Dies ist eine John-Sinclair-Story. Aber ich kann sie nicht ins öffentliche Forum stellen... die Kids bekommen ja einen Schock. Die Story ist ziemlich brutal geworden. Ist übrigens was historisches, in gewissem Sinne.
Dämonisches Komplott
Freitag 'Diesmal muss es einfach klappen.' Diesen Satz Asmodinas hatte Roger noch verdammt gut im Ohr. Sein Befehl war es, zusammen mit 4 anderen Untoten, einen wertvollen magischen Anhänger aus einer Ausstellung im Britischen Museum zu stehlen. Die Teufelstochter wollte mit dessen Hilfe ihre eigene Macht vergrößern. Der Anhänger stammte aus dem versunkenen Atlantis und besaß ungeheure schwarzmagische Kräfte. Es gab insgesamt 4 von ihnen und zusammen, konnten sie die Hölle entfesseln. Doch es hatte nicht geklappt. Wieder einmal hatten die Guten gesiegt und Roger stand nun allein vor Asmodinas Gemach. Sie würde ihn töten. Das wusste Roger. Asmodina duldete kein Versagen. "Komm rein", hörte er sie von drinnen rufen. Er schloss mit seinem untoten Leben ab und trat ein. "Wo ist er?", fragte die Dämonin erzürnt. "Vernichtet", antwortete Roger, während er mit gesenktem Kopf vor ihr stand. Er wagte es nicht, ihr in die Augen zu sehen. "Die anderen?", fragte Asmodina weiter. "Vernichtet." "Wer?", presste sie hervor. Die Antwort kannte sie bereits. "Sinclair." Asmodina heulte vor Wut auf. Sie war außer sich. Ein langes Schwert zischte durch die Luft und traf Roger. Fein säuberlich trennte es seinen Kopf vom Rumpf. Der Untote war nun endgültig tot. Asmodinas Ärger jedoch war noch da. Sie fing an die Gegenstände zu zerstören, die um sie herum standen. Nichts war vor ihr sicher. Dabei stieß sie einen Fluch nach dem anderen aus. Plötzlich blieb sie stehen als ob sie gegen eine Wand gelaufen wäre. Ein teuflischer Gedanke keimte in ihr. "Ich kriege dich, John Sinclair", flüsterte sie. "Du wirst mir nie wieder im Weg stehen."
"Wochenende", rief ich und wollte gerade den Fahrstuhl betreten und in die Tiefgarage fahren. Da rief Glenda Perkins, meine Sekretärin, mich zurück. "John, Powell will mit dir reden." "Sag ihm doch, ich wäre schon weg." Flehend lächelte ich sie an. Sie lächelte zurück und schüttelte den Kopf. "Keine Chance. Er lässt sonst seine Wut an mir aus." Ich seufzte und trottete zurück. Ohne Anzuklopfen betrat ich das Büro meines Chefs. Dieser sah mich aufgrund des Sittenverstoßes böse an, sagte aber nichts weiter dazu. "Setzen Sie sich, Sinclair", sagte er und deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. "Es dauert nicht lange." Ich nahm Platz. "Ich wollte nur mal wegen gestern Nacht mit Ihnen reden." "Der Bericht ist fast fertig." "Solange will ich aber nicht warten." Ich seufzte. "Wen vermuten Sie hinter dem versuchten Raub des Anhängers?" "Ich bin mir ziemlich sicher, dass es Asmodinas Idee war." Powell nickte. "Die gibt nie auf." 'Nein', dachte ich böse. 'Das wird sich solange nicht ändern, bis einer von uns beiden tot ist.' "Wie geht es Ihrem Kopf?", fragte Powell weiter. "Besser, Sir. Die Dämonen von heute sind auch nicht mehr das, was sie mal waren." Ich grinste. Ich hatte wirklich einen ganz schönen Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Und dabei war ich mit der Stirn gegen einen alten Sarkophag geknallt. Da hatte ich ganze Sternbilder gesehen. Aber ich würde es wohl überleben. „Kann ich jetzt gehen?“ "OK, verschwinden Sie." Ich stand auf und ging zur Tür. "Schönes Wochenende, Sir." Powell murmelte ein 'Dankeschön', dann war die Tür zu. Glenda stand mit ihrer Tasche unter dem Arm vor ihrem Schreibtisch und wartete auf mich. Wir gingen zusammen in Richtung Tiefgarage. "Und? Was wollte er?", fragte sie neugierig. "War nur wegen gestern Nacht", winkte ich ab. Sie sah mich bedauernd an. "Armer John. Hat der böse Dämon dich verletzt? Ich könnte dich dieses Wochenende gesund pflegen." Sie grinste mich herausfordernd an. Ich lachte. "Das glaube ich dir gern." Ich gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. "Schönes Wochenende, Glenda." Sie schaute mir ein wenig beleidigt nach. Dann ging sie zu ihrem Wagen. Ich hatte meinen Bentley auch erreicht und stieg ein. Ich schüttelte den Kopf. Es war doch jedes Mal dasselbe mit Glenda. Sie würde wahrscheinlich nie aufgeben. Aber sie war nun mal leider nicht mein Typ. Mein Herz gehörte bereits einer anderen Frau. Jane Collins. Aber erst in der kommenden Woche sollte mir wirklich bewusst werden, wie sehr ich diese Frau liebte und brauchte. Aber davon ahnte ich im Moment noch nichts. Also startete ich meinen Wagen und verließ die Tiefgarage. Dann bahnte ich mir im Londoner Nachmittagsverkehr einen Weg durch die Innenstadt. Ich wollte nur noch nach Hause.
Nebel zog durch die Straßen New Yorks. Eine dunkle Gestalt mit einem langen, schwarzen Umhang huschte durch dunkle Seitengassen zu einem halb verfallenen Haus. Nachts war es sehr gefährlich, sich in dieser Gegend aufzuhalten. Doch dieser Mann brauchte sich vor nichts zu fürchten. Außer vor einem gewissen Geisterjäger in London. Und selbst der hatte es noch nicht geschafft, ihn zu vernichten. Er klopfte an eine Tür. Eine Frau, ganz in Leder gekleidet, öffnete ihm. Lady X. Sie hielt ihr Lieblingsspielzeug, eine MPi, in der Hand, ließ sie jedoch sinken, als sie den Gast erkannte. "Hattest du Erfolg, Tokata?" Der Mann nahm seinen Umhang ab. "Nein, wieder nicht", antwortete er verärgert. "Das ist ärgerlich." Seit fast 4 Monaten suchten sie nun schon nach Xorron. Doch dieser Dämon war nirgends aufzutreiben. "Wo ist Vampiro?", fragte Tokata. "Er schläft noch." Sie stiegen zusammen eine dunkle Treppe hinab. Die Treppe mündete in einem Gewölbe. Dort klopfte Tokata gegen einen Sarg. Der schwere Deckel öffnete sich und die abscheuliche Fratze von Vampiro-del-mar, dem Supervampir, erschien. "Habt Ihr ihn?", fragte nun auch Vampiro. "Nein. Wie soll ich die Mordliga fertig aufbauen, wenn die Mitglieder nicht aufzufinden sind", fluchte Lady X. Sie wollte das schaffen, was Dr. Tod vor seinem Ableben nicht mehr geschafft hatte. "Dabei kann ich euch nicht helfen." Die drei Dämonen wirbelten zu der Stimme herum. "Aber vielleicht können wir ein anderes Problem zusammen lösen." "Asmodina. Willkommen in unserer bescheidenen Hütte." Lady X deutete eine leichte Verbeugung an. "Und welches gemeinsame Problem sollten wir haben?" "John Sinclair." Der Körper von Lady X versteifte sich. Sie ballte die Fäuste. Dieser verdammte Geisterjäger. Wie oft hatte er ihr schon einen wunderbaren Plan zunichte gemacht. Sie lächelte Asmodina gekünstelt an. "Ich nehme an, du hast bereits einen Plan." Asmodina nickte. In diesem Moment flimmerte die Luft und ein weiterer Gast erschien. Es war der schwarze Tod. Lady X und die anderen Mitglieder der Mordliga starrte ihn an. Asmodina wand sich dem neuen Gast zu. "Danke für dein Erscheinen." "Was willst du Asmodina?" "John Sinclair vernichten." "Das hast du bereits mehrmals versucht. Und du bist jedes Mal kläglich gescheitert." Die Stimme des Dämonen klang spöttisch. "Ich habe einen Plan, aber ich brauche deine Hilfe." "Sprich weiter." "Ich habe einen Bekannten. Er würde sich eine Weile um Sinclair kümmern. Er lebt im Jahr 1261 und hat dort den gefürchteten Beruf des Inquisitors inne." Asmodina lächelte böse. Auch auf dem Gesicht von Lady X erschien ein dämonisches Lächeln. "Du willst also, dass ich für dich ein Zeitportal öffne und Sinclair hindurch schicke?" Asmodina nickte. Sie trat etwas näher an den Schwarzen Tod heran und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. "Vielleicht könnte er ja auch auf der Reise sterben." "Nein", sagte der Schwarze Tod entschieden. "Du weißt genau, dass ich für ein Gleichgewicht der guten und bösen Kräfte bin. Und den Sohn des Lichts zu töten, würde dieses Gleichgewicht empfindlich stören. Das würde ich nie tun." "Bedauerlich." Asmodina dachte nach. "Und wenn er aufgrund der dort herrschenden schlechten Bedingungen oder aufgrund der schlechten Behandlung stirbt?" "Das ist etwas Anderes. Den Hin- und Rücktransport würde er jedenfalls überleben." Jetzt mischte sich Lady X ein, die bis dahin ruhig gewesen war und zugehört hatte. "Wozu brauchst du die Mordliga, Asmodina?" "Wir brauchen so viel dämonische Energie wie möglich, um die Zeitpforte offenzuhalten." "Unsere Energie ist jedoch nicht unbegrenzt", gab Lady X zu bedenken. "Wie lange können wir dieses Portal offen halten?" Der Schwarze Tod dachte nach. "5 Tage, länger nicht." Asmodina lächelte böse. "Das dürfte reichen. Selbst wenn er überleben sollte, wird er erst einmal nicht mehr in der Lage sein uns Schwierigkeiten zu bereiten." "Es gibt noch ein Problem", sagte der Schwarze Tod. "Sinclairs Kreuz. Die weiße Energie ist sehr stark. Sie könnte das Portal zerstören." "Lasst das mal meine Sorge sein", sagte Asmodina nachdenklich. "Mir fällt schon was ein." Der Schwarze Tod nickte zufrieden und verschwand. Er hasste John Sinclair genauso wie die anderen Dämonen. Aber ein bisschen Ordnung musste schließlich sein. Asmodina wand sich an Lady X. "Ich werde zum gegebenen Zeitpunkt wiederkommen. Haltet euch bereit." Sie nickte. Die Teufelstochter verschwand mit einem dämonischen Lächeln.
Von den finsteren Plänen meiner Widersacher hatte ich keine Ahnung. Ich hatte es endlich geschafft zu Hause anzukommen. Verdammter Verkehr. Nachdem ich den Bentley abgeschlossen hatte, ging ich zum Lift und drückte den Knopf für die 7. Etage. Als ich an meinem Appartement ankam, erwarteten mich zwei mir wohlbekannte Gestalten. Bill Conolly mein bester Freund, der als Reporter arbeitete und Suko, mein Kollege, Freund und Nachbar,. Suko hatte heute frei gehabt und war deshalb nicht im Büro gewesen. "Hi John", sagten sie wie aus einem Mund. Wir lachten. "Bill, Suko", ich gab beiden die Hand. Dann schloss ich meine Wohnungstür auf und ging hinein. Meine beiden Freunde folgten mir. "Was verschafft mir die Ehre eures Besuches?", fragte ich, während ich mir einen Drink zubereitete. Ich schaute sie fragend an und deutete auf mein Glas. Suko sah mich entsetzt an. Er trank so gut wie nie. Bill lehnte mit den Worten 'Ich muss noch fahren' ab. Ich holte ihnen Sodawasser aus dem Kühlschrank. Dann ließ ich mich auf mein Sofa fallen. Bill und Suko setzten sich auf die beiden Sessel, die daneben standen. "Also?", fragte ich erneut. "Wir wollten nur mal wissen, was gestern eigentlich los war." Ich erzählte ihnen die ganze Geschichte. Als ich fertig war, sagte Suko nachdenklich: "Klingt ganz nach Asmodina. Was sie wohl mit dem Anhänger will." Das es 4 davon gab wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, er soll Macht verleihen." Dann nippte ich an meinem Glas. Suko sah mich besorgt an. "Sieh dich bloß vor John. Du bist Asmodina in letzter Zeit häufig in die Quere gekommen." "Ja, ich weiß." "Ihr glaubt, dass sie was plant?", fragte Bill besorgt. Er hatte wahrlich schon genug mit Asmodina durchgemacht. Oft hatte er mir im Kampf gegen die Teufelstochter beigestanden, genau wie Suko. Für unsere Fälle war Bill oft eine große Hilfe gewesen, da er als Reporter einige Quellen hatte, die Suko und mir verschlossen blieben. Ich wollte Bill antworten, wurde jedoch von meinem klingelnden Handy unterbrochen. "Sinclair", brummte ich ins Telefon. Als ich die Stimme am anderen Ende der Leitung erkannte, hellte sich meine Miene augenblicklich auf. "Jane, schön von dir zu hören." Meine Freundin, welche als Privatdetektivin arbeitete, war gerade geschäftlich in Deutschland unterwegs. Sie hatte eigentlich vor, erst in 2 Wochen wiederzukommen. Um so erfreuter war ich von ihrem Anruf. Ich hörte ihr zu und machte große Augen. "Was? Du kommst schon morgen? Wann? Moment, das muss ich mir aufschreiben. 14.00 Uhr, Heathrow Airport, Gate 11. Natürlich hole ich dich ab...Ich vermisse dich auch..." Erst jetzt bemerkte ich die Blicke und Gesten, die sich meine Freunde zuwarfen. Als sie meinen strafenden Blick bemerkten, grinsten sie mich an. "Oh, was hast du gesagt? Ich habe nicht zugehört...Nein, ich bin nicht allein." Ich lachte. Suko und Bill sahen mich neugierig an. "Nein, ich habe keine andere Frau in meiner Wohnung." Jetzt lachten die beiden ebenfalls. "Ja, es sind Suko und Bill. Du hast verdammt gute Ohren..." Jane redete noch eine Weile, ich hörte ihr zu. Ihre Stimme verschaffte mir die Entspannung, die ich so dringend brauchte. "Ähm", ich schluckte. "Ja, ich freue mich auch auf dich." Dann beendete ich hastig das Gespräch. Diese Frau brachte mich noch um den Verstand. "Was hat sie zuletzt gesagt?", fragte Suko mit dem breitesten Grinsen, zu welchem er als Chinese fähig war. "Äh, wieso fragst du?" "Och nur so", antwortete er gepresst. Bill konnte sich vor Lachen nicht mehr halten. "Du bist so rot geworden. Jede Tomate wäre neidisch." Auch Suko lachte schallend. "Ihr seid schon ein verrücktes Paar", meinte er, während er nach Luft schnappte. Ich sah die beiden Männer schief an und sagte: "Es ist doch immer wieder schön für mich, wenn ich euch so erheitern kann. Aber jetzt verschwindet ihr besser. Ich bin hundemüde. Ich habe schließlich letzte Nacht nicht geschlafen. Bill und Suko verließen meine Wohnung. Auf dem Flur meinte Suko noch: "Dann schlaf mal schön, John. Wenn Jane erst mal da ist, wirst du auch nicht dazu kommen." Die beiden lachten erneut. Im letzten Moment duckten sie sich unter dem Schlüsselbund hinweg, welches ich nach ihnen geworfen hatte. Suko hob es auf. "Wir sollten ihn wohl besser allein lassen." Bill verschwand im Lift. Suko warf mir grinsend mein Schlüsselbund zurück und verschwand in seinem Appartement. Ich ging ebenfalls hinein. Nachdem ich mein Glas ausgetrunken hatte, legte ich mich ins Bett. Es war erst halb acht, aber ich schlief sofort ein. Mein letzter Gedanke galt Jane, die ich morgen endlich wieder in die Arme schließen konnte. Ich lächelte. Ich war einfach verrückt nach dieser Frau.
Samstag Ich sah Jane schon von Weitem. Sie blickte sich suchend um. Vorsichtig schlich ich mich von hinten durch die Menschenmassen an sie heran. "Suchst du jemanden?", fragte ich sie scheinheilig. Erschrocken drehte sie sich um, doch dann lächelte sie mich an. Wir umarmten uns stürmisch. "Ich habe dich vermisst, John", flüsterte sie. Als ich mich von ihr löste und sie ansah, schwammen Tränen in ihren Augen. "Na, na, nun mal nicht sentimental werden." Sie lachte. Vorsichtig nahm ich ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie. Danach gingen wir zu meinem Auto. Ich verstaute ihren Koffer im Kofferraum und stieg ein. "Willst du zu dir, oder wo darf ich dich hinbringen?" "Ich habe Hunger." Ich zuckte mit den Schultern. "Auf was?", fragte ich sie herausfordernd. "Erst mal nur auf ´ne Pizza", erwiderte sie grinsend. Dann sah sie mein enttäuschtes Gesicht. "Später auf dich, mein Schatz", sagte sie und zwinkerte mir zu. Dann lehnte sie sich zu mir rüber und küsste mich. Ich lenkte den Bentley in Richtung Covent Garden. Dort gab es einfach die nettesten Restaurants. Bei Pizza und einer Flasche Rotwein erzählte mir Jane von ihrer Reise nach Deutschland. "Und? Hast du den treulosen Ehemann nach Hause zurückgebracht?", fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, aber dafür einen anderen, der meiner Mandantin besser gefiel." Wir lachten herzhaft. "Und was war bei dir so los? Viel Action, wenn ich nach der Beule auf deiner Stirn gehe." Ich winkte ab. "Nur ein versuchter Raub." "Asmodina?" "Asmodina", bestätigte ich. Jane schüttelte den Kopf. "Das nimmt ja langsam überhand."
Nach dem Essen fuhren wir in einen kleinen Club. "Drink oder Tanzen?", fragte ich Jane. "Tanzen", sagte sie, nahm meine Hand und zog mich auf die Tanzfläche. "Wir haben schließlich viel nachzuholen." Ich zog sie in meine Arme und genoss ihre Nähe. Schließlich hatte ich sie seit mehr als 4 Wochen nicht mehr gesehen. Und davor waren wir auch ständig beschäftigt gewesen. Sie mit ihrem Job und ich mit der Jagd nach Dämonen. Ich spürte Janes Hände auf meinem Rücken. Ihren Kopf hatte sie gegen meine Brust gelehnt. Ich küsste sie auf die Haare. Das war ein Samstag ganz nach meinem Geschmack.
Nach ein bis zwei Drinks und viel Tanzen fuhren wir weiter. Ich steuerte den Bentley in die Richtung von Janes Wohnung. Sie sah mich ein wenig erstaunt an. "Wir fahren zu mir?" Ich nickte. "Bei mir steht der Nachbar mit dem Glas an der Wand." Jane lachte laut. "Stimmt ja, Suko war ja dabei, als ich angerufen habe." "Ja. Und er und Bill haben es genossen mich aufzuziehen." "Och, armer John", sagte Jane grinsend. Ihre Hand ruhte auf meinem Oberschenkel, was nicht gerade dazu beitrug, dass ich mich besser auf den Verkehr konzentrieren konnte. Jane bemerkte meine Nervosität. "Habe ich dir so gefehlt?", neckte sie mich. Ich versuchte verärgert auszusehen. "Ich muss mich konzentrieren", brummte ich. Jane lachte leise neben mir.
In ihrer Wohnung setzte Jane sich auf die Couch. Ich hatte nach etwas Suchen auch eine Flasche Wein gefunden. Da wir meistens bei mir zu Hause waren, kannte ich mich in Janes Wohnung nicht so gut aus. Als ich schließlich alles zusammen hatte, setzte ich mich zu ihr. Ich goss den Wein in die Gläser und wir stießen an. "Auf uns", sagte ich. "Auf uns." Jane nippte etwas an ihrem Wein, dann stellte sie das Glas auf den Tisch. Sie zog die Schuhe aus und legte die Beine auf die Couch. Sie lehnte sich gegen mich und ich legte sanft meinen Arm um ihre Schulter. "Jane, was ist los mit dir?", fragte ich vorsichtig. Mir war ihre merkwürdige Stimmung nicht entgangen. Seit sie aus Deutschland zurück war, kannte ich sie gar nicht wieder. "Es ist nichts", sagte sie leise. "Ich habe eine Menge über uns nachgedacht, während ich in Deutschland war." Ich schluckte. Jane lachte kurz. "Keine Angst John. Ich habe keinen Ehevertrag in der Tasche." Sie drehte sich um und sah mir in die Augen. Ich beugte mich vorsichtig zu ihr hinunter und küsste sie sanft. "Ach, Jane“, murmelte ich. Sie legte mir einen Finger auf den Mund. So brauchte ich mir wenigstens keine Ausrede einfallen zu lassen, um diesem Thema aus dem Weg zu gehen. Jane wollte geklärte Verhältnisse. Wir beide kannten uns nun schon eine halbe Ewigkeit. Und was mal als Abenteuer begonnen hatte war längst etwas Ernstes geworden. Ich brauchte sie genauso, wie sie mich. Das sah ich auch ein, aber ich hatte ständig mit irgendwelchen Dämonen zu tun. Jane wäre meine größter wunder Punkt. ‚Was für eine lahme Ausrede’, dachte ich. Jeder Dämon wusste bereits, dass sie meine Freundin war. Für einen kurzen Moment sah sie mich traurig an. Doch dann blitzte plötzlich etwas in ihren Augen. Sie legte die Arme um meinen Hals und zog sich hoch, so dass sie schließlich auf meinem Schoß saß. Ich sah ihr in die Augen. "Ich habe dich so schrecklich vermisst. Ich liebe dich, Jane Collins." Unsere Lippen trafen sich erneut zu einem langen Kuss, der mit jeder Sekunde an Leidenschaft und Intensität zunahm. Ich nahm Jane auf den Arm und trug sie ins Schlafzimmer. Mit dem Fuß schloss ich die Tür hinter uns.
Sonntag Am nächsten Morgen, es war kurz nach 11 Uhr, fuhren wir zu mir. Ich wollte etwas abholen. Suko hörte uns und kam sofort raus. Er begrüßte Jane herzlich. "Schön, dass du wieder da bist." "Schön, wieder hier zu sein." Ich ließ die beiden allein und ging in meine Wohnung. Alles war in Ordnung. Ich steckte meine Brieftasche ein. Gestern hatte ich sie glatt vergessen, weil ich mit den Gedanken schon bei Jane gewesen war. Sowas kam bei mir auch nur sehr selten vor. Dann ging ich zu meinem Schlafzimmerschrank. Dort lag in der obersten Schublade ein kleines Samtkästchen. Ich öffnete es. Ein goldener Ring mit einem kleinen Diamanten kam zum Vorschein. Ich lächelte. Dann murmelte ich: "Du musst noch etwas warten", klappte das Kästchen wieder zu und steckte es ein. Ich war gestern drauf und dran gewesen, Jane die alles entscheidende Frage zu stellen, doch ich hatte mich zurückhalten können. Dann verließ ich meine Wohnung wieder. "Hast du alles?", fragte Jane, als ich neben sie trat. Suko wurde neugierig. "Wohin wollt ihr?" "John hat mich zu einer Bootstour eingeladen." Sie war von der Idee sofort begeistert gewesen. Sie schlang ihren linken Arm um meine Hüfte. "Können wir?" Ich nickte. "Ja." Dann legte ich den Arm um ihre Schulter. Suko sah uns kopfschüttelnd hinterher und rief: "Viel Spaß." "Danke", antworteten wir gleichzeitig. Wir mussten lachen. Suko ging zu seiner Freundin Shao, die noch im Bett lag. "Die zwei benehmen sich wie ein altes Ehepaar." "Na wie lange kennen sie sich denn jetzt?" "Ich weiß gar nicht so genau. 3 oder 4 Jahre. Vielleicht auch schon länger." "Ganz schön lange." Suko nickte. „John war irgendwie komisch.“ „Inwiefern? Weswegen?“ Shao sah ihren Freund erstaunt an. Suko zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“
Ich fuhr mit Jane Richtung Themse. Es war ein wunderbarer Tag. Die Sonne lachte von einem strahlendblauen Himmel, die Lufttemperatur war nicht zu warm und nicht zu kalt. Dafür, dass wir bereits Ende September hatten, war es angenehm. Der Hafen lag am Stadtrand. Ich parkte mein Auto und stieg aus. "Es ist herrlich", sagte Jane verträumt. Während sie sich die Boote ansah, die in der leichten Brise hin- und herschaukelten, ging ich zum Kofferraum und holte den Picknickkorb heraus, den wir zusammen gepackt hatten. Das Kästchen mit dem Ring hatte ich in meiner Tasche. Wir schlenderten Hand in Hand zu dem kleinen Segelboot, welches ich gemietet hatte. Nachdem wir alles verstaut hatten, legten wir ab. Jane zog sich in der Kajüte um und legte sich dann mit einem Handtuch aufs Deck, um die letzten Sonnenstrahlen dieses Jahres ausgiebig zu genießen. Ich stand am Ruder und hatte einen herrlichen Blick auf die Umgebung...und auf Jane. Und dieser Anblick war mir alles andere als unangenehm. Ich nahm Kurs auf eine kleine Lagune, wenige Seemeilen die Küste entlang.
Was ich jedoch nicht wusste war, dass wir schon seit geraumer Zeit beobachtet wurden. Asmodina saß in ihrem Versteck und blickte in einen magischen Spiegel, den sie von ihrem Vater Asmodis geschenkt bekommen hatte. Dort sah sie das Bild von mir und meiner Freundin. "Das ist ja besser als ich dachte", murmelte sie. "Du machst es mir wirklich zu einfach, John Sinclair." Dann kontaktierte sie per Telepathie den Schwarzen Tod. Er erschien wenige Sekunden später. "Er ist nicht allein." "Ist das ein Problem?", fragte Asmodina. Der Schwarze Tod überlegte kurz. "Nein", sagte er dann. "Kein Problem, sobald er sein Kreuz nicht mehr hat." Die Dämonen fürchteten mich hauptsächlich aufgrund meines Kreuzes. Es besaß ungeheure weißmagische Kräfte und die Dämonen, die es einmal berührt hatten, waren augenblicklich vernichtet worden. Asmodina lachte böse. "Ich habe bereits einen Plan. Es wird einfacher, als ich zu hoffen gewagt hatte." "Sinclair ist schlau, Asmodina. Unterschätze ihn niemals", warnte der Schwarze Tod. "Würde ich nie machen." "Ich habe es noch nie erlebt, dass er sein Kreuz abgenommen hat, höchstens um einen von uns damit zu erledigen. Ich bin wirklich gespannt, wie du es anstellen willst." "Ich werde ihn an seiner Schwachstelle erwischen."
Ich stand immer noch am Ruder unseres Bootes und sah in einiger Entfernung die Lagune auftauchen, wo wir rasten wollten. "Jane", rief ich. Die Detektivin hob verschlafen den Kopf und sah mich fragend an. "Wir sind gleich da." Sie erhob sich langsam und kam zu mir. Sie legte die Hände um meinen Oberkörper und lehnte ihren Kopf gegen meine Schulter. "Es ist einfach herrlich", murmelte sie. "Das sollten wir unbedingt öfters machen." Sie stand noch eine Weile schweigend da, dann löste sie sich von mir und sagte: "So, ich ziehe mir jetzt erst mal was anderes an." Mir entfuhr ein ungewolltes 'Schade'. Jane grinste, küsste mich flüchtig auf die Wange und ging dann in die Kajüte um sich umzuziehen. Ich holte das Kästchen mit dem Ring hervor. Meine Hand zitterte richtig. Mein Gott war ich nervös. Jane zog ihr leichtes Sommerkleid über. Als sie sich wieder der Tür zuwand, blieb sie wie angewurzelt stehen. Dort stand die Teufelstochter und grinste sie böse an. "Asmodina", flüsterte Jane. Ihr Stimme war rauh vor Schreck. "Ja", sagte diese während sie langsam ihren Arm hob und auf Jane zeigte. "Ich bin’s." Jane spürte, wie sich eine Energie um ihren Hals legte.
Ich spürte plötzlich eine unheimliche Macht. Mein Kreuz erwärmte sich. "Jane?", rief ich. Das Kästchen wollte ich einstecken, doch es fiel mir aus der Hand und rutschte unter die Steuereinheit des Schiffes. Ich würde es nachher aufheben. Jane antwortete mir jedoch nicht, sondern eine andere, mir wohlbekannte Stimme. "Jane kann im Moment leider nicht reden." Ich wurde bleich. Vor der Kajüte erschien Asmodina, die Jane grob am Arm gepackt hatte und sie hinauszog. Um den Hals meiner Freundin hatte sie einen Energiering gelegt, welcher Jane die Luft abschnürte. Instinktiv griff ich nach meiner Beretta. Ich hatte sie natürlich auch hier dabei. "Lass es, Sinclair, sonst töte ich sie sofort. Glaube mir, es würde ihr sehr weh tun. Wirf deine Waffe hier rüber." Das glaubte ich gern. Asmodina machte eine kleine Geste und der Druck um Janes Hals verstärkte sich. Sie stöhnte und sank auf die Knie. Ich wusste, wozu Asmodina fähig war, also tat ich, was sie mir befohlen hatte. Die Waffe rutschte übers Deck und landete genau vor Asmodinas Füßen. "Bravo." Asmodinas böses Lachen ertönte, als sie die Waffe noch weiter wegkickte. Ich wirbelte herum als ich plötzlich etwas hinter mir spürte. Dort schwebte der Schwarze Tod. Langsam wurde ich sauer. "Nicht doch du auch noch. Als hätte ich nicht schon genug Probleme", knurrte ich in einem Anflug von Sarkasmus. Der Schwarze Tod hielt mir ein Kästchen entgegen. "Dein Kreuz." Langsam verstand ich. Mit fragendem Blick wand ich mich wieder Asmodina zu. "Ihr arbeitet zusammen?" Sie nickte. "Oh Gott." Langsam bekam ich Angst. Anscheinend hatte ich Asmodina einmal zu oft geärgert. Ich wand mich wieder dem Schwarzen Tod zu. "Seit wann machst du bei sowas mit?" "Es nützt mir. Du hast auch mir schon ein paar Mal im Weg gestanden." Ich legte die Hand um mein Kreuz. Ich wusste sehr genau, dass ich ohne es praktisch wehrlos war. Es war meine mächtigste Waffe im Kampf gegen das Böse. Schon unzählige Male hatte es mir das Leben gerettet. Der Schwarze Tod streckte mir auffordernd das Kästchen entgegen. Ich zögerte. "John, du darfst es nicht tun", schrie Jane plötzlich. Ich wirbelte herum. Asmodina ballte die Hand zur Faust und Jane sank bewusstlos in sich zusammen. "Hör auf", schrie ich sie an. "Ich tue es ja." Ich nahm die Kette ab, an der das Kreuz hing. Vorsichtig legte ich es in den Kasten. "Was habt ihr damit vor?", fragte ich zögernd. Der Schwarze Tod klappte das Kästchen zu. "Du bekommst es zurück. Falls ihr die nächsten Tage überlebt." Ich schauderte. "Das Kreuz bringe ich zu deinen Freunden. Asmodina würde es gern vernichten, aber das geht nicht. Es würde das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zerstören." Ich stellte die alles entscheidende Frage. "Was habt ihr mit uns vor?" "Wir bringen dich zu einem alten Freund von mir." Asmodina lachte. "Dich und deine kleine Freundin." Sie deutete auf Jane. Ich verstand nur Bahnhof. Asmodina lachte erneut, diesmal lauter. "Freu dich doch lieber, Sinclair. Ihr werdet für 5 Tage verreisen." "5 Tage?" Asmodinas Blick verfinsterte sich ein wenig. "Ihr macht eine Zeitreise. Wir können das Zeitportal leider nicht länger offen halten." Mir ging ein Licht auf. "Deshalb brauchst du den Schwarzen Tod." Sie nickte. "Trotzdem. Die Energie reicht nicht. Woher nehmt ihr den Rest?" "Die Mordliga." Jetzt war ich wirklich verblüfft. "Die Mordliga spielt auch mit?" War es also doch passiert. Einiger meiner mächtigsten Feinde hatten sich verbündet um mich zu beseitigen. Und Jane war durch einen dummen Zufall mit reingeraten und spielte eine tragende Rolle in dieser ganzen Tragödie. Sie lag bewusstlos neben Asmodina. Trotzdem war sie in größter Gefahr. Asmodina könnte sie mit einem Fingerschnippen erledigen. Ich fühlte mich schuldig und ich hatte jetzt wirklich Angst. Ein Ausflug in die Sommerfrische wurde das sicher nicht. "Wer ist dieser Freund, zu dem wir sollen?" "Überraschung." Plötzlich spürte ich, wie ich den Boden unter den Füßen verlor. Ich tauchte in einen Strudel durch die Zeit. Mir wurde schwarz vor Augen.
Ich erwachte von einem Tritt in die Rippen. Langsam öffnete ich die Augen und wollte gerade gegen diese unsanfte Art der Behandlung protestieren, als ich die Schwertspitze bemerkte, die direkt vor meiner Nase schwebte. Das Metall glänzte in der Sonne. Das Schwert wurde von einem Mann in einer Rüstung gehalten. "Steht auf", forderte er mit einem sehr alten englischen Akzent. Ich kam seiner Aufforderung nach. Neben mir erhob sich Jane. Um uns herum standen 8 Männer mit Pferden. Sie alle waren mit Schwertern bewaffnet. Ich ließ den Blick über die Umgebung schweifen. Felder waren hier und da angelegt worden. Bauern arbeiteten auf den Feldern. Niemand beachtete uns. Hinter uns standen in einiger Entfernung Berge. Rechts und links lagen vereinzelte Dörfer. Vor uns erstreckte sich ein Wald. "Wo sind wir?" Ich schluckte. "Ich vermute mal, dass dort vorn London liegt." "Dieses kleine Dorf?" Ich nickte. "In dieser Zeit kannst du es ruhig schon Stadt nennen. Der Schwarze Tod hat uns ins Mittelalter geschickt." "Oh Gott." Die Ritter legten uns in Ketten. Dann trieben sie uns in Richtung Wald. Wahrscheinlich gab es dort irgendwo ein Schloss. "Welches Jahr haben wir?", fragte ich einen Ritter, der neben mir ritt. "Wir schreiben das Jahr 1261." Seine Stimme klang dumpf. Eine Narbe verunstaltete sein Gesicht. Ich sah Jane an. Sie war bleich. Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. "Wieso sind wir hier?" Ich zuckte mit den Schultern. "Ich schätze Asmodina hat irgend etwas vor und will sicher gehen, dass ich ihr diesmal nicht dazwischenfunke. Sie arbeitet wahrscheinlich sogar mit der Mordliga zusammen. Die planen etwas Großes." Jane nickte. "Aber wozu brauchen sie den Schwarzen Tod?" Von meiner Unterhaltung vorhin hatte sie anscheinend nichts mitbekommen. "Er verfügt über die Macht, Portale durch die Zeit zu öffnen." Ich senkte den Blick. "Verdammt", fluchte ich. "Wenn ich doch wenigsten mein Kreuz hätte." Jane ließ betrübt den Kopf hängen. "Wäre ich nicht gewesen..." "...hätten sie eine andere Möglichkeit gefunden es mir abzunehmen", unterbrach ich sie. "Bitte Jane, Selbstvorwürfe nützen niemandem etwas." Ich dachte an unsere Freunde zu Hause. "Hoffentlich passen Suko und die anderen gut auf." Ärger blitzte in Janes Augen. "Du könntest dir ruhig ein paar mehr Gedanken um uns machen", fauchte sie. Ich sah sie erschrocken an. So hatte ich sie lange nicht mehr erlebt. "Jane?", fragte ich vorsichtig. "Tut mir leid", sagte sie leise. In ihren Augen spiegelten sie die Gefühle wieder, die ich versuchte zu bekämpfen. Todesangst, Panik und Hoffnungslosigkeit. "Wir schaffen es", flüsterte ich. "Hoffentlich", murmelte sie. Den Rest des Weges gingen wir schweigend hintereinander her. Der Weg wurde zu einem Pfad, der sich eine Anhöhe hinaufschlängelte. Oben auf einer Anhöhe stand ein Schloss. Wir waren seit über 2 Stunden unterwegs. Es wurde langsam dunkel. Ich war fast erleichtert endlich am Ziel zu sein. Als wir über die Zugbrücke gingen und den Schlosshof betraten, hörte ich den markerschütternden Schrei einer Frau. Jeder Muskel meines Körpers spannte sich. Erneut ein Schrei. "Wer war das?", fragte ich den Ritter mit der Narbe. "Eine Hexe. Sie wird gerade verhört." Er zuckte mit der Schulter. "Ich bin sicher, sie wird bald gestehen", sagte er mit gleichgültiger Stimme. Er stieg vom Pferd. Mir wurde übel. Ich kannte eine Menge entsetzliche Dinge und ich hatte schon viel gesehen. Aber das hatte meist etwas mit Untoten oder Dämonen zu tun gehabt. Ich war entsetzt über die Grausamkeit und Brutalität zu der Menschen anderen Menschen gegenüber fähig waren. Über das Mittelalter und die Hexenprozesse hatte ich viel gelesen. Doch es jetzt hautnah zu erleben, war etwas völlig anderes. Mein Blick traf Janes. Ihr Gesicht war kalkweiß. Ihre Augen hatte sie starr auf den Boden gerichtet.
"Geschafft", jubelte Asmodina. "Endlich." Der Schwarze Tod nickte und verschwand. Die Teufelstochter sah ihm nach. "Bedauerlich, dass er Sinclairs Kreuz mitgenommen hat." Sie wand sich an Lady X zu, die neben ihr stand. "Wir hätten endlich die Chance gehabt es zu vernichten." Ärgerlich stampfte sie mit dem Fuß auf. Lady X trat etwas näher an sie heran. "Wenigstens können wir jetzt unseren Plan durchführen." "Pssst", zischte Asmodina. "Unser 'Verbündeter' muss ja nichts davon wissen." Sie nickte Lady X zu. Die beiden dämonischen Ladys verstanden sich. Dann verschwand Asmodina.
Auch noch kein Kommi... anscheinend gibt es keine John Sinclair - Fans mehr. *heul*
Ich war verärgert und besorgt. Verärgert, weil ich keine Fluchtmöglichkeit sah. Besorgt, weil ich nicht wusste, was mit Jane und mir passieren würde. Ich ahnte es nur. Und ich hoffte inständig, dass ich mich irrte. Man brachte uns in eine Art Arbeitszimmer. Dort stand ein ziemlich großer und sehr fies aussehender Mann. "Nehmt ihnen die Ketten ab", befahl er den Wachleuten. Die Wachen taten, was ihnen befohlen worden war. Dann verließen sie den Raum. Der Mann trat dicht vor mich. "Sie würden doch keine Fluchtversuche unternehmen, oder?" Er sah mir in die Augen. "Sie würden nicht einmal die Türschwelle überqueren." Ich nickte und blickte ihn ebenso starr an wie er mich. "Noch nicht, vielleicht später." Er lachte. "Ich möchte Ihre Hoffnungen ja nicht zerstören, aber ich glaube nicht, dass einer von Ihnen beiden in 2 oder spätestens 3 Tagen noch dazu in der Lage sein wird auch nur darüber nachzudenken." Während er dies sagte, glitt sein Blick zu Jane. Er hatte so einen merkwürdigen Ausdruck in seinen Augen, das es mir kalt den Rücken hinunterlief. Ich schluckte schwer. "Wie heißen Sie eigentlich und was haben Sie für einen Befehl." "Ganz schön neugierig. Aber warum sollte ich nicht antworten. Mein Name ist Mikosch. Und mein Befehl lautet eine Anklage gegen Sie zu erfinden, als Ketzer. Das ist heutzutage nicht weiter schwer. Gestehen Sie gleich und Ihr Tod wird nahezu schmerzfreien. Wenn nicht, passiert mit Ihnen dasselbe, wie mit allen anderen hier. Sie werdet verhört. Gestehen Sie während des Verhörs, sterben Sie. Falls Sie aber weder gesteht, noch beim Verhör umkommen, wird man Sie wieder abholen. In 5 Tagen. Also Freitag Mittag." Ich muss zugeben, mir zitterten in diesem Moment wirklich die Knie. Jane stand dicht neben mir. Ich hielt ihre Hand fest. Ansehen konnte ich sie jetzt nicht. Das würde mir die letzte Kraft rauben. "Wieso helfen Sie Asmodina?" "Sie hat mich zu einem reichen und mächtigen Mann gemacht. Und glauben Sie mir Fremder, in dieser Zeit ist es furchtbar arm und machtlos zu sein." Ich nickte. Mikosch sah uns herausfordern an. "Also, wie haben Sie sich entschieden?" Jetzt sah ich Jane doch an. In ihren Augen leuchtete die Angst, doch ihre Körperhaltung war mehr als entschlossen. Sie wollte hier auf keinen Fall sterben. Wir waren beide Kämpfernaturen. Und vielleicht bot sich doch eine Möglichkeit zur Flucht. "Wir bekennen nichts, was wir nicht getan haben." "Man sagte mir, dass Sie so reagieren würden." Er zuckte mit den Schultern. "Wachen", rief er dann. Er deutete mit dem Finger auf Jane. "Bringt sie weg." Zwei der Wachen führten sie ab. Sie blickte mir noch kurz in die Augen, dann ging sie mit. Mikosch sah ihr erneut mit diesem merkwürdigen Blick hinterher. Richtig lüstern. Wut stieg in mir hoch. Dann sah er mich an. "Ich werde mich kurz von Ihnen trennen müssen." Er warf mir ein vieldeutiges Grinsen zu und verließ den Raum. Dafür traten zwei Wachen ein. Ich kannte sie beide. Einer war der Ritter mit der Narbe. Der andere war auch einer der Ritter, die uns hergebracht hatten. Sie sahen mich feindselig an. Langsam kamen sie auf mich zu. Ihre körperliche Stärke und ihre Kampferfahrung machten sie zu gefährlichen Gegnern. Außerdem war ich durch die neuen Eindrücke noch ziemlich verwirrt. Ich wich zurück, bis mein Rücken gegen die Wand stieß. Eine der Wachen schlug mit der Faust nach meiner Schläfe. Ich duckte mich und stieß ihn dann von mir weg. Diesen Moment nutzte der zweite Mann und trat mir mit voller Wucht gegen die Knie. Ich stöhnte auf und sank nach unten. Inzwischen war die erste Wache wieder auf den Beinen. Er packte meine Haare und zog mich brutal hoch. Seine Faust landete erst in meinem Magen, dann auf meinem Wangenknochen. Wehren konnte ich mich nicht mehr, da mich der eine festhielt, während der andere mit voller Kraft auf mich einschlug. Das Letzte was ich sah, war eine riesige Faust, die mit rasender Geschwindigkeit auf mein Kinn zuflog. Ich spürte den Schlag. Mein Körper machte eine Vierteldrehung nach links und ich schlug mit dem Kopf gegen die Wand. Danach war alles schwarz. Mikosch kam herein, sah meine reglose Gestalt auf dem Boden liegen und befahl: "Bringt ihn ins Verließ."
Jane wurde währenddessen von den Wächtern durch lange Gänge geführt. Dann ging es eine Treppe hinunter. Hier unten roch es faul und modrig. Es war sehr feucht. Auf dem Boden und an den Wänden wuchsen Schimmelpilze. Das Ganze wurde von einem schweren süßlichen Geruch durchzogen. Jane wurde übel. Hier unten roch es nach Blut und verbranntem Fleisch. Dann blieben die Wachen vor einer dicken Eichentür stehen. Sie öffneten sie und stießen Jane unsanft hinein. Danach verschlossen sie die Tür wieder. Jane war allein. Sie sah sich um. Die Zelle war ca. 4 x 5 Meter groß. In einer Ecke lag ein Haufen Stroh und zwei zerschlissene, grob gewebte Wolldecken. Gegenüber der Tür gab es ein kleines vergittertes Fenster. Ein wenig Licht fiel hindurch und Jane sah Füße vorbeilaufen. 'Ich dachte es mir doch. Die Zelle liegt unter der Erde.' Sie schauderte. 'Darum ist es hier auch so saukalt.' Sie drehte sich etwas weiter. In einer anderen Ecke stand ein Eimer für gewisse Notdürfte. Angeekelt verzog Jane das Gesicht. "Das kann doch nur ein Alptraum sein", murmelte sie. Vor der Tür waren Schritte zu hören. Eine Wache trat ein. Er stellte das Tablett, was er hielt in die Mitte des Raumes. "Euer Essen. Es gibt nur abends was." Er versuchte hart zu klingen. Jane sah ihn sich genauer an. Es war ein junger Mann, Mitte 20. Er hatte braune Haare und graue gütige Augen. Er deutete auf das Essen. "Ihr solltet es essen. Zur Stärkung." Jane nickte. "Wasser bringe ich Euch gleich. Es ist noch heiß." Jane sah ihn erstaunt an. "Es wird abgekocht?" Der junge Mann nickte. "Mikosch sagte, ihr würdet sonst krank werden." Dann ging er. Jane lachte. "Er will nicht, dass wir krank werden. Der Mann hat Sinn für Humor." Aber eigentlich war sie froh darüber. Magenprobleme waren wirklich das Letzte, was sie hier brauchen konnte.
Nach einer Weile öffnete sich die Tür erneut. Jane hatte auf einer der Decken gesessen, doch jetzt sprang sie auf. "John", flüsterte sie erschrocken, als sie mich zwischen den Wachen hängen sah. Diese ließen mich einfach fallen und verschwanden. Ich wurde durch den Aufschlag auf den Boden wach. Langsam versuchte ich die Augen zu öffnen. Mein Kopf schien zu bersten. Jane sank neben mir auf die Knie und zog meinen Kopf vorsichtig auf ihren Schoß. Ihre Hände strichen sanft über mein Gesicht. Ich blinzelte. Sie küsste mich leicht auf die Stirn. "Oh, John. Was hat dieses Monster mit dir gemacht." Ich versuchte mich langsam aufzurichten. Jane half mir dabei. "Es ist nicht so schlimm." Dann drehte sich alles um mich herum und ich sank wieder zurück. Ich entschloss mich liegenzubleiben und genoss das Gefühl von Wärme und Sicherheit, welches Janes sanfte Berührungen hinterließen. "Ein Glück, dass du da bist", murmelte ich. Ich sah nach oben. Jane grinste. "Suko würde sich sicher ebenso reizend um dich kümmern." Normalerweise war er es, der mich auf meinen Abenteuern zu begleiten pflegte. Ich musste lachen. Dann stöhnte ich auf. Mein ganzes Gesicht tat weh. Die Tür öffnete sich und unser Wärter trat ein. Er stellte zwei Becher mit Wasser neben das Essen. Er warf mir einen mitleidigen Blick zu. Dann wollte er wieder gehen, doch Jane hielt ihn zurück. "Moment." Er drehte sich um und sah sie fragend an. "Wie heißen Sie?" "Cornelius", antwortete er zögernd. "Was wird jetzt mit uns passieren?" Cornelius kannte die Antwort auf diese Frage sehr genau. In jeder grausamen Einzelheit. Und deshalb schüttelte er den Kopf. "Lieber nicht", sagte er. Dann kam er zurück und ließ sich neben mir nieder. Er besah sich kurz mein Gesicht und zog dann ein sauberes Leinentuch aus der Tasche. Er reichte es Jane. "Danke", sagte sie. Cornelius stand auf und ging. Jane nahm das Tuch, goss etwas von dem Trinkwasser darüber und legte es auf meine Wange, die sich inzwischen lila färbte. Das Wasser war zwar nicht kalt, aber trotzdem angenehm. "Können wir ihm trauen?", nuschelte ich. Jane hatte eindeutig die bessere Menschenkenntnis von uns beiden. Sie nickte. "Er leidet schrecklich mit den Gefangenen. Er gehört hier irgendwie nicht her." Ich stemmte mich langsam hoch und sah zu unserem Essen hinüber. Diesmal war das Schwindelgefühl ertragbar. Ich sah Jane an. Ihr Gesicht zeigte puren Ekel als sie unser Essen ansah. „Versuchen wir’s?“, fragte ich sie. Sie nickte. Ich tauchte einen klobigen Löffel in den weißen Brei und leckte vorsichtig daran. „Milchpamps mit irgendwelchen Körnern. Vermutlich Hirse.“ Jane tat dasselbe. „Eindeutig Hirse. Es fehlt etwas Zucker, dann würde das Zeug richtig gut schmecken.“ Wir aßen fast alles auf. Nur einen kleinen Rest ließen wir für das Frühstück. Auch von dem Wasser ließen wir einen Rest in einem der Becher. Den anderen Becher stülpten wir darüber, damit kein Schmutz oder Ungeziefer hineinfallen konnte. Ich setzte mich mit dem Rücken gegen die Wand. Jane stand vor mir und sah mich an. „Und was machen wir jetzt?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ins Theater lassen die uns leider im Moment nicht. Karten hab ich nicht dabei und Radios und Fernseher gab es in dieser Zeit noch nicht.“ Ein Rascheln erklang. Jane starrte entsetzt in die Ecke. Dort saß eine kleine Maus und sah uns ängstlich an. Ich sah zu Jane hinüber. Sie grinste erleichtert. „Ich dachte schon, das wäre eine Ratte.“ „Keine Angst, die kommen erst nachts.“ Ich lachte leise über meinen Witz. Jane strafte mich mit einem bitterbösen Blick. Die Maus stellte plötzlich die Ohren auf und verschwand dann blitzschnell. In diesem Moment hörten wir das Knirschen des Schlüssels an der Kerkertür. „Gute Alarmanlage.“ Ich deutete mit dem Kopf auf die Stelle, wo eben noch der kleine Nager gesessen hatte. Jane nickte. Ich stand auf und stellte mich neben sie. Es war jedoch bloß Cornelius, der eintrat. Er lächelte uns schüchtern an. „Hat’s geschmeckt?“ „Phantastisch“, antwortete ich. Cornelius sah Jane kurz an. Dann drehte er sich zu mir um und legte mir ein Bündel vor die Füße. „Ziehen Sie das an. Ist besser als Ihre Sachen.“ Dann drehte er sich um und verschwand blitzschnell. Ich musste grinsen. Jane sah mich verwirrt an. „Was ist bitte schön so lustig?“, fragte sie leicht verärgert. „Der Kleine scheint dich sehr... interessant zu finden.“ Jane öffnete kurz empört den Mund, schloss ihn jedoch wieder. Dann sagte sie mit einem süffisanten Lächeln. „Wundert dich das etwa?“ Ich schüttelte den Kopf. Nein, es wunderte mich keineswegs. Dann schaute ich mir die Sachen an, die Cornelius uns gebracht hatte. Zwei lange Hemden aus einem groben Stoff. Dazu zwei Paar Sandalen. „Büßerhemden“, murmelte ich. Dann zog ich mich aus und streifte eins der Hemden über. Jane beobachtete mich dabei. Dann lachte sie. „Du siehst zu ulkig aus“, brachte sie hervor. Sie deutete auf meine Uhr. Ich nahm sie ab und versteckte sie in meinen Sachen. Als ich hochschaute, sah ich Jane, die sich nun ebenfalls umzog. Ich beobachtete sie dabei. Ihr wunderschöner Körper kam zum Vorschein um dann von dem Hemd wieder verdeckt zu werden. „Gibt’s hier was zu sehen?“, fragte Jane mich und sah mich belustigt an. Ich schluckte. Dann schüttelte ich langsam den Kopf. Ich zog Jane in meine Arme und küsste sie. Dann setzten wir uns auf das Stroh. Jane lehnte sich gegen mich. Ich legte vorsichtig den Arm um ihre Schulter. Es war inzwischen fast dunkel geworden. Ich konnte nur noch schemenhaft die Umgebung erkennen. Jane sah mich an. Tränen schimmerten in ihren Augen. „Das, was heute mit dir passiert ist, das war nur der Anfang, nicht wahr?“ Ich nickte. „Ja“, flüsterte ich. Jane lehnte den Kopf gegen meine Brust. „Ich habe furchtbare Angst, John.“ „Ich weiß“, flüsterte ich. „Ich habe auch Angst.“ Sanft strich ich mit der Hand über ihre Haare. Ich spürte ihren Atem durch das Hemd. An einer Stelle wurde es feucht. Jane weinte. Ihre Tränen brannten wie Feuer auf meiner Haut. „Es tut mir alles so leid. Ich hätte...“ Sanft legte sie einen Finger auf meinen Mund. „Sprich nicht weiter“, flüsterte sie leise. „Ich möchte nichts von dem missen, was wir erlebt und getan haben.“ Jetzt hatte ich Tränen in den Augen. Ich zog Jane hoch und küsste sie leidenschaftlich. „Ein Glück, dass ich dich habe“, sagte ich. Jane nickte. Dann kuschelten wir uns aneinander und schliefen ein.
Montag Als ich erwachte, war es noch dunkel. Zum Glück. Das gab uns noch ein paar Minuten. Ich spürte Janes Gewicht auf meinem rechten Arm ruhen. Ich küsste sie auf die Stirn. Sie blinzelte mich verschlafen an. „Morgen.“ Sie drehte sich auf die Seite und kuschelte sich dicht an mich. Ich legte die Arme um ihren Körper. „Morgen“, erwiderte ich. „Wie fühlst du dich?“ „Besser als ich sollte, schätze ich.“ „Genieß es“, murmelte ich und biss mir auf die Lippe. Wir setzten uns hin und aßen den Rest vom Abendbrot. Dann kam auch schon Cornelius. Er nahm das Geschirr mit raus. Er sah mich an. „Die werden Sie gleich abholen.“ Dann verschwand er. Ich nickte. Jane sah mich ängstlich an. Ich zuckte mit den Schultern. Angst hatte ich auch, doch was sollte ich tun. Ich nahm Jane in den Arm und versuchte ihr und mir ein bisschen Trost zu spenden.
Circa eine halbe Stunde später holten die Wachen mich ab. Jane sah mir mit angsterfüllten Augen nach. „Haben Sie gut geschlafen?“, fragte Mikosch. „Natürlich“, antwortete ich. „Wie ein Baby.“ „Das ist gut, dann sind Sie ja jetzt frisch und ausgeruht.“ Er lächelte mich böse an. Vor uns erstreckte sich ein langer Gang. Wir erreichten nach einer Weile einen großen Raum. An der Tür blieb Mikosch stehen. „Willkommen im Verhörzimmer.“ Mir stockte der Atem. Es sah aus wie in einem Horrormuseum. Nur leider waren die Geräte hier zur Zeit in ständiger Benutzung. Und sie sollten auch an Jane und mir ausgetestet werden. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn. Ich hatte plötzlich Passagen aus einem Geschichtsbuch vor Augen. Beschreibungen von Opfern dieser Zeit. Mir wurde schlagartig bewusst, in was für einer Gefahr wir uns befanden. Bis jetzt hatte ich es geschafft, diese Gedanken zu verdrängen, doch jetzt stürzten sie mit einem Mal auf mich ein. Überall sah ich rote Flecken auf der Erde. Blut von anderen Opfern. In einer Ecke lag ein Stück Fleisch. Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass es sich um einen Finger handelte. Ich schluckte. Mir war entsetzlich übel. Diese Grausamkeit und Kaltblütigkeit übertraf einige der schlimmsten Dämonen, die ich kannte. Ich war entsetzt zu sehen, was Menschen sich gegenseitig antun konnten. Und fing an mich zu fragen, ob wir das wirklich durchhalten könnten. Einige Menschen hatten die Folterkammern als freie Menschen verlassen, doch wie... Die Wachen stießen mich plötzlich vorwärts. Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich zu spät reagierte. Ich stolperte 2 Stufen hinunter und fiel hin. Mit dem Kopf schlug ich gegen einen Holztisch. Die Wunde auf meiner Stirn platzte wieder auf. Mir war schwindlig. Am liebsten wäre ich einfach liegengeblieben. „Stehen Sie auf“, fauchte Mikosch mich an. Ich stemmte mich hoch. „Sie bringen mir meinen ganzen Zeitplan durcheinander.“ „Das tut mir aber leid.“ Ich schluckte. Ich hatte es mir einfach nicht verkneifen können. Und ich kassierte die Rechnung dafür. Mikosch verpasste mir einen Schlag in den Magen. In meinem Innersten schwor ich mir, Mikosch nie wieder irgendwelche dummen Antworten zu geben. Schmerzen würde er mir auch so genug zufügen. Ich musste ihn nicht noch zusätzlich provozieren. Ich bekam kaum noch Luft. Die schlechte Luft und meine Vorstellungen von den Grausamkeiten trugen auch nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Mikosch gab den Wachen ein Zeichen. Sie hoben mich hoch und brachten mich zu einer Schlinge, die von der Decke herabhing. Dort fesselten sie mir die Hände und zogen mich nach oben. Ich hing ungefähr 30 Zentimeter über dem Boden. „Viel Spaß dann“, sagte Mikosch und wand sich zum Gehen. Die Wachen folgten ihm. „Hängen Sie schön rum“, rief er noch. Dann war die Tür zu. „Danke“, murmelte ich. Dann sah ich mich etwas um. An einer Wand, gegenüber der Tür, stand ein massiver Tisch. Wenn mich mein Geschichtswissen nicht betrog, saßen dort normalerweise die weltlichen und kirchlichen Vertreter. Bei uns gab es sowas sicher nicht. Schließlich waren wir nicht offiziell angeklagt. Der Rest den ich sah, gefiel mir überhaupt nicht. Also schloss ich die Augen. Ich tat etwas, was ich lange nicht mehr getan hatte, ich betete.
Nach ungefähr einer Stunde fühlte sich mein Nacken ganz steif an. Ich würde später dringend eine Massage benötigen. Mikosch erschien erneut. „Na, haben Sie sich gelangweilt?“, fragte er. „Nein“, sagte ich. Er zuckte mit den Schultern. „Macht nichts, Gesellschaft kriegen sie trotzdem.“ Er öffnete die Tür vollständig. Zwei Wachen führten Jane herein. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Sie sah mich an und murmelte leise: „John.“ „Jane, wie geht es dir?“ Sie legte den Kopf leicht schief. „Ich schätze das sollte ich dich fragen.“ Ihr Gesicht spiegelte die Angst wieder, die ich empfand. Jetzt mischte sich Mikosch ein. „Sie werden sehr schnell selbst spüren, wie sich das anfühlte.“ Die Wachen fesselten Jane und hingen sie ungefähr 4 Meter entfernt von mir auf. Genauso, wie sie es vorher mit mir getan hatten. „Ich wünsche Ihnen beiden einen wunderschönen Tag.“ Mikosch verschwand mit den Wachen. Wir sahen uns an. Ich versuchte mich von den Fesseln zu befreien. Jane seufzte: „John. Diese Leute haben jahrelange Erfahrung mit Fesseln. Du kommst da nicht raus.“ Ich sah meine Freundin an und nickte resigniert. „Du hast recht. Mmm... Ich wusste schon immer, dass ich nicht auf Fesselspiele stehe.“ Jane lachte, obwohl unsere Situation überhaupt nicht komisch war. Ich grinste ebenfalls. Es tat unheimlich gut. „Du bist unmöglich. Wirklich unmöglich.“ Dann wurde sie wieder ernst. „Hast du ein paar Tips, wie ich mich hier verhalten soll?“ Sie deutete mit dem Kopf zu ihren gefesselten Händen hoch. „Versuche, dich so weit es geht zu entspannen. Nur in den Armen und Schultern musst du eine leichte Spannung aufbauen.“ „Oh man, das gibt Muskelkater.“ „Ja, aber wenn du die Arme nicht anspannst kann es zu bösen Zerrungen und sogar zu Muskel- und Sehnenrissen kommen.“ Sie nickte und nahm eine andere Haltung an. Dann sah sie mich an. „Mit dir erlebt man wirklich immer wieder was neues.“ Ich nickte ergeben. „Ja, dafür bin ich bekannt.“ Wir fingen an über vergangene Ereignisse zu reden. Ich erzählte ihr noch ein paar Geschichten aus meiner Zeit, bevor ich zum Yard gekommen war. Sie redete über ihre Zeit zwischen Schule und Job. Dann kam die Zeit als wir uns kennengelernt hatten. Wir hatten zusammen viel erlebt, neue Freunde gefunden und neue Feinde. „Warum bist ausgerechnet du der ‚Sohn des Lichts’ sein?“, fragte Jane fast strafend. Ich sah sie an. „Weil ich dich sonst vielleicht nie kennengelernt hätte.“ Sie erwiderte meinen Blick. Dann senkte sie den Kopf. Sie lächelte und sagte leise: „Ja, wahrscheinlich.“ Mir fiel plötzlich etwas anderes ein. „Welcher Tag ist heute eigentlich? Montag?“ „Ja. Wieso?“ „Ich sollte längst im Büro sein.“ Jane nickte grinsend. „Ich auch. Meine Sekretärin wird sich inzwischen garantiert mit Glenda in Verbindung gesetzt haben.“ „Dann wissen es inzwischen alle.“ Jane lachte leise. „Was ist daran so witzig?“ „Suko wusste doch, dass wir beide verabredet waren.“ „Ja...oh Gott...“ Jetzt musste ich auch grinsen. Die Sprüche von Bill und Suko konnte ich mir lebhaft vorstellen. Und ihre schmutzigen Gedanken ebenfalls.
Wir hatten uns nicht geirrt. In Sir Powells Büro drängten sich unsere Freunde. Nach dem Anruf aus Janes Agentur hatte Glenda alle zusammengetrommelt. Nun stand sie mit Suko, Shao und Bill in Sir Powells Büro und alle redeten durcheinander. Sheila musste auf Johnny aufpassen und war deshalb nicht dabei. Powell saß hinter seinem Schreibtisch und hatte den Kopf auf die Hände gestützt. Während Bill und Suko ihre Scherze auf Janes und meine Kosten machten, waren die Damen ernsthaft besorgt. Plötzlich knallte es laut. Powell hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen und dabei auch seine Teetasse erwischt. „Ruhe jetzt“, fluchte er. „Ich will jetzt der Reihe nach wissen, was eigentlich los ist.“ „John und Jane waren gestern Mittag in Johns Wohnung. Ganz kurz nur. Da erfuhr ich auch, dass sie einen Bootsausflug machen wollten.“ Suko grinste unverschämt und bekam von Shao einen Stoß in die Rippen. „Sie wollten sich eigentlich gestern abends mit uns treffen“, fügte Bill hinzu. „Sie kamen aber nicht.“ Jetzt schaltete sich Glenda ein. „Vorhin hat Janes Sekretärin angerufen und gesagt, dass sie nicht zur Arbeit erschienen ist. Außerdem ist sie nirgendwo erreichbar.“ Suko nickte und deutete auf sein Handy. „John auch nicht.“ „Und sie sind sicher dass das keine...“, Sir Powell suchte nach den richtigen Worten, „...natürlichen Ursachen hat?“ Bill und Suko grinsten sich an. Glenda starrte verärgert gegen die Wand. Shao schüttelte energisch den Kopf. „Wenn sie nicht zur Arbeit gewollt hätten, hätten sie wenigstens angerufen.“ Powell dachte eine Weile nach, dann nickte er und sagte: „OK... dann werde ich...“ Weiter kam er nicht. Die Luft in der Zimmerecke begann zu flimmern. Wer dann erschien hätte unwillkommener nicht sein können. Es war der Schwarze Tod. Suko hatte sofort die Waffe in der Hand. Der Schwarze Tod stand reglos da. „Die können Sie ruhig einstecken. Ich überbringe nur eine Nachricht.“ Suko behielt die Waffe in der Hand, doch er senkte sie ein wenig. Der Schwarze Tod reichte Bill, der ihm am nächsten stand, ein Kästchen. Bill spürte ein Kribbeln, als er es nahm. „Was ist das?“, fragte er. Der Schwarze Tod antwortete nicht. Bill sah Suko unentschlossen an. Dieser nickte. Er hoffte auf eine klärende Antwort was mit John los war. Mit zitternden Händen öffnete Bill das Kästchen. Als er den Inhalt erblickte, wurde er kreideweiß. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Er senkte es ein wenig, damit auch die anderen einen Blick hineinwerfen konnten. Suko atmete hörbar, als er das Kreuz auf dem roten Samt liegen sah. Shao und Glenda sahen sich entsetzt an. Sir Powell schüttelte nur den Kopf. Allen war bewusst, dass ich mein Kreuz niemals freiwillig hergegeben hätte. Suko hob die Waffe wieder hoch. Das war mehr eine Geste der Hilflosigkeit als alles andere. Der Schwarze Tod lachte böse. Ihm bereitete es Freude, meine Freunde so entsetzt zu sehen. „Wo ist John? Was ist mit ihm passiert?“, fragte Suko mit vor Wut zitternder Stimme. Dem Schwarzen Tod tat es fast leid zu antworten. „Er lebt noch. Sie leben beide noch.“ Erleichtert atmeten unsere Freunde auf. „Sie befinden sich in einer anderen Zeit. Wenn sie bis Freitag Mittag dort überleben, holen wir sie zurück.“ Suko wurde stutzig. „Wir?“ „Asmodina, die Mordliga und ich.“ Suko und Bill sahen sich verwirrt an. Dann sah der Chinese den Schwarzen Tod wieder an. „Wo sind sie?“, fragte er langsam. „Im Jahre 1261. Sie sitzen in einem Kerker, angeklagt der Ketzerei.“ Das traf wie ein Schlag. Suko schluckte. „Was passiert mit ihnen, wenn sie gestehen?“ „Dann werden sie dort als Ketzer sterben.“ „Und wenn sie nicht gestehen?“, fragte Bill vorsichtig. „Denkt nach.“ Damit verschwand er. Zurück blieben meine Freunde. Hilflos, verwirrt, genau wie wir. „1261“, murmelte Bill. „Kurz nach der Pest.“ „Das überstehen sie nie“, sagte Sir Powell überzeugt. Suko sah ihn verärgert an. „Doch, das schaffen sie. Sie müssen es einfach schaffen. Sie sind stark.“ „Stark waren damals alle...Und was ist aus denen geworden?“ Suko schluckte. Doch dann schüttelte er entschlossen den Kopf. „Sie schaffen es.“ Jetzt mischte Glenda sich ein. „Was ist los? Was passiert mit ihnen, wenn sie nicht gestehen, dass sie Ketzer sind? Ich war ´ne Null in Geschichte.“ „Man wird sie bestialisch foltern“, murmelte Shao mit Tränen in den Augen. Die Männer nickten. Suko fiel noch etwas anderes ein. „Asmodina und die Mordliga spielen auch mit. Die wollten John aus dem Weg haben. Die planen etwas. Wir müssen auf der Hut sein.“ „Vergiss die anderen. Wir müssen Jane und John da rausholen“, fauchte Bill. „Und wie?“, gab Suko genauso gereizt zurück. „Hast du eine Ahnung, wie wir durch die Zeit reisen sollen?“ Bill schluckte, dann senkte er den Kopf. „Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren. Unbedingt. Wir können den beiden erst dann helfen, wenn sie wieder hier sind. Sie werden dann Freunde brauchen.“ Die anderen nickten zustimmen. Doch in Sukos Gehirn arbeitete es fieberhaft. Er war nicht bereit uns so einfach aufzugeben.
Inzwischen war es Nachmittag geworden. Die Schmerzen waren zu stark geworden. Da halfen auch keine Gespräche mehr um sich abzulenken. Ich biss die Zähne zusammen. Dann versuchte ich den Kopf leicht zu heben. Es war mir fast unmöglich, da sich meine Nackenmuskulatur so stark verhärtet hatte. Doch ich musste unbedingt sehen, wie es Jane ging. Jane hing reglos da. Ich sah Tränen ihr Wangen hinablaufen. „Jane“, flüsterte ich gepresst, „wir schaffen das.“ „Ja“, hauchte sie leise. Sie versuchte ebenfalls den Kopf zu heben. Es misslang. Sie ließ ihn wieder nach unten sinken. Ich tat dasselbe. Langsam wurde es dunkel. Die Sonne ging unter. Die Tür wurde geöffnet und Mikosch betrat mit seinen Soldaten den Raum. ‚Na endlich’, dachte ich erleichtert. „Lasst sie runter“, befahl Mikosch. Ich spürte einen Ruck, der durch das Seil ging. Plötzlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen. Die Schmerzen in meinem Nacken verstärkten sich mit einem Mal um ein Vielfaches, als meine Arme nicht mehr nach oben gehalten wurden. Ich stöhnte auf und sank zu Boden. Als ich die Augen öffnete, sah ich Jane, die vor mir lag. Ihre Augen waren halb geschlossen. Ihr Blick war trüb. Man brachte uns in unsere Zelle zurück. Dort lag ich auf dem Boden, unfähig mich zu rühren. Ich hörte Jane neben mir atmen. Wie gern hätte ich ihr jetzt geholfen, doch dazu hatte ich beim besten Willen keine Kraft. Nach einigen Minuten kam Cornelius mit unserem Essen. Er stellte es ab und trat auf mich zu. Als er neben mir kniete, drehte er mich auf den Bauch. Ich versuchte mich zu wehren. „Psst, ich will Ihnen nur helfen“, flüsterte er. Mir wurde bewusst, in was für eine Gefahr er sich begab. Also gab ich meinen Widerstand auf. Ich spürte seine Hände auf meinen Schultern. Er klopfte und knetete darauf herum. Es tat mörderisch weh. Ich stöhnte auf. „Können Sie den Kopf heben?“ Ich versuchte es. Es ging tatsächlich. „Dann stehen sie auf.“ Mit seiner Hilfe kam ich auf die Beine. Ich stützte mich mit der Schulter gegen die Wand, insoweit das überhaupt möglich war. „Versuchen Sie, die Arme zu bewegen. Reiben Sie die schmerzenden Stellen. Das hilft. Ich muss jetzt gehen, sonst bekomme ich Ärger.“ Er ging in Richtung Tür. „Danke“, sagte ich leise. Er drehte sich kurz um, nickte und verschwand. Ich tat, was Cornelius mir empfohlen hatte. Nach einigen Minuten war ich in der Lage meine Arme wieder einigermaßen vernünftig zu bewegen, wenn auch unter großen Schmerzen. Ich ging zu Jane, die nach wie vor auf dem Boden lag. Allerdings war sie jetzt wieder bei vollem Bewusstsein. Ich kniete mich neben sie. „Wie geht es dir?“, fragte ich, während ich versuchte meine Arme und meinen Kopf zu bewegen. „Genauso wie dir.“ Sie sah mich an. Ich küsste sie sanft auf die Wange. „Wie wär’s mit ‘ner kleinen Massage, Schatz?“, fragte ich. Sie lächelte leicht. „Gern.“ Vorsichtig zog ich sie zu dem Strohhaufen in der Ecke. Dann streifte ich ihr Hemd nach unten und fing an, die Verspannung wegzustreichen. Sie stöhnte auf. Ich beugte mich über sie und versuchte ihr Gesicht zu sehen. „Meintest du eben, dass dir das gefällt?“, fragte ich grinsend. Sie funkelte mich an. „Es tat weh, du Idiot“, fauchte sie. „Mach weiter.“ Ich grinste. Nach einer Weile war auch sie wieder in der Lage, sich einigermaßen zu bewegen. Wir setzten uns hin und aßen. Einen Rest für den nächsten Morgen ließen wir wieder übrig. Da wir beide sehr erschöpft waren, schliefen wir schnell ein. Allerdings weckte mich mitten in der Nacht ein Alptraum. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wovon ich geträumt hatte, aber es war furchtbar gewesen. Neben mir lag Jane. Ich dachte zuerst, sie würde schlafen, aber dann merkte ich, dass ihr Körper zitterte. Ich nahm sie ihn die Arme. Es war fast stockdunkel in unserer Zelle. Der Mond warf ein paar Lichtstrahlen durch das vergitterte Fenster. Ich erkannte Tränen, die über ihr Gesicht liefen. Sie drückte ihren Körper gegen mich. Nach einer Weile war sie wieder eingeschlafen. ‚Es tut mir so unendlich leid Jane’, war mein letzter Gedanke, bevor auch ich wieder einschlief.
Dienstag „John, nun wach schon auf.“ Ich schlug die Augen auf und sah Jane fragend an. Sie lächelte mich an. „Du schläfst wirklich wie ein Murmeltier. Gefällt es dir hier so gut?“ Ich setzte mich auf und streckte mich. Meine Schultern und Arme taten fürchterlich weh. Jane ging es genauso. Das sah ich an der Art, wie sie sich bewegte. Die Sonne ging gerade auf. Uns blieb also nicht mehr viel Zeit. Wir aßen den Rest vom letzten Abendbrot und setzten uns danach wieder auf das Stroh. Über die vergangene Nacht verloren wir kein Wort. Jane lehnte ihren Kopf gegen meine Schulter. „Ein Königreich für eine Bad“, murmelte sie. „Du hast keins“, antwortete ich. Sie sah mich verwundert an. Dann lachte sie. „Nein. Aber in dieser Zeit standen die Chancen noch relativ gut, dass man an eins rangekommen konnte.“ Ich nickte ernst. „Versuch dein Glück.“ Eine Weile schwiegen wir uns an. Dann senkte Jane den Kopf. „Was uns wohl heute erwartet?“ „Ich versuche, nicht darüber nachzudenken.“ Das war eine Lüge. Ich dachte eigentlich an nichts anderes. Und Jane wusste das genau. Sie sah mich an und nickte. Ein Geräusch an der Tür hielt sie davon ab, noch etwas hinzuzufügen. Zwei der Wachen traten ein. Sie blickten mich an und sagte: „Kommen Sie mit. Mikosch erwartet Sie.“ Ich nickte, atmete tief durch und ging mit ihnen mit. Sie führten mich diesmal nicht in die Folterkammer, sondern in Mikosch´s Büro. Dieser kam mir entgegen. „Na, haben Sie sich erholt?“ Ich nickte. „Fein“, er strahlte mich an. „Gestehen wollen Sie sicher immer noch nicht, oder?“ „Nein.“ Er zuckte mit den Schultern. Dann gab er seinen Wachen einen Wink. Bedrohlich kamen sie auf mich zu. Ich schluckte. Doch diesmal ließ ich mich nicht so einfach überrumpeln. Als der erste Mann nach mir schlug, hielt ich seinen Arm fest und warf ihn mit einem gekonnten Judogriff auf den Rücken. Er sah mich erschrocken an. Der zweite rannte wutentbrannt auf mich zu. Doch bevor er mir etwas tun konnte, wich ich ihm aus und schlug ihm mit der Kante meiner Hand ins Genick. Er fiel wie ein gefällter Baum zu Boden. Mikosch hatte alles sehr genau beobachtet. Doch jetzt war sein Gesicht rot vor Zorn. „Wachen“, brüllte er. Zwei weitere Männer kamen zur Tür herein. Sie erkannten sofort den Ernst der Lage und rannten auf mich zu. Ich nahm eine Abwehrhaltung ein. Doch in diesem Moment packte mich jemand von hinten. Der erste Mann, den ich zu Boden geschickt hatte, hatte sich von seinem Schock erholt und hielt mich fest. Die beiden anderen prügelten mit den Fäusten auf mich ein. Ich kassierte Treffer gegen den Kopf, in den Magen, in die Nieren. Meine Lippen platzten auf, ich schmeckte Blut. Durch meinen Beruf war ich ja einiges gewohnt. Ich hatte schon öfter Prügel bezogen, aber das hier war eindeutig zuviel. Ich sah Sterne. Wie wildgewordene Lichtpunkte flitzten sie vor meinen Augen herum. Die Wachen hörten plötzlich auf und verschwanden. Ich lag regungslos am Boden. Mein Körper war ein einziger großer Schmerz. Mikosch hockte sich neben mich. Er krallte seine Finger in meine Haare und zog meinen Kopf hoch. Ich erkannte ihn verschwommen. Er sah mich verächtlich an, dann ließ er mich wieder fallen. „Ich komme später wieder.“ Seine Stimme klang gedämpft. Wie durch einen Wattebausch. „Jetzt widme ich mich erst einmal ihrer kleinen Freundin.“ Der Klang seiner Stimme, als er von Jane sprach, ließ mich innerlich zusammenzucken. Ich schauderte. Zorn wallte in mir hoch. Ich wollte etwas sagen, brachte aber nur ein schwaches Stöhnen heraus. Mikosch verstand es sehr wohl. Er lachte und verließ den Raum. Ich blieb liegen.
Die beiden Wachen, die mich zusammengeschlagen hatten, holten jetzt Jane aus unserem Verlies. Sie brachten sie, wie am Tag zuvor in den Folterkeller. Jane schauderte. Sie sah frisches Blut auf dem Boden. Übelkeit stieg in ihr hoch. Mikosch kam auf sie zu. „Na, sie sehen nicht so aus, als ob sie gut geschlafen hätten.“ „Es war Vollmond, da hab ich immer Probleme“, antwortete Jane schlicht. Sie sah sich um, konnte mich jedoch nirgendwo entdecken. Irgendwie erleichterte sie das. „Ihr Freund ist nicht hier. Der liegt in meinem Büro und holt noch etwas Schlaf nach.“ Mikosch grinste sie triumphierend an. ‚John’, dachte Jane, während sie von den Wachen zu einem Holzstuhl geführt wurde. Dort fesselte man sie mit zwei Lederriemen, die fest um ihre Arme gelegt wurden und einem, den sie unter ihren Armen durchzogen. Ihre Beine wurden ausgestreckt auf einem Brett festgeschnallt. Über ihr hing ein Behälter, den Jane mit einem unbehaglichen Blick musterte. „Keine Angst, da ist nur Wasser drin“, flüsterte Mikosch ihr ins Ohr. Er stand direkt neben ihr. Jane schluckte. Sie hatte von der Tropfenfolter schon gehört. Eine sehr unangenehme Sache und sehr schmerzhaft. Es gab einige Fälle, in denen die Angeklagten wahnsinnig geworden sind. ‚Ganz ruhig, Jane’, versuchte sie sich selber zu beruhigen. ‚Du schaffst das. Du musst einfach durchhalten.’ Nachdem die Wachen sie so gefesselt hatten, dass sie die Beine nicht mehr wegziehen konnte, öffnete Mikosch eine kleine Öffnung an dem Gefäß, welches über ihr schwebte. Zwei kleine Löcher waren zu sehen. Aus einer Höhe von etwa 1 ½ Meter fielen kleine Tropfen genau auf ihre Kniescheiben. „Viel Spaß noch“, sagte Mikosch und verschwand mit den Wachen. Jane sah ihnen eine Weile nach. Dann blickte sie nach oben. Tropf, tropf, tropf...Diese Eintönigkeit. Man konnte wirklich verrückt dabei werden. Anfangs kitzelten die Tropfen, doch bereits nach einer halben Stunde fühlte es sich an, als wären es kleine Steinchen. ‚Das kann ja heiter werden’, dachte Jane. Sie versuchte verzweifelt ihrem Gehirn etwas zu tun zu geben. Sie erinnerte sich an Gedichte, die sie früher gelernt hatte. Langsam murmelte sie sie vor sich hin. Es war schon merkwürdig in einem stinkenden, halbdunklen Raum mit Folterinstrumenten zu sitzen und Gedicht aufzusagen. Aber es lenkte ab.
Suko hockte zur selben Zeit in seinem Büro und grübelte. Es fiel ihm jedoch nichts ein. Es machte sich schreckliche Sorgen um seine Freunde. Er vermied es genauer darüber nachzudenken, was man mit ihnen im Moment gerade anstellen würde. Gedankenverloren drehte er Johns Kreuz in seinen Händen hin und her. Da wurde die Tür aufgestoßen. Suko schrak hoch, doch in der Tür stand nur sein Chef. „Man hat ein herrenloses Boot gefunden.“ Er verstand und sprang auf. Er griff seine Jacke und die Autoschlüssel. Im Vorbeirennen nahm er einen Zettel von Powell entgegen auf welchem der Fundort stand. Mein Kreuz ließ er im Büro. James Powell sah ihm nach. ‚Hoffentlich findet er was’, dachte er. Während Suko zu seinem Auto rannte, rief er Bill an. „Conolly“, meldete sich dieser. „Bill, Suko hier. Man hat das Boot gefunden, mit dem John und Jane unterwegs waren. Ich hole dich von zu Hause ab.“ „OK.“ Suko steckte das Handy wieder ein und schwang sich in seinen Wagen. Er hatte das Auto geleast, weil es im Herbst und Winter doch angenehmer war in einem Auto zu sitzen, als auf einer Harley. Circa eine viertel Stunde später hielt er mit quietschenden Reifen vor dem Haus der Conollys. Bill stand bereits draußen und wartete auf ihn. Er setzte sich auf den Beifahrersitz und sah Suko grinsend an. „Wie viele Strafzettel hast du dir heute eingehandelt.“ Suko zuckte mit den Schultern. „Egal, ich bin im Dienst.“ Dann fuhr er los. „Wer hat das Boot gefunden und wo?“, fragte Bill während der Fahrt. „Die Küstenwache. Circa 4 Meilen vor der Küste.“ Bill nickte. Das brachte sie nicht einen Millimeter weiter. Das Boot konnte von sonstwoher dort hingetrieben worden sein. Bill seufzte. Dann starrte er nach vorn. Es blitzte. Der nächste Strafzettel. Bill grinste, während Suko mit verbissenem Gesicht versuchte, den anderen Autofahrern nicht zu nahe zu kommen, während er seinen Wagen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch den Londoner Verkehr lenkte.
Das Hafengebiet, in welches man das Boot geschleppt hatte, war hermetisch abgeriegelt worden. Suko und Bill zeigten ihre Ausweise und wurden zu der Stelle geleitete, wo das Boot jetzt lag. Sanft schaukelte es auf den Wellen. Bill und Suko betraten es mit gemischten Gefühlen und sahen sich um. Bill ging in die Kajüte. Dort lagen die Handtücher, auf denen Jane gelegen hatte und ihr Bikini. Während er sich dort unten etwas genauer umsah, ging Suko zum Steuer des Schiffes. Er stand jetzt genau dort, wo ich vor unserer Entführung gestanden hatte. Er sah sich alles genau an. Dann entdeckte er etwas. Eine Art Kästchen lag etwas vom Steuer verdeckt vor ihm. Er hockte sich hin und nahm es hoch. Langsam öffnete er es. Als er den Inhalt sah schluckte er. ‚John, John, John…das hätte ich nicht erwartet’, dachte er. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Was hast du da?“, fragte Bill von unten. Er stieg die 4 Stufen hoch und trat neben ihn. „Wo hast du das gefunden?“ Suko deutete auf den Boden. „Es lag da unten.“ Er sah Bill an. Die beiden grinsten sich an. Dann lachten sie. Die Polizisten, die in der Gegend herumstanden machten sehr verdutzte Gesichter. Es musste ein sehr komischer Anblick sein, wie meine Freunde dort standen und sich amüsierten. Suko rang nach Luft. Bill hielt die Hand hin. „Gib mir mal.“ Er nahm den Ring und schaute sich die Innenseite genauer an. „Steht was drauf?“, fragte Suko neugierig. „Ja. Moment. ‚Auf ewig dein. John.’ Och wie niedlich.“ „Du sagst es.“ Suko nahm den Ring und steckte ihn vorsichtig wieder in das Kästchen. „Ich werd ihn für John aufheben“ „Das ist doch mal wieder typisch für John“, meinte Bill. Suko nickte zustimmend. „Eindeutig. Seine Art sich zu drücken.“ Dann stiegen sie wieder in das Auto und fuhren zu Yard zurück.
Als ob ich etwas dafür könnte. Die beiden hatten Glück, dass ich die letzte Bemerkung nicht gehört hatte. Andererseits wäre es mir im Moment wahrscheinlich völlig egal gewesen. Ich kämpfte immer noch mit mir selbst. Unter Schmerzen hatte ich es geschafft mit aufzuraffen. Ich lehnte mich mit einem Stöhnen gegen die Wand. Ein Glück, das es hier keine Spiegel gab, ich sah wahrscheinlich zum Fürchten aus. ‚Hoffentlich geht es Jane besser’, dachte ich in einem Anflug von Optimismus. Doch in meinem Innersten wusste ich, dass diese Hoffnung vergebens war. Ich ließ den Kopf auf die Knie sinken. Tiefe Hoffnungslosigkeit breitete sich in mir aus. Heute war erst Dienstag. Das bedeutete, wir mussten noch 2 ½ Tage in dieser Hölle überleben. Ich fragte mich langsam, wann Mikosch die schweren Geschütze auffahren würde. Bis jetzt hatte er sich noch sichtlich zurückgehalten. Wenn er es gewollt hätte, wären wir beide längst tot. Ich hörte Schritte. Mikosch und seine Helfer kamen zurück. Ich schluckte. Prügel bezogen hatte ich schon öfter, nur dass ich sonst meist die Chance hatte mich zu wehren. Doch hier. Meine Gegner waren immer in der Überzahl. Außerdem war ich durch das karge Essen ziemlich geschwächt. Und dazu noch die ständige Sorge um Jane. Ich stand schwanken auf. Mikosch von unten ansehen, das wollte ich nicht. Die Tür öffnete sich. „Haben Sie sich erholt?“, fragte Mikosch scheinheilig. „Sie waren ja richtig weggetreten. Als ich vorhin hier drin war, waren Sie gar nicht wachzukriegen.“ Ich erwiderte nichts. Innerlich jedoch jubilierte ich. Die Erschöpfung hatte mich wahrscheinlich vor einer weiteren schmerzhaften Begegnung mit den Fäusten der Wachen bewahrt. Doch die würde jetzt wahrscheinlich folgen. Die beiden Wachen kamen auf mich zu. Sehr langsam. Es waren die, denen ich mich widersetzt hatte. Der eine sah noch etwas mitgenommen aus. Wenn Blicke töten könnten... Mikosch winkte mich zu sich. Die Wachen standen rechts und links neben mir. Ich schluckte. Dass das eine Falle war, merkte jeder. Doch was sollte ich tun. Ergeben trat ich auf meinen Peiniger zu. Meine Reflexe hatten in den letzten Tagen deutlich nachgelassen. Ich erkannte den Fuß, der sich mir in den Weg stellte viel zu spät. Als ich fiel, hob eine der Wachen das Knie und rammte es mir mit voller Wuchte gegen die Brust. Eine Welle des Schmerzes durchzuckte mich. Dann war alles schwarz. Mikosch sah, wie ich bewusstlos zu Boden ging. „Schafft ihn in sein Verlies. Dann befreit seine Freundin. Für heute dürfte es den beiden reichen.“ Die Wachen lachten und hoben mich hoch. Mikosch trat auf sie zu. „Vorsichtig. Fasst ihn vorsichtig an. Ich will nicht, dass er stirbt. Sie sind beide so zäh. Ich will sehen, was sie noch aushalten.“ Dann verschwanden die Wachen mit mir.
Jane waren inzwischen die Gedichte ausgegangen. Andererseits war sie aufgrund der Schmerzen auch nicht mehr in der Lage sich darauf zu konzentrieren. Ihr taten die Beine von der Hüfte abwärts höllisch weh. Das Wasser in dem Behälter war seit geraumer Zeit alle, aber ihre Schmerzen waren geblieben. Janes Knie waren ein einziger blauer Fleck. Das würde sicher noch einige Tage weh tun. Doch sie hatte es überstanden. Und sie war sehr stolz darauf. Wie es John wohl ging. Die Tür wurde aufgestoßen. Die zwei Wachen traten ein. Sie nahmen ihr die Fesseln ab und stellten Jane auf die Beine. Wie erwartet konnte sie sich nicht halten und viel fast hin. Die Wachen fingen sie wieder auf, nickten sich zu und schleiften sie dann mit sich fort. Als sie ihre Zelle betreten hatten, ließen sie sie unsanft fallen. Dann gingen sie. „Autsch“, fluchte Jane. „Diese verdammten Grobiane.“ „Wem sagst du das“, nuschelte ich. Dann biss ich mir auf die Lippe. Die Schmerzen in meiner Brust waren unerträglich. Der letzte Schlag hatte mir wahrscheinlich zwei oder mehr Rippen gebrochen. Jane sah mich erschrocken an. „John“, rief sie. Ich sah durch einen Schleier aus Tränen, wie sie sich mühsam zu mir rüberzog. „Was ist mit...“, weiter kam ich nicht. Ich atmete langsam und sehr flach. Das Stechen ließ ein wenig nach. „Tropfenfolter.“ Das war Janes einzige Erklärung. Ich nickte leicht. „Was ist mit dir.“ Sie saß jetzt neben mir. Vorsichtig ließ sie ihre Hand über meinen Kopf gleiten ohne ihn jedoch zu berühren. „Mein Gott, John. Du siehst furchtbar aus.“ Ich nickte ergeben. Nach irgendwelchen Sprüchen war mir jetzt wirklich nicht zumute. Mein Gesicht fühlte sich an wie ein Luftballon. Es war geschwollen. Vor allem die rechte Seite. Mit dem rechten Auge konnte ich so gut wie gar nichts mehr erkennen. Ganz vorsichtig strich Jane mir eine Strähne meines Haares aus dem Gesicht. Tränen liefen über ihre Wangen. Ich schaffte es mit einer unendlichen Kraftanstrengung ihre Hand zu nehmen und sie aufmunternd zu drücken. Zu mehr war ich beim besten Willen nicht fähig. Sie lächelte mich tapfer an. Dann drehte sie sich plötzlich um. Cornelius betrat, wie jeden Abend, den Raum und stellte unser Essen an die Seite. Dann kam er mit einer kleinen Schüssel Wasser und einem Tuch zu uns herüber. Er sah mich kurz an, dann riss er das Tuch in zwei Hälften. „Sie sollten eine nass machen und auf ihre Knie legen. Das lindert die Schmerzen“, sagte er zu Jane. Er gab ihr die beiden Hälften, dann verschwand er. Jane sah ihm nach und schüttelte den Kopf. „Was sollten wir nur ohne ihn machen?“, fragte sie. Ich schluckte vorsichtig. „Wenn sie ihn erwischen, geht es ihm schlechter als uns“, hauchte ich. Jane nickte. In diesem Moment kam Cornelius wieder. Er drückte mir eine kleine Flasche in die Hand. Dann nahm er meine Schulter und zog mich zu unserem Strohlager. Ich schrie auf, als er mich hochhob. „Tut mir leid, aber sie können nicht auf dem kalten Boden liegen bleiben.“ Er sah mich ernst an. Ich nickte. Als ich sicher lag, ging er zu Jane. Er zögerte, denn hob er sie hoch und trug sie zu mir herüber. Vorsichtig setzte er sie neben mich. „Danke“, flüsterte ich. Cornelius nickte und verschwand. Jane lächelte ihm hinterher. „Ist er nicht süß? Er erinnert mich irgendwie an dich.“ Sie sah mir in die Augen. „Nur dass er jünger ist“, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. Ich stieß ihr leicht die Hand in die Seite. „Was willst du denn damit sagen?“ „Nichts, nichts“, gab sie zurück. Dann tauchte sie eines der Tücher in das Wasser und fing an mein Gesicht von meinem Blut zu befreien. Obwohl sie unglaublich vorsichtig vorging, war es für mich die Hölle. Zuletzt machte sie das Tuch erneut nass und sah mich fragend an. „Meine Rippen“, murmelte ich. Vorsichtig öffnete Jane mein Hemd. Ihre Berührung ließ mich schaudern. Jane grinste kurz, sagte aber nichts. Dann pfiff sie kurz. „Das sieht nicht gut aus“, sagte sie langsam als sie meine Brust sah. Ein riesiger blau-lilafarbener Fleck breitete sich dort aus. Jane legte vorsichtig das feuchte Tuch drauf. Ich atmete vor Schmerzen tief ein, was sich jedoch als Fehler erwies. Die Schmerzen wurden dadurch um ein Vielfaches verstärkt. Ich sah Punkte vor meinen Augen tanzen, deshalb schloss ich sie lieber. Als ich sie wieder geöffnet hatte, sah ich Jane, die mit einiger Mühe unser Essen zu sich herangezogen hatte. „Hunger?“, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. „Dachte ich mir. Essen musst du trotzdem. „ „Wieso fragst du dann erst?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aus Höflichkeit.“ Dann steckte sie einen Finger in den Brei und steckte ihn mir in den Mund. So fütterte sie mich eine ganze Weile. Irgendwann schüttelte ich den Kopf. Dann aß sie ein wenig. „An die Art zu Essen kann man sich gewöhnen.“ Sie grinste. „OK, bei Sheilas nächster Einladung zum Essen führen wir es ein.“ Wir sahen uns an. Mit einem breiten Grinsen fügte ich hinzu: „Es würde ihr nicht gefallen.“ Jane schüttelte den Kopf. „Garantiert nicht.“ Sie lachte. Dann deutete sie auf meine Hand, die immer noch krampfhaft die Flasche festhielt, welches Cornelius mir gegeben hatte. Ich gab es ihr. Jane öffnete es und roch daran. Dann lächelte sie. Vorsichtig setzte sie es mir an die Lippen. Der Geruch von Whiskey strömte mir entgegen. Vorsichtig nahm ich einen Schluck. „Meine Güte, das Zeug hat einige Umdrehungen“, keuchte ich. Aber es tat unheimlich gut. Auch Jane nahm einen Schluck. Sie hustete. Dann wollte sie etwas auf das Tuch kippen um meine Wunden zu desinfizieren. Ich hielt sie davon ab. „Das sollten wir lieber trinken. Dann schlafen wir besser.“ Jane schüttelte den Kopf und lachte. „Säufer.“ Dann setzte sie mir die Flasche erneut an die Lippen.
Im Büro von Sir James waren indessen Suko und Bill eingetroffen. Auch Sheila und Shao waren jetzt da. Als mein Chef gerade etwas sagen wollte, klopfte es. Glenda steckte den Kopf herein. „Besuch.“ Dann öffnete sie die Tür. Draußen stand Will Mallmann. Meine Freunde starrten ihn an. „Weiß man es also auch schon bei euch“, sagte Suko schließlich. Mallmann nickte ernst. „Ja.“ „Kommen Sie rein“, sagte Sir James Powell. Mallmann trat ein und Glenda schloss die Tür hinter ihm. Natürlich war sie ebenfalls im Zimmer geblieben. Schließlich wollte auch sie wissen, was Neues passiert war. Sir James nickte Suko zu. „Wir haben uns vor 2 Stunden das Boot angesehen, mit dem John und Jane weggefahren waren, konnten jedoch nichts weiter entdecken.“ Er sah Bill an. Der nickte ernst. Doch dann stahl sich ein Grinsen auf sein Gesicht. Auch Suko grinste. Seine Hand steckte in seiner Jackentasche und hielt das kleine Samtkästchen fest. Sheila sah die beiden verwundert an. „Und was ist dann so lustig?“ „Nichts“, antworteten die beiden Männer wie aus einem Mund. Mallmann setzte sich auf einen freien Stuhl. „Diese ganze Sache ist einfach tragisch.“ Bill und Suko blickten jetzt wieder ernst. Sie nickten. Glenda sah Bill und Suko fragend an. „Gibt es denn gar keine Chance John zu helfen?“ Sie schüttelten den Kopf. „Nein“, antwortete Suko. „Da müssen sie allein durch. Wir können nur versuchen, hier die Augen offen zu halten.“ Mallmann schlug sich leicht mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Das hätte ich ja fast vergessen.“ Damit hatte er die Aufmerksamkeit meiner Freunde erregt. „John hat doch so einen komischen Anhänger zerstört, nicht wahr? Bei seinem letzten Fall meine ich.“ Sir James nickte. „Es gibt noch drei von diesen Dingern.“ „Was?“, rief Suko erstaunt. „Das gibt es doch nicht.“ „Doch. Und einer von ihnen ist in Deutschland. In Berlin. Einer ist in Athen. Ich habe bereits Leute hingeschickt. Sie werden den Anhänger zerstören.“ Sir James nickte. „Was ist mit dem in Berlin.“ „Den hab ich überwachen lassen. Er wird hierher gebracht.“ Mallmann sah auf seine Uhr. „Ich dachte, man könnte ihn vielleicht als Köder einsetzen. Er müsste heute Abend gegen 22.00 Uhr im Britischen Museum eintreffen.“ „Gute Idee“, stimmte Suko zu. „Und der dritte?“, fragte Bill. Mallmann zuckte mit der Schulter. „Ich habe keine Ahnung.“ „Woher wissen Sie, dass es drei sind?“, fragte Suko skeptisch. Mallmann zog ein altes Schreiben hervor und gab es Suko. „Das haben wir bei Ausgrabungen in der Nähe von Athen gefunden.“ Suko überflog das Schreiben. Es war in griechisch. Deshalb verstand er nur ein paar Brocken. Doch reichten aus. Der Chinese wurde blass. Er wollte Bill das Blatt geben, doch der winkte ab. „Ich verstehe das sowieso nicht.“ „Die vier Unheiligen?“ Mallmann nickte. „Mit allen Vieren kann man einen zweiten Antichristen wecken. Mit dreien kann man eine sehr alte und mächtige Waffe wiedererschaffen. Mit zweien bekommt man einen Gegenstand, der weißmagische Hilfsmittel außer Kraft setzt. Mit einem kann ein Schwarzblüter seine eigene Macht enorm vergrößern.“ „John hat einen zerstört...“ Mallmanns Handy klingelte. Er ging ran. Als er auflegte, atmete er erleichtert durch. „Nummer 2 ist auch zerstört.“ „Sehr gut“, meinte Sir James. „Bleiben noch zwei. Suko, Sie und Bill passen auf den dritten Anhänger auf.“ Die beiden Männer nickten. „Das ist also der Grund, warum Asmodina und die anderen John loswerden wollten.“ „Ich komme da nicht ganz mit“, murmelte Shao. Suko erklärte: „Selbst wenn es unseren Gegnern gelingt nur zwei der Anhänger zu bekommen, sind wir so gut wie machtlos. Keine unserer Waffen würde dann noch wirksam sein. Nicht einmal Johns Kreuz.“ Er bekam eine Gänsehaut, bei dem Gedanken.
Ich wachte mit stechenden Schmerzen auf. Jane lag neben mir und schlief. Ein Glück, ich hatte sie nicht geweckt. Mir ging es furchtbar. Ich zitterte vor Kälte. Auf meiner Stirn stand kalter Schweiß. Jeder Atemzug war eine Qual. Am liebsten hätte ich aufgehört zu atmen. Ich seufzte. Dann überfiel mich ein Hustenreiz. Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, spürte ich etwas warmes, klebriges auf meiner Hand, die ich vor den Mund gehalten hatte. Ich tippte vorsichtig mit der Zunge drauf. ‚Blut’, schoss es mir durch den Kopf. Das konnte nur eins bedeuten. Ich hatte innere Verletzungen. ‚Verflucht’, dachte ich. Angst kam in mir hoch. Das war gefährlich. Sehr gefährlich. Was würde aus Jane werden, wenn ich... ‚Nein’, rief ich mich selbst zur Ordnung. ‚Ich werde nicht sterben. Diesen Triumph gönne ich weder meinen Feinden zu Hause noch denen hier.’ So mutig dieser Gedanke war, ich hatte erbärmliche Angst vor den nächsten Tagen. Zu Recht, wie sich herausstellen sollte.
Bill und Suko fuhren mit Bills Porsche zum Britischen Museum. Wenn sie John schon nicht helfen konnte, wollten sie wenigsten seine Arbeit so gut wie möglich übernehmen. Mallmann war zum Flughafen gefahren, um den Transport des Anhängers zu überwachen. Im Museum angekommen, bot sich ihnen ein normales Bild. Der Direktor übergab ihnen den Schlüssel für alle wichtigen Räume und verschwand. Man hatte ihm gesagt, dass er auf jeden Fall mit den Leute kooperieren sollte, die vom Yard geschickt würden. Für ihn war die Sache damit erledigt. Wenige Minuten später traf Mallmann mit einer Spezialeinheit ein. Sie hatten den Anhänger dabei. Er wurde in der Mitte eines großen Raumes unter einer Glasvitrine gelagert. Die Scharfschützen verteilten sich sichtbar und unsichtbar im ganzen Raum. Sir James hatte es geschafft, Waffen zu besorgen, die mit den Silberkugeln von Pater Ignatius schossen. ‚Weiß der Teufel, woher er die hat’, dachte Suko. Doch er berichtigte seinen Gedanken sofort. ‚Ups. Hoffentlich weiß er es nicht.’ Er schaute zu Bill, der neben ihm auf einem unbequemen Stuhl saß. „Müde?“ Bill Conolly nickte. “Ja, schlafen könnte ich trotzdem nicht.” „Ich weiß. Geht mir auch so.“ Die beiden sahen sich kurz an, dann widmeten sie sich wieder ihrer Aufgabe. Nach 3 Stunden war sich Suko sicher, dass ihre Gegner im Moment auf der Suche nach dem anderen Anhänger waren. Doch er hatte nur zur Hälfte recht.
Denn Asmodina und die Mordliga hatten den anderen Anhänger längst gefunden. Die Teufelstochter stand zusammen mit Tokata und Lady X inmitten einer großen Menge eingeschüchterter Leute. Die Menschen waren Gäste einer Hochzeit, die in einem kleinen Dorf in der Nähe von Sao Paulo stattfinden sollte. Das Hochzeitsgeschenk des Ehemannes war ein alter Anhänger. Auf den hatte es die Gruppe abgesehen. Lady X gab Tokata ein Zeichen. Dieser holte daraufhin den Anhänger. Ein alter Mann trat auf Asmodina zu. „Ihr habt, was ihr wolltet. Geht jetzt. Die Menschen hier sind keine Gefahr für euch.“ Asmodina nickte. „Das sind sie wirklich nicht“, sagte sie. Dann gab sie Lady X ein fast unsichtbares Zeichen. Diese riss ihre MPi hoch und schoss in die Menge. Ein ganzes Magazin leerte sie. „Aber wir sind eine Gefahr für euch“, flüsterte sie dem Alten zu, den sie am Kragen gepackt hatte und der zitternd und bleich vor Schreck vor ihr stand. Dann brach sie ihm mit einer schnellen Bewegung das Genick. Genauso plötzlich wie die Gruppe gekommen war, verschwand sie auch wieder. Zurück blieben Leichen... und ein Reporter, der noch unter Schock stehend in seinen Wagen sprang und nach Sao Paulo zu seiner Zeitung fuhr.
Mittwoch Jane drehte sich um. Sie sah zu ihrem noch schlafenden Freunde hinüber und stutzte. Sie sah genauer hin. Selbst in der Dunkelheit konnte sie erkennen, dass auf seinen aufgesprungenen Lippen Blut war. Jane küsste ihn sanft auf die Wange um ihn zu wecken. Er war ganz heiß. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Jane bekam Angst. Allein würde sie es hier niemals schaffen. Und sie wollte es auch gar nicht. John bewegte sich langsam. Sein Gesicht verzerrte sich.
„John, bitte wach auf.“ Jane hatte die Worte nur geflüstert. Ich schlug die Augen auf. Auch wenn ich wahrscheinlich nicht den Eindruck machte, aber es ging mir schon bedeutend besser als letzte Nacht. Ich schob mich vorsichtig ein Stück nach oben. Dann sah ich Janes Blick. Angst leuchtete in ihren Augen. Ich lächele sie an. „Es geht mir gut...“ Weiter kam ich nicht. Ein Hustenanfall schüttelte mich. Janes Augen weiteten sich. Sie fuhr mit dem Finger über meine Lippen. Frisches Blut glänzte auf ihren Fingerkuppen. „Du hast innere Verletzungen.“ „Präzise Diagnose, Frau Doktor“, versuchte ich zu scherzen. Jane ging nicht darauf ein. Im Gegenteil, sie war ziemlich aufgebracht. Sie holte gerade tief Luft um eine Schimpftirade auf mich loszulassen, als sich die Tür öffnete. Cornelius trat ein. Er war heute schon sehr früh gekommen. Er packte die Schale, die Tücher und die Flasche wieder ein. Dann ließ er sich mit einem Seufzen neben uns nieder. „Kommen Sie wirklich aus einer anderen Zeit?“, fragte er plötzlich. Ich sah Jane an. Sie nickte. „Ja, kommen wir.“ „Wie ist es in ihrer Zeit? Sterben da auch noch so viele Menschen wie hier, obwohl sie nichts getan haben?“ Seine Stimme klang verzweifelt. „Nein“, antwortete Jane. „Wir sorgen normalerweise dafür, dass die Menschen vor Hexen und anderen Dämonen verschont bleiben.“ Cornelius sah uns erstaunt an. „Wirklich?“ Dann erschien ein wissender Ausdruck auf seinem Gesicht. „Darum sind Sie hier, nicht wahr? Ihre Feinde wollten Sie loswerden.“ Wir nickten beide. Der junge Mann sah uns beschwörend an. „Sie müssen durchhalten. Hier sind nicht alle schlecht. Sie müssen den Menschen zeigen, dass sie die Hoffnung nie aufgeben dürfen.“ Wir sahen ihn erstaunt an. Er zuckte leicht mit den Schultern. „Inhaftierungen vermeintlicher Ketzer sind nichts Besonderes mehr. Die Menschen haben sich daran gewöhnt. Sie tun ihre Arbeit und hoffen, dass es sie niemals erwischt. Doch dann kamen Sie beide. Es hat schon lange keiner mehr geschafft, der Folter so lange zu trotzen. Sie sind so etwas wie Helden.“ Wir mussten grinsen. „Wie ein Held fühle ich mich nicht“, murmelte ich. Jane sah Cornelius in die Augen. Der wurde rot und wand den Blick ab. Ich grinste. Wenn ich meine gebrochenen Rippen nicht gehabt hätte, hätte ich einen Stoß von Jane abbekommen, so beließ sie es jedoch bei einem bösen Blick. „Und woher wissen die Menschen, was hier so passiert.“ „Das muss ihnen wohl jemand erzählt haben.“ Cornelius machte ein unschuldiges Gesicht. Ich schüttelte den Kopf. „Und was müssen die Helden in diesem Kerker noch ertragen?“ Cornelius stand auf. Er ging zur Tür, blieb dort stehen und drehte sich noch einmal um. „Einiges“, sagte er mit bedauerndem Blick. Dann verschwand er. Ich schluckte und sah Jane an. „Das sieht nicht gut aus. Mikosch wird langsam die schweren Geschütze rausholen.“ Jane nickte. „Wir werden sehen, was uns noch erwartet.“ Sie kuschelte sich wieder an mich. Wir versuchten noch ein wenig zu schlafen.
Bill schlief auf dem Sarg einer alten Mumie. Als der Direktor das sah, sprang er zu ihm und fuhr ihn an: „Stehen Sie sofort da auf, Mann. Wissen Sie eigentlich wie viel das Teil Wert ist, auf dem sie da liegen?“ Bill war hochgeschreckt, verlor das Gleichgewicht und sauste nach unten. Vor dem Direktor blieb er liegen. Er sah ihn von unten an. Dann drang ein leises Lachen an sein Ohr. Der Reporter rappelte sich auf und sah zu Suko hinüber. Der saß auf seinem Stuhl und hatte Tränen in den Augen. Er musste sich wirklich zusammenreißen um nicht laut loszulachen. „Sehr lustig“, murmelte er in Sukos Richtung. Dann wand er sich dem Direktor zu. „Tut mir leid“, sagte er ergeben. „Soll nicht wieder vorkommen.“ Der Mann wollte noch etwas hinzufügen, überlegte es sich dann jedoch anders und ging. Bill ging zu Suko. „Hätte ich doch bloß eine Kamera dabei. Das sah herrlich aus... dein Gesicht, als du langsam von dem Sarg gerutscht bist... herrlich.“ „Ja, ja, sehr lustig, ich lach mich tot.“ Bill strafte Suko mit einem sehr bösen Blick. In diesem Moment ging auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes die Tür auf. Sir James Powell trat ein, direkt gefolgt von Will Mallmann. „Guten Morgen, Gentleman“, sagte Sir James laut. „Morgen“, antworteten Bill und Suko im Chor. Sir James hielt einen Korb hoch, den er bei sich hatte. „Frühstück.“ Suko grinste Bill an. „Sir James bringt uns Frühstück an den Arbeitsplatz. Wow.“ „John würde das gefallen.“ „Auf jeden Fall. Das erzählen wir ihm, sobald er wieder zurück ist.“ „Sicher.“ Die beiden nickten und gingen dann zusammen mit Sir James und Mallmann zu einem Tisch hinüber. Bill hatte seinen Laptop aufgeklappt und studierte die neusten Nachrichten, in der Hoffnung etwas zu finden, was auf den Verbleib des letzten Anhängers hindeutete. „Gibt es sonst irgendwas Neues?“, fragte Suko. Sir James schüttelte traurig den Kopf. „Wo ist eigentlich Johns Kreuz?“ „Bei Glenda. Ich schätze, es ist dort sicher.“ Suko nickte. Dann sah er zu Bill hinüber, der gerade von seinem Brötchen abbeißen wollte, jedoch mitten in der Bewegung erstarrte. Langsam ließ er die Hand wieder sinken. „Was gefunden?“ Bill nickte. „Leider.“ Seine Stimme klang rauh. Dann las er vor. „Ich, Pedro Cruzo, Reporter bei der Sao Paulo Times, war gestern Zeuge eines ungeheuerlichen Massakers. Auf der Hochzeit meines Bruders tauchten 3 Wesen auf, die ein Blutbad anrichteten und dann spurlos mit dem Hochzeitsgeschenk des Bräutigams, einem alten Anhänger, der sich seit Jahren in unserem Familienbesitz befand, verschwanden. Die Räuber waren eine Frau mit langen roten Haaren und Hörnern auf der Stirn, ein Mann, der wie ein Samurai gekleidet war und eine Frau mit einem Maschinengewehr.“ Bill brach ab. Suko nickte: „Lady X, Asmodina und Tokata. Sie haben also einen Anhänger.“ Sir James fluchte verärgert: „Verflucht noch mal. Wir müssen jetzt sehr wachsam sein. Die kommen spätestens heute Nacht.“ „Darauf verwette ich mein ganzes Gehalt.“ Sir James stand auf um zu gehen. Dann sah er Suko noch einmal an. „Verdienen Sie zu viel, dass sie ihr Gehalt verwetten wollen?“ Bill grinste. Suko konterte: „Nein Sir, darum muss ich ja Wetten abschließen.“ Sir James brummte etwas und ging. „Ich verschwinde auch wieder“, sagte Mallmann. „Meine Leute warten draußen.“ Suko und Bill verabschiedeten ihn mit einem Nicken. Die Tür fiel hinter ihm zu und die beiden Freunde waren wieder allein. Mallmann gesellte sich wieder zu den Scharfschützen, die vor dem Haupteingang lauerten.
Nach unserem üblichen Frühstück saßen Jane und ich wieder auf unserem Strohlager und warteten darauf, was passieren würde. Sicher nichts Angenehmes, da waren wir uns sicher. Jane hatte versucht ein bisschen ihre Beine zu bewegen, was ihr jedoch nicht gelungen war. Sie waren so taub, dass sie es nicht einmal spürte, wenn ich sie berührte. Das musste ein erschreckendes Gefühl sein, da war ich mir ganz sicher. „Schau mich nicht so mitleidige an.“ Janes Stimme unterbrach meine Gedanken. „Entschuldige“, murmelte ich. „Es ist leichter sich mit den Problemen von anderen zu beschäftigen, als mit seinen eigenen.“ Jane nickte verständnisvoll. Sie sah, dass ich wahnsinnige Schmerzen hatte. Wenn ich sprach, klang es leise und abgehackt, weil ich unregelmäßig und schwer atmete. Draußen wurden Stimmen laut. Ich erkannte Cornelius und Mikosch. Die Tür wurde geöffnet. „Alle wissen, dass du mit jedem Gefangenen mitfühlst. Das solltest du dir abgewöhnen.“ Cornelius schluckte. Was er jetzt sagte, konnte sein Ende bedeuten, das wusste er. „Asmodina würde es sicher nicht gefallen, wenn einer der Gefangenen an einer leichten Verletzung stirbt, bloß weil man ihn zu derb angefasst hat.“ Mikosch sah ihn böse an. Dann lachte er. „Du hast Mumm, Kleiner. Ist mir nie aufgefallen. Dein Vater war doch ein Quacksalber, nicht wahr.“ Cornelius biss sich auf die Unterlippe und nickte. „Wie sollen wir die Gefangenen denn deiner Meinung nach anfassen?“ Cornelius trat auf uns zu. Er deutete auf Jane. „Ihr müsst sie tragen. Die Menschen in ihrer Zeit sind zerbrechlicher als die in unserer.“ Jane lächelte dankbar. Sie wusste die Hilfe von Cornelius zu schätzen. Noch einmal über den Steinboden geschleift zu werden war nicht unbedingt das, was sie sich vorstellte. Auch ich war ihm dankbar. Der junge Mann riskierte im Moment alles, was er besaß, nur um uns das Leben etwas zu erleichtern. Er deutete auf mich. „Bei ihm müsst ihr sehr vorsichtig sein. Er hat schwere Rippenbrüche.“ „Und woher weißt du das.“ Mikosch kam drohend auf ihn zu. Cornelius schluckte. Mikosch versuchte, ihn in die Enge zu treiben. „Ich dachte, es würde Euch freuen, wenn ich mir die Gefangenen hin und wieder genauer anschaue. So kann ich viel lernen, was Euch vielleicht einmal das Leben retten könnte.“ Mikosch nickte. „So sei es. Woran hast du erkannt, dass er sich die Rippen gebrochen hat?“ „Seine Atmung ist sehr flach. Außerdem kann er sich kaum bewegen. Ich habe das schon bei anderen Gefangenen gesehen. Es ist lebensgefährlich für ihn, ihn überhaupt zu bewegen.“ Mikosch wand sich seinen Wachen zu. „Ihr habt unseren jungen Freund gehört. Seid vorsichtig. Ich würde es gern sehen, dass sie bei der Folter sterben.“ Eine der Wachen hob Jane hoch. Zwei andere halfen mir hoch. Es tat höllisch weh. Doch ich spürte, dass sie versuchten vorsichtig zu sein. Das tat gut. Man brachte uns in den Folterkeller. Ich sah, dass man Jane an einen Pfahl kettete. Stehen konnte sie nicht allein, die Ketten hielten sie. Mikosch winkte den Wachen zu. „Bringt ihn hierher. Ich mag die Blicke nicht, die sie sich zuwerfen. Sie ziehen Kraft daraus. Das ist nicht gut.“ Ich schluckte. Mikosch hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Und es gefiel mir gar nicht, dass er das erkannt hatte. Doch es ließ sich auch nicht mehr ändern. Der Keller machte einen leichten Knick, den ich bis jetzt noch gar nicht gesehen hatte. Es gab eine Art zweiten Raum. Der Eingang hatte im Schatten gelegen, war deshalb nur erkennbar, wenn man genau davor stand. Ich erkannte eine riesige Feuerstelle in der Mitte. Und diverse Folterwerkzeuge, die in der Gegend herumlagen. Auf einer Seite stand ein Stuhl aus Holz, dessen Sitzfläche mit spitzen Stacheln übersäht war. Auf den Armlehnen erkannte ich ebenfalls welche. Das sah nicht bequem aus. Man brachte mich zu einem Pfahl und kettete mich ebenfalls fest. Das war alles andere angenehm. Meine Rippen meldeten sich wieder. Mikosch sah mich an. Dann wand er den Blick einem Mann zu, der hinter mir stand. Er nickte ihm zu und ging in den anderen Raum. Ich versuchte zu sehen, wer hinter mir stand, erkannte aber nichts. Jedoch spürte ich, wie eine große Hand mein Hemd packte und bis zur Hüfte aufriss. Mir schwante Übles. Und ich irrte mich nicht. Sekunden später spürte ich einen schneidenden Schmerz in meinem Rücken. Ich stöhnte auf. Dann biss ich die Zähne zusammen. Der Riemen einer Peitsche traf mich ein zweites Mal, dann ein drittes...Ich versuchte mich von den Schmerzen abzulenken, indem ich die Schläge zählte. Bei 50 hörte der Mann auf und ging rüber zu Mikosch. Ich hatte vor Schmerzen Tränen in den Augen. Blut rann über meinen Rücken. Die Striemen brannten wie Feuer. Jane hatte alles mit angehört. Zitternd stand sie an ihrem Pfahl. Mikosch weidete sich an ihrer Angst. „Keine Angst, Sie kommen auch noch dran.“ Als sie den Wächter mit der Peitsche auf sich zukommen sah, wäre sie am liebsten weggelaufen, was jedoch durch die Ketten verhindert wurde. Jane wurde schlecht, als sie sich die Peitsche genauer ansah. Sie glänzte feucht. Hin und wieder fielen kleine rote Tropfen zu Boden. Blut. Johns Blut. Auch bei ihr riss man das Hemd bis zur Hüfte auf. Jane schaute nach unten. Sie konnte den lüsternen Blick von Mikosch nicht ertragen. Er machte ihr Angst, mehr als die ganze Folter. Als die Peitsche das erste Mal ihre Haut berührte und sie aufriss, stieß Jane einen erstickten Schrei aus. Mehr wegen dem Schreck als vor Schmerzen. Danach machte sie es wie ich und konzentrierte sich auf die Anzahl der Schläge. 50, wie bei mir. Als der Wächter von ihr abließ, versuchte Jane verzweifelt ihre Tränen zurückzuhalten. Was ihr jedoch genauso wenig gelang, wie mir. Ihr ganzer Rücken brannte. Mikosch sagte laut, damit auch ich es hören konnte. „Ich gehe jetzt zu einer Hexenverbrennung. Wenn Sie wollen, können Sie beide gern mitkommen.“ Er lachte. Dann setzte er hinzu. „Na gut, dann eben nicht. Ich werde Cornelius zu Ihnen schicken. Er meinte, ihre Wunden müssten jetzt gereinigt werden. Halte ich zwar für Blödsinn, aber wenn er meint.“ Mit einem bösen Funkeln in den Augen sagte er: „Außerdem meinte der Kleine, dass das desinfizieren noch mal so weh tun würde, wie das Auspeitschen. Und ich kann ihm den Spaß doch nicht verwehren. Der Kleine wird schon noch, da bin ich mir sicher.“ Lachend verließen er und seine Wachen die Kammer. Jane schluchzte auf. Ich hörte es. „Jane, alles klar?“, fragte ich. Blöde Frage, ich weiß, aber irgendwas musste ich sagen. Ich wollte einfach ihre Stimme hören. „Ja“, hauchte sie leise. Doch das Echo in diesem Raum, in dem es jetzt totenstill war, verstärkte ihre Stimme. Ich verstand sie. „Es geht.“ Cornelius betrat den Raum. Er sah Janes blutenden Rücken und schüttelte angewidert den Kopf. Dann trat er neben sie. „Bei Ihnen kann ich noch nichts machen, die Wunden sind noch zu frisch.“ Er hob entschuldigend die Schultern. „Du kannst ja mit John anfangen.“ Jane war froh eine Weile Ruhe zu haben. Cornelius nickte und kam zu mir. „Sie sollten dankbar sein, dass Mikosch nur die normale Peitsche befohlen hat. Normalerweise benutzt er bei Ketzern eine, die mit Nägeln gespickt ist.“ Ich schluckte. Die Verletzungen, die solch ein Teil hinterließ wollte ich mir lieber nicht vorstellen. „Abscheulich“, murmelte ich. Cornelius nickte. „Ja.“ Dann wand er sich meinem zerschundenen Rücken zu. „Das wird weh tun, aber es muss sein“, murmelte er. Ich nickte. Er kippte etwas Alkohol auf einen Lappen. Ich wappnete mich innerlich gegen die jetzt folgenden Schmerzen. Und ich stöhnte laut auf, als der Alkohol meinen Körper berührte. Dann atmete ich tief durch. „Wahnsinn“, meine Stimme klang rauh vor Schmerzen. Tränen liefen über mein Gesicht. „Tut mir leid“, murmelte Cornelius, arbeitete aber weiter. „Ich weiß“, gab ich zurück. Aber ich erkannte die Notwendigkeit. Ohne diese Behandlung würden sich die Wunden binnen weniger Stunden entzünden. Und dann hätte ich ein echtes Problem. Die Umgebung hier war schließlich alles andere als steril. Als Cornelius fertig war, befreite er mich von meinen Ketten. Er legte sich meinen Arm über die Schulter und brachte mich rüber in den anderen Raum. „Warum hast du mich nicht gleich losgemacht?“, fragte ich ihn verblüfft. „Hätten Sie stillgehalten?“ Ich schluckte. Trotz der Schmerzen gelang mir ein Lächeln. Der Kleine war gut. „John.“ Janes Stimme klang wieder halbwegs normal. Ich ging langsam auf sie zu. Cornelius stützte mich weiterhin. Er führte mich zu einer Liege. Dort lagen frische Sachen. „Ziehen Sie sich um. Ich kümmere mich um sie.“ Er deutete auf Jane. Ich nickte und zog mir mit langsamen Bewegungen das zerrissene Hemd aus und das neue an. Dann legte ich mich vorsichtig auf die Liege. Natürlich auf den Bauch. Das Problem war nur, dass meinen Rippen das überhaupt nicht schmeckte. Als rollte ich mich langsam auf die Seite. Das war einigermaßen erträglich. Cornelius war währenddessen hinter Jane getreten. Als der mit Alkohol getränkte Lappen ihre Wunden berührte, schrie sie auf. Ich biss mir auf die Lippen. Es war furchtbar, meine Freundin so leiden zu sehen. Doch Jane hielt sich tapfer. Als sie die Prozedur überstanden hatte, legte Cornelius einen Schlüssel neben mich und verschwand. Ich sah ihm verwirrt nach, dann grinste ich. „Was gibt es hier so Lustiges? Mach mich endlich los.“ Jane klang ungeduldig. Vorsichtig und unter Schmerzen stand ich auf und ging zu ihr hinüber. Ich schloss die Ketten auf. Als Jane sich von dem Pfahl entfernte, rutsche das zerrissene Hemd bis zu ihrer Hüfte hinunter. Ich grinste erneut. „Deshalb ist er weggelaufen“, erklärte ich. Dann reichte ich Jane das neue Hemd. Sie grinste ebenfalls, während sie sich umzog. „Der Junge hat wenigstens noch Manieren, im Gegensatz zu anderen Personen in diesem Raum.“ Jane funkelte mich an. Doch ich sah, dass sie es nicht ernst meinte. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, mich umzudrehen, während Jane sich umzog. Warum sollte ich auch. Unschuldig zuckte ich mit den Schultern. „Irgendwas Schönes braucht der Mensch.“ Ich lächelte und küsste sie vorsichtig. Wie gern hätte ich sie jetzt in die Arme geschlossen, doch angesichts unserer ‚Behandlung’ ließ ich das lieber bleiben. Wir setzten uns nebeneinander auf eine Streckbank und versuchten uns nicht zu genau in diesem Raum umzusehen. „Was Suko, Bill und die anderen jetzt wohl machen?“, fragte ich laut. „Keine Ahnung“, antwortete Jane. „Pläne schmieden, uns suchen, Sir James ärgern.“ Jane zuckte leicht mit den Schultern. „Glenda trösten“, fügte ich mit einem Grinsen hinzu. Jane funkelte mich an. Ich lachte. „Autsch.“ Ich hielt mir die Brust. „Siehst du, das hast du davon“, sagte Jane. Sie sah mich besorgt an. „Alles OK.“
Wir lagen ungefähr richtig mit unseren Vermutungen. Suko und Bill saßen mit ihrem Mittagessen immer noch im Museum. Lustlos kauten sie auf dem Hähnchen herum, was Mallmann ihnen gebracht hatte. Es schmeckte ihnen nicht. Ihre Waffen lagen griffbereit neben ihnen. Bill stöberte weiterhin mit seinem Laptop im Internet rum. Und fand wieder etwas. „Hör dir das mal an, Suko“, sagte er plötzlich. „Mmm.“ Suko nickte, konnte jedoch im Moment nicht antworten. Er hatte einen Hähnchenflügel im Mund. Bill las vor: „Die Anhänger stammen aus einer alten Zeit, als vor Griechenland noch ein anderes Land lag.“ Suko schluckte alles hinter. „Atlantis“, nuschelte er. Bill nickte. „Wenn man zwei von ihnen besitzt“, las er weiter, „kann man die Macht und Kräfte seiner Gegner auf sich selbst übertragen.“ „Schau an. Deshalb ist Asmodina so scharf darauf. Ob sie gegen den Schwarzen Tod antreten will?“ „Möglich“, sagte Bill. „Wenn die Anhänger zerstört werden, verschwinden auch die übertragenen Kräfte.“ Die beiden sahen sich an. „Warum die Mordliga?“ „Asmodina wird sie sicher zum Teufel jagen, wenn sie die Kräfte vom Schwarzen Tod besitzt, oder ihre eigenen verstärkt hat.“ Bill grinste über diesen Witz. Suko nickte ernst. „Ja, möglich. Aber für uns wird sie dann so gut wie unbesiegbar sein.“ „Richtig, da habe ich gar nicht dran gedacht.“ „Wir müssen unbedingt diesen Anhänger verteidigen“, sagte Suko ernst. „Mit unserem Leben.“ Bill nickte. Stille legte sich über den Raum.
Es war genauso still wie in der Folterkammer in der Jane und ich saßen. Nur leider konnten wir nicht einfach gehen. Ich war an der Tür gewesen, aber natürlich war sie abgeschlossen. Wahrscheinlich standen sogar Wachen davor. Gott, mein Rücken brannte wie Feuer. An Janes Gesicht konnte ich erkennen, dass es ihr genauso schlecht ging. Sie hatte die Lippen zusammengepresst, so dass sie einen dünnen fast weißen Strich bildeten. Schweiß stand auf ihrer Stirn. Es war grausam hier sitzen zu müssen. Man hatte nichts, worauf man sich konzentrieren konnte. Die Schmerzen waren dadurch noch mal so schlimm. Wir hatten angefangen alte Kinderspielchen zu spielen. „OK, ich bin dran“, murmelte ich. „Heute...“ Jane dachte kurz nach. „Heute würde...“ „Heute würde ich...“ „Heute würde ich gern...“ „Heute würde ich gern etwas...“ „Heute würde ich gern etwas essen.“ Ich sah Jane strafend an. Sie warf mir einen entschuldigenden Blick zu. „Tut mir leid, aber ich habe Hunger. Und diese Hirsepampe kann ich nicht mehr sehen.“ „Ich weiß, aber leider kann ich dir auch nicht helfen.“ Auch mir setzte der enorme Nahrungsentzug ziemlich zu. Es raubte einem die Kraft. Kraft, die wir hier dringend gebraucht hätten. Ganz vorsichtig lehnte sie den Kopf gegen meine Schulter. Ich lehnte meine Kopf zu ihr hinüber und presste meine Wange auf ihre Haare. Es war tröstend, zu wissen, dass man nicht allein war. Plötzlich schreckte Janes Kopf hoch. Ich hatte auch gehört, warum. Schritte waren vor der Tür erklungen. In meinem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus. Jane sah mich ängstlich an. „Sie kommen. Es geht weiter.“ Ich nickte und schluckte den Kloß herunter, der sich in meinem Hals gebildet hatte. Dann hauchte ich Jane schnell noch einen Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich, Jane“, flüsterte ich. Sie nickte. „Ich liebe dich auch, John.“ Dann wurde die Tür geöffnet. Mikosch kam herein. „Ah... wie ich sehe, haben Sie sich ein wenig erholt. Fein, fein. Dann können wir ja fortfahren. Oder haben Sie sich entschieden doch lieber zu sterben und Ihren Schmerzen ein Ende zu bereiten?“ Wir schüttelten die Köpfe. Nur leicht. Und unsere Gesichter verrieten jedem, dass wir nicht mehr so entschlossen waren wie am Anfang. Doch wir hingen beide an unserem Leben. Und noch hatte man unseren Willen nicht gebrochen. Mikosch schien das entgegenzukommen. Er nickte seinen Wachen zu, die mich packten und wieder in den kleineren Raum brachten. Zwei andere griffen sich Jane und schleppten sie zu einem Stuhl. Sie setzten sie drauf. Dann banden sie sie mit einem Strick quer über die Brust fest. Ihre Arme wurden in verstellbare Eisenringe geschoben. Um ihre Beine legten sie Eisenreifen, die ebenfalls am Stuhl festgemacht wurden. Zuletzt schlossen die Wachen einen weiteren Ring über ihrer Stirn. „Das ist zu Ihrer eigenen Sicherheit?“, meinte Mikosch und deutete auf seine Stirn. Jane verstand kein Wort, doch ihr schwante Übles. Und der Mann mit dem Hammer, der auf sie zutrat, bestärkte sie in ihrem Glauben. Jane hatte Angst, Todesangst. Zitternd saß sie auf ihrem Platz, unfähig sich zu rühren. Der Mann sah Mikosch an, der nickte. Dann drehte Mikosch sich um und kam zu mir. Ich stand stocksteif zwischen den Wachen. „Haltet ihn fest“, sagte Mikosch. Die Wachen verstärkten ihren Griff. Der Mann mit dem Hammer trat neben Jane. Er hob ihn hoch, zielte auf ihre Kniescheiben und holte aus. Jane sah, wie das Ungetüm auf sie zugeflogen kam. Bruchteile einer Sekunde später, spürte sie eine Welle aus Schmerz durch ihren Körper rasen. Sterne tanzten vor ihrem Augen. Sekunden später merkte sie, dass sie schrie. Ich hatte Janes Schmerzensschrei gehört. „Jane“, rief ich. Eine Antwort erhielt ich nicht. Ich spürte, wie ich die Selbstbeherrschung verlor. Die Wachen hatten Mühe, mich zu halten. Jane nahm durch einen Schleier aus Schmerz und Tränen war, wie der Mann mit dem Hammer auf die andere Seite ihres Stuhles trat und erneut ausholte. Sie spürte den Schmerz, hörte sich erneut schreien und wurde bewusstlos. Janes zweiter Schrei war zu viel. Tränen stiegen in meine Augen. Ich weiß nicht wie, aber ich schaffte es einen Arm freizukriegen. Dann rammte ich dem Wachmann meinen Ellenbogen ins Gesicht. Ich hatte seine Nase voll erwischt. Knochen knirschten und brachen. Blut spritzte heraus und traf auch mich. Der zweite Mann war so verdutzt, dass er mich vor Schreck losließ. Ich schlug ihm meine Faust ins Gesicht. Dann lief ich um die Ecke. Mikosch ignorierte ich. Er tat ebenfalls nichts. Aber in seinem Gesicht erschien ein teuflisches Lächeln. Als ich um die Ecke bog, blieb ich wie angewurzelt stehen. Jane hing bewusstlos auf dem Stuhl. Ich sah Tränen auf ihren Wangen. Ich ließ meinen Blick weiter nach unten gleiten. Ihre Knie sahen merkwürdig aus. Mein Blick fiel auf einen Mann mit einem riesigen Hammer. Ein Gedanke formte sich in meinem Gehirn. Ich schauderte. Mein Blick glitt zwischen dem Hammer und Jane hin und her. Plötzlich stand Mikosch hinter mir. Auch die beiden Wachen. Ich drehte mich herum. „Du verdammter Dreckskerl“, schrie ich ihn an. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu, doch sofort sprangen die beiden Wachen vor. Sie hielten mich fest. Diesmal war es leicht für sie, mich aufzuhalten. Die Schmerzen in meiner Brust waren so stark geworden, dass ich kaum noch Luft holen konnte. Durch den Schleier, der sich über meine Augen gelegt hatte erkannte ich Mikoschs Gesicht. „Sie denken, dass das schlimm war, was ich mit Ihrer kleinen Freundin gemacht habe?“ Er machte eine Pause. Ein fieses Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Warten Sie mal ab, was ich mit Ihnen vorhabe.“ Er lachte schallend. Dann brachte man mich zu dem Stuhl mit diesen netten Spitzen. Ich schluckte. „Bitte, nehmen Sie Platz.“ Das war jedoch keine Bitte, sondern ein Befehl gewesen. Vorsichtig setzte ich mich. Die Stacheln pickten durch meine Kleidung durch. An vielen Stellen reizten sie meine Nerven. Der Schmerz zuckte durch meinen Körper. Die Wachen fesselten mich mit einem breiten Riemen, den sie quer über meine Brust schlangen. Meine Arme lagen auf den ebenfalls mit Stacheln besetzten Armlehnen. Auch sie wurden von den Wachen gefesselt. Mein Körper tat höllisch weh, doch irgendwie war es aushaltbar. Da kam sicher noch mehr. Und ich hatte mich nicht geirrt. Einer der Männer ging zu dem offenen Feuer und holte mit einer langen Zange, welche einen Holzgriff besaß, etwas hervor. Es war ein Stück Metall. Ich sah genauer hin und erkannte entsetzt, dass es sich um einen Handschuh handelte. Nur dass dieser nicht aus Stoff, sondern aus Eisen bestand. Und er hatte in dem Feuer gelegen. Mein Atem ging jetzt stoßweise. Angstschweiß stand mir auf der Stirn. Mein Augen waren starr auf den Handschuh gerichtet. Ich versuchte nicht, mir auszumalen, was geschehen würde, wenn dieses Dinge meine Haut berührte. „Angst?“, fragte Mikosch sarkastisch. Ich erwiderte nichts, fixierte nur weiterhin dieses Folterinstrument. Natürlich hatte ich Angst. Panische Angst. Mein Magen ballte sich zusammen. Ich zitterte. Die Schmerzen, die durch den Stuhl verursacht wurden, hatte ich fast völlig vergessen. Der Handschuh war meiner linken Hand bereits so nahe gekommen, dass ich die Hitze spüren konnte. Ich machte den vergeblichen Versuch, sie wegzuziehen. Es ging natürlich nicht. Langsam schob der Folterknecht den Handschuh über meine Hand. Eine Chance, mich dagegen zu wehren, hatte ich nicht. Ich spürte die Schmerzen, als sich die Hitze durch meine Haut brannte. Wenn man an etwas Heißes kommt, zuckt man normalerweise schnell weg. Diese Chance hatte ich nicht. Tränen schossen in meine Augen und liefen über meine Wangen. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Angst und solche Schmerzen empfunden. Diesmal war ich derjenige, der schrie. Ich schrie so lange bis ich das Bewusstsein verloren hatte. Mit meinem Schrei hatte ich allerdings Jane aus ihrer Bewusstlosigkeit geholt. Sie hörte mich, spürte ihre eigenen Schmerzen. Sie war fertig. Ein Schluchzen ging durch ihren Körper. Hätte Mikosch sie jetzt vor die Wahl gestellt, sie hätte alles getan, um dieses Leiden zu beenden. Ein Geruch wehte ihr entgegen. Jane versuchte nichts einzuatmen, konnte jedoch nicht ewig die Luft anhalten. Es roch nach verbranntem Fleisch und Blut. Ihr wurde übel. Die Wachen sahen, dass sie weiß wurde und nahmen ihre den Stirnring ab. Jane warf den Kopf zur Seite und übergab sich. Mikosch nickte und der Folterknecht zog den Handschuh wieder herunter. Ich möchte hier nicht näher auf das Aussehen meiner Hand eingehen. Sicher war nur, dass ich einen verdammt guten plastischen Chirurgen brauchen konnte. „Holt Cornelius her“, befahl Mikosch. Wenige Minuten später trat der junge Mann ein. Die Wachen führten ihn an Jane vorbei in den hinteren Raum. „Sieh dir seine Hand an, da kannst du was lernen.“ Cornelius hatte in seinem Leben schon viel gesehen. Aber beim Anblick meiner verbrannten Hand wurde selbst ihm schlecht. Er drehte den Blick weg und atmete ein paar Mal tief durch. Dann trat er näher zu mir heran. „Ich brauche einige Kräuter. Außerdem ein Stück Leder und einen langen Bindfaden, damit ich seine Hand mit dem Leder umwickeln kann.“ Mikosch lachte. „Er ist nur ein Gefangener.“ Cornelius drehte sich mit einem Ruck zu Mikosch um. „Er wird noch in dieser Nacht sterben, wenn ich nichts tue“, sagte er mit fester Stimme. Mikosch überlegte kurz. Den Mann, der da zusammengesunken auf dem Stuhl saß, bewunderte er. Er konnte nicht genau erklären wieso, aber Mikosch hatte Respekt vor ihm. Vielleicht, weil er die Folter so lange überstanden hatte. Vielleicht aus einem anderen Grund. Wenn er hier in dieser Folterkammer starb, war ihm das egal. Dazu war die Kammer da. Außerdem war er dann für seine Überzeugung gestorben. Aber ihn morgen früh tot aus seiner Zelle zu ziehen, dass empfand Mikosch als Schande. So zu sterben hatte selbst dieser Kerl nicht verdient. Dann nickte er langsam. „Besorge dir, was du brauchst.“ Er holte einen Beutel hervor und warf ihn Cornelius zu. „Mit diesem Geld wirst du alles bekommen.“ „Ich brauche auch Alkohol für beide, um ihre Schmerzen erträglicher zu machen.“ Mikosch nickte. „Hole dir aus dem Keller, was du brauchst.“ Cornelius nickte und wollte gehen. Er drehte sich noch einmal um und sagte: „Bindet ihn los und setzt ihn auf den Stuhl der Lady. Hier kann ich ihn besser behandeln als in seinem Verlies. So kommt auch kein Schmutz in seine Wunde.“ Dann verschwand er. Mikosch zuckte mit den Schultern. Er befahl zwei Wachen bei dem Gefangenen zu bleiben. Sie sollten ihn erst in seine Zelle bringen, wenn Cornelius es ihnen befahl. Die Wachen nickten. Dann ging Mikosch zu Jane. Sie war immer noch halb besinnungslos vor Schmerzen. „Bringt sie in ihre Zelle. Gebt ihr einen Becher Whiskey.“ Die Wachen, die hinter Jane standen nickten. Dann banden sie sie los und trugen sie weg.
Die Wachen, die auf mich aufpassen sollten, setzten mich auf Janes Stuhl. Fesseln brauchten sie mich nicht, das war vollkommen unnötig. Schlaff hing ich auf dem unbequemen Holzstuhl. Das Bewusstsein hatte ich noch nicht wiedererlangt als Cornelius von seinen Besorgungen zurück kam. Und das war vielleicht auch besser so. Er setzte einen Topf mit Wasser auf die Feuerstelle. Endlich war sie mal zu etwas Gutem nutze. Als das Wasser kochte, warf er einige Kräuter hinein. Dann nahm er den Topf und brachte ihn zu mir. Er ließ sich von den Wachen einen Becher Whiskey holen und kippte ihn in den Sud. Zufrieden nickte er. Dann sah er die Wachen an. „Ich brauche euch hier nicht mehr. Ihr könnt draußen warten. Das dauert sicher eine Weile.“ Die Wachen zuckten mit den Schultern und gingen. Draußen konnten sie Karten spielen. Das war besser als hier drinnen zu sitzen. Cornelius nahm ein sauberes Tuch und fing an meine lädierte Hand mit dem noch warmen Sud abzutupfen. Er seufzte. In seiner Zeit war so eine Verletzung ein Grund für eine Amputation. Er hatte sich jedoch dagegen entschieden, weil er hoffte, dass es in meiner Zeit andere Möglichkeiten gab. Das Problem war nur, mich bis dahin am Leben zu halten. Als der junge Mann seine Arbeit beendet hatte, verteilte er eine heilende Salbe auf der Hand. Zuletzt band er das Leder wie einen Handschuh drumherum, damit kein Schmutz mit der Wunde in Berührung kam. Er spürte ein Zucken durch meinen Körper gehen. Vorsichtig berührte er meine Wange. „Wachen Sie auf“, sagte er. Meine Lider flatterten. Langsam kam ich zu mir. Als ich wieder halbwegs bei Bewusstsein war, zuckte eine Welle des Schmerzes durch meinen Körper. Die Hand tat höllisch weh. Ich stöhnte auf. „Warten Sie“, sagte Cornelius und drehte sich um. Er nahm einen Becher in die Hand. „Trinken Sie. Langsam.“ Er hielt mir den Becher an die Lippen und ich trank das Gebräu in kleinen Schlucken. Es waren Kräuter und Whiskey. Widerlich. Aber ich spürte, wie der Alkohol zu wirken begann. Die Schmerzen ebbten ein wenig ab. „Danke“, murmelte ich. Meine Stimme klang rauh. „Wie kann ich mich dafür revanchieren. Sie haben so viel für uns getan.“ Er sah mir ernst in die Augen und sagte dann etwas, was ich nie vergessen habe. „Wir Söhne des Lichts müssen doch zusammen halten.“ Ich sah ihn an wie einen Geist. Er lächelte. Langsam drangen seine Worte in meinen Geist vor. Ich riss die Augen auf. „Du...ich meine...“, stotterte ich. Cornelius stand auf und öffnete langsam sein Hemd. Ich schluckte. Vor der Brust meines Retters baumelte mein Kreuz. „Sie kennen es, nicht wahr?“ Ich nickte. „Warum haben Sie es nicht bei sich?“ „Man hat es mir abgenommen. Ich hoffe, es ist sicher bei meinen Freunden.“ Cornelius hockte sich hin. Ich streckte die gesunde Hand aus und berührte die so vertraute Oberfläche meines...unseres Kreuzes. Ich spürte ein Kribbeln in meiner Hand. Es war für mich zu einem Symbol der Hoffnung geworden. Ich spürte, wie meine Augen feucht wurden. Cornelius schlug traurig die Augen nieder. „Ich wünschte, ich könnte mehr für sie tun, aber es ist noch nicht so weit.“ Ich schluckte. „Du hast bereits so viel für uns getan.“ Plötzlich durchzuckte mich ein anderer Gedanke. „Wo ist Jane“, fragte ich erschrocken. „In Ihrer Zelle. Ich habe ihr auch etwas Whiskey zukommen lassen. Mehr kann ich nicht für sie tun. Sie müssen bis Freitag durchhalten, dann können sich Ihre Ärzte um Sie kümmern.“ Ich nickte leicht. Dankbar sah ich ihn an. Cornelius erwiderte das Lächeln. Dann knöpfte er sein Hemd wieder zu und rief die Wachen. Er befahl ihnen, mich in die Zelle zu bringen. Dort angekommen, legten mich die Wachen auf unser Strohlager und verschwanden. Jane lag neben mir und schlief. Der Raum roch nach Alkohol. Ich musste grinsen. Dann schloss ich die Augen und war sofort eingeschlafen.
Bei Bill und Suko hingegen war an Schlaf gar nicht zu denken. Sie saßen nach wie vor im Museum und bewachten den Anhänger. Sir James hatte sich zu ihnen gesellt, genauso wie Will Mallmann. Es war ruhig und dunkel. Bill knetete seine Finger durch und dachte an John. Hoffentlich ging es ihm gut. Suko sah ihn an. Er stieß ihn leicht an. Bill schaut hoch. „Es kommt zurück“, sagte Suko zuversichtlich. „Sie kommen beide zurück.“ Bill nickte und atmete tief durch. Suko musste einfach recht haben. ‚Fragt sich nur wie sie zurückkommen’, fügte er in Gedanken hinzu. Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Aufgabe. „Die lassen sich aber Zeit“, murmelte Mallmann. „Ach, kommen wir zu spät?“, fragte plötzlich eine spöttische Stimme. Asmodina. Suko und Bill sprangen von ihren Stühlen hoch. Mallmann und Sir James standen dicht hinter ihnen. Auf der anderen Seite des Raumes standen Lady X, Asmodina und Tokata. „Das wird hart“, murmelte Suko. Bill schluckte. „Sehr hart.“ Die Mitglieder der Mordliga hatten es eilig und griffen deshalb sofort an. Lady X riss ihre MPi und feuerte. Meine Freunde retteten sich durch einen Sprung hinter den Sarkophag der Mumie. Die Kugeln hieben in das alte Holz und blieben darin stecken. Lady X heulte vor Wut. Ihr Vampirzähne blitzten. Bill schlich sich geduckt um die Ausstellungsstücke herum. Mallmann ging in die andere Richtung. Suko wollte ebenfalls angreifen, kam jedoch nicht weit. Als er sich aufrichten wollte, stand plötzlich Tokata vor ihm auf dem Sarkophag. In seinen Händen blitzte ein altes japanisches Langschwert. Der Samurai hieb zu. Suko rollte zur Seite und entging so dem Schlag. Nur seine Schulter streifte das Schwert leicht. Der Schnitt brannte ziemlich, aber Suko würde es überleben. Die Waffe zischte mit einem gefährlichen Sirren durch die Luft. Ein Schuss hallte durch den Raum. Suko sah sich um und erkannte Sir James, der auf Tokata geschossen hatte. Der Samurai war für einen kurzen Moment abgelenkt. Getötet hatte ihn die Kugel nicht, obwohl auch Sir James´ Waffe mit Silberkugeln geladen war. Doch den Brustpanzer Tokatas konnte die Kugel nicht durchdringen. Suko warf sich von hinten gegen den Samurai. Die beiden rollten über den Boden. Während der Samurai versucht, Suko mit seinem Schwert zu erledigen, versuchte Suko es ihm zu entreißen. Lady X stand immer noch an dem Platz, an dem sie aufgetaucht war. Mit der Maschinenpistole zielte sie auf Sir James. Dieser wiederum hatte seine Waffe auf die Vampirin gerichtet. Wer würde zuerst abdrücken? Ein Schuss. Will Mallmann hatte geschossen, Lady X jedoch verfehlt. Die Kugel war von Asmodina abgefangen worden, die sich vor Lady X gestellt hatte. Auch ihr machten Silberkugeln nichts aus. Nun kam die Teufelstochter langsam auf den Deutschen zu. Mallmann suchte nach einem Ausweg. Sir James hatte die Chance genutzt und war hinter den Sarkophag in Deckung gegangen. Suko rang nach wie vor mit Tokata. Bill Conolly hatte sich bis auf wenige Meter an Lady X herangetastet. Doch diese spürte die Gefahr, wirbelte herum und tauchte in dem Moment weg, als Bill schoss. Der fluchte laut, hatte jedoch keine Zeit sich weiter Gedanken zu machen, denn plötzlich spürte er eine kalte Hand, die sich von hinten um seinen Hals legte. Lady X hatte ihn überlistet. Bill atmete tief durch. Er spürte den kalten Atem der Vampirin in seinem Nacken. „Hab dich“, knurrte sie. „Warum tötest du mich nicht einfach?“, fragte Bill, seine Stimme bebte leicht. „Nein, ich mache dich zu einem von uns, dann wirst du mir dienen.“ Sie bleckte ihre Zähne. Bills Atem ging stoßweise. Er versuchte sich von dem eisernen Griff zu befreien, jedoch ohne Erfolg. Auch seine Freunde konnten ihm im Moment nicht helfen, die hatten ihre eigenen Probleme. Suko hatte es zwar geschafft, Tokata das Schwert aus der Hand zu schlagen, es war unter den Sarkophag gerutscht, doch der Kampf hatte ihn geschlaucht. Tokata hieb ihm die Faust gegen die Wange und der Chinese segelte über den glatten Boden und knallte mit dem Kopf an den Rahmen einer Tür. Für einen Moment sah er Sterne. Will Mallmann hatte gegen Asmodina überhaupt keine Chance. Die stand wenige Zentimeter vor ihm. Mallmann glaubte den Geruch von Schwefel wahrzunehmen. Er schauderte. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen. Er wich zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Asmodina verzog sein Gesicht zu einem teuflischen Grinsen. Ihre Hand schoss plötzlich mit einer Geschwindigkeit, die man so schnell war, dass Mallmann es gar nicht sah, vor und eine Energieschlaufe legte sich um den Hals des Kommissars. Mallmann röchelte. Der Griff war fest wie eine Stahlklammer. Er bekam keine Luft mehr. Suko wurde wach und sah die Bescherung. Es stand wirklich schlecht für ihn und seine Freunde. Mallmann hing nahezu bewusstlos in Asmodinas Klauen, Bill stand wie erstarrt vor Lady X, die anscheinend vorhatte ihn umzuwandeln und Tokata machte Sir James das Leben schwer. Da öffnete sich vorsichtig die Tür neben ihm. Suko glaubte zu träumen. Dort stand Glenda. In ihren Händen hielt sie... Johns Kreuz. Suko rappelte sich auf. „Glenda, du bist ein Engel“, sagte er und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Glenda wurde rot und murmelte leise: „Das Kreuz hat plötzlich geleuchtet, ich dachte, es wäre was passiert und hab es hergebracht.“ Suko hatte es ihr aus der Hand gerissen. Dann zog er den Stab von Buddha aus der Tasche und schrie: „Topar“. Für 5 Sekunden blieb die Zeit stehen. Das musste reichen. Suko rannte los. Johns Kreuz warf er Tokata über den Kopf, da dieser ihm am nächsten war. Es baumelte jetzt auf der Brust des Samurais. Suko war gespannt, was passieren würde. Er zog die Dämonenpeitsche, schlug einen Kreis und die Riemen fielen heraus. Er schlug sie gegen den Arm Asmodinas. In diesem Moment war die Zeit um. Die Dämonenpeitsche konnte Asmodina zwar nicht töten, Schmerzen bereitete sie ihr aber allemal. Sie stieß einen schrillen Schrei aus und ließ den Kommissar los. Mallmann fiel auf den Boden und rang nach Luft. Er war nicht bewusstlos gewesen, aber nah dran. Bill wurde von Lady X auf die Knie gezwungen. Er zitterte vor Angst. Der Atem der Vampirin traf seinen Hals an der Stelle, wo seine Schlagader verlief. ‚Das war´s’, dachte er. Ein schneidender Schmerz durchzuckte seinen Körper, als Lady X ihre Zähne in seinen Hals schlug. Bill wurde schwächer. Plötzlich ertönte ein schriller langgezogener Schrei. Tokata. Alle sahen in Richtung des Samurais. Blitze zuckten um seinen Körper. Das Kreuz funktionierte. Es zerstörte die schwarze Magie. Tokata sank auf die Knie und versuchte sich das Kreuz von seinem Hals zu reißen. Doch er schaffte es nicht. Das Kreuz vernichtete ihn. Flammen schlugen auf seinem Körper. Der Samurai verging. Ein Häufchen Asche blieb übrig, doch nach ein paar Sekunden war auch die verschwunden. Lady X hatte Bill entsetzt losgelassen. Sie konnte nicht begreifen, was sie da eben gesehen hatte. Bill lag schwer atmend vor ihren Füßen. Der Biss brannte wie Feuer. Suko ging mit gezogener Waffe auf sie zu. Sie sah, dass sie hier verloren hatte und sprang aus dem Fenster. Asmodina löste sich buchstäblich in Luft auf. Lady X verfluchte sich innerlich dafür, den Anhänger, der sich bereits in ihrem Besitz befand, nicht angewendet zu haben. Doch dieser hätte dann einen großen Teil seiner Kraft verloren und man hätte ihn nicht mehr so wirksam mit dem anderen kombinieren können. Das war ein Fehler gewesen, wie sie jetzt erkannte. Doch Asmodina hatte es ja besser gewusst. Die Vampirin schäumte vor Wut. Suko hätte sie gern verfolgt, doch er lief erst zu Bill. Der Reporter lag bleich auf dem Boden. Geschockt betrachtete Suko die Bisswunde am Hals seines Freundes. Er ließ sich neben ihn auf die Knie fallen. Hoffentlich war es nicht zu spät. Mallmann und Sir James waren zu ihnen gekommen. Auch Glenda stand mit bleichem Gesicht hinter Suko. Sie hatte Johns Kreuz hochgehoben und presste es an ihre Brust. „Wie geht es ihm?“, fragte Sir James. Bill stöhnte. „Nicht gut“, antwortete Suko. „Ich rufe einen Krankenwagen“, rief Glenda, während sie bereits hinausgeeilt war. Suko hatte Bills Kopf auf seinen Schoß gelegt und versuchte die Blutung zu stillen, indem er ein sauberes Taschentuch dagegen presste. „Ganz ruhig bleiben, Bill. Du schaffst das schon.“ Suko redete leise auf ihn ein. Bill wollte noch etwas sagen, verlor jedoch das Bewusstsein. Suko presste seine Finger auf Bills Hals. Sein Puls war schwach und schnell, seine Atmung flach. „Verflucht, wo bleibt der Krankenwagen“, rief er. „Müsste in wenigen Minuten hier sein“, antwortete Glenda ihm. Bills Gesicht war bleich und schweißbedeckt. Da hörte Suko die Sirenen der herannahenden Ambulanz. „Bitte halte durch“, flehte er Bill an. „Ich habe keine Lust John zu erklären, dass sein bester Freund gestorben ist.“
Ich wachte von den beißenden Schmerzen in meiner Hand auf. Sie waren so schlimm, dass mir Tränen in die Augen traten. Ich rollte mich auf die Seite, denn mein Rücken schmerzte nach wie vor, aufgrund der Verletzungen, die mir die Peitschenhiebe zugefügt hatten. Ich blickte hinüber zu Jane. Sie saß halb gegen die Wand gelehnt und sah mich an. „Wie geht es dir?“, fragte sie, während sie mir sanft über den Kopf strich. „Nicht gut“, antwortete ich mit zitternder Stimme. „Es tut furchtbar weh.“ Jane nickte ernst. Sie kannte mich inzwischen sehr lange. Und sie wusste auch, dass ich es sonst nicht gern zugab, wenn ich Schmerzen hatte. „Was machen deine Beine?“, fragte ich sie. „Es geht, solange ich sie nicht bewege.“ „Dann bleib liegen.“ Sie lächelt. Dann langte sie nach hinten und holte unser Essen hervor. Ich verzog das Gesicht. Jane fütterte mich, wie am Tag zuvor. Daran konnte man sich wirklich gewöhnen. Jane schien meinen Gedanken erraten zu haben, denn mit gespielter Strenge sagte sie: „Denk nicht mal dran.“ Ich lächelte schwach zurück. Dann gab mir Jane einen Becher. Ich roch daran. Whiskey. „Hier wird man glatt zum Alkoholiker“, murmelte ich. Doch es war eine gute Art, die Schmerzen zu betäuben. Auch Jane trank etwas. „Wer weiß, woher Cornelius den wieder hat. Irgendwie ist er ein merkwürdiger Typ.“ Ich sah sie an und grinste leicht. „Ja, er ist ein Sohn des Lichts.“ Jane starrte mich entgeistert an. „Was??? Das glaub ich einfach nicht.“ „Er hat es mir gesagt. Außerdem hat er mir das Kreuz gezeigt. Ich würde es überall wiedererkennen.“ Jane schüttelte ungläubig den Kopf. „Wahnsinn.“ „Du sagst es.“ Mit einem heiseren Stöhnen rutschte Jane wieder von der Wand weg und legte sich neben mich. Sie nahm meine gesunde Hand in ihre und streichelte sie. Dann schloss sie die Augen. Ich tat dasselbe. Der Tag war wirklich hart gewesen.
Donnerstag Es war kurz nach Mitternacht. Im Krankenhaus war es ruhig. Die Apparaturen, an denen Bill angeschlossen war, piepsten leise. Der Reporter lag blass und schweißbedeckt in einem Bett. Er hatte Bluttransfusionen bekommen, jetzt konnte man nur noch warten. Suko saß mit Sheila daneben. Die junge Frau hielt die Hand ihres Mannes und redete leise mit ihm. Suko hatte das Kreuz um seinen Hals gelegt. Falls Bill es nicht schaffen würde und er zum Vampir mutierte, würde er ihn töten müssen. Auch Sheila wusste das. Sie betete für ihren Mann. Will Mallmann hatte sich auf dem anderen Bett ausgestreckt. Sir James stand am Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Ein Arzt kam herein. „Mr. Suko, ich muss ihre Schulter behandeln.“ Suko nickte ergeben und ging zu einem Stuhl, der etwas abseits stand. Er zog sein Hemd aus. Der Arzt sah sich die Wunde an und runzelte die Stirn. „Merkwürdig, sieht aus wie eine Schwertwunde.“ Suko nickte und sagte leise: „Es ist eine. Ein Typ der verrückt nach alten Schwertern war hat sie mir zugefügt.“ Der Arzt nickte zufrieden. Er glaubte jedoch kein Wort. Die meisten Leute in diesem Zimmer kannte er bereits. Sie kamen öfter mit merkwürdigen Verletzungen. Er kippte ein Serum auf ein Tuch und drückte es auf die Wunde. Suko stöhnte auf. Sein Rücken versteifte sich. „Gleich vorbei.“ Der Arzt wischte noch zweimal und klebte dann ein großes Pflaster drauf. „So, das war’s. Wenn es nicht richtig verheilt, kommen Sie noch mal. Verstanden?“ Suko nickte. Er streifte sich das Hemd wieder über und setzte sich dann wieder neben Sheila. Die Tür öffnete sich und Glenda und Shao traten mit zwei Tabletten voller Kaffeetassen ein. Sie verteilten sie an die Anwesenden, nahmen sich selber eine und setzten sich. Glenda saß jetzt auf dem Stuhl, auf dem Suko behandelt worden war und unterhielt sich leise mit Sir James. Shao saß auf Sukos Schoß und hatte den Kopf gegen seine Schulter gelehnt. „Er wacht auf“, sagte Sheila plötzlich. Ihre Stimme klang heiser vor Aufregung. Suko schob Shao von seinem Schoß. Die Chinesin stellte sich hinter ihn. Alle im Raum starrten Bill an. Der öffnete langsam die Augen. Dann schaute er von einem zum anderen. Sein Blick blieb an Sheila haften. „Wo ist Johnny? Du hast ihn doch nicht etwa allein gelassen?“ Seine Stimme war schwach. Nicht mehr als ein Flüstern. Sheilas Gesicht entspannte sich. Dann warf sie sich schluchzend in den Arm ihres Mannes. Bill legte vorsichtig die Arme um sie. Die anderen atmeten erleichtert auf. Bill sah Suko verwundert an. „Was ist hier los?“ „Du bist im Krankenhaus.“ „Das sehe ich auch.“ „Lady X hat dich gebissen. Erinnerst du dich nicht?“ Oh, doch. Bill erinnerte sich plötzlich wieder an alles. Instinktiv tastete er nach seinem Hals. Auf der Bisswunde klebte ein Pflaster. Er streckte die Hand Suko entgegen. Dieser verstand und legte Johns Kreuz hinein. Bill hielt es fest. Nichts passierte. „Scheint alles in Ordnung zu sein“, sagte er und grinste schwach. Suko lächelte erleichtert. Er nahm das Kreuz wieder an sich und legte es um seinen Hals. „Der Anhänger?“ „Er ist hier“, antwortete Sir James und hielt ihn hoch. „Wunderbar. Was war eigentlich plötzlich mit Tokata los?“ „Ich habe die Zeit angehalten und ihm Johns Kreuz um den Hals gelegt. Er ist vernichtet.“ Bill machte große Augen. „Wir haben ein Mitglied der Mordliga vernichtet. Wir haben Tokata geschlagen und ihr macht ein Gesicht wie 7 Tage Regenwetter.“ Die anderen lachten erleichtert. Bill war wieder ganz der Alte. Und er hatte Recht. Sie hatten der Hölle eine schwere Niederlage bereitet. Bill schloss wieder die Augen. „Wir sollten alle nach Hause gehen“, sagte Sir James müde. „Nur was machen wir mit dem Anhänger?“ Suko hielt die Hand auf. „Geben Sie ihn mir.“ Sir James legte ihn in die geöffnete Hand des Chinesen. Suko zog mit der magischen Kreide einen Kreis auf dem Boden. Dort legte er den Anhänger hinein. Dann legte er das Kreuz auf den Anhänger. Ein Feuerwerk begann, wurde aber durch den Kreis zurückgehalten. Das Kreuz vernichtete den Anhänger. Ein schwarzer Stein blieb zurück. Als Suko das Kreuz hochhob, zerbröselte er. „Das wär’s.“ Sie verabschiedeten sich voneinander. Jeder ging nach Hause. Erschöpft, zerschlagen, aber irgendwie auch glücklich. Wenn die Sorge um John und Jane nicht gewesen wäre, hätte man diesen Tag durchaus als perfekt bezeichnen können.
Ich wurde etwas unsanft wach, weil ich auf den Rücken gerollt war. Meine Wunden meldeten sich. Mit einem Stöhnen rollte ich mich wieder auf die Seite. Ich fühlte mich total zerschlagen. In der Nacht war ich einige Male vor Schmerzen aufgewacht. Jedes Mal hatte ich einen Schluck von dem Whiskey getrunken, der neben mir stand. Das hatte dazu geführt, dass ich jetzt ziemlich benebelt war. Trotzdem griff ich wieder zum Becher. Es war die einzigste Möglichkeit für mich, die Schmerzen zu dämpfen. Jane schlief noch. Erst jetzt fiel mir auf, dass es draußen bereits heller Tag war. Ich wunderte mich. Hatte Mikosch uns etwa vergessen? Oder gönnte er uns einen freien Tag? Ich musste grinsen. Bestimmt nicht. Der würde noch kommen. Und dass er sich verspätete, ließ mich nichts Gutes ahnen. Neben mir regte sich Jane. Ihr Gesicht verzog sich kurz vor Schmerzen, dann öffnete sie die Augen. Auch sie registrierte, dass es bereits hell war. Sie sah mich verwundert an. Ich zuckte mit den Schultern.
Dass Mikosch sich verspätete, hatte einen guten Grund. Er hatte Besuch. Vor ihm, in seinem Büro, stand Asmodina. Und sie war alles andere als zufrieden. Ihre roten Augen funkelten den Mann an, der vor ihr auf den Knien lag. Mikosch wagte es nicht, nach oben zu blicken. „Du hast versagt. Sinclair und seine Freundin leben immer noch. Und es geht ihnen sogar recht gut.“ Mikosch wusste, dass es den beiden alles andere als gut ging, doch er wagte nicht zu antworten. „Wieso erledigst du deine Arbeit nicht richtig?“ „Verzeiht mir. Ich flehe Euch an. Glaubt mir, sie haben im Folterkeller gelitten.“ „Ja, sicher.“ Die Stimme Asmodinas wurde ruhiger. Sie redete, als ob er versuche einem 4jährigen das Einmaleins zu erklären. „Aber es scheint dir noch nicht aufgefallen zu sein, dass sie ihre Stärke aus den Gefühlen beziehen, die sie füreinander haben.“ Dann wurde sie lauter. „Du musst dieses Vertrauen zwischen ihnen zerstören, sonst würden sie alles überstehen.“ „Aber wie?“ Mikoschs Stimme bebte vor Angst. Asmodina hob ihn hoch und zwang ihn, in ihre Augen zu sehen. „Greife doch ihren Stolz an.“ „Das funktioniert bei ihm nicht, ich habe es versucht.“ „Vielleicht funktioniert es nicht bei Sinclair. Aber ich kenne Jane Collins. Sie ist eine sehr stolze Frau.“ Damit verschwand sie. Zitternd erhob sich Mikosch. Ein teuflisches Lächeln erschien auf seinen Gesicht. Er hatte die Teufelstochter sehr genau verstanden. Ein böses Lachen verließ seine Kehle. Langsam fing es an Spaß zu machen.
Cornelius stand vor Mikoschs Tür. Er wollte gerade klopfen, als er die Stimmen gehört hatte. Er hatte sich entschlossen erst einmal zu warten. Jetzt stand er mit kreideweißem Gesicht im Gang. Auch er hatte die letzten Worte dieses Monsters vernommen. Er zitterte am ganzen Leib. Tief in seinem Inneren hatte er schon die ganze Zeit befürchtet, dass Mikosch so weit gehen würde, doch er hatte gehofft, dass ihm die Zeit nicht reichen und die Fremden wieder zu Hause sein würden. Doch er hatte sich geirrt. Plötzlich ging die Tür auf. Mikosch starrte ihn böse an. „Du hast doch nicht etwa gelauscht?“ Cornelius schluckte und versuchte dem Blick dieses Mannes standzuhalten. Es gelang ihm. Scheinbar lässig antwortete er. „Ich wollte Euch nur melden, dass es den Gefangenen einigermaßen gut geht, doch ich hörte, dass Ihr Besuch habt, als entschied ich mich dafür, zu warten.“ Mikosch nickte zufrieden. „Na dann ist ja gut.“ Dann winkte er seine Wachen zu sich. „Bringt unsere beiden Ehrengäste nach dem Mittagessen in die Folterkammer. Erst den Herren. Kettet ihn an die Wand.“ Cornelius holte tief Luft. ‚Dieses Monster’, dachte er. „Danach die Lady. Fesselt sie auf unserem...“ er lächelte böse, „... Spezialtisch.“ Die Wachen nickten. Mit einem Grinsen gingen sie weg. Als sie weg waren ging Cornelius in seine kleine Kammer. Tränen liefen über sein Gesicht. Er war wütend und so schrecklich hilflos. Jetzt musste etwas geschehen. Er konnte nicht mehr verhindern, was passieren sollte, doch er konnte dafür sorgen, dass es die letzt Qual war, die die beiden erleiden mussten. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Mit der Hand tastete er nach seinem Kreuz. Es spendete ihm Trost und machte ihm Mut. Sein Gesicht wurde hart. Dann erhob er sich von seinem Platz, auf dem er gesessen hatte. Er musste mit ein paar Freunden reden, die ihn in seinen bisherigen Kämpfen unterstützt hatten. Sie würden ihm auch diesmal helfen. Vor allem, wenn sie erfuhren, um wen es sich bei den Gefangenen handelte.
Glenda stand an Johns Schreibtisch und strich sanft über die Tischplatte. Alles war so ‚geordnet’, wie er es zurückgelassen hatte. Tränen stiegen in ihre Augen. Sie hatte schon immer eine Schwäche für ihren Chef gehabt und sie hatte Jane mehr als einmal verflucht, seit sie hier aufgetaucht war. Doch sie hatte sich damit abgefunden. Hauptsache, John war glücklich. Doch jetzt war er fort und er fehlte ihr schrecklich. Suko war eingetreten, ohne das Glenda es bemerkt hätte. Langsam ging er auf sie zu. Sie zuckte zusammen, als seine Hände ihre Schultern berührten. Sie drehte sich herum und sah Suko an. Selbst der Chinese wirkte traurig, obwohl er sonst immer einen Spruch auf den Lippen gehabt hatte. Glenda schluchzte und lehnte ihren Kopf gegen Sukos Schulter. Der strich ihr sanft über den Kopf und murmelte leise beruhigende Worte. Auch ihm standen Tränen in den Augen. Sir James war kurz aus seinem Büro herausgekommen. Mit einem Wink gab er Suko zu verstehen, dass er ihn sprechen wollte. Dann ging er wieder. Als Glenda sich beruhigt hatte, tranken sie zusammen eine Tasse Tee. „Besser“, fragte Suko sanft. „Ja“, schluchzte Glenda. „Es geht.“ „Er kommt wieder, glaube mir.“ Sie nickte tapfer. Suko wünschte sich nichts mehr, als seinen eigenen Worten trauen zu können. Er seufzte und ging dann in Sir James Büro. Sein Chef nickte zu einem Stuhl hinüber, der vor seinem Schreibtisch stand. Suko nahm Platz. „Hat Glenda sich wieder gefangen?“, fragte er streng, doch Suko erkannte, dass es auch an ihm nicht spurlos vorbeiging, was passierte. Er nickte. „Sie hatte schon immer eine Schwäche für John.“ „Ich weiß“, sagte er und seine Stimme klang weich. Es klopfte. Bill trat ein. Suko sprang auf und ging auf ihn zu. „Alles OK mit dir?“, fragte er erfreut, während er ihm die Hand reichte. Die beiden Männer umarmten sich. Bill nickte leicht. Der Biss tat immer noch weh, aber es war ertragbar. „Klar doch, Alter. Sowas haut mich doch nicht um.“ Dabei zitterten seine Knie so sehr, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte. „Dann ist ja gut.“ Sir James war aufgestanden. Er reichte Bill die Hand. „Schön zu sehen, dass es Ihnen wieder besser geht, Bill.“ „Danke, Sir.“ Die drei Männer setzten sich wieder. „Was machen wir jetzt? Es gibt im Moment nichts für uns zu tun“, seufzte Bill. „Ich bin mir sicher, dass Asmodina und Lady X das nicht auf sich beruhen lassen. Die kommen wieder.“ Suko bekräftigte seine Worte mit einem Nicken. „Da könnten Sie Recht haben, Suko. Halten Sie die Augen offen.“ Die beiden nickten. Suko blickte auf die Uhr. Es war kurz nach 10.00 Uhr. Noch 26 Stunden. Er seufzte. Er spürte Bills Blick auf sich ruhen. „Fast geschafft“, sagte er und lächelte aufmunternd. Suko nickte. Er war sich sicher, dass der nächste Tag verdammt lang werden würde.
Doch nicht nur für meine Freunde, die nichts weiter tun konnten als warten, sollte es ein langer Tag werden, sondern auch für Jane und mich. Und es wurde ein Tag, den wir beide nie wieder vergessen sollten. Obwohl er eigentlich ganz nett begonnen hatte. Cornelius kam kurz vor dem Mittagessen noch einmal zu uns. Er wollte sich meine Hand noch einmal ansehen. Als er den Verband abnahm, wehte uns eine stinkende Wolke entgegen. Überall auf meiner Hand hatten sich kleine Eiterherde gebildet. „Es wird Zeit, dass sie in ihre Zeit zurückkommen“, murmelte er, während er meine Hand mit einem Sud abtupfte, den er vorher zubereitet hatte. Es brannte unglaublich. Mir liefen Tränen über die Wangen. Jane hielt meine gesunde Hand und versuchte mich abzulenken. Doch die Schmerzen waren übermächtig. Ich sackte zusammen. „John“, rief Jane erschrocken. „Lassen Sie ihn. Es ist einfacher so. Für uns beide.“ Jane nickte. Sie hielt weiterhin meine Hand. Mein Gesicht war rot angelaufen und heiß. Ich schwitzte. Teilweise aufgrund des Alkohols, teilweise wegen der Verletzung. Cornelius beendete seine Arbeit und reinigte dann den Verband. Zuletzt zog er ihn wieder über meine Hand. Er nickte zufrieden. Mehr konnte er nicht tun. Dann sah er Jane an. Sein Herz wurde schwer. „Wie kann man einem Menschen nur so etwas Grausames antun?“, seufzte sie während sie mir die Haare aus dem Gesicht strich. Dann spürte sie Cornelius Blick auf sich ruhen. Sie sah ihn fragend an. Cornelius schluckte. Er ging zu Jane und hob sie hoch. Sie wehrte sich nicht, warum auch. Sie vertraute Cornelius. Er trug sie auf die andere Seite der Zelle. „Ich muss Ihnen etwas erzählen.“ Jane nickte. Ich wachte langsam wieder auf. Durch einen Schleier erkannte ich Jane und Cornelius. Sie unterhielten sich leise. Cornelius schien Jane etwas mitzuteilen. Plötzlich weiteten sich ihre Augen entsetzt. Sie wurde blass. Ich sah, dass sie vor Angst zitterte. Cornelius deutete auf mich und redete wieder auf Jane ein. Sie hörte ihm zu und nickte. Dann nahm er sie auf den Arm und trug sie wieder zu mir herüber. „Schön, dass Sie wieder wach sind“, sagte er und verschwand. Jane war noch immer blass. Tränen standen in ihren Augen. „Was ist los?“ Sie schüttelte den Kopf. Ich verstand, akzeptieren wollte ich es nicht. „Jane...“ Sie beugte sich zu mir herunter und küsste mich. Es lag so viel Angst in dieser Berührung. Ich erwiderte den Kuss. Ich spürte Tränen über ihre Wangen laufen und entschloss mich, Jane nicht weiter zu drängen. Sie kuschelt sich wieder zu mir, obwohl jede Bewegung weh tat. Dann trank sie ihren Becher leer. Ich schüttelte verwundert den Kopf. Das Zeug war scharf, nichts, was man sich einfach so hinterkippte. Ich bekam Angst. Doch ich versuchte sie zu verdrängen und schlief wieder ein.
Lady X fluchte, als sie die Unterkunft von Asmodina betrat. Die Teufelstochter erwartete sie bereits. Sie sah verärgert aus. „Wir haben versagt.“ „Mit dem Amulett hätte ich gewonnen. So habe ich einen meiner Männer eingebüßt.“ Asmodina lachte, was Lady X noch mehr in Rage versetzte. Niemand lachte über sie. Sie schwor Rache. „Die Helfer von John Sinclair sind also schon genauso stark wie er selbst.“ „Daran ist nur sein verdammtes Kreuz schuld. Wir hätten es vernichten sollen.“ „Du weißt genau, dass das nicht ging. Der Schwarze Tod war dagegen. Doch bald hat mir der Anhänger genug seiner Kraft übertragen. Dann kann ich mich ihm entgegenstellen.“ Lady X schauderte. Sie war sich nicht mehr so sicher, ob es klug gewesen war, sich mit Asmodina einzulassen. Wenn sie erst einmal die Macht hatte, die sie sich durch den Anhänger versprach, war sie für niemanden mehr zu kontrollieren. „Du darfst dich entfernen. Ich muss mich auf meinen Kampf vorbereiten.“ Lady X ging. Nicht nur dass sie Tokata verloren hatte, was schon schlimm genug war, nein, sie hatte auch noch den Würfel des Unheils nicht mehr. Sie war bereits am Museum gewesen und hatte danach gesucht, doch er war nicht zu finden.
Während Suko und Bill ihr Mittagessen hinunterschlangen, betrat ein Polizist das Büro von Sir James. Bill sah ihm nach und kümmerte sich dann wieder um sein Essen. Shao und Sheila kamen herein. Ihnen folgten Glenda und Will. „Ihr wollt doch nicht etwa was von unserem Essen, oder?“, fragte er und versuchte es unter seiner Hand zu verstecken. Sheila lachte. „Nein Schatz, du darfst alles allein essen.“ Bill sagte: „Fein“, und aß weiter. Die anderen lachten. Der Polizist hatte das Büro von Sir James inzwischen wieder verlassen. Dieser stand plötzlich hinter Mallmann. „Schmeckt´s, Gentlemen?“, fragte er. Bill nickte ohne aufzublicken. „Sehr gut“, nuschelte er. Wieder ging ein Lachen durch die Runde. „Die Polizisten, die im Museum aufgeräumt haben, haben da etwas gefunden.“ Sir James öffnete die Hand und legte ein kleines viereckiges Ding auf den Tisch. Suko blieb sein Essen im Hals stecken. Er hustete und schluckte es schnell hinter. „Der Würfel des Unheils.“ Der Begriff sagte allen etwas. Ein Staunen ging durch das Büro. Bill nahm ihn in die Hand. „Das ist er also. Wegen dem kleinen Sch... Ding hat John so viel Wirbel gemacht.“ Suko lachte und sprang auf. Seine Augen leuchteten vor Freude. „Was meint ihr wohl, was John dazu sagt, wenn er wieder hier ist. Er hat so lange danach gesucht und darum gekämpft.“ Die anderen nickten. Auch bei ihnen siegte die Freude. Das Büro war erfüllt von Lachen und heiteren Gesprächen. Jeder wollte den Würfel sehen. Glenda drehte ihn in ihrer Hand herum. „Und was kann man damit machen?“, fragte sie schließlich. „Alles“, antwortete Suko. „Na ja, fast alles“, korrigierte Bill. „Genug um unseren Gegnern das Leben zur Hölle zu machen.“ „Könnten wir denn nicht...“ Suko unterbrach Glenda. „Nein.“ Er ging zu ihr und nahm ihre Hände in seine. „Sie haben so lange durchgehalten, wir würden alles zerstören, was sie erreicht haben.“ Glenda nickte. Auch die anderen hatten das Gespräch mitgekriegt. Es war jetzt wieder stiller geworden. So hörten auch alle, als sich die Tür öffnete. Ein alter Mönch trat ein. Er sah sich um und ging auf das Grüppchen zu. Bill sprang von seinem Stuhl auf. „Pater Ignatius“, rief er. Die anderen verstummten. Pater Ignatius ging auf Bill zu und reichte ihm die Hand. Dann ging er zu Suko. Die anderen begrüßte er mit einem freundlichen Lächeln. Danach ließ er sich mit einem Seufzen auf einem Stuhl nieder. „Bitte, Suko, geben Sie es mir.“ Er deutete auf das Kreuz, was Suko jetzt trug. Dieser nahm es ab und legte es in die Hand des Paters. Der murmelte ein paar Worte, die niemand verstand. Plötzlich umhüllte ein blassblauer Schein das Kreuz. „Wow“, machte Glenda. „Was ist das?“ „Ich habe gehört, was mit John und Jane passiert ist.“ Alle nickten betreten. „Über Jane kann ich nichts sagen, aber solange das Kreuz blau leuchtet ist John am Leben.“ Meine Freunde atmeten erleichtert auf. Glenda schluckte. „Und wie leuchtet es, wenn er...“, sie wagte es nicht, die Worte auszusprechen. „Der Schein würde weiß werden und dann verblassen.“ Bill sah es sich genau an. „Ist es normal, dass der Schein so blassblau ist?“ Pater Ignatius schüttelte betrübt den Kopf. „Nein, ganz und gar nicht. Normalerweise ist es ein tiefes Blau. Dass es so blass ist, bedeutet, John ist schwer verletzt.“ Alle schauten schockiert auf das Kreuz.
Cornelius hatte uns geweckt, Minuten bevor die Wachen kamen und mich abholten. Bevor ich unsere Zelle verließ, wanderte mein Blick noch einmal zu Jane. Nackte Panik stand in ihren Augen. Sie versuchte zu lächeln. Ihre Lippen formten ein unhörbares ‚Ich liebe dich, John’. Ich nickte und ging mit den Wachen mit. Sie brachten mich erneut in die Folterkammer. Ich gebe es nicht gern zu, aber mir sackten vor Angst fast die Beine weg, als ich den Raum betrat. Es war so viel Merkwürdiges passiert. Die Folter von gestern war schon schlimm genug. Aber jetzt auch noch Janes seltsames Verhalten. Und dann Mikosch, der uns bis jetzt Zeit gelassen hatte. Ich schüttelte leicht den Kopf. Die Wachen schleppten mich zu einer Wand. Dort fesselte man meine Hände und meine Füße mit Eisenringen an die Wand. Ich spannte meine Muskeln an. Nichts zu machen. Dann legten sie einen breiten Ring um meinen Hals und meinen Kopf. Er saß so fest, dass ich meinen Kopf nicht einen Millimeter bewegen konnte. „Viel Spaß“, sagte einer der Männer bevor sie verschwanden. Ich blickte ihm verdutzt nach. Sein gemeines Lächeln war mir nicht entgangen. Ich wurde nervös. Was sollte das? Mein Blick fiel auf das Einzigste, was ich sehen konnte. Ein ziemlich kurzer Tisch. Blut klebte an der linken Seite. Ich schauderte. Mein Magen krampfte sich zusammen. Was zum Teufel wurde hier gespielt? Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen. Ich zuckte zusammen. Zwei Wachen schleiften Jane herein. Sie gingen ziemlich vorsichtig mit ihr um. Sehen konnte ich sie erst, als sie Jane zu dem Tisch gebracht hatten, der vor mir stand. Sie legten sie mit dem Rücken drauf und fesselten sie. Unsere Blicke trafen sich. In Janes Augen las ich Angst, Panik und Ekel. Jane wusste, was jetzt passieren würde. Und sie hatte schreckliche Angst davor. Mir schlug das Herz bis zum Halse. Ich zerrte an meinen Fesseln. Es war eine hilflose Geste, mehr nicht. Dann betrat noch jemand den Raum. Mikosch. Wer sonst. Er trat vor mich. „Aaahhh...wie schön, dass sie schon da sind.“ Er lachte glucksend über seinen eigenen Witz. „Wissen Sie, ich hatte etwas Ärger mit Asmodina.“ Mikosch drehte sich um und ging langsam auf Jane zu. Ich erwiderte nichts darauf. Mein Blick war die ganze Zeit auf Jane gerichtet. Sie hatte versucht, sich von den Fesseln zu befreien, was ihr jedoch nicht gelungen war. Jetzt lag sie steif da. Nur ihre Augen folgten Mikoschs Bewegungen. Sie zitterte. Als Mikosch vor ihr stehen blieb, liefen Tränen aus ihren Augen. Der Inquisitor ließ seinen Blick über Janes Körper gleiten. In mir keimte ein furchtbarer Verdacht. Mein Magen verkrampfte sich. „Ich kann es mir aber nicht leisten, dass sie unzufrieden mit mir ist“, fuhr Mikosch mit seiner Erklärung fort. Er beugte sich über Jane. Ihr Atem ging stoßweise. Seine Finger glitten langsam über ihre Wange, hinab zu ihrem Hemd. Mit einem plötzlichen Ruck zerriss er es. Jane stieß einen erschreckten Schrei aus. Meine Augen weiteten sich vor Schreck. „Nein, bitte nicht“, hauchte ich. Meine Versuche, den Fesseln zu entkommen, wurden stärker aber blieben sinnlos. Jane lag jetzt völlig nackt vor ihm. Ich hörte ihr leises Schluchzen, sah ihre Tränen. Es war furchtbar. Noch nie in meinem ganzen Leben war ich so hilflos gewesen. Wie musste Jane sich jetzt erst fühlen. Ich wollte gar nicht daran denken. Mikosch sah mich schadenfroh an. Dann zog er seine Hose herunter. Angewidert sah ich, wie sehr ihn die Hilflosigkeit meiner Freundin erregte. Ihre Augen waren auf mich fixiert. Ihre Lippen formten einen einzigen Satz. „Hilf mir, John.“ Drei Worte. Und sie bereiteten mir mehr Schmerzen als die ganze bisherige Folter. „Dann wollen wir mal dafür sorgen, dass meine Meisterin mit mir zufrieden ist“, sagte er und warf sich auf Jane. „Lass sie in Ruhe, du verdammtes Schwein“, schrie ich ihn an. Doch Mikosch lachte nur. Ich war für ihn keine Gefahr. Mit unglaublicher Brutalität drang er in Jane ein. Sie schrie vor Schmerzen. Ihr Körper bäumte sich auf. Sie schleuderte den Kopf auf die andere Seite. Dann lag sie still. Ich hörte ihr leises Wimmern. Es brach mir das Herz. Heiße Tränen rannen über mein Gesicht. Durch einen Schleier sah ich, was passierte. Ich hatte einfach nicht die Kraft, die Augen zu schließen. Mein Magen ballte sich zusammen. Mir wurde übel. Am liebsten hätte ich mich übergeben, aber diese Blöße wollte ich mir vor Mikosch nicht geben. Ich hörte sein heiseres Stöhnen. 4 Meter. 4 Meter trennten mich von meiner Freundin. Und ich hatte keine Möglichkeit sie zu schützen. Ich schluchzte. In diesem Moment hätte ich alles und jeden geopfert, damit dieses Elend ein Ende hatte. Am liebsten hätte ich Mikosch meine Gefühle entgegengeschrien, doch ich hatte Angst, ihn dadurch noch mehr anzustacheln. Also schwieg ich und litt.
Genau wie Jane. Sie ließ die ganze Prozedur über sich ergehen. Was sollte sie auch machen. Sie erinnerte sich an Cornelius Worte. Er hatte ihr gesagt, was Mikosch vorhatte. Und sie war ihm dafür unendlich dankbar. Sie hatte sich innerlich darauf vorbereiten können. Sie würde es ertragen. Aber John. Jane hatte Angst um ihre Beziehung zu ihm. Das würde sie beide belasten. Sie hatte seine Augen gesehen, als die Wachen sie hereingebracht hatten. Es hatte sie geschockt, dass er dabei sein würde, obwohl Cornelius gesagt hatte, dass das passieren könnte. Seine hilflosen Gesten, das langsame Verstehen in seinen Augen. Es war furchtbar gewesen. Sie spürte, wie Mikosch von ihr abließ. Wenige Sekunden später hob er sie hoch und streift ihr ein neues Hemd über. Sie ließ es geschehen. Wehren konnte sie sich im Moment nicht. Schmerzen tobten in ihrem Unterleib. Ihr war schlecht. Mikosch brachte sie zu den Wachen. Als die Männer sie berührten, zuckte sie zusammen. Die beiden lachten. Dann brachten sie sie in die Zelle. Neben der Tür ließen sie Jane fallen. Unter Schmerzen zog sie sich in die hinterste Ecke zurück. Sie musste nachdenken.
Ich hatte es irgendwann doch geschafft, die Augen zu schließen. Das leise Schluchzen von Jane war verstummt. Das einzige Geräusch was ich hörte, war weiterhin Mikoschs widerliches Stöhnen. Ich schwor Rache. Ob ich diesen Schwur jemals erfüllen konnte, wusste ich nicht. Doch ich hoffte, die Gelegenheit dafür zu bekommen. Plötzlich wurde es ruhig. Ich öffnete vorsichtig meine Augen. Mikosch war von Jane heruntergerutscht und zog sich wieder richtig an. Ich sah Blut auf Janes Oberschenkeln glitzern. Mikosch achtete nicht darauf und zog Jane hoch. Er streifte ihr ein neues Hemd über. Sie ließ es geschehen. Ihr Blick war starr und tränenleer. Irgendwie glasig. „Jane“, hauchte ich so leise, dass niemand es hören konnte. Mikosch übergab sie den Wachen. Ihr Körper versteifte sich, als die Männer sie berührten. Dann entschwand sie meinem Blick. „Das war gut“, murmelte Mikosch, als er auf mich zutrat. Er wusste, welche Wunde er nicht nur Jane zugefügt hatte. Und er wollte noch etwas weiterbohren. Er grinste mich an, während er mir die Halskrause abnahm. „Ich kann verstehen, warum Sie sie zu ihrer Freundin gemacht haben“, sagte er. Wut stieg in mir hoch. Unbändiger Hass. Mein Gesicht wurde zu einer finsteren Maske. Ich musste meiner Wut Luft verschaffen, sonst würde ich durchdrehen. Ich verzog den Mund... und spuckte Mikosch direkt ins Gesicht. Der starrte mich an. Sein Grinsen verschwand. Er holte aus und schlug mir seine Faust in den Magen. Das verkraftete ich aufgrund meiner angeschlagenen Gesundheit jedoch nicht mehr. So hart wie es klingt, aber ich kotzte ihm genau auf die Füße. Und es tat mir keineswegs Leid. Mit einem Grinsen im Gesicht sah ich seine angeekelte Miene. Für mein Grinsen kassierte ich noch einen Schlag gegen das Kinn, aber die Schmerzen taten gut. Sie waren befreiend. Schimpfend ging Mikosch weg. Wenige Minuten später kamen Mikoschs Wachen und brachten mich weg.
Niemand von unseren Freunden konnte ahnen, was gerade vor sich ging, welche Hölle wir durchlebten. Aber für einen kurzen Moment leuchtete das Kreuz, welches vor ihnen auf dem Tisch lag in einem tiefen Blau. Ein Grinsen huschte über Sukos Gesicht. „Jetzt hat John irgendwas gemacht, was ihm Spaß gemacht hat.“ Pater Ignatius nickte leicht. „Er hat also noch Kraftreserven in sich schlummern. Das ist gut.“ „Er sollte vorsichtig damit umgehen.“ Bill sah nach wie vor besorgt aus. „Da muss ich Ihnen Recht geben, Bill. Aber John wird wissen, was er tut.“ „Sei dir da nicht so sicher?“ Das war der Schwarze Tod. Wie gewöhnlich war er aus dem Nichts aufgetaucht. Suko hatte automatisch seine Waffe gezogen, ließ sie jedoch wieder sinken. Wenn der Schwarze Tod ihnen etwas hätte tun wollen, dann hätte er es längst getan. Die Beretta behielt er trotzdem in der Hand. „Was willst du hier“, knurrte Bill. Der Schwarze Tod lachte. „Nichts, ich wollte nur mal sehen, wie es...“ Das Monster verstummte. Sein düsterer Blick war auf den Würfel des Unheils gefallen, der neben dem Kreuz auf dem Tisch lag. „Woher habt ihr ihn.“ Suko trat vor den Würfel. „Lady X hat ihn verloren. Beim Kampf um den Anhänger. Jetzt gehört er uns.“ Unverständnis trat in das Gesicht dieses mächtigen Dämonen. Sukos Augen strahlten plötzlich. „Du weißt es nicht, nicht wahr? Du hast keine Ahnung, was deine ‚Partner’ hinter deinem Rücken treiben.“ Seine Worte wirkten. Und Suko setzte noch eins drauf. „An deiner Stelle würde ich mir um meine Position Gedanken machen. Du weißt ja sicher, was die Anhänger aus Atlantis bewirken. Und Asmodina hat einen in ihren Händen.“ Der Schwarze Tod wusste sehr wohl von ihnen. Und er kannte die Macht die Reliquien. Zorn wallte in ihm hoch. Man hatte ihn reingelegt. Benutzt. Dann verschwand er. Suko und Bill sahen sich an, dann lachten sie. Suko hatte es geschafft, dem Schwarzen Tod mit Worten einen Tiefschlag zu versetzen. „Ich glaube es nicht“, sagte Bill mit Tränen in den Augen. „Habt ihr sein verwirrtes Gesicht gesehen?“ Er lachte. Die anderen nickten. Suko wurde wieder ernst. „Wir werden seine Hilfe noch brauchen. Asmodina wird den Anhänger für sich nutzen. Sie wird versuchen die weiße Magie ein für alle Mal zu bannen. Das wird der Schwarze Tod nicht zulassen.“ Bill dachte nach. „Auch der Mordliga wird es nicht gefallen, wenn die Teufelstochter plötzlich so mächtig ist.“ „Dann haben wir jetzt mehrere Fraktionen, die halb zusammen, halb gegeneinander kämpfen“, meinte Sir James. Pater Ignatius stand auf. „Dies scheint die entscheidende Schlacht zu werden. Gut gegen Böse. Nur das der mächtigste Verbündete der guten Mächte nicht da ist.“ „John“, flüsterte Suko. Der Pater nickte. „Ja, John. Hoffen wir, dass die Vorbereitungen noch eine Weile dauern.“ Alle nickten zustimmend. Plötzlich schimmerte es in der Ecke des Büros. Bill sah es. „Schon wieder Besuch“, murmelte er. Auch die anderen sahen hin. Doch ihre Gesichter erhellten sich, als sie die Ankömmlinge erkannten. Myxin und Kara, die Schöne aus dem Totenreich. Die beiden blieben vor Suko stehen und schauten ihn fragend an. „Wir waren ‚auswärts’ beschäftigt. Als wir zurückkamen war hier die Hölle los.“ Er sah sich suchend um. „Wo ist eigentlich John?“ Suko starrte ihn erstaunt an. Immer diese übermächtigen Wesen und Zauberer. Aber was wirklich passiert, davon haben sie keine Ahnung. Er bot Kara und Myxin einen Stuhl an und erklärte ihnen dann in einigen Sätzen, was seit dem letzten Sonntag alles passiert war.
Die Wachen führten mich zu unserem Verlies zurück. Ich schluckte. Meine Knie waren wie Pudding. Ich hatte Angst. Angst davor, dieses Verlies zu betreten und mit Jane allein zu sein. Bis jetzt war es immer ein Rettungsanker gewesen. Unser Gefängnis bedeutete Sicherheit, Essen, Erholung. Wir haben uns immer gegenseitig Mut gemacht. Sinnlose Durchhalteparolen, aber es hat uns geholfen. Doch jetzt. Was würde mich in der Zelle erwarten. Die Tür wurde geöffnet. Ich ging widerwillig hinein. Die Wachen schlossen hinter mir ab. Ich schluckte. Jane saß in der entferntesten Ecke. Die Beine von sich gestreckt, saß sie auf dem kalten Boden. Ihr Körper lag halb im Schatten. Ihr Gesicht konnte ich jedoch erkennen. Es war eine starre Maske. Jane hatte die Augen nach vorn auf ihre Beine gerichtet. Ich ließ mich auf unser Strohlager fallen. Gern hätte ich etwas gesagt, ihr geholfen, aber ich wusste nicht wie. Ich hatte das Gefühl, dass selbst meine Blicke sie verletzten. Sie hatte kurz ihren Blick gehoben, als ich auf das Strohlager zugegangen war. Ich konnte die Angst in ihren Augen sehen, als ich ihr dabei näher kam. Jane hatte Angst vor mir. Die Frau, die ich mehr als alles andere liebte, fürchtete sich, wenn ich mich ihr um ein paar Zentimeter näherte. Es war ein unbeschreiblich grausames Gefühl.
„Das darf doch alles nicht wahr sein“, hauchte Kara, als Suko seinen Bericht beendet hatte. „Ist es aber.“ Auch in Myxins Gesicht leuchtete Ungläubigkeit. Dann sprang er auf. „Ich..“ Suko fasste ihn am Arm und zog ihn zurück. „Du wirst nichts tun, Myxin, verstanden? Die beiden haben es fast überstanden.“ Suko sah auf seine Armbanduhr. „Es ist jetzt 17.00 Uhr. Morgen Mittag sind sie wieder frei. Ich werde nicht zulassen, dass das irgend jemand verhindert.“ Sein Gesicht sah den kleinen Magier ernst an. Der nickte betroffen und setzte sich wieder. „Du hast Recht.“ Er senkte den Blick. „Ich möchte ihnen auf keinen Fall schaden.“ Suko nickte zufrieden. Er machte sich schreckliche Sorgen. Schließlich hatte er mit John und Jane schon so viel durchgemacht. Aber gerade deshalb konnte er nicht zulassen, dass jetzt irgend jemand die beiden gefährdete, indem er etwas Unüberlegtes unternahm. Er fühlte eine Hand auf seiner Schulter. Pater Ignatius stand hinter ihm und lächelte ihm aufmunternd zu. „John wäre sehr stolz auf Sie, Suko.“ Der Pater nickte. Suko schluckte. „Danke“, hauchte er. Es war schwer, hier nur rumsitzen zu müssen. Verdammt schwer.
„Asmodina“, donnerte die Stimme des Schwarzen Todes. Die Angesprochene schaute nach oben. Unschuldig blickte sie ihrem Verbündeten in die Augen. „Du hast mich betrogen.“ Asmodina sah den wissenden Ausdruck in den Augen des Überdämons. Und sie spürte seinen Zorn. Leugnen war zwecklos. Also sagte sie einfach: „Ja.“ „Was hast du mit dem Anhänger vor?“ Asmodina stand auf. „Er wird mir Macht verleihen. Große Macht.“ Sie sah ihn an. „Soll ich es dir beweisen?“, fragte sie mit leiser, drohender Stimme. Sie hob ihre Hand, spreizte die Finger und schoss eine Art Energiewelle in Richtung des Schwarzen Todes. Dieser reagierte zu spät, wurde getroffen und flog gegen einen Felsen. Langsam erhob er sich. Er war geschockt von der Kraft Asmodinas. Und noch jemand war erschrocken. Lady X. Sie war gerade durch ein Dimensionstor aufgetaucht um noch einmal mit Asmodina zu reden. Mit offenem Mund starrte sie auf die Szene, die sich ihr bot. Asmodina sah sie an. „Entscheide dich für die richtige Seite.“ Lady X nickte. Sie wollte erst einmal Asmodina folgen, da diese im Moment die Stärkere zu sein schien. ‚Doch irgendwann machst du einen Fehler, Teufelstocher’, dachte Lady X. ‚Und dann bin ich da.’ Asmodina freute sich über ihren kleinen Sieg, lachte lauthals und verschwand. „Das werde ich dir heimzahlen Asmodina“, donnerte die Stimme des Schwarzen Todes durch diese Dimension des Schreckens. Asmodina hatte es nicht mehr gehört. Doch sie wusste auch so, dass sie dem Schwarzen Tod gerade den Krieg erklärt hatte. Der Schwarze Tod zog sich in seine Dimension zurück. Zum ersten Mal fragte er sich, ob es richtig gewesen war, John Sinclair wegzuschicken. Er brauchte den Sohn des Lichts bei seinem Kampf. Asmodina war für ihn zu stark geworden. Er konnte nichts mehr daran ändern, was passiert war, aber er konnte dafür sorgen, dass Sinclair alle Hilfe bekam, die er kriegen konnte, sobald er wieder in seine Zeit zurückgekehrt war.
Im Moment jedoch konnte uns keiner helfen. Weder Jane, noch mir. Nach wie vor saßen wir auf unseren Plätzen. Jane hatte sich nicht einen Millimeter bewegt, seit man sie hierher gebracht hatte. So fand uns auch Cornelius, als er unser Verlies betrat. Betroffen schaute er in unsere starren Gesichter. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass etwas geschah. Er kam auf mich zu. In seiner Hand hatte er eine Schüssel mit Wasser und ein sauberes Tuch. Es war für Jane. Jetzt verstand ich auch, worüber die beiden sich gestern in unserer Zelle unterhalten hatten. Cornelius hatte Jane gewarnt. Ich blickte ihn hilfesuchend an. Er zuckte betroffen mit den Schultern. „Geben Sie ihr etwas Zeit“, sagte er leise zu mir. Dann stellte er etwas zu Essen hin. Dasselbe wie jeden Abend. „Sie müssen heute alles aufessen. Morgen brauchen Sie es nicht mehr.“ Seine Worte ergaben für mich keinen Sinn. „Sie werden dieses Gefängnis heute Nacht verlassen“, erklärte Cornelius. Erstaunt sah ich ihn an. Er drückte mir etwas in die Hand. Es war ein ziemlich langes Messer. „Ziehen Sie ihre alten Sachen wieder an. Sie sind besser geeignet und wärmer.“ Bei Jane bezweifelte ich das zwar, aber ich nickte. „Ich weiß nicht, ob Jane das macht“, gab ich dann zu bedenken. „Zur Not zwingen Sie sie. Um Mitternacht müssen sie fertig sein. Einige Freunde von mir werden die Burg angreifen. Wir werden Sie hier rausbringen. Danach müssen sie sich verstecken. Mikosch wird sie in der Nacht nicht verfolgen. Wenn die Sonne aufgeht, laufen sie nach Westen in den Wald hinein. Auf keinen Fall dürfen sie nach Osten laufen. Dort ist nur freies Feld. Mikosch hätte sie innerhalb von ein paar Stunden eingeholt. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, werden sie mittags in ihre Zeit zurückkehren.“ Ich nickte. „Laufen Sie in Richtung der Berge. Es ist eine Sackgasse, allerdings mit guten Verstecken. Verbergen Sie sich und warten sie ab, bis die Zeit rum ist. Mehr kann ich nicht für sie tun.“ Ich sah ihn dankbar an. „Danke.“ Ich reichte ihm meine gesunde Hand. „Danke für alles, Cornelius. Pass auf dich auf.“ Dann fiel mir noch etwas ein. „Wieso jetzt? Wieso sollen wir jetzt fliehen?“ Cornelius sah mich ernst an. Mit dem Finger deutete er auf Jane. „Mikosch wird seine Wachen auf sie loslassen, wenn Sie nicht verschwinden.“ Erschrocken starrte ich ihn an. „Wir verschwinden“, sagte ich dann entschlossen. Er nickte. „Ich werde sie nie vergessen, John Sinclair.“ Es war das erste Mal, dass er mich mit meinem Namen anredete. „Essen Sie das Essen.“ Er deutete auf Jane. „Sie kann nicht laufen, vergessen Sie das nicht. Sie werden sie tragen müssen.“ Ich nickte und nahm den Teller. Cornelius stand auf und ging. An der Tür drehte er sich noch einmal um. „Das Messer ist zur Verteidigung. Benutzen Sie es nur dafür. Lassen Sie sich nicht in Kämpfe verwickeln. Sie würden es nicht schaffen. Viel Glück.“ Ich nickte. Neue Hoffnung keimte in mir auf. Ich sah zu Jane hinüber. Sie hatte unser Gespräch mit angehört. Ihr Gesicht war zwar noch immer starr und ausdruckslos, doch ich hatte das Gefühl, es hatte sich ein bisschen aufgehellt.
Auch bei meinen Freunden tauchte neue Hoffnung auf. Denn erneut war das Leuchten meines Kreuzes dunkler geworden. Und diesmal blieb die Farbe stabil. „Was hat denn das zu bedeuten?“, fragte Sheila irritiert. „Hoffnung“, sagte Pater Ignatius. Er lächelte geheimnisvoll, doch die anderen glaubten ihn verstanden zu haben. Sir James erhob sich langsam. „Wir sollten alle nach Hause fahren.“ Unwilliges Brummen. Keiner wollte allein sein. „Wo wird John eigentlich morgen auftauchen?“, fragte Glenda. Ratlose Blicke. Keiner wusste es. Auch der Schwarze Tod hatte nichts erwähnt. „Wir sollten einige Plätze überwachen“, sagte Suko. Ich bleibe mit Shao in Johns Wohnung. Er hat sicher auch einen Schlüssel für die von Jane. Bill, Sheila, könntet ihr dort warten?“ Die beiden nickten. „Kara und ich nehmen das Boot und fahren zu der Stelle, an der die beiden verschwunden sind“, sagte Myxin. Suko nickte zustimmend. „Ich würde gern mitfahren“, meldete sich Will Mallmann. Myxin und Kara hatten nichts dagegen. Sir James war zufrieden. „Glenda und ich halten dann hier die Stellung.“ Danach ging jeder nach Hause. Bill und Sheila fuhren Suko und Shao nach Hause. In Johns Wohnung fanden sie tatsächlich einen Schlüssel für Janes Wohnung. Bill nahm ihn an sich. Die beiden Männer verabschiedeten sich wortlos voneinander. Ein kräftiger Händedruck reichte aus um alles zu sagen was notwendig war. Dann verließen die Conollys Suko´s Wohnung und fuhren mit Bills Porsche nach Hause. Nun hieß es warten.
Ich hatte fast alles aufgegessen, wie Cornelius es empfohlen hatte. Jetzt saß ich wieder auf dem Stroh und schaute zu Jane hinüber. Dann nahm ich die Schüssel mit dem Wasser und das Tuch und ging langsam auf sie zu. Panik leuchtete in ihren Augen. Sie erstarrte förmlich. Es tat weh, doch ich versuchte normal zu reden. „Du brauchst keine Angst zu haben, Jane.“ Meine Stimme zitterte. „Ich stelle die Schüssel hier hin, okay?“ Vorsichtig stellte ich sie neben sie. Nur kurz den Arm ausstrecken und sie berühren. Ich wagte es nicht. Also ging ich zurück zu meinem Platz. Ich sah wieder zu ihr hinüber. Jane blickte die Schüssel an. Dann mich. Ich nickte leicht und drehte mich auf die Seite. Eine Weile blieb es ruhig. Dann vernahm ich das leise Rascheln von Janes Sachen und das Plätschern des Wassers. Eine Träne der Erleichterung lief über mein Gesicht. Nach einer Weile war es wieder ruhig. Vorsichtig drehte ich mich wieder um. Sie saß wieder an die Wand gelehnt. Allerdings war ihr Gesicht nicht mehr so starr wie vorher. Im Gegenteil. Es war nass von ihren Tränen. Ich schluckte und stand auf. Als ich die Schüssel und das Tuch wegnehmen wollte schauderte ich. Es war alles voller Blut. Ich nahm sie hoch und brachte sie in eine andere Ecke. Dann holte ich Janes Kleidung hervor und ging wieder zu ihr. Vorsichtig legte ich sie auf ihre Beine. Dann hockte ich mich neben sie. „Bitte zieh das an Jane.“ Sie sah mich an. Ich spürte, dass sie etwas sagen wollte. Langsam öffnete sie den Mund. Fast tonlos sagte sie: „Wieso hast du mir nicht geholfen?“ Entsetzt sah ich sie an. Diese Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Ich hatte mir diese Frage selber so oft gestellt, doch sie aus Janes Mund zu vernehmen, das war zuviel. Ich sank auf die Knie, schlug die Hände vors Gesicht und weinte. Dabei murmelte ich immer wieder: „Es tut mir leid, so unendlich leid...“ Ich konnte nicht mehr. Die Schmerzen, die Schmach, die verdammte Hilflosigkeit. Ich war mit den Nerven völlig am Ende. Mein Schluchzen brachte Jane wieder zur Besinnung. ‚Was habe ich da gerade gesagt?’, fragte sie sich selber. Erschrocken schaute sie mich an. Cornelius hatte sie davor gewarnt, aus John ein Feindbild zu machen. Er hatte ihr gesagt, dass John da sein würde, ihr aber nicht helfen könne. Und sie klagte ihn nun an, obwohl sie in jeder Bewegung, jedem Blick von ihm sah, wie sehr er litt. „Es tut mir leid“, sagte sie leise. „Ich habe es nicht so gemeint.“ Ich hatte es gehört. Ich sah sie an. Tränen liefen über ihre Wangen. Ich lehnte mich hinüber und zog sie in meine Arme. Jane zuckte unter der Berührung zusammen. Doch nach und nach entspannte sie sich. Sie schlang die Arme um meinen zerschundenen Körper und weinte. „Ja“, sagte ich leise, während auch mir Tränen übers Gesicht liefen. „Lass es raus, Jane. Danach geht es besser.“ Lange saßen wir so da. Eine halbe Ewigkeit. Es war längst dunkel geworden. Ich hob Jane hoch und trug sie zu unserem Lager. Immer noch zuckte sie bei jeder Berührung zusammen und es würde lange dauern, bis sie diesen seelischen Schock überwunden hatte. Doch ich würde ihr helfen, so gut ich konnte. Jane war eingeschlafen. Auch sie war völlig fertig. Ich legte mich neben sie. Dann zog ich meine Uhr unter dem Stroh hervor. Das Display leuchtete in einem kalten Grün. Es war 20.00 Uhr durch. Wir hatten also noch etwas Zeit. Ich stellte den Weckruf auf 23:00 Uhr. Dann schlief auch ich ein. Meine kranke Hand hatte ich um Janes Hüfte gelegt. Meine gesunde lag auf dem Griff des Messers. Wir würden hier rauskommen. Egal, was dann passierte.
Eine dunkle Gestalt huschte durch den Wald hinter dem Schloss. Gespenstisch lag es im Mondschein. Der Mann hatte die Kapuze seines Umhangs weit ins Gesicht gezogen. Niemand sollte sein Gesicht erkennen. In der Nähe des Schlosses gab es eine Höhle. Er ging hinein. Drinnen saßen 15 Männer um ein Feuer verteilt. Sie sahen den Ankömmling neugierig an. Ein großer Mann von circa 30 Jahren erhob sich. „Ist alles geregelt, Cornelius?“ Der zog die Kapuze vom Kopf. „Ja“, sagte er mit einem Nicken. „Die Wachen feiern. Ich habe ein leichtes Schlafmittel in den Whiskey getan. Sie werden nicht bewusstlos sein, nur etwas verwirrt.“ Er sprach jetzt zu allen. „Ihr alle kennt sie. Ihr dürft sie auf keinen Fall unterschätzen.“ „Das werden wir schon nicht“, erwiderte ein kleiner rothaariger Junge. Sein Name war Rob. Er war erst 14, aber ein ausgezeichneter Kämpfer. Seine Eltern waren durch Mikosch umgekommen. Viele der Männer, die hier saßen, hatten durch dieses Monster alle verloren, die sie geliebt hatten. Deswegen hatten sie auch sofort zugestimmt, als Cornelius sie um Hilfe gebeten hatte. „Wir zeigen es diesem Kerl.“ Das war Dan. Ein blonder Hüne, der in Cornelius Alter war. Sein Gesicht war entstellt von einer kreuzförmigen Narbe, die sich über das ganze Gesicht zog. Erinnerungen an die Folter, die er erlebt hatte. Cornelius hatte ihm vor 4 Jahren das Leben gerettet. Cornelius nickte zufrieden. Er wusste, dass er sich auf die Leute hier verlassen konnte. Sie hatten nichts zu verlieren. Ihre Familien und Freunde waren tot. Besitz gab es nicht. Nur ihr Leben. Und sie wussten, wer Cornelius war. Sie kannten seine Rolle. Und sie waren bereit für den anderen Sohn des Lichts zu sterben. Leise unterhielten sie sich. Angst hatten sie natürlich. Schließlich waren sie nur Menschen, aber sie konnten ihre Angst kontrollieren.
Ich wurde durch das leise Piepsen meiner Uhr geweckt. Auch Jane regte sich. „Wie spät ist es?“, fragte sie. Ich schaute auf meine Uhr. „5 Minuten nach 23:00 Uhr. Wir müssen uns umziehen.“ Jane nickte. Vorsichtig zog ich mein Hemd aus. Ich spürte Janes Blick auf meinem nackten Körper ruhen. Ich ignorierte es. Langsam und vorsichtig zog ich mich an. „Du würdest mir nicht weh tun, nicht wahr, John?“ Sie stellte diese Frage leise, fast schüchtern. Ich sah ihr in die Augen. „Niemals.“ Ich knöpfte mein Hemd zu. Dann half ich Jane. Ich sah, dass es für sie eine Qual war. Immer noch zitterte sie, wenn ich sie berührte. Aber sie versuchte tapfer zu sein. „Willst du etwas essen?“, fragte ich sie und deutete auf den Rest des Abendbrotes. Sie schüttelte den Kopf. „Iss du es. Du brauchst die Kraft.“ Am liebsten hätte sie mich darum gebeten allein zu fliehen. Doch sie kannte die Antwort, also sagte sie gar nichts. Ich nickte und aß den Rest. Whiskey gab es heute nicht. Nur Wasser. Das war auch gut, denn einen Rausch konnten wir nicht gebrauchen. Leider hatte das auch einen Nachteil. Die Schmerzen kamen zurück. Stärker als je zuvor. Wir mussten beide dagegen ankämpfen. Jane rutschte zu mir heran und legte den Kopf gegen meine Schulter. Ich lächelte sie an. „Wir schaffen das. Wir haben es immer geschafft.“ Sie nickte zustimmend. Dann warteten wir.
Der Schwarze Tod saß in seinem Versteck und grübelte. Konnte er es verantworten, zu diesem Mikosch zu gehen und ihm zu befehlen, den Geisterjäger in Ruhe zu lassen. Entschlossen schüttelte er den Kopf. Das käme einer Niederlage gleich. Er brauchte Sinclair, aber er würde sich nicht vor einem so feigen Menschen wie Mikosch zum Gespött machen. Sinclair musste allein überleben.
Bill Conolly rollte sich in seinem Bett herum. Sheila hielt seine Hand fest. „Kannst du nicht schlafen“, fragte sie besorgt. „Nein, ich werde noch wahnsinnig.“ Bill hatte sich hingesetzt. Sheila setzte sich neben ihm auf. „Schatz. Es hilft John überhaupt nicht, wenn du morgen vor Müdigkeit umkippst. Du musst etwas schlafen.“ Sie küsste ihn auf die Wange und legte sich wieder hin. Bill lächelte. Sheila hatte Recht. Und trotzdem war er nervös. John war sein bester Freund. Auch Jane war ihm inzwischen ans Herz gewachsen. Er könnte es nicht ertragen auch nur einen von ihnen zu verlieren.
Freitag Ein Enterhaken flog über die Schlossmauer und blieb dort hängen. Ein weiterer folgte. Dunkle Gestalten kletterten an ihnen hoch. Fast lautlos schwangen sie sich über die Mauer und nahmen ihre Positionen ein. Cornelius öffnete den anderen das Tor. Einer der Wachen sah ihn. „Hey, was machst du da?“, fragte der Mann. Drohend kam er auf ihn zu. Dann taumelte er. Er stutzte. Auf Cornelius Gesicht erschien ein wissendes Grinsen. „Alarm“, schrie der Wachmann plötzlich. Cornelius bohrte ihm sein Schwert in den Leib. Der andere brach zusammen. Dann rannte er weiter. Seine Freunde kämpften gegen die anstürmenden Soldaten. Sie waren hoffnungslos unterlegen. Rob wehrt sich verbissen gegen zwei von ihnen. Einen konnte er töten. Der zweite erwischte ihn unglücklich am Bein. Mit wildem Gebrüll rannte er auf Rob zu und rammte ihm sein Messer in den Bauch. Dabei hatte er nicht auf Robs Schwert geachtet. Stöhnend brach er zusammen. Er war direkt hineingelaufen.
Wir wurden durch das Klirren von Schwertern geweckt. Männer brüllten. Ich sah das Gesicht eines Mannes vor unserem Kerkerfenster. Er war mehr tot als lebendig. Blut rann aus seinem Mundwinkel. Doch er lächelte. Seine blutverschmierte Hand rutschte durch das Fenster. Ich nahm sie. „Viel Glück, Sohn des Lichts“, brachte er hervor, bevor er starb. Ich starrte ihn fassungslos an. Dann wurde unsere Tür aufgerissen. Cornelius stand da. Er hatte ein Schwert in der Hand. Blut tropfte herab und bildete eine kleine Lache. „Schnell, kommen Sie mit.“ Ich war inzwischen aufgestanden. Das Messer steckte in meinem Hosenbund. Ich hob Jane hoch und warf sie mir wie einen Sack über die Schulter. Wir stöhnten beide vor Schmerzen auf, doch der Wille nach Freiheit siegte. „Woher wissen die anderen, wer ich bin?“, fragte ich keuchend. „Ich habe es ihnen gesagt. Damit sie wissen, wofür sie sterben.“ Dann ging er hinaus. Ich folgte ihm. Taumelnd setzt ich einen Fuß vor den anderen. Jane versuchte, sich so leicht wie möglich zu machen. Ich war ihr dafür mehr als dankbar. Cornelius lief voraus. Wir liefen durch den Gang, der zum Folterkeller führte. Kurz bevor wir ihn erreichten, bog er in einen schmalen Gang ein, der mir vorher nie aufgefallen war. Wir erreichten eine Tür, die ins Freie führte. Als ich das Schloss verließ blieb ich für einen Moment stehen. Ich atmete so tief ein, wie es meine verletzten Rippen zuließen. Die klare Luft tat unheimlich gut. „Weiter, weiter“, drängte Cornelius. Wir bogen um eine Ecke und standen plötzlich Mikosch und einer Wache gegenüber. Die Wache stürzte sich auf Cornelius, doch der Kämpfte verbissen. Ich bewunderte seinen Stil, mit der schweren Waffe umzugehen. Doch leider hatte ich nicht lange Gelegenheit ihm zuzusehen. Mikosch kam drohend auf mich zu. In seinen Händen hielt er ein langes Schwert. Überall um uns herum wurde gekämpft. Niemand achtete auf uns. Ich ließ Jane langsam von meiner Schulter gleiten und lehnte sie gegen eine Mauer. Dann trat ich auf Mikosch zu. Meine gesunde Hand glitt zu dem Messer, doch Mikosch gab mir keine Gelegenheit es zu ziehen. Die Spitze seines Schwertes hielt er gegen meinen Hals. „Jetzt werdet ihr doch auf dem Scheiterhaufen landen“, sagte er erfreut. Cornelius hatte er vergessen. Das war mein Glück. Der hatte die Wache ausgeschaltet und kam mit seinem Schwert von hinten. Er schlug Mikosch mit dem schweren Knauf auf die Schulter. Leider rutschte er ab. Mikosch wirbelte herum und sah ihn böse an. Ich zog mein Messer. „Du Verräter“, fauchte Mikosch den jungen Mann an. „Du Monster hast meine Eltern in deiner Folterkammer sterben lassen. Und viele andere Unschuldige. Es wird Zeit, dass dir jemand das Handwerk legt.“ Ich hatte das Messer zum Stoß erhoben. Dann ließ ich es sinken. Einem Mann in den Rücken stechen, das war nicht mein Stil. Meine Hand baumelte kraftlos neben meinem Körper. „Mikosch“, sagte ich. Er drehte sich um. Seine Augen starrten mich erschrocken. Auch Jane beobachtete mich. Sie war über meine Gesichtsausdruck genauso entsetzt, wie Mikosch. Er hätte besser zu einem der Dämonen gepasst, als zu mir. Aber ich wollte Rache. Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Mein Mund befand sich dich neben seinem Ohr. „Du wirst es nie wieder tun“, flüsterte ich ihm zu. Dann schnellte mein Arm mit dem Messer vor. Mikosch zuckte zusammen. Ich trat zurück und er klappte zusammen. Wimmernd blieb er auf dem Boden liegen. Ich nahm Jane wieder hoch. Sie sah mich erschrocken an, sagte aber nichts. Cornelius brachte uns in den Wald. Dort gab er mir noch einen Kanten Brot. Ich reichte ihm die Hand. Jane gab ihm einen Kuss auf die Wange. Der Ärmste wäre fast aus seinen Stiefeln gekippt. Dann zeigt mir Cornelius einen Weg durch die Berge. „Ihr kommt in ein Tal. Es ist bewaldet. Dort könnt ihr rasten. Geht eine Stunde vor Sonnenaufgang weiter.“ Ich nickte und drehte mich um. So schnell ich konnte, erklomm ich den steilen Pfad. Nach einer Stunde war ich klitschnass, doch vor uns breitete sich das Tal aus. Ich stieg hinunter und wir suchten uns einen bequemen Platz für eine Rast. Ich aß das Brot. Hin und wieder gab ich Jane einen Happen. Sie wollte es eigentlich nicht, aber dann aß sie mit.
Cornelius war wieder zu seinen Freunden zurückgekehrt. Sie kämpften tapfer, doch es gab mehr als 50 von Mikoschs Soldaten. Nach und nach fielen alle von Cornelius Freunden. Cornelius kämpfte mit einem Soldaten, bemerkte nicht, wie sich ein zweiter an ihn heranschlich. Er spürte einen Schlag gegen seinen Rücken, sah wie sich ein Schwert aus seinem Bauch herausschob. Schmerzen spürte er nicht. Dann verließen ihn seine Kräfte. Er fiel. Noch bevor sein Körper den Boden berührte, war er tot. Sein Schwert fiel nach unten, durchbohrte den Körper eines Soldaten, der vor ihm lag und nicht schnell genug wegkam. Nach einem harten langen Kampf lagen Cornelius und seine Freunde tot auf dem Boden.
Die Soldaten, schleppten den verletzten Mikosch in seine Privatgemächer. Ich hatte ihn verdammt gut erwischt. Er würde für eine lange Zeit keine Frau mehr anrühren können. Vielleicht für immer. Er befahl seinen Soldaten nach uns zu suchen. Als die Soldaten den Schlosshof verlassen hatten, tauchte ein Mönch aus dem Schatten der Mauern auf. Er ging zu Cornelius, bekreuzigte sich und nahm ihm das Kreuz ab. Dann verschwand er. Nach einer Stunde kehrten die Männer zurück. Erfolglos. Mikosch tobte vor Wut. „Sofort nach Tagesanbruch reitet ihr noch mal los. Teilt euch auf. Die Hälfte reitet dorthin, wo wir sie gefunden haben. Und durchsucht dieses Dorf dort. Haus für Haus. Die anderen über die Berge. Ich will sie tot sehen.“
Als Suko aufwachte, fühlte er sich wie zerschlagen. Auch er hatte in dieser Nacht nicht viel geschlafen. Shao lag dicht an ihn gekuschelt, er wollte sie nicht wecken. Er blickte auf die Uhr. 4: 21 Uhr. Bald ging die Sonne auf. Er war nervös, so nervös, dass er zitterte. Dabei hatte der Chinese sich sonst immer so gut unter Kontrolle. Er seufzte. Neben ihm auf dem Nachttisch lag Johns Kreuz, der Würfel des Unheils und das Kästchen mit dem Ring, welches er auf dem Boot gefunden hatte. Er nahm es hoch und klappte es auf. Der Ring funkelte ihm entgegen. Langsam strich er mit dem Finger darüber. „Was ist das denn?“, fragte Shao gähnend und setzte sich neben ihn hin. Sie betrachtete den Ring. Suko lächelte. „Ich habe ihn auf dem Boot gefunden. Ich hatte dir doch gesagt, dass John sich merkwürdig nervös verhalten hat, als die beiden aufgebrochen sind. Hier ist der Grund dafür.“ Shao nahm das Kästchen vorsichtig in ihre Hände. „Wie schön. Hat er eine Gravur?“ Suko nickte. „Auf ewig dein. John.“ Shao sah ihn verträumt an. Dann geschockt. Tränen traten in ihre Augen. „Hoffentlich hat John noch die Chance, die Frage zu stellen.“ Suko nahm sie vorsichtig in die Arme. „Er wird es schaffen. Sie werden es beide schaffen.“ Er stellte das Kästchen zurück auf den Tisch. Dann legte er sich wieder hin. Zum Aufstehen war es viel zu früh. Heute hatte er keinen Dienst. Sir James hatte ihm freigegeben.
Als ich aufwachte, spürte ich, dass etwas auf meinen Beinen saß. Vorsichtig blinzelte ich. Es war noch dunkel. Ich erkannte nur einen Schatten. Ich sah genauer hin. Es war ein Eichhörnchen. Ängstlich blickte es mich an. Dann kletterte es auf den Baum, der vor mir stand. Ich schaute auf die Uhr. Es war Zeit aufzubrechen. Vorsichtig stieß ich Jane an. „Nur noch ein bisschen“, murmelte sie. Dann schlug sie die Augen auf. Ich lächelte sie an. „Wir müssen weiter.“ Vorsichtig stand ich auf. Ich zitterte vor Kälte. Das würde sich sicher bald ändern. Vorsichtig hob ich Jane hoch. Dann ging ich langsam vorwärts. Die Sonne ging auf. Mikoschs Häscher würden sicher jeden Moment die Verfolgung aufnehmen. Ich ging so, dass ich die Sonne immer im Rücken hatte. Ich taumelte, konnte mich jedoch abfangen. ‚Nur nicht hinfallen und sich noch was verstauchen oder brechen’, dachte ich. Nach circa 2 Stunden war ich fertig. Mit einem Seufzen ließ ich mich neben einem Bach nieder. Langsam tranken wir etwas. Ich keuchte erschöpft. Jane riss ein Teil von ihrem Kleid ab, machte es nass und wusch mir damit das Gesicht ab. Das tat gut. Nachdem wir eine halbe Stunde gerastet hatten, gingen wir weiter. Eine weitere Stunde später war unser Marsch zu Ende. Eine hohe Gesteinswand tat sich vor uns auf. „Das war’s“, sagte ich. „Weiter kommen wir nicht. Wir müssen uns ein Versteck suchen und hoffen.“ Der Eingang zur Schlucht war eng. Wir mussten über einen Felsen klettern. Ich war am Ende meiner Kräfte. Der Schweiß lief mir in Strömen über den Körper. Ich hatte furchtbaren Durst. Doch das musste warten. Steine lagen überall herum. Groß, kleine. Hinter einem großen ließ ich Jane sanft auf den Boden gleiten. Wir befanden uns genau gegenüber des Eingangs. Man konnte uns nicht gleich entdecken, auch wenn man an der Schlucht vorbeiritt. Wir konnten nichts mehr tun, nur warten. Es war kurz nach 9: 00 Uhr. Noch drei lange Stunden.
Suko, Bill, Myxin, Kara und Will Mallmann hatten ihre Positionen eingenommen. Sir James und Glenda saßen in Johns und Sukos Büro. Sir James hatte jedem Polizisten, Feuerwehrmann und Arzt unsere Beschreibung zukommen lassen. Mehr konnte auch er nicht tun. Wenn John und Jane irgendwo in London auftauchen würden, würde man ihm sofort Bescheid sagen. Glenda saß an meinem Schreibtisch und hielt ein Foto in den Händen. Es zeigte mich und Jane. Lächelnd schauten wir in die Kamera. Das Foto war in London aufgenommen worden. Mitten im Hyde Park. Glenda lächelte traurig.
Suko saß in Johns Wohnung und beobachtete aufgeregt das Kreuz. In den letzten Stunden hatte der blaue Schein beträchtlich an Farbe verloren. Jetzt schien er sich wieder etwas zu verdunkeln. Auf Sukos Stirn glänzten Schweißperlen. Erleichtert atmete er auf. Shao brachte ihm einen Tee und setzte sich dann schweigend neben ihn.
Jane Kopf lag auf meinen Oberschenkeln. Sie lag auf dem Rücken und sah mich von unten an. Ich senkte meinen Blick. „Was ist?“, fragte ich sie verwundert. „Du siehst richtig sexy aus mit deinem 5-Tage-Bart.“ Sie grinste mich frech an. „Obwohl er beim Küssen ziemlich kratzt.“Ich lächelte. Jane stand hoch und presste ihre Lippen auf meinen Mund. Dann nickte sie. „Eindeutig, er kratzt.“ „Ich hatte auf keinen Fall vor ihn zu behalten.“ Ich schaute ihr tief in die Augen. Sanft strich ich mit der Hand über ihre Wange. Diesmal zuckte sie nicht zusammen. Sondern ich. „Was ist?“, fragte Jane, als sie mein Gesicht sah. Ich war blass geworden. „Ich habe was gehört“, flüsterte ich. Erschrocken sah sie mich an. Jetzt hörte sie es auch. Rufe hallten durch den Wald und wurden an den Steinwänden zurückgeworfen. Pferdehufe klapperten auf rohem Gestein. „Wie spät ist es?“, fragte Jane. Ihre Stimme bebte vor Angst. Ich sah auf die Uhr. „Noch 8 Minuten.“ Wir sahen uns an. War es vorbei? Hatten wir verloren? Würden sie uns jetzt, wo wir es fast geschafft hatten doch noch finden. Ich hoffte, dass die Zeit reichen würde. Jane drückte ich fest gegen mich. Sekunden vergingen. Oder waren es Minuten. Ich wagte nicht, noch einmal auf die Uhr zu sehen, aus Angst enttäuscht zu werden. Plötzlich stand er da. Die Wache, der ich die Nase plattgehauen hatte. Mordlust funkelte in seinen Augen. Er stand auf einem Stein in der Nähe des Eingangs. „Sie sind hier“, schrie er. Bald waren die anderen auch da. Ich spürte, wie sich Jane an mich herandrängte. Wir saßen da und schauten zu, wie die Männer herankamen. Wir hatten verloren. Weg konnten wir nicht. Es gab keinen Weg. Waffen hatten wir nicht um uns zu verteidigen. Außerdem fehlte uns die Kraft. Ich sah Panik in Janes Augen aufglühen. Sie war nahe dran durchzudrehen. Ich drückte ihre Hand fest. „Ich liebe dich, Jane“, flüsterte ich. Tränen bildeten sich in ihren Augen. „Ich liebe dich auch, John.“ Es war wie ein Abschied. Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr. Der Wachmann mit der schiefen Nase hatte einen Speer erhoben. Er schleuderte ihn mit tödlicher Präzision auf Jane zu. Ich sammelte alle meine letzten Kraftreserven und warf mich vor Jane. Dabei verrutscht ihr Körper ein wenig. Er glitt zur Seite, ich mit. Dann spürte ich ein Brennen in meiner Hüfte. Der Speer hatte mich zwar nur gestreift, aber das reichte schon. Ich spürte, wie ich das Bewusstsein verlor. Das Letzte, was ich sah, war, dass sich die Welt um mich herum in einem Strudel auflöste.
Suko sprang entsetzt auf. Der Schein des Kreuzes war so gut wie gar nicht mehr zu erkennen. Er sah auf die Uhr. 12: 00 Uhr. Hoffentlich ist der Schwarze Tod pünktlich’, dachte er. `
Auf die Zukunft
Lady X zuckte zusammen. Sie saß bei Asmodina und hatte während der letzten Minuten ihren Plänen zugehört. Jetzt war es 12: 00 Uhr. Sinclair war zurück. Asmodina schrie verärgert auf. „Verflucht“, fauchte sie. „Er lebt noch.“ Lady X schüttelte ungläubig den Kopf. „Das glaube ich einfach nicht.“ „Es ist aber so“, gab die Teufeltochter zurück. „Ich kann es spüren.“ Doch dann erschien ein teuflisches Lächeln auf ihrem Gesicht. „Er ist schwach. Fast tot. Vielleicht gewinnen wir doch noch.“ Lady X lachte vor Vergnügen.
Meine Freunde warteten auf einen Anruf von irgendwoher. Sie hatten alle wichtigen Punkte besetzt, doch bis jetzt war nichts geschehen. Nur in einem Krankenhaus herrschte plötzlich Aufregung. Eine Schwester hatte auf dem Gang zwei Verletzte entdeckt. „Dr. Valentin“, schrie sie. Der Mann kam ihr irgendwie bekannt vor. Der gerufene Arzt rannte zu ihr. „Wir brauchen zwei Tragen“, befahl der Arzt. „Bringt sie in die OPs 3 und 4.“Dann stutzte er. „Ich kenne den Mann. Das ist Inspektor Sinclair vom Scotland Yard. Den suchen sie doch in ganz London.“ Er wand sich an die Schwester. „Wo kamen die beiden her?“ Die Schwester zuckte mit den Schulter. Das verwunderte Dr. Valentin nicht weiter. Inzwischen kannte er mich und auch einiger meiner Freunde. Er wusste, dass man bei uns nicht alles erklären konnte. Pfleger kamen und legten uns vorsichtig auf die Tragen. Sie rümpften die Nasen. Wir gaben wirklich kein schönes Bild ab, das kann sich sicher jeder vorstellen. Fünf lange Tage ohne waschen. In einer vor Dreck stehenden Zelle. Ein Strohlager. Und dann unsere Verwundungen, die entzündet waren und teilweise eiterten. Nein, uns zu untersuchen war kein Vergnügen. Ich erwachte aus meiner Bewusstlosigkeit. Helles Licht blendete mich. Alles um mich herum war weiß. Zuerst dachte ich, ich wäre tot. Dann drangen Geräusche und Gerüche an meine Ohren und meine Nase. Ich blinzelte. Schwach bewegt ich die Lippen. Dr. Valentin sah es und beugte sich zu mir herunter. „Anrufen...“, hauchte ich. Dann war ich wieder weg. Der Arzt hatte es verstanden. Er wand sich an die Schwester zu. „Rufen Sie bei Scotland Yard an, Claire. Sagen Sie denen wir haben Sinclair hier im Krankenhaus. Eine blonde Frau ist bei ihm.“ Claire nickte und eilte davon. Valentin ging in den OP, in den man mich geschoben hatte. Er grübelte. Dann hatte er sich entschieden. „Waschen Sie ihn erst mal. Und rasieren. Ich weiß sonst gar nicht, wo wir anfangen sollen, ihn zu untersuchen. Aber seien Sie um Himmels Willen vorsichtig.“ Die Pfleger nickten und begannen mit ihrer Arbeit. Einer der Pfleger rief ihn zurück und deutete auf die verkrüppelte Hand des Patienten. „Sieht nicht so akut aus. Schlimm, eklig, aber nicht akut.“ Dann ging er mit den Schwestern zu Jane. „Ausziehen, waschen.“ Die Damen nickten. „Jerry, holen sie Dr. Tadino.“ Ein Pfleger lief los, um die Ärztin zu suchen. Valentin war sich sicher, dass die Frau lieber von einer Ärztin untersucht werden wollte.
Sir James zuckte zusammen als ein junger Mann in sein Büro stürmte. „Das Memorial hat angerufen. Ein Doktor Valentin. Man sagte, die haben Sinclair und eine blonde Frau.“ Glenda schluchzte auf. Sir James strahlte übers ganze Gesicht. „Danke.“ Dann nahm er Glendas Hand. „Kommen Sie, wir fahren hin.“ Sie nickte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Unterwegs rief sie Suko, Bill und Mallmann an. Als sie im Krankenhaus ankamen, warteten Myxin und Kara bereits mit Mallmann vor dem Eingang. Sie hatten sich einfach herteleportiert. Sekunden später kreischten die Bremsen eines Porsche. Bill. Im Fond des Wagens saßen Shao und Suko. Zusammen stürmten sie das Krankenhaus, wurden jedoch von Dr. Valentin abgefangen, der so etwas fast erwartet hatte. „Moment“, rief er. „Die beiden müssen erst untersucht werden. Danach können Sie vielleicht zu ihnen.“ „Wie geht es ihnen?“, fragte Bill nervös. Er zitterte am ganzen Leib. Dr. Valentins Gesicht sah ernst aus. „Nicht gut, wie ich nach dem ersten Blick beurteilen konnte. Aber ich will mich da nicht festlegen. Nicht bevor ich sie untersucht habe. Was ist geschehen?“ Die anderen drucksten rum. Valentin wurde ärgerlich. „Wenn ich Ihre Freunde retten soll, muss ich wissen, wie sie in diesen jämmerlichen Zustand geraten sind.“ Suko trat vor. „Sie wurden ins Mittelalter verschleppt. Dort hat man sie wahrscheinlich gefoltert.“ Valentin hatte mit so etwas fast gerechnet. Er schüttelte den Kopf. Verrückt diese Leute, eindeutig verrückt. Dann rief er einem Pfleger zu: „Verpasst den beiden Neuen eine Tetanusimpfung.“ Der Pfleger nickte und verschwand. „Wie heißt eigentlich die Frau?“ „Jane Collins“, antwortete Sheila. Sie hielt krampfhaft die Hand ihres Mannes fest. Dr. Valentin wollte noch etwas sagen, kam jedoch nicht mehr dazu. Ein hoher piepender Ton zog durch das Krankenhaus. „Scheiße“, schrie einer der Pfleger. Er steckte den Kopf aus der OP. „Dr. Valentin. Wir brauchen ihre Hilfe, sonst verlieren wir den Inspektor.“ Valentin rannte los. Die anderen hinterher. Bill und Suko waren die einzigen, die mit dem Arzt Schritt halten konnten. Sie sahen John ganz kurz, bevor sich die Tür schloss. Beide waren blass geworden. Sie sahen sich an . Entsetzen machte sich in ihren Gesichtern breit. Bill schüttelte den Kopf. „Das...das kann nicht wahr sein.“ Suko nickte. „Hast du gesehen, wie dünn er geworden ist?“ Erneut ein Nicken. Erschöpft verteilten sie sich auf die Stühle und warteten.
Dr. Valentin hatte dagegen alle Hände voll zu tun. Mein Herz hatte aufgehört zu schlagen. Ich hatte in den letzten Tagen viel Blut verloren. Und die Wunde, die mir der Speer jetzt zugefügt hatte, hatte mir den Rest gegeben. „Herzdruckmassage nicht möglich“, meldete ein Pfleger. „Der Typ hat mindestens 4 gebrochene Rippen. Wir würden ihn töten.“ „Elektroschocks“, schrie der Arzt. Eine Schwester spritzte mir ein stimulierendes Mittel mit einer riesigen Spritze genau in die Brust. „Weg“, befahl ein Arzt. Alle nahmen die Hände von meinem Körper. Ein Zucken lief durch meinen Körper. „Nichts.“ „Mehr“, rief Valentin. Ein neuer Versuch. Dasselbe Ergebnis. Nichts. „Erhöhen.“ Die Schwester sah Valentin erstaunt an. „Machen Sie schon.“ Sie nickte. Nächster Versuch. Ein kurzes Ausschlagen. Dann wieder nichts. „Wir können nicht mehr erhöhen, sonst grillen wir ihn.“ „Verflucht. Noch mal mit der selben Stärke. Noch eine Spritze.“
Im angrenzenden OP erwachte Jane. Sie stöhnte vor Schmerzen. Dann sah sie sich um. Komisch. Ihr Gesicht erhellte sich. Ein Krankenhaus. Sie hatten es geschafft. Doch wo war John? „John“, murmelte sie kraftlos. Sie spürte dass etwas nicht stimmte. Ihr Herz fühlte sich kalt an. Eine schwarzhaarige Ärztin fragte sie etwas. Jane hörte nicht zu. Ihre Gedanken waren bei dem Mann den sie liebte. Sie konnte förmlich spüren, wie er kämpfte. Da löste sich ein Schrei von ihren Lippen. „Joooohhhhnnnn.“ Dann wurde sie wieder bewusstlos. Auch Bill und die anderen hatten Jane gehört. Angst stieg in ihnen hoch. Das dauerte alles zu lange. Sie beteten, dass ich es schaffen würde.
Ich sah mich um. Ein dunkler Gang. Ein Sog zog mich auf ein gleißendes Licht zu. Es war so schön sich treiben zu lassen. So einfach. Ich hatte plötzlich keine Schmerzen mehr, konnte wieder richtig atmen. Dann tauchte ich in das Licht ein. Ich erblickte einen Garten. Kinder spielten dort. Dann sah ich zwei Menschen mittleren Alters die mir bekannt vorkamen. Sie kamen lächelnd auf mich zu. Ich erstarrte. „Mum, Dad?“ Ich konnte es nicht fassen. Meine Eltern standen vor mir. Wie hatte ich um sie getrauert, als ich sie verloren hatte. Als sie mir durch einen feigen, brutalen Mord entrissen worden waren. Ich spürte Tränen auf meinem Gesicht. Meine Mutter umarmte mich. Als sie sich von mir löste, sah eine Träne in ihrem Auge. Mein Vater sagte sanft aber bestimmt: „Es ist noch nicht Zeit für dich, John. Du hast noch Aufgaben zu erfüllen.“ „Ich will nicht wieder zurück“, sagte ich flehend. „Hier ist es so friedlich.“ Mein Vater nahm meine Hand. „Du kannst nicht hier bleiben. Die Menschen brauchen dich. Ich bin sehr stolz auf dich.“ Ich wollte widersprechen, als ich die Stimme hörte. Jemand schrie meinen Namen. Der Schrei klang verzweifelt. „Jane“, flüsterte ich. Ohne es zu merken war ich wieder in den Tunnel zurückgeglitten. Meine Eltern sahen mir nach, dann wurde es schwarz um mich herum.
„Wir versuchen es noch mal.“ Ein Pfleger trat auf Valentin zu. „Doktor. Es hat keinen Sinn.“ Sein Gesicht war ernst. „Noch einmal, habe ich gesagt.“ Man befolgte seine Anweisungen. Ein erneuter Schock schoss durch meinen Körper. Erst geschah nichts. Dr. Valentin wollte gerade aufgeben, als sich das Piepsen veränderte. „Er ist wieder da“, sagte die Schwester ungläubig. Dr. Valentin trat neben mich. Ich hatte die Augen halb geöffnet. „Jane?“, fragte ich matt. Es kostete mich ungeheuer viel Kraft, wach zu bleiben. Valentin rannte zur Tür. „Dr. Tadino“, schrie er über den Flur. Die Ärztin schaut ihn verwundert an. „Wie geht es Miss Collins?“ „Sie ist außer Lebensgefahr, mehr kann ich nicht sagen.“ Valentin verschwand wieder. Er kam zurück an mein Bett. „Sie ist außer Lebensgefahr.“ Er sah mich an, weil ich nicht reagierte. „Haben Sie verstanden?“ Ich nickte leicht. „Und von Ihnen erwarte ich dasselbe, verstanden Mr. Sinclair?“ Ich lächelte leicht und schlief dann ein. Valentin atmete tief durch und ging dann hinaus. Sofort war er umringt von meinen Freunden. Fragen stürmten auf ihn ein. „Ruhe jetzt, verdammt noch mal“, sagte er laut und bestimmt. Alle verstummten. „Das war eben verdammt knapp. Wir hätten ihn fast verloren. Aber er ist wieder da und ich habe ihm das Versprechen abgenommen, dass er kämpft.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich glaube, dass er es schaffen kann.“ Eine Welle der Erleichterung erfasste meine Freunde. Bill schlug die Hände vors Gesicht. Sheila nahm ihn in die Arme und redete leise auf ihn ein. Suko sackte total ausgepowert auf seinem Stuhl zusammen. Shao streichelte seine Hand. Auch über sein Gesicht liefen Tränen der Erleichterung. Myxin und Kara lächelten sich an. John hatte dem Arzt versprochen zu kämpfen. Dann würde er es schaffen.
Samstag Dr. Valentin saß jetzt bereits seit Stunden neben dem Bett von John Sinclair. Er hatte ihn grob untersucht. Seine Hand hatte man behandelt, insofern das jetzt schon möglich war. Die Wunden waren gereinigt worden. Es gab im Moment nichts zu tun. Der Arzt hatte gleich nach dem Zusammenbruch seines Patienten beschlossen, ihn vorerst künstlich zu beatmen. Die Rippenbrüche verursachten beim Atmen zu starke Schmerzen. Es bestand die Gefahr, dass sein Patient einen Atemstillstand erleiden könnte. Jetzt hing der Polizist an einem Atemgerät, was leise zischende Geräusche von sich gab. Er stutzte und sah ihn sich genauer an. Er hatte sich nicht geirrt. Der Mann kam langsam zu sich.
Ich erwachte ziemlich ruckartig aus meiner Bewusstlosigkeit. Ich wollte Luft holen, es ging aber nicht so, wie ich es mir dachte. Ich erkannte eine Person neben mir. Undeutlich und in weiß gekleidet. Ein Arzt. Ich spürte etwas in meinem Hals. Der Arzt hielt mich fest, als ich mir den Fremdkörper entfernen wollte. Er redete leise. Wie durch einen Wattebausch verstand ich seine Worte, ihr Sinn jedoch blieb mir eine ganze Weile verschlossen. „Bleiben Sie ruhig, Mr. Sinclair. Wir mussten sie künstlich beatmen. In ihrem Hals steckt ein Schlauch, der ihnen beim Atmen hilft. Sie können dadurch aber leider nicht sprechen. Haben Sie mich verstanden?“ Er sah mich an. „Haben Sie mich verstanden?“, fragte er erneut. Ich nickte leicht. „Sie haben sehr starke Schmerzmittel erhalten. Wollen Sie, dass ich den Schlauch entferne?“ Ich überlegte und nickte dann. Bloß weg mit dem Ding. „Ich komme gleich zurück.“
Dr. Valentin ging rüber zu Dr. Tadino. „Wie geht es Ihrer Patientin?“ Tadino sah genauso müde aus, wie er sich fühlte. „So genau kann ich das nicht sagen. Sie hat so viele Verletzungen, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll.“ „Können Sie mir kurz helfen?“ „Sicher. Miss Collins schläft sowieso.“ Die beiden gingen zurück in den anderen Raum. Sie kamen an Bill, Suko und den anderen vorbei. Müde Blicke folgten ihnen. Dr. Valentin schüttelte den Kopf, er konnte ihnen nichts Neues berichten.
Ich sah Dr. Valentin. Neben ihm stand eine Ärztin, die ich noch nicht kannte. „Das ist Dr. Tadino. Sie behandelt Miss Collins.“ In meinem Gesicht stand deutlich eine Frage. Dr. Tadino nickte langsam. „Es geht ihr den Umständen entsprechend gut.“ Erleichtert schloss ich kurz die Augen. Dann sah ich den Arzt erwartungsvoll an. „Ich werde sie festhalten, während Dr. Tadino den Schlauch entfernt. Ist nur zu Ihrer eigenen Sicherheit. Wir müssen vorsichtig sein mit ihren Verletzungen.“ Ich nickte. Dr. Tadino trat neben mich. Mit einer Hand öffnete sie meinen Mund. Dr. Valentin stützte sich leicht auf meine Schultern. „Atmen Sie vorsichtig so tief ein, wie Sie können, Mr. Sinclair.“ Ich tat es. Schmerzen zuckten durch meine Brust. „Wenn Sie jetzt ausatmen, werde ich den Schlauch mit rausziehen, okay?“ Ich nickte leicht und ließ die Luft wieder entweichen. Dr. Tadino zog den Schlauch aus meinem Hals. Ich war versucht mit dem Oberkörper hochzukommen, wurde jedoch von Dr. Valentin zurückgehalten. Ich hustete. Dr. Tadino holte mir einen Becher Wasser. Vorsichtig trank ich. Dann sank ich auf mein Kissen zurück. Dr. Tadino drehte sich um. „Ich gehe wieder rüber zu meiner Patientin.“ Dr. Valentin nickte. Der Arzt wand sich mir zu und sah mich an. „Geht’s?“, fragte er, während er meine Brust abhörte. „Ja“, krächzte ich. Meine Stimme war rauh und sehr leise. „Ihre Freunde wird es freuen das zu hören. Vielleicht verschwinden sie dann endlich.“ Ich sah ihn erstaunt an. „Sie... sind... hier?“ Es bereitete mir unendliche Mühe zu sprechen. Dr. Valentin nickte. Er sah meinen Blick und seufzte. „Mit wem von ihnen wollen Sie reden?“ Ich lächelte. „Bill.“ Dr. Valentin ging raus. „Wer von Ihnen ist Bill?“ Bill Conolly stand auf. “Ich.” Auch die anderen waren jetzt wach. „Mr. Sinclair will Sie sehen.“ „Er ist wach?“ Bill sah den Arzt erstaunt an. „Ja.“ Bill ging auf das Zimmer zu, in welchem sein Freund lag. Suko rief ihn zurück. „Nimm es mit“, sagte er und reichte ihm das Kreuz, welches er bis jetzt in den Händen gehalten hatte. Bill nickte. „5 Minuten. Nicht länger“, sagte Dr. Valentin ernst. „Er wird sowieso nicht länger wach sein.“
Ich hörte Schritte. Zögernd, leise. Ich musste lächeln. Langsam dreht ich den Kopf in Richtung Tür. Bill stand dort. Sein Gesicht war gekennzeichnet von der langen Warterei und den Sorgen, die er sich gemacht hatte. „Du siehst scheiße aus“, sagte ich leise. Bill grinste. Dann kam er näher. „Schau mal in den Spiegel.“ „Lieber nicht.“ Bill setzte sich neben mich. Ich sah Tränen in seinen Augen glitzern. „Sehe ich so furchtbar aus?“, fragte ich halb im Scherz. Bill nickte. „Du bist richtig dünn geworden.“ Mit dem Finger strich er über meine Wange. Die Haut spannte sich straff über die Wangenknochen. „Naja, wir päppeln dich schon wieder auf.“ Ich nickte. Bill legte mir das Kreuz auf die Brust. Ich legte meine Hand drauf. „Endlich“, murmelte ich erleichtert. Dann fielen mir die Augen zu. „Schlaft gut, Alter.“ Bill stand auf und ging wieder raus zu den anderen. Sie schauten ihn erwartungsvoll an. „Wir sollten nach Hause gehen. Er ist so schwach, dass er sicher eine Weile schlafen wird.“ „Sehr vernünftig.“ Dr. Valentin stand hinter Bill und nickte. „Ich habe ja die Nummer von Sir James. Ich rufe an, wenn etwas passiert.“ Dann verschwanden alle. Jeder ging nach Hause.
Dr. Tadino sah sich erneut die Blutwerte ihrer Patientin an. Irgendwas stimmte hier nicht. Jane Collins lag bleich in ihrem Bett. Seit sie während der Untersuchung kurz aufgewacht war, lag sie einem tiefen, fast komatösen Schlaf. Jetzt hörte die Ärztin ein leises Stöhnen aus der Richtung des Betts. „Miss Collins?“, fragte sie leise. „Jane“, murmelte die Angesprochene und schlug die Augen auf. „Okay, Jane. Wie fühlen sie sich?“ Jane schluckte. Ihr Mund war trocken. Sie sah zu einem Becher, der neben ihrem Bett auf einem Nachttisch stand. Dr. Tadino reichte ihn ihr. Jane trank ein paar Schlucke. „Ich fühle mich als ob man mich durch einen Fleischwolf gedreht hat.“ „So ähnlich war’s ja auch, wenn man ihren Freunden glauben darf.“ Jane lächelte schwach. „Wie spät ist es?“ „4:34 Uhr.“ Jane stutzte. „Und welchen Tag haben wir.“ „Samstag.“ „Wo ist John?“ „Mr. Sinclair liegt gleich nebenan.“ Dr. Tadino deutete auf die Wand neben Janes Bett. Jane streckte die Hand aus und strich sanft über die kalte Wand. „Wie geht es ihm?“ „Er wird schon.“ Jane sah sie verwirrt an. „Wie meinen Sie das? Als ich gestern wach wurde, in diesem OP, da hatte ich ein ganz schlechtes Gefühl.“ Dr. Tadino nickte. „Es ist merkwürdig. Aber genau zu diesem Zeitpunkt kämpften die Ärzte verzweifelt um sein Leben. Er hatte einen Herzstillstand.“ Jane sah sie erschrocken an. „Keine Angst. Inzwischen geht es ihm besser. Er war vor ungefähr zwei Stunden schon einmal wach und hat sich kurz mit Mr. Conolly unterhalten.“ „Bill“, murmelte Jane. „Sind die anderen jetzt nach Hause?“ Dr. Tadino nickte. „Na ein Glück.“ Dann starrte sie die Decke an. Dr. Tadino setzte sich neben Jane. „Ich muss unbedingt mit Ihnen reden, Jane“, sagte sie ernst. Diese schluckte und nickte leicht. „Ich habe die Untersuchung bei Ihnen durchgeführte. Dr. Valentin hielt das für angemessener.“ Jane nickte dankbar. „Ich weiß, was mit Ihnen passiert ist.“ Jane schlug die Augen nieder. Erinnerungen stürmten auf sie ein. „Brauchen Sie vielleicht einen Psychologen?“ Jetzt blickte Jane die Ärztin ernst an. „Nein. Der könnte mir auch nicht helfen. Ich werde schon damit fertig. Aber sie könnten mir einen anderen Gefallen tun.“ Dr. Tadino nickte. „Wäre es möglich, John hierher zu verlegen?“ „Ufff...“ Dr. Tadino dachte nach. „Im Moment noch nicht. Wir können ihn nicht bewegen.“ Dann sah sie Jane lächelnd an. „Warten wir das Wochenende und die Hälfte der nächsten Woche ab. Dann könne wir Sie vielleicht rüber bringen.“ Jane nickte erleichtert. „Danke.“ „Sie sind sicher, dass sie...“ „Ja. Wir müssen unbedingt über einige Dinge reden.“ „Weiß er, was man mit Ihnen gemacht hat?“ Jane nickte. Tränen traten in ihre Augen. „Er wurde gezwungen zuzusehen.“ Dr. Tadino schluckte. „Oh Gott“, hauchte sie. Dann fiel ihr noch etwas anderes ein. „Ihre Blutwerte sind merkwürdig. Wissen Sie eventuell, woran das liegen könnte?“ Jane nickte. „Ich...“, sie schluckte. „Ich bin schwanger.“ ‚Verflucht noch mal, warum hab ich da nicht selber dran gedacht?’, ärgerte sich die Ärztin. „In der wievielten Woche?“ „Siebente. Ob dem Baby was passiert ist?“ „Ich habe keine Ahnung“, antwortete Dr. Tadino wahrheitsgemäß. „Aber ich würde das gern überprüfen, wenn sie nichts dagegen haben.“ Jane nickte ergeben.
Nach fast 2 Stunden waren die Untersuchungen abgeschlossen und ausgewertet. Dr. Tadino saß wieder an Janes Bett. In ihren Händen hielt sie die Ergebnisse der Untersuchung. Jane sah sie ängstlich an. „Wie es aussieht, geht es dem Baby deutlich besser als Ihnen, Jane.“ Erleichtert atmete Jane auf. „Ist er der Vater?“, fragte die Ärztin und deutete auf das Zimmer in dem John schlief. Jane nickte. „Ja. Und nein, er weiß es nicht. Ich hatte noch keine Gelegenheit es ihm zu sagen. Ich war geschäftlich in Deutschland. Dort habe ich mich untersuchen lassen, weil ich mich nicht wohl gefühlt habe. Bei der Untersuchung hat man festgestellt, dass ich schwanger bin.“ „Gut. Wir werden abwarten, was daraus wird. Aber ich glaube nicht, dass sich ihre Gefangenschaft negativ auf das Kind auswirkt. Sie sollten jetzt schlafen.“ Jane schloss die Augen.
Johnny schlich durch das Krankenhaus. Den Namen hatte sein Vater erwähnt, als er mitten in der Nacht wieder nach Hause gekommen war. Seine Eltern schliefen noch fest. Also war Johnny aufgestanden, als es hell war, hatte etwas Geld aus der Geldbörse seines Vaters genommen und war zum Taxistand gelaufen. Jetzt war er hier in diesem riesigen Gebäude und wusste nicht, wohin er sich wenden sollte. Er hatte das Gefühl etwas Verbotenes zu tun, also versteckte er sich vor einer Schwester, die an ihm vorbeiging. Dann ging er weiter. Tür um Tür öffnete er. Nirgends auch nur eine Spur von seinem Patenonkel oder von Tante Jane. Johnny hörte Stimmen. Schnell flüchtete er in das nächste Zimmer. Die beiden Männer gingen an der Tür vorbei. Sie hatten ihn also nicht gesehen. Johnny sah sich in dem Zimmer um, wo er jetzt stand. Zwei Betten standen darin. Ein leeres und ein belegtes. Der Junge kletterte auf das leere Bett. Er sah auf den Mann, der in dem anderen schlief. Er musste zweimal hinsehen, bevor er den Mann erkannt. „Onkel John?“, flüsterte Johnny erschrocken. Er sah zum Fürchten aus. Sein Onkel hatte ihn oft aus irgendwelchen Gefahren gerettet. Er war immer so stark gewesen. Doch jetzt lag er in diesem weißen Bett. Sein Gesicht war schmal und bleich. Auf seiner Brust lag sein Kreuz. Es hob und senkte sich bei jedem Atemzug. Plötzlich ging die Tür auf. Dr. Valentin trat ein. Er glaubt zuerst nicht richtig zu sehen, als er den kleinen Jungen auf dem Bett sitzen sah. Johnny starrte den Arzt erschrocken an. „Wer bist du denn?“, fragt Valentin. Johnny atmete zweimal tief durch. Dann sagte er leise: „Johnny Conolly.“ Der Arzt erinnert sich an diesen Namen. Einer der Freunde von diesem Polizisten hieß so. „Bist du der Sohn von diesem Bill Conolly?“ „Ja.“ „Und was machst du hier?“ „Daddy wollte mir nicht sagen, wie es Onkel John geht.“ Dr. Valentin lachte. Johnny. John. „Er ist dein Patenonkel, nicht wahr?“ Johnny nickte.
Ich erwachte und hörte Stimmen. Wahrscheinlich hatten sie mich geweckt. Dr. Valentin stand mit dem Rücken zu mir. Er sprach mit jemandem, der anscheinend auf dem anderen Bett saß. Ich kannte die Stimme. „Johnny?“, fragte ich leise. „Onkel John“, kam die erfreute Stimme meines Patenkindes. Der Kleine sprang vom Bett. Ich hörte wie er auf den Boden prallte. Dann sah ich sein Gesicht vor mir auftauchen. Er war so schnell auf mein Bett geklettert, dass Dr. Valentin überhaupt nicht reagieren konnte. Ich nahm den Jungen in den Arme und drückte ihn an mich. Meine Augen brannten. „Ich hab dich vermisst“, murmelte Johnny. Er sah mich an. Tränen liefen über sein Gesicht. „Ich dich auch Johnny.“ Ich stöhnte auf. Dr. Valentin nahm ihn von mir herunter. „Danke.“ Der Arzt nickte. „So Kleiner, du musst...“ „Ich will Tante Jane sehen“, verlangte der Kleine. „Ich auch“, stimmte ich zu. „Zwei Kinder“, murmelte ein sichtlich überarbeiteter Dr. Valentin. Dann sah er mich an. „Sie schlafen wieder.“ Zu Johnny sagte er mit einem Lächeln: „Wir schauen mal rüber, OK?“ Johnny nickte. Er wollte mit dem Arzt mitgehen. Ich hielt ihn fest und sah ihn an. „Gib Jane einen Kuss von mir, klar.“ Johnny nickte und verschwand. Ich schloss wieder die Augen.
„Dr. Tadino? Ist Miss Collins wach?“, fragte Dr. Valentin leise, als er Janes Zimmer betrat. Die Ärztin nickte. „Gut, ich habe nämlich einen Besucher für sie.“ Jane wand den Kopf und sah zur Tür. Als sie den Jungen sah, strahlte sie übers ganze Gesicht. „Johnny.“ „Tante Jane“, rief der und kletterte auf Janes Bett. Die schloss ihn vorsichtig in die Arme. Dann sah der Kleine sie an. „Hätte ich ja fast vergessen.“ Er gab Jane einen Kuss auf die Wange. „Von Onkel John“, sagte er grinsend. Jane lächelte. „Danke.“ Dann stutzte sie. „Wie kommst du eigentlich hierher?“ „Mit dem Taxi“, erklärte Johnny stolz. „Taxi. Natürlich, wie sonst. Und dein Vater weiß natürlich nichts davon, oder irre ich mich.“ Betroffen blickte Johnny nach unten. Er schüttelte den Kopf. „Wir können ihn ja anrufen. Dann holt er dich ab“, sagte Dr. Tadino. Jane nickte. Johnny strahlte die beiden Frauen an. „Dort steht ein Telefon.“ Johnny holte es und gab es Jane. Dr. Tadino und Dr. Valentin gingen hinaus. Die Ärztin zog ihren Chef zur Seite. „Jane ist im 2. Monat schwanger.“ Dr. Valentin starrte sie verblüfft an. „Das Beste kommt ja noch. John Sinclair ist der Vater.“ Dr. Tadino grinste. Dr. Valentin konnte es nicht fassen. „Das wird ja immer interessanter. Hat der Mann eine Ahnung von seinem Glück?“ „Nein. Und Sie werden es ihm doch nicht sagen, oder?“ „Natürlich nicht. Wie geht es dem Baby?“ „Anscheinend ist es kerngesund.“ „Sehr gut. Und die Mutter?“ Dr. Tadino wurde ernst. „Die Verletzungen sind alle ziemlich gut heilbar. Bis auf ihre Beine. Das wird ein hartes Stück Arbeit, bis die Frau wieder laufen kann. Wahrscheinlich kann sie es mit ihrem Kind zusammen lernen.“ Der Arzt nickt ernst. „Bei Mr. Sinclair ist es die Hand, die mir ernsthaft Sorgen macht. Wir werden noch viel Arbeit mit den beiden haben.“
Bill wurde durch sein läutendes Handy geweckt. Er richtete sich im Bett auf und nahm es aus seiner Jackentasche. Die Jacke hatte neben seinem Bett gelegen. Weiter hatte er sie in der Nacht nicht mehr gebracht. Sheila sah ihn verschlafen an. „Conolly.“ Als Bill die Stimme erkannt, konnte er es gar nicht fassen. „Jane, bist du es wirklich?“ „Ja sicher. Sag mal Bill, vermisst ihr was?“ Bill saß Sheila an. Die saß jetzt ebenfalls. „Vermissen wir was?“ Sheila schüttelte den Kopf. „Wir vermissen nichts“, antwortete er Jane. „Oh doch.“ Sie gab Johnny den Höher. „Guten Morgen Daddy“, sagte der Junge fröhlich. Bill grinste. „Johnny?“ Sheila sah ihn verwundert an. „Es ist OK, Bill. Dem Kleinen geht’s gut. Er wollte uns nur besuchen.“ „Ich komme und hole ihn ab.“ „OK, ich freue mich.“ „Tschüss Jane, bis gleich.“ „Ja, bis gleich.“ Bill beendete das Gespräch. Er sah Sheila an und schüttelte den Kopf. „Unser Sohn ist im Krankenhaus und besucht gerade seinen Patenonkel und Jane.“ Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sheila grinste ebenfalls. „Du hast doch gewusst, dass er das tun würde, wenn du ihm nicht sagst, was mit den beiden ist. Jetzt hast du einen Grund noch mal hinzufahren.“ Bill sah sie unschuldig an. „Ich würde so etwas nie tun.“ Er gab seiner Frau einen Kuss, schwang sich aus dem Bett und zog sich an. „Ich habe Suko versprochen ihn mitzunehmen.“ Sheila holte tief Luft. Dann lachte sie. „Du bist doch wirklich unmöglich.“ Dann zog sie sich ebenfalls an. „Wohin willst du?“, fragte Bill erstaunt. „Ich fahre mit und leiste Shao etwas Gesellschaft.“ Bill nickte und fing an seine Autoschlüssel zu suchen. Dann verließen die beiden das Haus und stiegen in Bills Porsche.
Suko war aufgestanden und fing an sich anzuziehen. „Wohin willst du?“, fragte Shao, die noch im Bett lag. „Bill müsste eigentlich gleich...“ Es klingelte. „Da ist er.“ Shao schüttelte den Kopf. ‚Was haben die jetzt wieder vor?’ Suko öffnete die Tür und grinst Bill an. „Hat es also geklappt?“ Bill gab ihm die Hand. „Klar doch. Was glaubst du denn. Mein Sohn wurde schließlich gut erzogen.“ Die beiden Männer lachten. „Hallo Sheila. Shao ist noch im Bett. Geh ruhig rein. Dann kannst du ihr alles erklären.“ Damit verschwanden die beiden im Aufzug. Sheila sah ihnen nach, schüttelte den Kopf und ging zu Shao. Sie setzte sich auf das Bett. „Männer“, murmelte sie. Shao nickte. „Wie wär’s mit Frühstück?“
Als Suko und Bill im Krankenhaus ankamen, gingen sie sofort zu Dr. Valentin. Der brachte die beiden zu Jane. Sie lag in ihrem Bett und beobachtete Johnny, der auf dem freien Bett schlief. Als sie Bill und Suko in der Tür stehen sah, lächelte sie die beiden Männer an. Bill lief sofort zu ihr und umarmte sie vorsichtig. Suko wollte ihr erst die Hand geben, zog sie dann aber doch in seine Arme. „Schön, dass es dir gut geht“, murmelte Bill. Seine Stimme klang rauh. Jane sah ihn gespielt verärgert an. „Woher willst du wissen, wie es mir geht?“ Sie lachte. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“ Bill nickte. Jane schlug leicht mit der Hand gegen die Wand neben ihrem Bett. „Reiß diese verdammte Wand ein.“ Bill lachte. „Ist John da drüben?“ Jane nickte. „Ich möchte ihn sehen. Bitte.“ Sie sah die drei Männer und ihre Ärztin flehend an. „Bitte.“ Tränen schimmerten in ihren Augen. Bill sah die Ärzte an. „Spricht etwas dagegen.“ „Nicht unbedingt. Aber die beiden brauchen Ruhe.“ Dr. Valentin wusste, dass dieser Protest vergeblich war. „Die Ruhe haben sie, sobald sie wieder zusammen sind.“ Dr. Tadino seufzte. “Jane hat mich vor einigen Stunden schon gefragt, ob es nicht möglich wäre, dass man sie rüber verlegt.“ „Hier macht doch sowieso jeder was er will.“ Ärgerlich verließ Dr. Valentin das Zimmer. Dr. Tadino sah ihm nach. „War das ein Ja?“, fragte Jane vorsichtig. „Eindeutig“, sagte ihre Ärztin grinsend. „Er beruhigt sich schon wieder.“ Mit Bills Hilfe stand Jane auf und schlüpfte in ihren Morgenmantel, den Dr. Tadino ihr hinhielt. Dann setzte Bill sie in einen Rollstuhl. Suko schob sie. Janes Atem ging schnell. Sie war nervös. Würde John sich freuen sie zu sehen? Wie sah er überhaupt aus? Sie schluckte, während Suko sie aus ihrem Zimmer schob. Johnny ließen sie schlafen. Bill war vorgegangen und klopfte. Ein leises ‚Herein’ ertönte.
Ich drehte den Kopf so, dass ich die Tür sehen konnte. Bill trat grinsend ein. „Na, John, wie geht’s dir?“, fragte er. „Es geht“, antwortete ich und wunderte mich, dass er an der Tür stehen blieb. „Gleich geht’s dir besser“, sagte er grinsend und winkte jemandem der draußen stand. Ein Rollstuhl wurde in mein Zimmer geschoben. Suko tat dies. In dem Stuhl saß Jane und lächelte mich schüchtern an. Ich schluckte. „Jane“, brachte ich mit rauher Stimme heraus. Sie nickte. Ich sah Tränen, die über ihre Wangen liefen. Suko schob sie an mein Bett und verschwand dann mit Bill. Jane legte ihre Hände auf meinen Arm. Vorsichtig darauf bedacht, meine verletzte Hand nicht zu berühren. Ich spürte wie sie zitterte. Sie sah so schwach und verletzlich aus. Ich nahm ihre Hand in meine und küsste sie leicht. Sie legte den Kopf auf meine Schulter. Ich zog sie in meine Arme. Woher ich die Kraft nahm, weiß ich bis heute noch nicht. Als sie in meinen Armen lag, spürte ich eine Welle der Erleichterung durch meinen Körper schießen. Erst jetzt begriff ich, dass wir es geschafft hatten. Wir hatten diese Hölle tatsächlich überlebt. Ich vergrub mein Gesicht in ihrem Morgenmantel. Nach einer Weile stemmte Jane sich hoch. Sie sah mir in die Augen. „Ich liebe dich“, flüsterte sie. Anstatt ihr zu antworten, küsste ich sie. Nach einer Ewigkeit wurden wir von Bills Hüsteln unterbrochen. Ich hatte nicht gehört, wie er das Zimmer betreten hatte. Ich sah ihn verärgert an. „Merkst du nicht, dass du störst?“ „Doch“, erwiderte er grinsend. Auch unsere beiden Ärzte kamen herein. Dr. Valentin schüttelte den Kopf. Dann sagte er ernst. „Entweder geht Miss Collins in das Bett“, er deutete auf das zweite Bett im Raum. „Oder ich verlege sie wieder in ihr Zimmer.“ Ich sah Jane erstaunt an. „Du kannst hier bleiben?“ Sie nickte. Ich küsste sie auf die Wange. „Das ist ja wunderbar.“ Die beiden Ärzte gingen wieder. Sie hatten schließlich auch noch andere Patienten. Und uns ging es außergewöhnlich gut, wenn man bedenkt, was wir hinter uns hatten. Bill hob Jane von meinem Bett hoch und setzte sie auf das andere. Ich sah, wie Jane unter der Berührung zusammenzuckte. Doch dann entspannte sie sich schnell wieder. Ich war unglaublich stolz auf sie. Auf ihre Stärke. Ich sah zu Suko hoch, der mich nach wie vor anstarrte. Dann reichte er mir die Hand. „Willkommen zurück John“, sagte er. Ich nickte. „Was habt ihr eigentlich die ganze Zeit getrieben, während wir weg waren.“ „Och nichts“, antworteten Bill und Suko wie aus einem Mund. Ich sah an Suko vorbei und zu Jane hinüber. „Glaubst du ihnen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht.“ Wir lachten. „Also“, sagte ich dann. „Was war los?“ „Erinnerst du dich an den Anhänger den du zerstört hast?“ Ich nickte. Suko fuhr fort. „Es gab noch drei davon.“ „Gab?“ „Einer wurde von Mallmanns Einheit in Griechenland zerstört. Einen haben wir eliminiert.“ „Und der dritte?“ „Den hat Asmodina fürchte ich.“ „Verflucht“, ich schlug mir mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. Die schnelle Bewegung rächte sich. Ich stöhnte auf. „John, sei vorsichtig. Sonst schaffst du noch, was Mikosch nicht gelungen ist.“ Jane sah mich leicht verärgert an. Ich nickte. „Mikosch?“, fragte Bill. „Unser Inquisitor. Moment mal. Will Mallmann ? Ist der auch hier ? » Bill nickte. „Selbstverständlich.“ „Wer noch?“, fragte Jane. Suko sah sie grinsend an. „Seit ein paar Tagen Myxin und Kara.“ „Schau an. Man hat uns vermisst.“ Ich sah Suko und Bill an. Es war ein herrliches Gefühl wieder zu Hause zu sein. „Wie geht’s eigentlich Glenda?“, fragte ich mit einem Seitenblick auf Jane. „Sie hat sich Sorgen gemacht“, sagte Suko entrüstet. „Was glaubst du denn.“ Wir lachten. Bis auf Jane. Die versucht, mich mit Blicken zu erwürgen. „Gibt es eigentlich auch was Positives zu berichten?“, fragte ich Suko. Der nickte grinsend. „Mach die Augen zu und halte die Hand auf“, sagte er. „Was sollen diese Spielchen?“ „Mach schon.“ Ich seufzte und tat meinem Freund den Gefallen. Ich spürte einen kleinen Gegenstand in meiner Hand. Viereckig. Ich schloss die Hand. Langsam ließ ich meinen angehaltenen Atem entweichen. ‚Das kann doch nicht wahr sein’, dachte ich. „Du kannst die Augen wieder öffnen.“ „Ich will nicht. Nachher ist das nur ein Traum.“ Ich tat es aber doch. Ich öffnete meine Hand. Dort lag er. Der Würfel des Unheils. Ich starrte erst Suko, dann Bill an. Jane reckte den Hals und versuchte zu sehen, was ich da hielt. „John“, maulte sie, „was ist das?“ Ich gab Suko den Würfel und der reichte ihn Jane. „Wow“, war das einzige, was sie dazu sagte. „Wie...“ Suko zuckte unschuldig mit den Schultern. „Lady X hatte ihn verloren. Ein Polizist hat ihn gefunden und zu Sir James gebracht.“ „Verloren?“ „Ja, beim Kampf um den Anhänger.“ „Wer gegen wen?“ „Bill, Sir James, Mallmann und ich gegen Asmodina, Tokata und Lady X.“ Ich schluckte. „Ein Glück, dass ihr noch lebt.“ Suko winkte ab. „Kein Problem.“ Dann grinste er Bill an. „Dein Kreuz hat uns gerettet.“ Ich hob die Hand automatisch und legte sie auf das Kreuz, welches ich inzwischen wieder um den Hals trug. Dann sah ich meine Freunde forschend an. „Wieso sind die anderen geflohen?“ „Lady X und Asmodina wurde es wohl zu brenzlig. Da sind sie abgehauen. Obwohl die Scott es nicht lassen konnte, vorher noch etwas an Bill rumzuknabbern.“ Jane und ich sahen Bill erschrocken an. Der drehte den Kopf ein wenig zur Seite. Die Bissmale waren noch deutlich zu sehen. Ich schluckte. Mir wurde bewusst, dass ich fast meinen besten Freund verloren hätte. Auch Jane schaut ihn betroffen an. Er zuckte mit den Schultern. „Ist nicht so schlimm.“ Jane sah verwirrt aus. „Was ist mit Tokata?“ Sie sah Suko fragend an. „Du hast nur gesagt, dass Lady X und Asmodina geflohen sind?“ Ich sah, wie auf Sukos Gesicht ein Grinsen erschien. Bill schaute ihn stolz an. „Ich habe mit dem Stab von Buddha die Zeit angehalten und Tokata mal ein bisschen verziert.“ „Verziert?“ „Ja, mit deinem Kreuz“, sagte er und lachte. „Und?“ „Zisch, bumm, weg.“ Ich schüttelte den Kopf. Tokata war tot. „Das glaube ich einfach nicht“, murmelte ich. „Kannst du aber, Geisterjäger.“ Ich schreckte hoch. Die Stimme gehörte Myxin. Ich sah den Zauberer am Fußende meines Bettes stehen. Er kam herum und reichte mir die Hand. Ich lächelte und ergriff sie. Myxin ging zu Jane, während mein Blick auf Kara fiel. Ihr Schwert lehnte gegen einer Wand. Sie kam zu mir und umarmte mich herzlich. Dann ging sie zu Jane. Ich lag nach wie vor da und versuchte in meinen Schädel hineinzukriegen, dass Tokata nicht mehr existierte. Bill und Suko unterhielten sich kurz mit Myxin. Kara mit Jane. Sie sahen mich geschockt an, als ich plötzlich einen Jubelschrei ausstieß. „Jetzt hat er’s begriffen“, meinte Bill und grinste. Ich strahlte ihn an. Die Tür wurde geöffnet und Dr. Valentin trat ein. Er starrte Myxin und Kara mit großen Augen an und schüttelte dann den Kopf. „Mich wundert bald gar nichts mehr“, murmelte er. Dann sagte er lauter zu unseren Gästen. „Die beiden brauchen Ruhe. Also muss ich Sie bitten das Zimmer zu verlassen.“ Dann ging er. Myxin und Kara teleportierten sich weg. „Erhole dich gut, Geisterjäger. Wir sehen uns sicher sehr bald wieder“, hörte ich noch Myxins Stimme. Damit waren die beiden verschwunden. „Wie war denn das gemeint?“, fragte ich Bill. Der zuckte mit den Schultern. „Das erfährst du schon noch, John. Erhole dich erst mal.“ Er und Suko standen auf und gingen zur Tür, nachdem sie sich von Jane und mir verabschiedet hatten. Suko drückte mir noch ein Kästchen in die Hand. Ich atmete erstaunt, dann erleichtert auf. Er grinste mich frech an. „Immer schön anständig bleiben, ihr beide“, sagte Suko noch und schloss schnell die Tür. Ich wollte ihnen noch etwas hinterher rufen, ließ es aber bleiben. Jane grinste mich an. „Du bist richtig rot geworden.“ Sie drehte sich auf die Seite und sah mich fragend an. Ich lächelte. „Wir haben es geschafft, Jane, wir haben es geschafft“, lenkte ich vom Thema ab. Sie nickte. „Ich habe zeitweilig sehr daran gezweifelt.“ „Ich auch“, gab ich zu. Ich biss die Zähne zusammen. Die Schmerzmittel ließen langsam nach. Jane sah es. „Hast du Schmerzen?“, fragte sie besorgt. „Es ist schon okay“, versicherte ich ihr. Leider mit ziemlich wenig Erfolg. „Wir sollten beide noch etwas schlafen, meinst du nicht auch?“ Ich nickte und schloss langsam die Augen. In meiner Hand hielt ich das Kästchen mit dem Ring. Jane hatte es zum Glück nicht gesehen. Sie lag noch eine Weile wach und beobachtete mich.
Bill hatte Johnny auf dem Arm, der immer noch schlief. In Bills Auto fuhren sie zu Suko nach Hause, Bill nahm Sheila mit und fuhr dann mit ihr zu sich nach Hause. Heute gab es nicht mehr viel zu tun. Bill schüttelte den Kopf. Es war noch nicht einmal Mittag und er wusste nicht, was er mit seiner Zeit anfangen sollte. Suko hingegen wusste es. Er schwang sich in seinen Wagen, nachdem er etwas gegessen hatte und fuhr zu Sir James. Wie er es erwartet hatte, saß sein Chef im Büro. Und bei ihm saß Pater Ignatius. Suko trat ein. „Guten Morgen.“ „Morgen Suko“, sagte sein Chef und deutete auf einen Stuhl. Suko nahm Platz. „Wie geht es John?“ „John geht’s ziemlich gut. Vor allem jetzt. Er und Jane liegen in einem Zimmer. Die Ärzte hielten es für besser. Da können sie miteinander reden, wenn sie Probleme mit der Verarbeitung der Geschehnisse haben.“ Er sah Pater Ignatius forschend an. „Gibt es Probleme?“ Der Pater sah besorgt aus. Er nickte langsam. „Es geht los. Ich kann nicht begründen, was ich fühle, aber es ist so. Der große Kampf steht kurz bevor.“ Er erhob sich langsam. „Ich muss mit John sprechen.“ „John kann im Moment nichts machen. Seine Verletzungen sind noch lange nicht verheilt.“ Suko sah erst Ignatius, dann seinen Chef an. Sir James zuckte mit den Schultern. Das hier hatte nichts mehr mit dem Yard zu tun. Er konnte nichts machen. Ignatius legte die Hand auf Sukos Schulter. „Vielleicht kann ich ihm helfen, dass seine Wunden schneller heilen.“ Ein geheimnisvolles Lächeln lag auf seinem Gesicht. Suko verstand nur Bahnhof. „Und wie?“ Pater Ignatius schüttelte den Kopf. „Das darf ich Ihnen leider nicht verraten. Drücken Sie mir die Daumen. Ich werde John heute Nachmittag besuchen.“ „Was ist mit Jane?“, fragte Suko. „Können Sie ihr auch helfen?“ „Vielleicht.“ Damit verschwand er. Suko sah ihn verwirrt nach. „Aus diesem Mann soll einer schlau werden.“ Dann wand er sich wieder an seinen Chef. „Liegt sonst irgendwas an?“ Sir James schüttelte den Kopf. „Ganz London ist ruhig. Richtig gespenstisch.“ „Gut. Ich treffe mich heute Nachmittag mit den Conollys. Falls irgend etwas ist, erreichen Sie mich über Handy.“ Sir James nickte und entließ Suko. Der fuhr wieder nach Hause und legte sich noch eine Weile aufs Ohr.
Nebelschwaden zogen durch ein schwarzes Nichts. Tausende blutroter Kerzen brannten. Asmodina saß auf einem Thron und hatte die Augen geschlossen. Nach wie vor vergrößerte sie ihre Macht mit Hilfe des Anhängers. Aber es ging nur noch sehr langsam. Das Ende war nahe. Sie war stark genug um gegen ihre Feinde antreten zu können. Lady X trat auf sie zu. Sie sah die Teufeltochter misstrauisch an. Sie war ihr zu mächtig geworden. Aber im Moment wäre es glatter Selbstmord sich mit dieser Dämonin anzulegen. „Wie geht es Sinclair?“, fragte die Ex-Terroristin. „Leider immer besser. Er wird sich erholen.“ „Verflucht. Ist der Kerl denn überhaupt nicht totzukriegen?“ „Wir kriegen ihn. Er ist hilflos. Erst schnappe ich mir den Schwarzen Tod, dann ist dieser verdammte Sohn des Lichts dran. Und seine Freunde und Helfer. Er wird sich noch wünschen, er wäre im Mittelalter gestorben.“ Lady X wusste nicht, wieso, aber sie glaubte nicht an die Worte der Teufelstochter. So furchtbar es sich für sie auch anhörte, aber sie war sich sicher, dass das Ende der Schwarzblüter gekommen war. Zumindest für viele von ihnen. ‚Nun ja’, dachte sie. ‚Wir werden sehen.’
Nach diesem Überfall heute morgen, war ich wieder fest eingeschlafen. Als ich jetzt langsam aufwachte, merkte ich, dass es im Zimmer schon dunkel wurde. Es musste bereits früher Abend sein. Ich bemerkte eine Gestalt, die neben meinem Bett saß. Ich lächelte, als ich ihn erkannte. „Ignatius, schön dich zu sehen.“ Er sah mich an. Dann umarmte er mich vorsichtig. „Wie geht es dir, John?“ „Immer besser. Aber leider nicht schnell genug. Was ist eigentlich los? Ich spüre, dass sich etwas zusammenbraut.“ Pater Ignatius sah mich traurig an. „Die letzte große Schlacht steht bevor.“ „Wie, die letzte?“ Ignatius lächelte. „Wir haben jetzt die Chance, die Hölle schwer zu schädigen und in ihre Schranken zu weisen. Aber die gute Seite braucht dich.“ Ich schluckte. Ich schaffte es nicht einmal ohne fremde Hilfe aufzustehen, wie sollte ich da kämpfen. Ignatius nahm meine Hand. „Ich werde versuchen ein sehr altes Ritual mit dir durchzuführen. In deinem Kreuz sind Kräfte und Stärken der früheren Söhne des Lichts gespeichert. Wir werden versuchen einen Teil dieser Kräfte auf dich zu übertragen. Dann wird dein Körper hoffentlich in der Lage sein alle deine Wunden zu heilen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Wenn meine Hand und meine Rippen wieder OK sind, ist das genug. Mit dem Rest kann ich leben. Können wir die restliche Kraft nicht nutzen um Jane zu heilen?“ Pater Ignatius lächelte. „Ich hatte nichts anderes von dir erwartet. Natürlich werden wir sie auch heilen. Aber ich kann nicht versprechen, dass es klappt. Wir müssen hoffen und abwarten.“ Ich war einverstanden. Was konnte ein Versuch schon schaden. „Versuchen wir’s. Was soll ich tun?“ „Lege das Kreuz frei. Es darf kein Stoff zwischen deinem Kreuz und den verwundeten Stellen sein.“ Ich öffnete das Oberteil des Pyjamas, den ich trug. Mein Kreuz lag auf meinen schmerzenden Rippen. Pater Ignatius löste vorsichtig den Verband von meiner verwundeten Hand. Ich sah den Schock in seinen Augen, als er meine Hand sah. „Und so was hat man den Menschen im Namen der Kirche angetan.“ Verzweiflung stand in seinen Augen. Er hätte dieses Unrechte gern wieder gut gemacht, aber das war unmöglich. Vorsichtig legte er meine Hand auf das Kreuz. Ich stöhnte vor Schmerzen, als die offenen Wunden mit dem kalten Metall in Berührung kamen. „Halte durch mein Sohn. Es wird nicht lange dauern.“ Ich nickte schwach. Pater Ignatius stellte sich ans Fußende meines Bettes. Er fing an alte Verse zu murmeln. Sie hörten sich lateinisch an, aber ich achtete nicht genau darauf. Ich spürte, wie das Kreuz anfing leicht zu vibrieren. Wärme durchströmte meinen Körper. Lichtstrahlen gingen von dem Kreuz aus und umfingen meinen Oberkörper wie ein Mantel aus Wärme und Schutz. Nach einer Weile verblasste das Licht. Ich sah Ignatius an. Er nickte. „Ich glaube es hat gewirkt. Du solltest in ungefähr 24 Stunden eine deutliche Besserung spüren.“ „Ich fühle mich stark und gleichzeitig total matt.“ Der Pater nickte. „Das ist normal.“ Sein Blick glitt hinüber zu Jane. „Jetzt sind Sie dran.“ Ich sah meine Freundin an. Sie lag nach wie vor auf der Seite. Ihre Augen waren geöffnet. Sie sah uns ein wenig verwirrt an. „Seit wann bist du wach?“ „Seit Pater Ignatius mit dem Ritual angefangen hat. Was soll das eigentlich alles?“ „Eine große Schlachte steht an. Man braucht mich. Pater Ignatius hat meinem Körper nur geholfen, damit die schwersten Verletzungen schneller heilen.“ Jane nickte. Ignatius ging auf Jane zu. Sie versteifte sich. Langsam stand ich auf. Es tat fürchterlich weh. Ich trat neben Janes Bett. „Ignatius kann auch dir helfen, dass deine Wunden schneller heilen. Bitte Jane, lass es ihn versuchen.“ Jane nickte ängstlich. „Was muss ich tun?“, fragte sie mit bebender Stimme. „Nichts. Lieg einfach nur ruhig da.“ Ich überlegte. „Deine Beine hat’s am Schlimmsten erwischt, nicht wahr?“ „Ja.“ Ich hob vorsichtig die Decke hoch. Jane trug ein weißes Nachthemd. Ich schob den Saum nach oben, bis über ihre Knie. Ich hatte ihre Verletzungen bis jetzt noch nicht gesehen. Ihre Knie sehen unförmig aus und glänzten in allen Farben. Sie zitterte. „Ganz ruhig, Baby. Ich tue dir nichts.“ Ich nahm kurz ihre Hand und schaute ihr in die Augen. Tränen glitzerten dort. Sie hatte furchtbare Angst. Dann nahm ich mein Kreuz und legte es auf ihre Beine. Janes Gesicht verzog sich vor Schmerzen. Das leichte Gewicht, welches jetzt auf ihren Beinen lastete, war für sie nur schwer auszuhalten. Ich ließ mich langsam auf den Stuhl nieder, der neben Janes Bett stand. Dann wand ich mich zu Pater Ignatius um. „Wir können anfangen.“ Ich sah den verwirrten Ausdruck in seinen Augen. Janes Angst war für ihn absolut unverständlich. Ich schüttelte leicht den Kopf. Er verstand, kam auf uns zu und fing wieder an die Verse zu murmeln. Erneut strahlte das Kreuz. Janes Beine wurden von dem Licht eingehüllt. Als es wieder verblasst war, nahm ich mein Kreuz in die Hände und hing es mir wieder um. „Es muss sich regenerieren, John“, mahnte Ignatius. Ich nickte. Der Mönch verabschiedete sich von uns und ging. Ich saß noch eine Weile neben Jane und wartete. Sie schien sich wieder beruhigt zu haben. Ich deckte sie vorsichtig zu und ging dann wieder in mein Bett. Wenige Minuten später kamen Dr. Valentin und Dr. Tadino herein. Sie schauten uns noch mal an, verabreichten uns Schmerzmittel und gingen. Ich bekam noch eine kurze Predigt zu hören, warum ich den Verband von meiner Hand abgemacht hätte. Ich sagte, es hätte gejuckt, was auch stimmte. Dr. Valentin verband die Hand wieder.
Abends trafen Suko und Shao sich mit Bill und Sheila im Haus der Conollys. Johnny war schon im Bett. Suko erzählte den anderen von seiner merkwürdigen Begegnung mit Pater Ignatius in Sir James´ Büro. „Hoffentlich klappt es“, meinte Sheila. Bill nickte zustimmend. „Ja, hoffentlich. Wir brauchen John. Und Jane wenn’s geht auch.“ „Dann geht es jetzt also richtig los?“ Shao sah ihren Freund besorgt an. Dieser nickte. „Sieht so aus.“ „Und dieses Mal dürfen wir nicht verlieren“, fügte Bill ernst hinzu.
Ich lag wach in meinem Bett. Es war fast Mitternacht und ein blasser Mond schien durch unser Fenster herein. Ich konnte nicht schlafen. Vielleicht hatte ich einfach zu viel Schlaf bekommen während der letzten Tage. Wie sehr hatte eine Woche doch mein Leben verändert. Ich seufzte lautlos. Dann hörte ich ein leises Geräusch. Ein Schluchzen. Jane. Ich drehte den Kopf zur ihr hinüber. Jane lag auf dem Rücken und starrte, genau wie ich es getan hatte, den Mond an. Tränen liefen ihre Wangen hinab. Der Mond verwandelte sie in kleine Diamanten. Ich stand auf und ging zu ihr. Sie sah mich an. Ich nahm ihre linke Hand in meine und küsste sie sanft. Dann strich ich ihr vorsichtig über die Wangen. „Ich wollte dich nicht wecken, John. Es tut mir leid“, schluchzte sie. „Pssst...Du hast mich nicht geweckt. Ich konnte nicht schlafen. Und außerdem bin ich immer für dich da, egal wann du Probleme hast. Verstanden?“ Sie nickte. „Was ist eigentlich los?“, fragte ich behutsam. Sie schluckte. „Ich hatte einen furchtbaren Alptraum...ich...“ Ihre Stimme versagte. Ich zog Jane hoch und schlang die Arme um sie. Sie legte den Kopf gegen meine Brust und weinte lange. Ich strich ihr übers Haar und redete leise auf sie ein. Langsam beruhigte sie sich. Da fiel mir etwas auf. Meine Schmerzen in der Brust waren weg. Ich konnte plötzlich wieder frei atmen. Ich atmete probehalber noch mal tief ein. Jane spürte die Bewegung. Sie sah mich fragend an. Anstatt zu antworten schaltete ich das Licht ein und tastete langsam meinen Brustkorb ab. Der große blaue Fleck war verschwunden. Ich sah Jane an und grinste. „Es ist weg. Meine Rippen sind wieder vollkommen in Ordnung.“ Sie lachte. Dann fing sie an den Verband von meiner Hand zu wickeln. Sie sah aus wie früher. Nicht eine Narbe war übrig geblieben. Es war ein unbeschreibliches Glücksgefühl, das zu sehen. Ich zog die Decke von Janes Beinen. Ihre Knie schienen wieder normal zu sein. „Versuch mal die Beine zu bewegen“, sagte ich. Jane gelang es ohne große Schwierigkeiten. Ich lachte, hob Jane hoch und wirbelte mit ihr durch das Zimmer. Spielerisch schlug sie mit den Händen gegen meine Schultern. „John, verdammt noch mal, lass mich sofort runter. Bist du denn jetzt völlig durchgeknallt?“ Ich nickte und strahlte sie an. „Das hatte ich befürchtet“, seufzte sie. Dann lachte sie auch. Langsam ließ ich sie auf den Boden runter. Sie sah mir in die Augen. Langsam näherten sich unsere Gesichter, bis unsere Lippen schließlich zu einem innigen Kuss verschmolzen. Ich hätte Jane am liebsten gar nicht wieder los gelassen, aber wir standen barfuss im Zimmer und es war alles andere als warm. Jane huschte wieder in ihr Bett. Ich ging zu meinem. „Unglaublich. Ich fühle mich wie neu geboren.“ Jane lachte. „Wie merkwürdig das Schicksal doch manchmal mitspielt.“ „Wie meinst du das?“ „Naja, wenn ich nicht ausgerechnet letztes Wochenende nach Hause gekommen wären, wären wir nie mit dem Boot da rausgefahren. Wenn du Asmodina nicht ihren letzt Coup kaputt gemacht hättest, hätte sie sich vielleicht nicht mit den anderen zusammengeschlossen, um es dir heimzuzahlen. Und so weiter.“ Ich schüttelte den Kopf. „Asmodina hatte so oder so genug. Ich wusste, dass es irgendwann passieren würde, dass meine Gegner sich zusammenschließen würden. Es tut mir nur leid, dass du da mit reingeraten bist.“ Ich sah sie an. „Aber ohne dich hätte ich das nie durchgehalten.“ Sie lächelte. Ich atmete tief durch und schluckte den Kloß runter, der sich plötzlich in meinem Hals gebildet hatte. „Und dass wir mit dem Boot zur Lagune rausgefahren sind, das war kein Zufall. Ich hatte das schon lange geplant.“ Jane sah mich erstaunt an. „Ach ja? Dann hattest du wohl irgendwelche Hintergedanken?“ „Die hatte ich tatsächlich.“ Ich nahm das Kästchen mit dem Ring in die Hand und ging zu Janes Bett. Ich setzte mich seitlich darauf und sah meiner Freundin tief in die Augen. Ich hielt das Kästchen auf der flachen Hand. Jane schluckte. Mit zitternden Fingern öffnete sie es. „John“, hauchte sie, als sie den zarten Ring mit dem kleinen Diamanten erblickte. Ich nahm den Ring in die Hand. Dann ergriff ich Janes Hand. Langsam schob ich ihn ihr über den Ringfinger. „Ich weiß, das hier ist nicht der richtige Ort dafür, aber ich kann nicht länger warten. Jane Collins, ich bitte dich meine Frau zu werden.“ Sie sah erst mich an, dann den Ring, der jetzt an ihrem Finger steckte. Als sie den Blick wieder hob, glänzten Tränen in ihren Augen. Freudentränen. Sie lächelte und nickte. Sprechen konnte sie nicht. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich küsste sie stürmisch. Auch mir liefen in diesem Moment Tränen übers Gesicht. Jane löste sich langsam von mir. „Ich hätte nie geglaubt, dass du dich durchringen würdest. Ist diese Frage wirklich so schwer für euch Männer.“ Ihre Stimme klang belegt. „Ja, verdammt schwer.“ „Dafür stellt man sie bloß einmal.“ Ich grinste. „Meistens zumindest.“ Jane sah mich empört an. Dann lachte sie. Es war so befreiend. Sie sah mir in die Augen. „Ich schätze, dann bin ich wohl dran.“ Verwirrung spiegelte sich auf meinem Gesicht. „Mit was?“ „An dem Abend, als du mich vom Flughafen abgeholt hast, da hast du mich gefragt, was mit mir los ist. Es ist tatsächlich was.“ Ich wurde hellhörig. „Mir ging es ziemlich miserabel, als ich in Deutschland war, also war ich bei einem Arzt.“ Ich erschrak. „Bist du krank?“ Jane lächelte mich an. „Nein, John. Ich bin nicht krank.“ Sie holte tief Luft. „Ich... ich bin schwanger.“ Das saß. Ich starrte Jane an. Ein Baby. Ich würde Vater werden. Eine richtige Familie. Mein Grinsen wurde immer breiter. Ich sah Jane an und bekam erneut feuchte Augen. „Das ist kein Scherz? Oh Jane, ich bin überglücklich.“ Ich zog sie in meine Arm und drückte sie zärtlich an mich. „Ich hatte schon Angst, dass du es nicht willst. Du weißt doch. Die Gefahr...“ „Vergiss die Gefahr. Die war immer da und wird immer da sein. Ich bin so glücklich.“ Ich küsste sie. Dann kam mir ein anderer Gedanke. „Weiß Dr. Tadino davon?“ „Ja, sie weiß es. Mit dem Baby ist alles in Ordnung. Es hat keinen Schaden genommen während der letzten Woche.“ Ich sah Jane an. „In welchem Monat bist du? Man sieht ja noch gar nichts.“ Ich war ganz aus dem Häuschen. Sie lachte laut. „Typisch Mann. Ich bin jetzt in der 8. oder 9. Woche.“ Ich überlegte. Dann grinste ich. „Sukos Geburtstag, erinnerst du dich?“ „Oh ja. Wie könnte ich das vergessen. Danach hatten wir ja beide überhaupt keine Zeit mehr für uns. Immer nur Arbeit.“ „Ja, furchtbar. Aber das ändert sich ab jetzt. Das Leben ist viel zu kostbar.“ Jane nickte. Ich wollte wieder in mein Bett, doch Jane hielt mich zurück. „Bleib hier, bitte.“ Ich nickte und krabbelte unter ihre Decke. Mein Kreuz legte ich auf den Nachttisch. Dann zog ich sie in meine Arme. So schliefen wir ein.
Sonntag Und so wurden wir am nächsten Morgen von Dr. Tadino gefunden. Sie stand etwas unschlüssig in der Tür. Dann trat sie ein und schloss die Tür. Sie räusperte sich laut. Davon wachte ich auf. Ich stieß Jane leicht an, um sie zu wecken. „Guten Morgen“, sagte die Ärztin grinsend. „Morgen“, nuschelte Jane. „Guten Morgen“, sagte auch ich, während ich mich in mein Bett verzog. Das war kalt. Bei Jane war es viel schöner. Dann kam Dr. Valentin. Jane saß in ihrem Bett und sah zu mir herüber. Sie hatte die Beine angezogen und die Arme herumgeschlungen. Das war wohl auch der Grund, warum Dr. Tadino sie mit offenem Mund anstarrte. „Das gibt es ja nicht“, murmelte sie und ging zu Jane um sie zu untersuchen. Auch Dr. Valentin staunte. Er sah mich an. Ich hielt ihm meine Hand entgegen. Er schaute sie sich von allen Seiten an und nickte zufrieden. Er hatte nicht vor, sich darüber zu wundern. „Ihren Rippen geht es sicher wieder gut, oder?“ Ich nickte. „Dachte ich mir.“ „Das ist doch nicht möglich“, erklang Dr. Tadinos Stimme. Dr. Valentin drehte sich zu seiner Kollegin um. „Doch. Bei diesen Leuten ist das möglich. Wundern Sie sich nicht.“ Dann sah der Arzt wieder zu mir. „Was ist mit Ihrem Rücken?“ „Die Schrammen sind leider noch da.“ Der Arzt nickt. Ich drehte mich auf den Bauch. Valentin sah meinen Rücken an und sagte zufrieden: „Heilt sehr gut.“ „Bei Jane auch. Alles bestens“, meldete Tadino. Dann sah sie Jane prüfend an. „Oder?“ Jane lächelte. „Ja, uns geht’s gut.“ Tadino nickte. „Haben Sie’s ihm also endlich gesagt?“ „Ja.“ „Und.“ „Ich bin total happy, happy, happy“, mischte ich mich ein. Jane grinste mich an. Nur Dr. Valentin verstand nicht sofort. Dr. Tadino gratulierte mir und ging dann. Dr. Valentin folgte ihr. „Frühstück gibt’s gleich“, sagte er, bevor sich die Tür hinter ihm schloss.
Bill und Sheila standen mit Suko vor der Tür und warteten auf Shao. Sie war eben kein Frühaufsteher. Aber sie hatten gestern Abend gemeinsam beschlossen den Sonntag im Krankenhaus mit Jane und John zu verbringen. Was sollte man auch sonst an einem Sonntag machen. Johnny war bei einem Kindermädchen geblieben. Und das hatte ihm überhaupt nicht gepasst. Aber er würde es überleben. „Komme schon“, rief Shao und trat raus. Suko schloss ab und nahm Shaos Hand. Dann gingen sie zu Sukos Wagen. Der war viel geräumiger als Bills Porsche. Vor dem Krankenhaus angekommen grinste Bill plötzlich. „Was ist?“, fragte Sheila. Bill deutet auf einen schwarzen BMW am anderen Ende des Parkplatzes. Ein Mann und eine Frau stiegen aus. Sir James Powell und Glenda Perkins. Glenda bemerkte die anderen und winkte. Dann kam sie herüber. „Ihr also auch“, sagte sie lächelnd. „Natürlich.“ Suko trieb die anderen zur Eile. „Immer mit der Ruhe“, meinte Sheila. „Die laufen uns schon nicht weg.“ Bill lachte. „Der Scherz hätte Jane überhaupt nicht gefallen.“ Sheila biss sich auf die Lippe. „Ups... stimmt.“ „Guten Morgen Ladys und Gentleman“, sagte Sir James gutgelaunt, als er auf die Gruppe zuging. Alle erwiderten brav den Gruß und gingen danach in das Gebäude. Vor der Zimmertür trafen sie auf Myxin und Kara. Als sie die Tür öffneten blieben sie erst einmal wie angewurzelt stehen.
Dr. Tadino hatte uns ein Radio ins Zimmer gestellt. Wir lauschten den neusten Nachricht und der Musik. Dann kam ein Lied was Jane und ich liebten. ‚Something stupid’ von Robbie Williams und Nicole Kidman. Ich zog Jane aus ihrem Bett und tanzte mit ihr. Sie lachte anfangs, doch dann genoss sie es. Und so fanden uns dann auch unsere Freunde vor. Wir sahen wahrscheinlich ziemlich komisch aus in unseren Krankenhauspyjamas und barfuss Ich sah die anderen zuerst. Und konnte mich aufgrund ihrer dummen Gesichter nicht mehr zusammenreißen. Ich lachte schallend. Jane sah erst mich an, dann die anderen. Sie lachte ebenfalls. „Herrlich eure Gesichter“, sagte ich, nachdem ich mich wieder etwas beruhigt hatte. Sie kamen rein und schlossen die Tür. Bill kam auf mich zu. Er fasste mich vorsichtig am Kragen und fragte ernst: „Wer bist du und was hast du mit John gemacht?“ Jetzt lachten wir alle. Ich wischte Bills Hand weg. Suko nickte anerkennend. „Da hat Pater Ignatius anscheinend gute Arbeit geleistet.“ „Ja, hat er.“ Dem Chinesen fiel noch etwas anderes auf. Ein kleiner Ring an Janes Hand, der gestern noch nicht da war. Er sah uns mit offenem Mund an. Ich nickte und legte meinen Zeigefinger auf meine Lippen. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Ich sah Jane fragend an und flüsterte: „Sagen wir’s ihnen gleich, oder später?“ Sie lächelte glücklich. „Gleich.“ Wir hatten uns nebeneinander auf mein Bett gesetzt. Ich hielt Janes Hand. Mein Gott war ich nervös. „Darf ich mal kurz um eure Aufmerksamkeit bitten? Wir haben euch etwas mitzuteilen.“ Meine Stimme zitterte ein wenig. Unsere Freunde richteten die Augen auf uns. „Das klingt ja offiziell“, flüsterte Bill Suko zu. Dieser grinste ihn an. „Ist es auch.“ Bill machte große Augen. „Jane und ich haben beschlossen zu heiraten“, sagte ich dann kurz und schmerzlos. Das saß. Alle außer Suko und Bill starrten uns fassungslos an. Die beiden waren es auch, die uns zuerst gratulierten. Dann Sheila und Shao. Sie diskutierten bereits über ein Hochzeitskleid für Jane. Frauen. Ich grinste. „Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet John. Herzlichen Glückwunsch“, sagte Sir James. Dann wand er sich an Jane. „Wie haben Sie es geschafft, ihn zu zähmen?“ „Mein Geheimnis“, sagte Jane und lächelte mich zweideutig an. Ich spürte, wie ich rot wurde. Auch Glenda ließ sich dazu herab uns zu beglückwünschen. Sie konnte es sich jedoch nicht verkneifen und hauchte mir ein ‚du Schuft’ ins Ohr. Ich grinste sie entschuldigend an. Kara und Myxin hatten sich bis jetzt zurückgehalten. „Ich bin schon sehr gespannt, wie so etwas abläuft.“ Kara war sichtlich neugierig. „Mit einer riesigen Party“, sagte Bill. Ich sah ihn zweifelnd an. „Meinst du?“, fragte ich ihn herausfordernd. „Natürlich“, sagte Suko grinsend. „Ihr wisst noch gar nicht ob ihr eingeladen werdet“, sagte Jane ernst. Bill und Suko starrten sie an. Dann mich. Ich lachte. Ihre Gesichter sahen herrlich aus. Auch Jane lachte jetzt. „Das wird ´ne ziemliche Gästeliste“, murmelte ich. „Vergiss ja die Horror-Oma nicht“, mahnte Bill. „Wie könnten wir.“ Ich sah ihn ernst an. Bill grinste mich an. „Dann kann ja Johnny bald mit Spielgefährten rechnen.“ Ich sah Jane grinsend an. Sie sagte: „Ich fürchte da muss er sich noch ungefähr 7 Monate gedulden.“ Bill starrte sie an. Ganz langsam begriff er, was gemeint war. „Wahnsinn“, rief er und umarmte Jane. „Herzlichen Glückwunsch.“ Dann kam er zu mir. „Habt ihr noch mehr solcher Überraschungen auf Lager?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nö, ich denke für heute reicht´s.“