Kleine Anmerkung vorweg … So was entsteht, wenn man zu viel Zeit im Zug verbringt, Musik hört und einen Laptop dabei hat. Einfach mal anhören, die Jungs finde ich einfach klasse, die habe ich auch gehört, als das hier entstanden ist. http://www.youtube.com/user/Scou...46B488F318899C7
Bin gespannt was ihr davon haltet ... so jetzt viel Spaß. And action ;-)
Ich weiß, allein der Titel klingt seltsam. Wie können zwei Gitarren allein sein? Und dann auch noch in der Nacht … Ist überhaupt irgendetwas allein, wenn es doch eben zwei davon gibt? Ich verstehe die Bedenken, aber lest weiter, vielleicht könnt ihr später verstehen, warum ich ausgerechnet diesen Titel für passend erachte. Es war kurz nach dem ich hier her gezogen bin. Allein in einer völlig fremden Stadt, in der man niemanden kennt. Meine Altbau-WG hatte ich gegen eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in der fünften Etage tauschen müssen. Ein hässlicher Betonbau eher am Stadtrand, obwohl ich doch gerade alte Stadthäuser so liebte … Aber was blieb mir anderes übrig? Die Miete musste ich schließlich bezahlen können und mehr war nicht drin, so zog ich ein, in diesen Klotz aus Beton und Stahl, wenigstens hatte ich einen Balkon. Und genau dieser war es, auf dem die ganze seltsame Geschichte ihren Anfang nahm. Heute bin ich davon überzeugt, dass es so etwas wie eine Seelenverwandtschaft gibt, damals hätte ich darüber gelacht. Heute weiß ich es besser: Es gibt Menschen, um die man sich sorgt, obwohl man nicht mal weiß, wer sie sind. Es mag komisch klingen, das gebe ich zu, aber mir erging es so. vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet … jedenfalls war es seltsam und ist mir in Erinnerung geblieben. Im Sommer saß ich oft auf bereits genannten Balkon. In meiner Wohnung, nein Wohnung klingt gemütlich und das war es nicht, nennen wir es Bleibe … In meiner Bleibe war es aufgrund der Hitze fast nicht auszuhalten. Oft saß ich einfach nur da, dachte nach und lauschte den Geräuschen, die eine Großstadt hervorbringt. Sei es das Bellen von Hunden, Stimmen von den tausenden Menschen, die hier leben, das monotone Brummen von Motoren, die sich über die Straßen schoben … Irgendetwas war immer zu hören, still ist es in einer Großstadt nie. Diese Pause nach einem Arbeitstag brauchte ich einfach, es war Entspannung, Atempause und Verarbeitung von dem, was am Tag passiert war und das kann in meinem Beruf manchmal viel sein, was einen noch lange begleitet. Es geht nicht ganz spurlos an einem vorbei, wenn man seinen Lebensunterhalt damit verdient Tod und Leid von anderen zu ergründen, danach zu suchen, wie es entstanden ist. Jeder meiner Kollegen entwickelt im Laufe der Zeit eigene Varianten damit umzugehen und bei mir war es eben diese Pause am Abend, die mir fast schon heilig war. Eines Abends hörte ich von irgendwoher Musik. Gut, Musik hörte man öfter: Punk, Metal oder Volksmusik, was immer die Nachbarn halt so auflegten und durch die geöffneten Fenster drang. Aber das was ich hörte viel mir auf. Es war eine Gitarre, ein wunderschönes Solo, das nicht nur schön, sondern mir auch noch bekannt war. Und genau das war es, was mir aufgefallen war. Die Band, von der das Solo stammte war eher unbekannt, bisher hatte ich noch niemanden getroffen, der sie gekannt hatte und nun hörte ich hier jemanden genau das spielen! Erst versuchte ich noch zu erkunden, woher es kam, wer es spielte. Da es aber langsam zu dunkel dafür wurde gab ich das auf, schloss die Augen und lauschte einfach nur. Am nächsten Abend ging es wieder so, irgendwo spielte jemand und ich hörte zu. Ebenso an den folgenden Tagen. Nach einer Woche dann hatte ich mir ebenfalls eine Gitarre besorgt. Ich hatte lange nicht gespielt, aber zum Glück verlernt man manche Dinge nicht, wenn man sie einmal kann. Ich kam schnell wieder rein und so war ich es, der am Abend mit Gitarre auf dem Balkon saß und spielte. Punkt 21 Uhr, wie jeden Abend, kam dann die zweite Gitarre dazu und gemeinsam spielten wir. Ich habe damals viel überlegt, mir regelrecht den Kopf darüber zerbrochen, wer das wohl sein könnte, der da spielte. Ein Mann oder eine Frau, oder gar ein Kind? Ein Student, ein Berufstätiger? Ich überlegte sogar, in alle Briefkästen des Hauses, in dem ich den anderen Gitarrenspieler vermutete meine Visitenkarte mit einer passenden Bemerkung darauf zu stecken. Das erschien mir dann aber doch irgendwie doof und ich lies es – hätte ich es nur getan, ich hätte vielleicht einiges verhindern können. Aber ich blieb bei dem, was inzwischen zu meinem Tagesablauf dazu gehörte: 21 Uhr saß ich auf dem Balkon und spielte mit dem anderen, den ich nicht kannte, Gitarre. Doch irgendwann spielte ich allein, niemand antwortete mehr, egal welches Lied von „unserer“ Band ich spielte, es stieg niemand mehr mit ein. Erst dachte ich an eine Dienstplan- oder Schichtänderung, dann daran, dass der Unbekannte vielleicht im Urlaub war oder dass die Semesterferien begonnen hatten, es war schließlich Sommer. So spielte ich fast zwei Wochen für mich alleine, in der Hoffnung der Unbekannte würde sich wieder melden. Doch nichts geschah. Einige Tage später bekam ich am frühen Morgen einen Anruf meinen Kollegen, sie wollten mich abholen, um dann zu einem Tatort weiter zu fahren. Verschlafen ging ich erst ins Bad, zog mich dann an und ärgerte mich darüber, jetzt schon los zu müssen, denn eigentlich hätte ich erst in zwei Stunden im Büro sein sollen. Schließlich stand ich unten vor dem Haus und wartete auf den Wagen meiner Kollegen, um einsteigen und mit ihnen zum Tatort fahren zu können. Verwundert sah ich sie an, als sie mir zu Fuß entgegen kamen. Meine Kollegin grinste mich an und erklärte mir, dass sich der Tatort in der Nähe befände und sie bereits geparkt hätten. Die Frage, ob mir denn keiner die Adresse genannt hätte verneinte ich und folgte den beiden. Bei der Richtung, die wir einschlugen bekam ich ein ungutes Gefühl. Es war der Häuserblock, in dem ich meinen unbekannten Gitarristen vermutete, meinen Gitarristen, der seit über zwei Wochen nicht von sich hören lies! Als wir dann wirklich in dieses Haus gingen wurde mir flau im Magen und ich begann mir riesige Sorgen zu machen, war ihm oder ihr etwas passiert?! Langsam stiegen wir die Treppen hoch, bis in den sechsten Stock, wo der Hausmeister bereits vor der Wohnungstür auf uns wartete. Der Mann, etwa Mitte vierzig, leicht untersetzt und in der typischen Hausmeistertracht, einem blau-grauen Kittel gekleidet, war immer noch blass im Gesicht und wirkte sehr mitgenommen. Er hätte die Leiche der Mieterin dieser Wohnung gefundenen stammelte er vor sich hin, was wir ihm in anbetracht seiner Erscheinung glaubten. Er habe sich beschweren wollen, weil seit Wochen der Briefkasten nicht gelehrt wurde und er allmählich überquelle. Als sie nicht öffnete, obwohl sie hätte da sein sollen, und dann auch noch dieser seltsame Geruch … er habe die Tür geöffnet um nachzusehen. Er wisse, dass er das eigentlich nicht dürfe, aber die Leute … wir wüssten ja sicher … Meine Kollegin unterbrach den Mann, wies ihn an nach unten zu gehen und auf die Kollegen zu warten, um sie in den Richtigen Stock zu schicken. Danach betraten wir die Wohnung. Sie war baugleich zu meiner, so dass ich kein Problem hatte mich zu orientieren. Im Wohnraum erwartete uns kein schöner Anblick, allein der Geruch war schrecklich. Auf dem Boden, in einer Lache von getrocknetem Blut lag die Leiche einer jungen Frau, 24 Jahre alt, Studentin der Philosophie, wie sich später herausstellte. Sie war augenscheinlich erstochen worden, ein blutverschmiertes Messer neben ihr deutete darauf hin und sie lag offensichtlich schon länger hier. Immer mehr beschlich mich die Vorahnung, dass sie es war, mit der ich allabendlich Gitarre gespielt hatte. Ich sah mich in der Wohnung um. Viele Bücher, DVD’s und CD’s, einige Bilder von ihr mit Freunden oder Familie und im anderen Zimmer zwei Gitarren, eine akustische, eine elektrische mit Verstärker. War wirklich sie es, mit der ich sooft kommuniziert hatte? Diese Frage ging mir nicht mehr aus dem Kopf, konnte das alles denn Zufall sein? Als ich in einem CD-Regal auch noch die Alben „unserer“ Band fand, war ich mir beinahe sicher. Sie musste es sein. Seit über zwei Wochen war die Gitarre verstummt, hatte ich niemanden mehr aus der Richtung dieses Hauses spielen hören und die Leiche der jungen Frau lag offensichtlich bereits länger in der Wohnung, sie hatte die passenden CD’s und Gitarren ... Der Gedanke, dass ich sie nie wieder würde spielen hören, machte mich traurig. Und gleichzeitig kam ein anderer Gedanke in mir auf: Hätte ich ihren Tod verhindern können? Hätte ich versuchen sollen den Unbekannten, von dem ich nun wusste, wer es war, zu finden, zu treffen? Diese Fragen, diese ganze Geschichte beschäftigten mich lange, eigentlich lässt sie mich nicht los. Immer, wenn ich heute die Musik „unserer“ Band höre muss ich an die Frau denken, an die Fotos in ihrer Wohnung, auf denen sie lächelte. Sie sei lebenslustig gewesen, hätte ein Auslandssemester in England geplant, hatten ihre Eltern im Laufe der Ermittlungen erzählt. Ihr Leben fand ein so jähes und viel zu frühes Ende, weil ihr Freund, vielmehr ihr Exfreund, die Trennung nicht akzeptieren konnte und im Alkoholrausch ausgerastet und auf sie losgegangen war… Er war verurteilt worden und saß in Haft aber das brachte den Eltern ihre Tochter nicht zurück und mir fehlten die Abende, an denen ich mich per Gitarre so gut mit ihr unterhalten hatte. Ob wir uns wohl auch von Angesicht zu Angesicht verstanden hätten? Ob sie sich über mich genau so viele Gedanken gemacht hatte, wie ich mir über sie? Noch heute sitze ich im Sommer auf meinem Balkon und spiele die Lieder, die wir damals gespielt haben, es war eine seltsame aber auch besondere, eine erinnerungswürdige Situation damals. Vielleicht habe ich sie deshalb aufgeschrieben. Ich weiß es nicht.
Dankeschön! *rotwerd* Ja, zum Erzähler ... als ich es geschrieben habe, hatte ich schon jemanden im Kopf, aber ich fand die Idee spannend, es jedem selbst zu überlassen, wen er in die Erzählerrolle steckt und wem man so viel Fingerfertigkeit auf der Gitarre zutraut ;)
Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich mit einem Haufen Medis im Blut und 40 Fieber im Bett liege oder ob es einfach deine Art zu schreiben ist, aber diese Geschichte ist soooooooooooooo unglaublich tiefgehend, so bildlich, so perfekt, dass man sie immer wieder lesen möchte. Sorry, dass ich erst nach dem vierten Lesen ein Kommi hinterlasse, aber die ersten drei Mal war ich einfach zu ergriffen. Du hast das ganze wirkliche sehr mitfühlend und sanft geschrieben (so kommt es zumindest bei mir an). Man liest und hat die ganze Zeit das Gefühl die Gitarren im Hintergrund spielen zu hören und spätestens ab dem zweiten Mal Lesen ist die Stelle, wo es nur noch eine Gitarre ist, unglaublich traurig. Wie gesagt, keine Ahnung, ob es am Fieber liegt, aber ich höre die eine Gitarre zum Ende hin immer lauter rufen. Verzweifelt und sehnsuchtsvoll.
Tolle Story und es ist völlig egal, wer der Spieler ist. Das ist für das Gefühl der Story unwichtig.
Wow, danke für den Kommi! Erstmal wünsche ich dir gute Besserung! Dann hoffe ich, dass dir die Geschichte auch noch ohne Medikamente gefällt ;) Und zum Schluss möchte ich mich bedanken, dass du meine Story gleich 4x gelesen hast :D