardessen liefen herum, eine von ihnen wirkte ein wenig schüchtern. Sie hatte lange, dunkle Haare, einen südeuropäischen Teint und sah sehr jung aus. Florian vermutete, dass sie zum ersten Mal flog oder einfach noch nicht sehr oft geflogen war. Eine andere Stewardess flüsterte ihr immer wieder Dinge zu, woraufhin die junge Frau hastig nickte und sich dann schnell in Bewegung setzte. "Na? Ausgeschlafen?" "Nein." Er blickte seinen Sitznachbarn an. "Ich will Urlaub", beklagte er sich nicht ganz ernst gemeint. Kai, sein Kollege, lachte. "Hast du doch schon. Das letzte Rennen ist vorbei, wir sind auf dem Weg nach Hause, alles paletti." Erneut gähnte der Moderator und blickte aus dem Fenster, als ein leichter Ruck durch die Maschine ging. Einige Mitglieder des Teams blickten ein wenig verwirrt hoch. Da die Männer in der Business Class flogen, sahen sie auch den Uniformierten aus dem Cockpit stürmen und in der Bordtoilette verschwinden. Florian zog eine Augenbraue hoch. "War das nicht der Pilot?" Kai zuckte mit den Schultern. "Der Uniform nach zu urteilen, ja. Vielleicht wird ihm schlecht beim Fliegen." Gleichgültig blickte er wieder in sein Buch. Florian fand einen kalkweißen, schweißüberströmten Piloten nicht sehr vertrauenserweckend und stand deshalb auf. Er ging in die Bordküche zu den Stewardessen und erkundigte sich nach dem Befinden des Mannes. Eine Frau in seinem Alter mit kupferrotem Haar beteuerte, dass der Mann sicher okay sei und gleich zurückkommen würden. Sie seien ja fast in München. Florian war das nicht genug und er bat eine der Stewardessen, doch mal nach dem Mann zu sehen. Diese kam eine Minute später leichenblass zurück und erzählte mit sich überschlagender Stimme, dass der Mann bewusstlos auf der Toilette hing. "Mir schwant Übles", murmelte Florian und schob die Frau vor sich her zum Cockpit. "Machen Sie auf." "Das darf ich nicht. Es ist Passagieren strengstens verboten, das Cockpit zu betreten." Die rothaarige Stewardess, die wohl von den Frauen an Bord auch das meiste zu sagen hatte, sah ihn empört an. "Ich setz mich sofort wieder ruhig auf meinen Platz, wenn ich sehe, dass der Co-Pilot in Ordnung ist." Er sprach mit ruhiger leiser Stimme, deutete aber ein wenig ungeduldig auf die Tür. "Bitte." Die Frau gab sich geschlagen, vor allem weil sie eigentlich genau denselben Wunsch hatte. Sie öffnete die Tür zum Cockpit. Hier hing der Co-Pilot in seinem Sitz, bleich, verschwitzt und mit halb geschlossenen Augen. "Mein Gott…", hauchte sie. Florian zog ihn aus dem Cockpit, blickte kurz auf die Amaturen und atmete tief durch. Er nahm sich das Funkgerät, meldete einen Notfall und teilte dem Tower in München mit, dass die Maschine momentan ohne Piloten aber mit Autopilot flog. Dort versprach man, sich sofort um einen freien Luftraum zu kümmern. "Was.. Was tun Sie da?", fragte die Frau und blickte an Florian vorbei, als der den Kopfhörer wieder weglegte. "Ich habe nur unsere derzeitige Situation durchgegeben, wie man das üblicherweise macht. Das sollten sie aber eigentlich wissen." Sie senkte den Kopf und murmelte leise: "Ja, schon… Ich habe da gar nicht dran gedacht." "Schon gut", sagte Florian und strich ihr leicht über die Schulter. "Kommt wahrscheinlich nicht so häufig vor, dass beide Piloten ausfallen, mmm?" "Nein. Das sollte überhaupt nicht passieren. Dafür gibt es ja Co-Piloten." Sie atmete tief durch. "Und jetzt? Ehrlich gesagt, ich bin im Moment ein wenig durch den Wind, was natürlich die anderen Passagiere nicht merken sollten." Florian nickte. Das war eine gute Idee, es erst einmal niemanden merken zu lassen, aber in einem engen, abgegrenzten Raum wie einem Airbus war das auch ein Ding der Unmöglichkeit. "Jetzt bringen wir erst mal den Mann zu einem der Sitze und unterrichten die Passagiere, was hier los ist. Sie müssen es wissen." "Dann könnte Panik ausbrechen." "Das müssen wir riskieren. Die Leute sind doch nicht blöd. Panik hilft uns jetzt auch nicht weiter." "Ihr Wort in Gottes Ohr." Sie strich sich eine ihrer roten Haarsträhne hinter ihr Ohr. Die Stewardess zog mit Florians Hilfe den Co-Piloten von seinem Sitz und brachte ihn in die Business Class. Kai und Heiko kamen jetzt zu Florian und sahen sich den Mann besorgt an, der auf dem Sitz hing. "Was geht denn hier vor?", fragte Heiko entsetzt. "Kai, der Pilot ist in noch in der Bordtoilette. Holst du ihn bitte auch hierher?" Der Reporter tat es. "Wer fliegt die Maschine?", fragte er jetzt so laut, dass es alle in der Business Class mitbekamen. Die Passagiere tuschelten eh schon und reckten nervös die Hälse, um zu sehen, was vorn vor sich ging. Florian räusperte sich und sah die Menschen in dem Flieger an. "Momentan der Autopilot. Uns kann vorerst nichts passieren." "Nichts passieren?", fragte ein glatzköpfiger, dicker Mann und sprang von seinem Sitz auf. "Sind Sie wahnsinnig? Beide Piloten sind krank und Sie sagen, uns kann nichts passieren?" "Er hat gesagt, vorläufig und jetzt setzen Sie sich hin und halten Sie den Mund." Christian Danner fuhr den Mann wütend an. "Oder haben Sie eine Ahnung, wie man einen Airbus fliegt?" "N… nein", gab der etwas kleinlaut zu und setzte sich wieder. "Hast du der Flugsicherung Bescheid gesagt?", fragte er Florian. "Sicher. Die halten uns den Flugraum frei." Er hob die Stimme wieder. "Kann irgendjemand hier fliegen?" Allgemeines Kopfschütteln. Kai ging in Richtung Economy Class. "Ich unterrichte die anderen Passagiere von dem Zwischenfall und frage dort mal nach einem Piloten." Eine Frau stand auf und hielt den Reporter an. "Ich bin Ärztin." Sie sah sehr blass und geschockt aus, schien sich aber langsam wieder zu fangen. "Ich schaue mir mal die Piloten an. Vielleicht kriege ich raus, was los ist und kann ihnen irgendwie helfen." "Gute Idee, Frau Doktor…" "Gerber. Bettina Gerber." Sie ging nach vorn zu den zwei Männern und versuchte, mit ihnen zu sprechen. Alle Augenpaare der Passagiere waren auf sie gerichtet. "Schneller, schwacher Puls. Bewusstseinstrübung. Beidseitige einsetzende Lähmungen. Ich weiß nicht, was die Männer haben, aber fliegen können die beide nicht. Sie sind kaum ansprechbar." "Wir haben eine kleine Bordapotheke hier", sagte die rothaarige Stewardess. Sie stellte sich auch als Eileen, Chefstewardess an Bord, vor. "Vielleicht finden Sie da etwas, um ihnen zu helfen." "Das kann ich momentan nicht. Ich weiß nicht, was Sie haben." Die Ärztin murmelte leise vor sich hin. "Vielleicht eine Vergiftung oder sie haben sich mit einer Krankheit infiziert. Waren die beiden in Abu Dhabi?" "Ja", sagte Eileen. "Sie hatten Urlaub und sind nur eingesprungen. Gibt Extrageld, wenn man Flüge für Kollegen macht und Geld brauchen wir ja alle." Florian grübelte. "Waren sie allein oder war jemand vom Personal mit ihnen zusammen?" "Dorothea war bei ihnen. Zumindest den letzten Tag vor dem Flug." Sie rief ihre junge spanische Kollegin. "Hast du etwas gesehen? Haben sie etwas Besonderes gegessen oder so?" Florian sah, wie die Frau den Kopf senkte und leise sagte: "Nein." Ihre Stimme zitterte. "Sie lügen." Der Moderator trat vor die Frau, die ihm gerade mal bis zur Brust ging und hob ihr Kinn ein wenig unsanft hoch. "Was ist los? Was haben die beiden gemacht? Gesoffen? Drogen? Reden Sie schon, verdammt noch mal, das ist wichtig." "Nein, nein", sagte sie hastig. "Sie…" Ängstlich sah sie Florian an. "Sie waren tauchen", hauchte sie. "Heute morgen noch." Doktor Gerbers Kopf ruckte hoch. "Tauchen oder nur Schnorcheln?" "Tauchen, Frau Doktor." Sie stöhnte auf und erhob sich. "Dann kann ich nichts tun. Diese beiden Vollidioten waren heute morgen noch tauchen und wollten jetzt fliegen? Wenn wir das hier überleben, bring ich die zwei vor Gericht." Kai, der inzwischen aus der 2. Klasse zurück war, blickte sie verwirrt an. Dann nickte er verstehend. "Klar, der Druckunterschied. Der ist in einem Flugzeug noch schlimmer, nicht wahr?" "Ja. Die zwei hätten mindestens 24 Stunden warten müssen. Sie waren schlichtweg nicht diensttauglich. Und sie wussten das auch sehr genau." Florian zuckte mit den Schultern und blickte wütend auf die zwei verantwortungslosen Piloten. "Das nützt uns jetzt auch nichts. An Bord sind über 200 Menschen und wir haben keinen Piloten." Fragend sah er Kai an. "Oder?" "Nein. Und meine eine Helikopterstunde hilft hier auch nicht, da Helikopter und Airbusse soviel gemeinsam haben wie ein Auto und eine Pferdekutsche." Er seufzte und ließ sich auf seinen Sitz fallen. Auch die anderen Passagiere schwiegen betroffen. Niemand sagte etwas und zum Glück schien auch niemand Panik schüren zu wollen. Bleiche Gesichter, aufgerissene Augen, das sah Florian, als er über die Sitzreihen blickte. Viele der Menschen hatten Handys in ihren Händen. Aber niemand telefonierte. Viele Blicke blieben an ihm selber, an Kai und an der Ärztin hängen. Anscheinend hoffte man hier auf Hilfe. "Tja, Flo, dann bleibt es wohl an dir hängen", sagte Heiko schließlich. Kai hob den Blick und nickte dann leicht. "Spinnt ihr?", fragte der entsetzt. "Ich habe erst zehn Flugstunden hinter mir. Und nicht in einem Airbus." "Mag sein, Flo. Aber Tatsache ist: Du kannst fliegen." Entsetzt schüttelte der Moderator den Kopf und hob abwehrend die Hände. "Ihr habt einen Knall, beide. Ich kann vielleicht… vielleicht, diese Maschine am Himmel halten, wenn mir jemand per Funk hilft. Aber ich kann sie nicht landen. Landungen haben wir noch nicht durchgenommen." Kai zuckte mit den Schultern und holte sich aus dem Cockpit einen der Funkkopfhörer. Er setzte sich auf die Treppe und sprach mit dem Tower in München. Dort war inzwischen ein Krisenstab eingerichtet worden, aber niemand hatte eine Idee, wie man den Menschen an Bord helfen könnte. Es gab zwar Notfallpläne, aber hier griff keiner. Der Leiter, ein gewisser Herr Stegmann, schimpfte lautstark über die Piloten, aber auch das half im Moment nicht weiter. Kai seufzte und bat den Mann, selber nach einen Ausweg suchen zu dürfen, bevor man irgendwelche Schritte einleitete. Denn ihm war klar, dass man die Maschine nicht unbehelligt hier am Himmel herumfliegen lassen konnte. Im Notfall würde man sie einfach über unbewohntem Gebiet abschießen, wie man es bei entführten Maschinen auch tun würde. Zumindest stellte er sich das so vor. Da der Tower ihm freie Hand ließ, wies Kai Heiko an, die Handkamera und seinen Laptop ins Cockpit zu bringen. Hier schloss er sie an und funkte dann seinen Heimatsender an. Er wusste, dass er mitten in die Vorbereitung der Hauptnachrichten reinplatzte und wollte den Sender praktisch als Schaltzentrale nutzen, weil er mit mehreren Menschen reden musste. Nach einigem Weiterleiten seines Anrufs und dem Verbinden von seinem Headset mit dem Signal des Senders und der Kamera an Bord, hatte er schließlich Ulrike von der Groeben auf dem Bildschirm. Sie saß im Besprechungsraum des Nachrichtenteams von Kais Heimatsender und fühlte sich genötigt, den Anruf von Kai entgegen zu nehmen. "Ulrike, bitte stell jetzt keine Fragen, ich erkläre dir das alles später. Ich brauche Niki Lauda. Per Bild und Sprache. Schnell. Am besten noch schneller." "Ähm… ja, okay." Sie wies jemanden in Wien an, zu dem Ex-Rennfahrer nach Hause zu fahren und ihn vor eine Kamera zu zerren. "Das dauert ein paar Minuten. Was ist passiert?" Kai erklärte es ihr schnell und sofort schaltete sich Peter Kloeppel ein. Er ließ sich einfach ins laufende Programm schalten und erkundigte sich dann bei Kai nach der Lage an Bord. "Lage an Bord? Zwei bewusstlose Piloten, kein ausgebildeter Hobbypilot und über 200 Passagiere. Noch Fragen?" Peter schwieg kurz. "Was hast du vor?" "Ich? Nichts. Flo nimmt seit ein paar Wochen Flugstunden. Leider nicht auf einem Airbus. Aber ich kenne jemanden, der solche Maschinen fliegen kann." "Klar", sagte Ulrike. "Niki." "Genau. Er ist Flos Fluglehrer und…" "Sag mir, dass das nur ein Scherz ist und dass ihr so Quote machen wollt", hörte man plötzlich die Stimme von Niki Lauda. Kai stellte den Bildschirm so ein, dass er das Signal der Wiener Kamera auch empfangen konnte und nun beide Bilder sah. "Kai, das ist Wahnsinn. Flo macht sich zwar ganz gut bei seinen Stunden, aber er ist noch längst nicht soweit." Kai drehte den Kopf. Florian unterhielt sich mit der Chefstewardess und mit der Ärztin, aber die drei wirkten ziemlich ratlos. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Kamera zu. "Niki, Flo ist unsere einzige Chance. Es gibt hier an Bord keinen Piloten und er ist zumindest schon öfter ein Flugzeug geflogen." "Wie stehen seine Chancen", fragte Peter Kloeppel dazwischen. "Kann er so einen Airbus landen?" "Ein Flugschüler ohne Landeerfahrung soll einen Airbus landen? Seine Chancen stehen…" Niki schloss die Augen und nickte. "Seine Chancen stehen eins zu einer Million. Kai, das ist Wahnsinn. Hol ihn mir mal her." Erleichtert seufzte der Moderator. "Flo, komm mal bitte her." Er reichte ihm eines der Headsets. "Niki." "Niki", sagte Florian verzweifelt. "Ich kann das nicht." Der schwieg lange und blickte auf den Fernseher. "Du hast ein gutes Gefühl für die Fliegerei, Flo. Gib mir mal bitte die Daten der Maschine und dann gucken wir, ob du eine Chance haben könntest." "Aber…" "Die Daten. Nur die Daten." Florian seufzte und kletterte auf den Pilotensitz. Er las die Instrumente ab und gab Niki alle gewünschten Informationen. "Und der Tank ist noch halbvoll." "Das reicht für ungefähr zehn Stunden. Wir haben also alle Zeit der Welt." Seufzend lehnte er sich in seinen Sessel zurück. "Hör zu, Flo. Du bist der einzige an Bord, der überhaupt fliegen kann. Wenn du es nicht versuchst, werdet ihr alle sterben. Du hast also nichts zu verlieren." "Ich kann nicht landen…" "Pscht", unterbrach ihn der Österreicher. "Erst mal wirst du Fliegen lernen. Ich werde jetzt mit der Flugsicherung in Deutschland reden und wir werden dich umleiten. München ist mir zu gefährlich. Ich will, dass du nach Frankfurt fliegst und zwar per Hand. Dabei bekommst du ein wenig ein Gefühl für so eine Maschine. Ich werde dafür sorgen, dass ein Großteil der Rollbahnen geräumt wird, so dass wir in aller Ruhe Landungen üben können. Keine Sorge, Flo, ich bin bei dir und wir kriegen euch da schon runter." Florian zitterte und hatte vor Angst Tränen in den Augen, aber er nickte. "Okay. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig." "Beruhige dich erst mal etwas. Iss ein wenig, trink was. Und sagt den Passagieren Bescheid. Keine Handys an Bord, die Funkfrequenzen müssen frei bleiben. Ich kümmere mich hier zusammen mit deinem Sender um alles. Melde dich in einer halben Stunde wieder, okay?" "Okay. Over and out." Vorsichtig streifte Florian das Headset ab und blickte über die unzähligen Knöpfe und Schalter und Anzeigen und Hebel. "Das geht nie gut", murmelte er leise. "Das ist einfach Wahnsinn."
Langsam und wie in Trance ging Florian zur Bordküche, wo neben der Tür ein Sprechgerät hing, mit welchem die Stewardessen sonst Anweisungen an die Passagiere weitergaben. Er konnte kaum aus eigener Kraft stehen und lehnte sich deshalb gegen die Wand. Seine Beine waren wie Pudding und sein Hals war rau und kratzig vor Aufregung. Langsam glitt er mit der Hand zu dem Telefonhörer, der hier hing. Er nahm ihn herunter und glitt mit dem Daumen über eine Taste, die ihn auf die Lautsprecher im ganzen Flugzeug schaltete. Er hörte das leise Rauschen der Lautsprecher und sein eigenes schweres Atmen. "Liebe Mitpassagiere", sagte er leise, aber doch deutlich. Seine Stimme zitterte und er gab sich auch keine Mühe, das zu verstecken. "Mein Name ist Florian König und ich werde versuchen, die Maschine zu fliegen und später auch zu landen. Ich bitte Sie, angeschnallt auf Ihren Plätzen sitzen zu bleiben und Ihre Handys ausgeschaltet zu lassen. Sie wissen inzwischen, dass beide Piloten nicht mehr in der Lage sind zu fliegen und so wie es aussieht, bin ich mit meinen paar Flugstunden derjenige, der am ehesten eine Chance hat, die Maschine irgendwie halbwegs heil auf den Boden zu kriegen." Er seufzte und blickte in die Augen der Menschen, die er sehen konnte. Eine Mischung aus Angst und Hoffnung blickte ihm entgegen. "Ich habe noch nie eine Landung durchgeführt und ehrlich gesagt, habe ich saumäßig Angst, vorn im Cockpit überhaupt etwas anzufassen. Mein Fluglehrer und Kollege Niki Lauda meint allerdings, ich muss es versuchen." Viele der Menschen nickten sofort hastig. "Wenn jemand von Ihnen eine andere Idee hat, so möge er bitte zu mir kommen und sie mir mitteilen. Ich bin dankbar für alle Vorschläge. Wenn dem nicht so ist, bleiben Sie auf Ihren Plätzen und bleiben Sie ruhig. Ich denke, hier an Bord hat jeder Angst, aber Panik und Ärger können wir jetzt wirklich nicht auch noch gebrauchen. Bitte, reißen Sie sich zusammen, auch wenn es noch so schwer fällt. Ich verspreche, ich werde alles tun, was man mir sagt, um dieses Flugzeug heil runter zu bringen." Florian sah Kai, der nach hinten ging und die Zwischentür zur 2. Klasse öffnete. Dort saßen die Menschen ruhig und lauschten Florians Ansprache. Ein kleines Kind weinte und die Mutter hielt es tröstend im Arm. "Um Panik vorzubeugen, werde ich Ihnen jetzt sagen, was mein Lehrer mir empfohlen hat. Wir werden nicht in München landen, Niki meint, der Flughafen sei zu klein und schon zu nah. Seiner Meinung nach muss ich mich erst einmal daran gewöhnen, die Maschine zu fliegen, bevor ich versuchen kann, sie zu landen. Wir haben genug Sprit an Bord für ungefähr zehn Stunden. Deshalb werde ich das mit dem Landeversuch auch sehr ruhig angehen lassen. Wir fliegen nach Frankfurt und ich werde höchstwahrscheinlich mehrfach das Landen üben. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einige von Ihnen jetzt denken, das sei Unsinn. Aber Niki ist mein Fluglehrer und er ist seit Jahrzehnten Pilot und ich werde eher auf ihn hören als auf jemanden aus diesem Flugzeug." Florian stellte noch die Chefstewardess und die Ärztin mit Namen vor und bat die Menschen, im Fall einer aufkeimenden Panik, erst einmal mit diesen Leuten zu reden. "Andernfalls muss ich Kai losschicken, wenn jemand hier drin anfängt zu randalieren." Er hörte sogar ein paar Menschen leise lachen. Florian seufzte erneut leise und strich sich über die Stirn. "Ich wünsche uns allen Glück." Als er den Hörer wieder an die dafür vorgesehene Stelle hängte, applaudierten die Menschen. All diese ängstlichen Leute, die ihm ausgeliefert waren, wollten ihm so ein wenig Halt geben. Dankbar sah er sich um. Dann wandte er sich an die Stewardess. "Eileen, ich habe da so einen Tick beim Fliegen. Ich brauche eine Sonnenbrille und Kaugummis. Die Sonnenbrille nicht zu dunkel, am besten gelbe Plastik." "Ich werde mal bei den Passagieren rumfragen." Sie blickte den Moderator vertrauensvoll an. "Warum auch immer, Herr König, aber ich vertraue Ihnen. Keine Sorge, niemand erwartet von Ihnen Wunder, ich fürchte, viele hier rechnen mit ihrem Tod. Aber dass Sie versuchen, uns aus dieser Situation raus zu bringen, obwohl Sie selber Angst haben, gibt einem irgendwie ein sehr gutes Gefühl." Sie wies ihre Untergebenen an, ein wenig Essen und Trinken zu verteilen und deutete in die Küche. "Bedienen Sie sich einfach." Kai und Heiko traten vor Florian. "Was können wir tun?", fragte Heiko. "Hör du dich immer mal um. Ich muss einfach wissen, wie die Leute drauf sind. Und du, Kai…" Er blickte seinen Kollegen und Freund bittend an. "Sei einfach nur an meiner Seite." Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Hey, das ist doch klar. Ich komm mit dir nach vorn und halte dich davon ab, durchzudrehen. Kein Problem." "Pah", machte Florian und ging die kleine Bordküche. "Das denkst du." Er nahm sich ein Putensandwich aus dem Kühlschrank und aß es langsam. Dazu gönnte er sich eine Tasse Kaffee. So gestärkt begab er sich ins Cockpit der Maschine, wo sich in den nächsten Stunden sein eigenes Schicksal und das der anderen Passagiere entscheiden würde.
"Niki?", fragte Florian, als er wieder auf dem Pilotensessel saß und das Headset auf den Ohren hatte. "Bist du noch da?" "Natürlich, Flo. Ich bin hier. Der Luftraum über Süddeutschland ist dicht. Alle Maschinen werden sofort zur Landung gezwungen oder sind dabei, in eine Richtung zu fliegen, die mit euch nichts zu tun hat. Der Flughafen München ist unterrichtet, dass ihr dort nicht landen werdet, der Flughafen Frankfurt wird im Moment evakuiert. An der Ostseite gibt es einige Landebahnen und wir werden die Maschine dort runter bringen. Es gibt dort in der Nähe keine Gebäude oder Straßen, falls…" "Falls ich es vermassele, schon klar. Danke, Niki." "Nimm den Steuerknüppel, Flo. Fliegen kannst du inzwischen ganz gut. Du musst nur bedenken, dass der Airbus größer und schwerer ist. Er reagiert ein wenig träger." Florian sah sich die ganzen Instrumente an und ging mit Niki alles durch. Dann legte er seine Hände um das Steuer der Maschine. Auf Nikis Anweisung hin schaltete er den Autopiloten ab. Die Maschine sackte ein wenig nach unten, aber Florian fing sie sofort ab, das hatte er schon von Niki gelernt. "Wow…", sagte er nur, weil ihm nichts besseres einfiel. "Siehst du, ist wie mein kleiner Jet." "Da sitzen keine 200 Leute drin." "Vergiss die Menschen, Flo. Für dich als Pilot ist es unwichtig, ob da 2 oder 200 sitzen. Konzentriere dich aufs Fliegen." Eileen steckte den Kopf ins Cockpit und reichte Florian eine Sonnenbrille und eine Packung Kaugummis. "Einige der Passagiere meinten, sie sollen einfach nur rufen, wenn Sie was brauchen. Die Menschen sind Ihnen wirklich dankbar." "Okay, vergiss die Menschen dann halt nicht." Niki schüttelte leicht den Kopf. "Ein Wunder, dass sie alle ruhig sind." "Vielleicht sehen sie einfach ein, dass Panik nichts bringt", sagte Kai und riss die Kaugummipackung für Florian auf. "Hier." "Danke." Er schob sich einen in den Mund und setzte die Sonnenbrille auf. "Niki, ich habe mal eine Frage. Wo ist Frankfurt?" "Laut Radar fliegst du im Moment über München hinweg in nördliche Richtung." Florian blickte auf den Kompass. "Stimmt. Also das mit der nördlichen Richtung. Aber Frankfurt liegt doch nordwestlich." "Erinnerst du dich an unsere letzte Flugstunde?" "Flugzeuge kontrolliert absacken lassen." Florian nickte. "Ich soll unterhalb der Wolkendecke fliegen, damit ich sehe, wo ich bin?" "Richtig. Mach das mal allein. Du kannst eine Maschine sinken lassen, das hast du schon mehrfach getan. Du fliegst jetzt in einer Höhe von 8000 Metern. Geh runter auf 2000." "So tief?", fragte Kai erschrocken. "Natürlich. Ihr habt doch den Luftraum für euch. Und Florian kann sich wahrscheinlich besser an den Autobahnen orientieren als an irgendwelchen Koordinaten. Das habe ich ihm nämlich noch nicht beigebracht." "Okay…" Florian blickte wieder über die ganzen Apparaturen und schob dann das Steuer ein wenig nach vorn. Dabei nahm er gleichzeitig etwas Gas weg. Die Maschine ging runter, durchstieß nach einer Weile die Wolkendecke. Das war ein mulmiger Moment, bis man plötzlich Felder, Wiesen und Dörfer sehen konnte. Bei ungefähr 2000 Metern fing Florian die Maschine ab und blickte eine ganze Weile schweigend aus dem Fenster. "Da ist die Autobahn. Ich weiß jetzt, wo wir sind. Ein Glück, dass es so klar ist." "Pass beim Lenken auf, dass du die Maschine nicht so hochstellst. Weite Kurven fliegen, das ist ein Airbus." Niki schien ziemlich entspannt zu sein. Florian nickte und blickte zu Kai hinüber. Wenn er nicht so blass wäre, hätte man denken können, er sei hier nur ein Beobachter, den das alles nichts anging. Kai sah ihn an und erwiderte den Blick. Er rang sich sogar ein aufmunterndes Lächeln ab und ein kurzes Lob für Florians Flugkünste. "Danke." "Ich meine das ernst. Du fliegst sehr ruhig." "Da gebe ich Kai Recht." Nikis Handy klingelte und er ging kurz ran. Peter nutzte die Zeit, um kurz mit Florian zu sprechen. "Ganz locker bleiben, Flo. Du machst das schon." "Würdest du das auch sagen, wenn du hier oben wärst?" Er blickte auf den Bildschirm, wo der Nachrichtensprecher leicht den Kopf senkte. "Entschuldige. Aber ich wäre jetzt gern woanders und bin ein wenig gereizt." "Und immer noch viel zu höflich." Niki schüttelte mit dem Kopf. "Flo, wenn du schreien willst, dann schrei. Wenn du heulen will, dann mach das. Lass deine Gefühle raus. Das schlimmste wäre, wenn du in einen Schockzustand verfällst." Florian lauschte in sich hinein. "Eigentlich geht es mir gut", sagte er. "Ich bin nervös wegen der Verantwortung und habe Angst um mein Leben. Aber momentan fühle ich mich eigentlich recht sicher bei dem, was ich hier tue." "Schau mal in die Kamera." Florian tat dies. "Okay, du lügst nicht. Dann sei ein braver Flugschüler und bring die Maschine auf Kurs nach Frankfurt. Halt bei leichten Kurskorrekturen die Nase der Maschine ein wenig über dem Horizont und gewöhne dich einfach daran, so eine Maschine zu fliegen."
Während Florian sich damit abgefunden hatte, dass er jetzt der Pilot war, unterhielt sich Niki mit der Nachrichtenzentrale in Köln. Natürlich hatten sie die Sprechverbindung unterbrochen, damit Florian das nicht mitbekam. "Und, was meinst du, Niki?" "Er hat sich damit abgefunden, dass er die Maschine da runter bringen wird. Und er tut das, was er bei den Flugstunden auch immer getan hat. Er genießt das Fliegen und lernt." "Wie groß ist der Unterschied zwischen deinem Lernflugzeug und diesem Airbus?" Peter Kloeppel lehnte sich neugierig auf seinem Stuhl vor. Mittlerweile saß er im Nachrichtenstudio und hielt die Menschen auf dem Laufenden über den dramatischen Vorfall am Himmel über Deutschland. "So groß wie der Unterschied zwischen einem Auto und einem LKW. Fahren kann jeder einen LKW, wenn er ein Auto fahren kann. Vielleicht etwas holprig, vielleicht nicht immer direkt in der Spur, aber man kann ihn von A nach B bewegen. Aber einparken kann man nur mit viel Übung." "Oder wenn man einen Lehrer neben sich hat, der einem jeden Schritt erklärt." "Oder so, Ulrike. Das Problem ist, dass Florian nicht einparken soll, sondern Landen. Beim Landen eines Airbus kommt es auf absolute Präzision an. Er darf nicht zu schnell und nicht zu langsam sein. Er darf nicht zu hart runterkommen. Er muss den Flieger absolut gerade halten, die Nase dabei hoch, aber nicht zu hoch. Ich werde mit ihm einige Landeanflüge üben und vor dem letzten, dem endgültigen, wird er noch eine Runde fliegen und dabei das Kerosin ablassen. Wenn die Maschine dann beim Landen beschädigt wird, kann sie wenigstens nicht explodieren." Peter schwieg betroffen. "Womit rechnest du als sehr erfahrener Pilot, Niki?" "Es wird für Florian sehr schwer werden. Ich wünsche ihm, dass er eine gute Landung hinlegt, aber das ist unrealistisch. Ich rechne damit, dass die Maschine schräg aufkommen wird, mit einer Tragfläche über den Boden schrammt und sich dabei dann von der Bahn rutscht. Das würde viele Verletzte geben, aber wahrscheinlich keine Toten, wenn die Leute sich anschnallen." "Was, wenn Flo die Landung überhaupt nicht hinbekommt?", fragte Ulrike. "Was, wenn er einfach die Nerven verliert?" "Du meinst, wenn er wie ein normaler Mensch reagiert." Sie nickte. "Dann wird die Maschine auf den Boden prallen und zerbrechen. Das würde viele Tote geben. Ohne das Kerosin an Bord hätten aber die meisten doch noch eine Chance, zu überleben. Deshalb will ich, dass er es vorher ablässt." "Wenn er es an Bord behält, dann kann er aber noch mal durchstarten, wenn er merkt, dass er sehr schlecht runterkommt." Niki seufzte. "Das mag sein. Aber irgendwann muss er den Flieger landen. Er kann nicht immerzu üben. Er wird gegen 16 Uhr in Frankfurt sein, dann können wir maximal bis 18 Uhr Landeübungen machen. Dann wird es dunkel. Und im Dunkeln hat er keine Chance, weil er nicht nach Instrumenten fliegen kann. Er muss sich auf seine Augen und auf sein Gefühl verlassen. Und die anderen Menschen an Bord müssen das auch."
Heiko steckte den Kopf zur Tür herein und genoss eine Weile den Blick aus dem Cockpit. Dann sah er Florian an. "Und? Alles im Griff?" "Bis jetzt ja. Das Fliegen ist gar nicht so anders als bei den kleineren Maschinen. Wir sind auch bald in Frankfurt." Er warf Heiko einen Blick über die Schulter zu. "Was machen die Leute?" "Pechschwarze Witze reißen. Die Realität von Katastrophenfilmen durchdiskutieren. Viele wollen von mir wissen, was du flugtechnisch drauf hast und ob sie hoffen dürfen." "Hoffen? Ich will nicht sterben, Heiko. Und ich mache, was Niki mir sagt. Nur ob das letztendlich genug ist, kann ich auch nicht sagen. Fliegen kann ich den Vogel, aber ob ich das Aufsetzen hinbekomme, das ist meine größte Sorge. Wir werden den entscheidenden Landeanflug gegen 18 Uhr versuchen. Sonst wird es zu dunkel. Alles, was ich vorher mache, sind Übungen von Niki. Dinge, die mir beibringen sollen, wie diese Maschine auf bestimmte Aktionen von mir reagiert." "Okay, ich gebe das weiter. Braucht ihr irgendwas?" Kai grinste leicht. "Vier Flaschen Bier. Bring sie her." "Ähm, Kai…" "Heiko. Vier Flaschen Bier. Die kleinen. Geh schon." Florian sah Kai halb entsetzt, halb belustigt an. "Ich darf nichts trinken, wenn ich fliege." "Das sind 0,25 Liter Flaschen. Und außerdem, was sollen die machen? Dir den Flugschein abnehmen? Ach, moment… du hast ja gar keinen." Er grinste. "Du denkst zuviel." Heiko kam mit dem Bier wieder und reichte Kai einen Öffner, dann verschwand er nach hinten, um weiter mit den Passagieren zu reden. Florian wendete sich Niki zu, als Kai ihm das Bier in die Hand drückte. "Darf ich?" "Das eine, ja. Das andere könnt ihr trinken, wenn ihr unten seid. Und packt die Flaschen in den Sicherheitsbehälter neben Kais Sitz." Kai stieß mit Florian an und deutete nach vorn. "Da ist Frankfurt." Florian nickte und leerte seine Flasche in einem Zug. "Einmal über die Stadt, dann sind wir da." "Du kriegst gleich Besuch, Flo. Erschreck dich nicht." Niki hatte jetzt auch ein Headset auf dem Kopf. Sein Fernseher lief, der Telefonhörer lag neben seinem Handy. Verwirrt blickte Florian sich um, dann sah er plötzlich das Aufblitzen von Metall. "Ein Kampfjet? Niki…" "Ganz ruhig", sagte der Österreicher. "Der soll dich nur von oben beobachten, damit ich bei deinen Übungsanflügen sehe, wo du Fehler machst. Ich habe hier nur die Kamerabilder und da fehlten mir einfach die Details. Der will euch nichts." "Mich macht der nervös", schimpfte Florian, als der Pilot über ihn hinweg flog und sich dann seitlich von ihm hielt. Er konnte den Mann sehen, als der ihm zuwinkte und mit dem Daumen nach oben zeigte. Florian nickte leicht. "Flo, der kann euch nicht abschießen. Schon gar nicht direkt über Frankfurt." Der Moderator grübelte, als die Tür zum Cockpit aufgerissen wurde und Eileen keuchend hinein stürmte. "Der Kampfjet. Die Passagiere werden ganz nervös. Die denken, man will uns abschießen." Florian nahm sein Headset ab und setzte die Kopfhörer des Piloten auf. "Wo kann ich hier mit den Leuten reden?" Sie drückte einen Knopf am Kopfhörer und ging wieder raus. "Darf ich mal kurz um Ruhe bitten", verlangte Florian laut. Er wartete eine Minute, dann sprach er leise weiter. "Der Kampfjet draußen ist nicht von der Regierung geschickt worden, sondern von meinem Lehrer. Niki will ihn nur nutzen, um mich bei den Übungslandeanflügen besser beobachten zu können. Von unten geht das schlecht, also wird der Jet mal über uns fliegen, mal seitlich von uns, mal hinter uns. So kann er Fehler bei mir erkennen und gleich korrigieren. Der Jet tut uns nichts, er ist nur eine Hilfe." Er legte den Kopfhörer wieder weg. "Langsam glaub ich es selber." "Sehr gut", lobte Niki ihn, als er das Headset wieder aufhatte. "Siehst du den Flughafen?" "Ja. Aber das sind überall Flugzeuge." Florian wurde nervös. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. "Schau ihn dir in Ruhe an, kreise ruhig ein paar Runden über dem Gelände. Und geh weiter runter. Geh auf 1000 Meter. Such die Landebahnen im Osten. Dort stehen keine Flugzeuge, aber viele Feuerwehren und Krankenwagen." Florian tat, was Niki verlangte und kreiste zwei Runden über dem Airport, dann hatte er die Bahnen gefunden. Es sah nach viel Platz aus, was ihn ein wenig beruhigte. Er atmete tief durch, blickte in die Kamera und sagte dann leise: "Wenn wir uns jetzt vorstellen, ich wollte hier landen… was müsste ich dann tun?" Kai saß schweigend daneben und hörte zu. Er hörte Worte wie Höhenruder, Drosselklappe, Fahrwerk und so weiter. Er kannte auch die ungefähre Funktion all dieser Dinge, aber den Rest von Nikis Erklärung und die Zusammenhänge all dieser Technik bei einer Landung, die verstand er nicht. Er musterte Florian, der konzentriert zuhörte, während er weiter in einer langgezogenen Acht über dem Flughafen kreiste. Er nickte immer wieder, stellte Fragen. Es kam Kai vor, als säße er in einer von Florians Flugstunden. Und er war beruhigt, dass Florian dieses ganze technische Klimbim, was Niki erläuterte, zu verstehen schien. Ihm brannten tausend Fragen auf der Seele, aber nicht eine stellte er. Schweigend und nach außen hin gelassen, lehnte er in seinem Sessel und blickte nach unten. "Hast du das alles soweit verstanden?", fragte Niki nach ungefähr 20 Minuten. "Ja. Das haben wir ja teilweise schon in der Theorie durchgenommen." "Gut. Dann such dir jetzt eine der Bahnen aus und setzte einfach mal zu einer Landung an. Geh nicht tiefer als 500 Meter, gleite über die Landebahn und zieh die Maschine dann wieder auf 1000 hoch. Das Fahrwerk lässt du drin." "Okay." Florian fand, dass die Aufgabe gar nicht so schwer klang und er war sich sicher, dass er das auch konnte. Also tat er es einfach. Er blickte einmal kurz auf den Monitor des Laptops und sah, dass Niki sich einige Dinge notierte. Nach fünf Durchflügen bat er Florian, wieder zu kreisen. "Du hältst die Nase zu tief. Die muss höher. Bei den nächsten Versuchen gehst du auf 400 Meter runter und nimmst Gas weg, damit du praktisch über die Bahn schwebst. Und geh früher runter, sonst würdest du mit den Rädern erst unten ankommen, wenn die Landebahn zu Ende ist." "Okay." "Ansonsten sah das sehr gut aus. Pass auf, dass du die Flügel gerade hältst, wenn du tiefer als 500 Meter gehst." "Okay." "Dann los."
Eine Stunde verging. Florian übte es, die schwere Maschine ruhig nach unten zu bringen und wieder durchzustarten. Er lernte mit seinem ganzen Körper das Flugzeug zu fühlen, wenn es sich dem Boden entgegen bewegte und er verlor so auch die Angst vor der Bahn, wenn sie ihm entgegen kam. Der Kampfjet umkreiste den Airbus ruhig und verschwand dann, weil er tanken musste. Florian kam sich mit einem Mal sehr allein vor. Doch er konzentrierte sich wieder auf Nikis Anweisungen. "Jetzt nehmen wir das Fahrwerk mit raus." "Verbrauche ich dadurch nicht mehr Kerosin", fragte Florian besorgt. "Natürlich, ein wenig. Aber… " Niki schwieg kurz. "Florian, du wirst vor der Landung noch einmal hochgehen und das Kerosin ablassen. Es wäre einfach Wahnsinn, dich mit einem viertelvollen Tank landen zu lassen. "Aber… aber… wenn ich dann nicht richtig…" "Flo, ganz ruhig. Du machst das wunderbar, besser als ich gehofft hatte. Die größte Gefahr ist der Moment, wenn die Räder den Boden berühren. Dann musst du sofort das Gas wegnehmen, die Schubumkehr einschalten, auf die Flügel achten und die Nase runterkriegen. Alles gleichzeitig. Glaub mir, es fühlt sich besser an, wenn dann der Tank leer ist. Dann ist auch die Gefahr viel geringer, selbst wenn du die Kontrolle verlieren solltest." "Aber dann habe ich nur eine Chance." "Richtig", sagte Niki ruhig. "Wenn das Kerosin raus ist, hast du gerade noch genug, um runter zu gehen und zu landen." Florian schloss die Augen, als Kai ihm die Hand auf den Unterarm legte. "Es ist besser so", flüsterte sein Freund leise. "Niki weiß, was er anordnet." "Du hast ja Recht." Die Hand zog sich zurück und Kai wurde wieder zum stillen Beobachter. "Okay, Niki, weiter im Lehrplan." Der Österreicher lächelte und gab Florian dann die Anweisung, das Fahrwerk auszufahren. "Geh jetzt runter auf 100 Meter, Flo. Und achte darauf, die Nase der Maschine höher zu stellen. Üb das ein paar Mal." Und Florian tat es. Konzentriert übte er das von Niki geforderte Manöver wieder und wieder, bis ihm jeder Handgriff in Fleisch und Blut übergegangen war. Schließlich rief Niki ihn wieder und ordnete an, dass er wieder hoch auf 1000 Meter gehen sollte. "Florian, du weißt jetzt, wie man so einen Airbus landet. Die letzten 100 Meter musst du allein schaffen. Ich habe dir alles gesagt, was du wissen musst, der Rest ist einfach dein Gefühl für den richtigen Moment. Entweder du erwischst ihn oder du erwischst ihn nicht. Ich kann dir nicht mehr helfen. Geh noch mal in dich, komm runter. Sag den Passagieren, was du tun wirst und dann lande die Maschine. Wir sprechen uns dann wieder." "Niki…", flehend sah Florian ihn an. "Nein, Flo. Ich kann nicht dabei bleiben. Du brauchst Ruhe und Konzentration und ich würde dir nur dazuwischen quatschen. Kai scheint da einfach der bessere Begleiter zu sein. Konzentriere dich, Florian. Wenn du fertig bist, setzt du zum Landeanflug an und öffnest den Tank. Und dann tust du das, was wir in den letzten zwei Stunden geübt haben. Viel Glück, Flo. Ich glaub an dich." "Danke, Niki." Er blickte auf den Monitor, suchte kurz den Blick seines Lehrers, bevor der die Verbindung abbrach. Florian schloss kurz die Augen und atmete tief und ruhig durch. Dann nahm er wieder das Headset ab und setzte die Pilotenkopfhörer auf. "Liebe Passagiere, wir beginnen gleich unseren Landeanflug auf Frankfurt. Es ist klares Wetter und windstill. Wie Sie in den vergangenen zwei Stunden gemerkt haben, habe ich mich langsam in Richtung Landebahn vorgetastet. Jetzt wird es ernst. Bleiben Sie unbedingt fest angeschnallt auf Ihren Plätzen, legen Sie den Oberkörper nach vorn und nehmen Sie den Kopf zwischen die Knie. Eins noch. Ich werde vor dem Landen noch das Kerosin aus dem Tank lassen. Das hat den Nachteil, dass ich nur einen einzigen Versuch habe. Aber es hat den ungeheuren Vorteil, dass ein Flugzeug ohne Kerosin nicht explodieren kann. Und ich denke einfach, dass der Vorteil den Nachteil aufwiegt. Drücken Sie uns die Daumen und bereiten Sie sich jetzt auf die Landung vor. Ich beginne den Landeanflug in genau fünf Minuten."
Millionen Fernsehzuschauer konnten sehen, wie Florian eine Schleife flog und dabei einen Schleier hinter sich herzog, als er das Kerosin abließ. Dann sank die Maschine langsam dem Boden entgegen. Niki hatte nur die Verbindung zur Florian gekappt, die zum Sender aber aufrecht erhalten. Angespannt stand er vor dem Fernseher und beobachtete die Maschine, die langsam auf die Landebahn zuschwebte. "Niki, sag was", bat Ulrike ihn. "Bis jetzt macht er alles richtig. Sogar besser als in allen Übungen." Der Österreicher trat näher an den Bildschirm. "Wunderbare Haltung des Flugzeugs. Wenn er das bis nach unten auf den Asphalt bringen kann…"
Florian spürte, dass die Maschine mitspielte und genau das tat, was er wollte. Er warf Kai einen letzten Blick zu, der ihm ernst zunickte und dann wieder auf die Landebahn starrte, die sich jetzt schnell näherte. Konzentriert senkte er die Maschine ab, sah aus den Augenwinkeln, die sich die Feuerwehren und Krankenwagen in Bewegung setzten, um dem Flugzeug folgen zu können. Seine Nerven drohten zu versagen, aber er riss sich zusammen. In einer Minute hatte er es hinter sich, egal wie. Er musste jetzt einfach nur noch durchhalten. Mittlerweile sah man vom Cockpit aus Einzelheiten am Boden. Es war also soweit. Die Maschine würde jeden Moment mit den hinteren Rädern den Boden berühren, wenn er alles richtig machte. Wenn nicht…
Niki hatte die Hände gefaltet und presste fest die Handflächen gegeneinander. "Er kommt unglaublich gut runter. Jetzt muss er nur den Moment abfangen, wenn die Räder den Boden berühren." Man sah, wie Staub aufgewirbelt wurde, die hinteren Räder setzten auf, die Maschine sank langsam nach vorn. "Ja, genau so", sagte Niki beschwörend. "Du machst das gut, Florian. Fang sie ab." Der Flieger schlingerte ein wenig, kaum sichtbar für ein ungeschultes Auge, dann hatte Florian ihn unter Kontrolle. Das Motorengeräusch veränderte sich, wurde kurz lauter und erstarb dann stotternd. Der große eiserne Vogel rollte langsamer und langsamer und kam schließlich zum Stehen. Der Jubelschrei von Peter und Ulrike riss Niki aus seiner Starre. Er verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen und atmete erleichtert aus. Es war vorbei. Irgendwie hatten er und sein Flugschüler alles richtig gemacht. Irgendwie hatte Florian es geschafft.
"Geschafft", wisperte Kai leise. Seine Augen glänzten, als er Florian ansah. "Du hast es geschafft, Flo." Der saß mit starrem Blick auf seinem Platz. Seine Haare hingen ihm strähnig ins Gesicht, die Augen und der Mund waren weit aufgerissen, wie zu einem Schrei. Doch den hatte er nicht gebraucht. In seinem Kopf lief immer wieder die Landung ab. Das leichte Ruckeln, als die Räder auf den Boden aufsetzten, das Aussetzen des Motors, weil der Treibstoff alle war. Er konnte es einfach nicht fassen, dass er es geschafft hatte, die Maschine nicht in ihre Einzelteile zu zerlegen. Im Gegenteil. Er fühlte innerlich, dass diese Landung richtig gut gewesen war. Die Angst und der Schock wichen langsam und machten einer Spur Überheblichkeit Platz. Aber Florian fand, dass er sich das im Moment wirklich verdient hatte. Langsam drehte er den Kopf und sah Kai an. "So gut landet nicht mal Niki." Kai lachte erleichtert auf, wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und holte die zwei Flaschen Bier. Er öffnete sie und stieß mit Florian an. "Danke, du Held. Ohne dich wäre dieser Flug eine Tragödie geworden. Dank dir, haben alle unverletzt überlebt. Dank dir werde ich in Zukunft gern fliegen." Florian genoss die Lobrede von Kai und spürte, dass er ein wenig rot wurde. Niki meldete sich und sein breit grinsendes Gesicht erschien auf dem Bildschirm. "Ich hab es geschafft", teilte Florian seinem Fluglehrer überflüssigerweise mit. "Gilt das als Unterrichtsstunde?" Niki lachte auf und nickte. "Ja. Ja, verdammt. Herrgott noch mal, Flo, das war eine Bilderbuchlandung. Eine Präzisionslandung. Anfängerglück. Ich sag dir, sowas Blitzsauberes kriegst du im Leben nicht wieder hin." "Will ich gar nicht", gab Florian zu. "Hauptsache es hat dieses eine Mal geklappt." "Raus aus dem Flugzeug und lass dich feiern. Das hast du dir verdient." Florian und Kai standen ungelenk von ihren Sitzen hoch und verließen das Cockpit. Die Maschine war leer, alle Passagiere waren über die Notrutschen evakuiert worden. Nur die zwei bleichen Piloten saßen noch in ihren Sitzen. Kai blickte sie missbilligend an und ging dann zu einer der offenen Türen, durch die ein leichter Abendwind in die Maschine drang. Als er sich umdrehte, sah er Florian, der den Piloten am Kragen gepackt hatte und ausholte. Florians Faust hämmerte gegen das Kinn des Mannes und ließ ihn aufstöhnen. "Du Scheißkerl", fauchte Florian den Mann an und ließ ihn wieder auf den Sitz fallen. Er hob den Blick. "Wenn ich dafür ´ne Anzeige kassiere, dann bitte." "Die zwei sind völlig außer Gefecht und ich habe nichts gesehen." Kai grinste und hopste auf die Notrutsche. Unten wurde er von Heiko und Christian in Empfang genommen, die ihn erleichtert umarmten und dann nach oben blickten. Die Menschen warteten auf den Helden des Fluges und als Florian in die Tür trat, brandete Jubel und Beifall auf. Er genoss es sichtlich, ließ sich kurz feiern und rutschte dann nach unten. Hier umarmte er seine Freunde, zuletzt Kai. "Danke, Kai. Ohne deine entsetzlich ruhige Ausstrahlung, die mich manchmal zur Weißglut treibt, wäre ich da vorn durchgedreht. Allein hätte ich das nicht geschafft." Florian blickte Heiko an. "Danke, dass du die Leute beruhigt hast." "Wir haben das alle zusammen gemacht", sagte Heiko und deutete auf die anderen Journalisten. "Wir sind doch ein Team." Florian nickte und ging dann zu den Menschen, die sich mit Umarmungen und Händeschütteln bei ihm bedankten. Krankenwagen kamen und Sanitäter wurden mit Hebebühnen hochgefahren, um sich um die Piloten zu kümmern. Doktor Gerber teilte ihnen ihre vorläufige Diagnose mit. Die Stewardessen waren die letzten, die sich bei Florian bedankten. Eileen umarmte Florian und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. "Wenn Sie mal genug von Ihrem Job haben, schulen Sie um. Ich habe noch nie so einen weiche Landung miterlebt und ich bin seit 20 Jahren Stewardess." Florian und Kai gingen zusammen mit ihrem Team in Richtung des riesigen Flughafengebäudes. Sie ignorierten die Busse, die man extra für die Passagiere hergebracht hatte. Florian verfiel in einen leichten Joggingschritt, dann rannte er. Mit einem erleichterten Aufschrei löste er den Rest der Anspannung, der ihm bis jetzt wie ein Stahlring die Brust eingeschnürt hatte. Er sprang hoch und schlug einen Salto. Am Lachen seiner Freunde hörte er, dass er daran wohl noch etwas feilen musste. Ausgepowert und erschöpft fiel er auf den Boden. Er rollte sich auf den Rücken und blickte in den klaren Himmel, wo die ersten Sterne unsicher funkelten. Dann tauchten seine Freunde in seinem Blickfeld auf und hoben ihn vom Boden hoch.
Ich hätte genauso reagiert wie Flo. Piloten, die das Leben der Passagiere aufs Spiel setzen, sind doch... Ich wüsste nicht, ob ich die Nerven behalten hätte, so wie Flo. Auch wenn er Angst hatte, aber dank Niki schaffte er es doch. Jaja unser Östereicher...
fantastisch!!! Die Story ist echt toll. Die Länge ist prima und die Spannung hat sich prima gehalten und die Erlösung durch die geglückte Landung kam genau richtig.
Von Flo lass ich mich auch gerne fliegen. Bei meinen Flügen, die ich bisher erlebt hab, ist zwar nie was schief gegangen bei der Landung aber wirklich richtig sanft waren die nie.