Der Wind wehte über die Klippen, die Möwen kreischten. Am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen und die Sonne war eben erst aufgegangen, strahlte aber schon in ihrer Herrlichkeit. Das Gras war noch feucht von der Nacht. Kira blickte auf das Meer hinab. Die Wellen brachen an den Klippen. Die Sonne liess das Meer glänzen. Kira lächelte und drehte sich um. Sie sog die frische Morgenluft ein. Es gab nichts Herrlicheres für sie. Dann machte sie sich auf den Weg zum Strand. Vielleicht sah sie die ersten Fischer zurückkommen. Schon als kleines Mädchen ging Kira immer kurz nach Sonnenaufgang hinunter, um die Fischer zu begrüssen. Damals lachten die Fischer immer, doch es war ein freundliches Lachen. Heute gab es nur noch wenige Männer, die ihren Lebensunterhalt mit Fischen verdienten. Kira sah, dass wirklich schon einige Männer zurück waren und ging auf diese zu. Der älteste von ihnen lächelte ihr zu. „Guten Morgen Kira. Wie ich sehe, hat es dich schon wieder so früh aus dem Bett getrieben.“ Kira erwiderte das Lächeln. „Gott zum Gruss. Ja, ich bin beinahe aus dem Bett gefallen. Wie geht es Ihnen?“ Der alte Mann wirkte müde und erschöpft. „Ich bin nicht mehr der Jüngste. Die Arthritis mach mir zu schaffen und die Beine sind schwer. Aber ich fühle mich prächtig. Und dir, mein Kind?“ Kira war es sich gewöhnt, von ihm mit ‚mein Kind’ angesprochen zu werden. „Ich fühle mich gut. Ich sehe, Sie hatten heute nicht viel Glück.“ „Doch meine Liebe. Ich bin alt und esse nicht mehr so viel. Möchtest du vielleicht auch einen frischen Fisch?“ Kira schüttelte den Kopf. „Ich lehne dankend ab. Leider mag ich Fisch nicht sonderlich.“ Der Mann nickte. „Aber sicher doch. Das hast du mir schon so oft gesagt, doch ich vergesse es immer wieder. Das Leider eines alten Mannes, die Vergesslichkeit. Ja das ist sie.“ Er fing an die Netze zusammenzurollen. Da entdeckte er ein Loch. „Sollte mal wieder meine Netze prüfen.“, murmelte er, doch Kira hörte es. „Ich helfe Euch dabei. Gemeinsam geht die Arbeit leichter von der Hand.“ Kira nahm sich ein Netz zur Hand. „Hier, das wirst du brauchen.“ Kira nahm die Leine zur Hand. „Eigentlich solltest du zu Hause sein. Doch stattdessen hilfst du mir meine Netze zu flicken. Du bist ein gutes Mädchen.“ Kira errötete leicht. Sie setzte sich hin und fing an, das Netz zu reparieren. Der alte Mann erzählte ihr aus seinem Leben, über seine Reisen in entfernte Länder, über seine verstorbene Frau und über die vielen Fahrten hinaus aufs Meer. Kira liebte diese Geschichten. Schon oft hatte er ihr davon erzählt und der Mann war ihr wie ein Grossvater. Die Sonne stand schon hoch am Horizont, was bedeutet, dass es Mittagszeit war. Die Hitze war nicht unangenehm und sie arbeiteten bis am Abend an den Netzen. Die anderen Männer waren schon lange zu ihren Frauen zurückgekehrt, doch der alte Mann hatte niemanden mehr, der auf ihn wartete. Als die Sterne bereits am Himmel zu sehen waren, beendeten Kira und der Alte ihre Arbeit. „Es war schön, mit dir so oft sprechen zu können. Hier, zum Zeichen meines Dankes.“ Er zog eine Goldkette hervor, an der ein blauer Aquamarin hing. Dann legte er sie um den Hals von Kira. „Ich kann das nicht annehmen. Es ist viel zu wertvoll.“ Der alte Mann schüttelte den Kopf. „Ich werde es nicht mehr brauchen. Und jetzt gehe nach Hause mein Kind.“ Kira hatte kein gutes Gefühl. In ihrem Haus legte sie sich hin und verfiel sofort in einen unruhigen Schlaf. In der Nacht tobte ein Sturm über dem kleinen Dorf, in dem Kira lebte. Am Morgen als sie aufwachte, wusste sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie lief so schnell sie konnte an den Strand. Dort standen die anderen Fischer vor ihren zerstörten Booten. Doch ein Boot fehlte. „Wo ist das Boot des alten Mannes?“, wollte sie von den Männern wissen. Ein junger Mann trat auf sie zu. „Er ist in der Nacht hinausgefahren. Nun sind er und das Meer eins geworden.“ Kira drehte sich um und lief in ihr Haus zurück. Dort liess sie ihren Tränen freien Lauf. Drei Tage und Nächte weinte Kira und sprach mit niemandem. Seit der alte Mann nicht mehr lebte, sah man Kira nicht mehr bei den Fischern. Sie stand immerzu auf den Klippen und blickte aufs Meer hinaus. Ihre Hand ruhte dabei auf dem Aquamarin und sie dachte an die Geschichten des alten Mannes, die sie nie vergessen würde.
Oh..Diese Kurzstory ist echt superschön und traurig...Hast Du sehr sehr schön geschrieben...Ich sehe Kira förmlich an den Klippen stehen und spühre den Wind im Gesicht...