Kai lief, wie er es jedes zweite Wochenende tat, durch die Boxengasse und versuchte, den Rennfahrern auf den Geist zu gehen. Das war schließlich sein Job. Und er liebte seine Arbeit. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum er so erfolgreich war. "Das war’s erst Mal", sagte Florian zu Kai und trat neben seinen Kollegen. "Wo hast du Niki gelassen?", fragte Kai. "Der ist bei seinem Team. Die haben ein paar Probleme." "Ein paar?", frage Kai und zog die Augenbrauen hoch. Er grinste Florian breit an. "Trinkst du ein Bier mit? Wir können uns drüben das Rennen angucken." Florian nickte und ging neben Kai her zu dessen Wohnwagen. Florian setzte sich auf Kais Couch. Kai holte währenddessen zwei Dosen Bier aus dem Kühlschrank und warf Florian eine zu. Der fing sie geschickt auf. "Bravo", sagte Kai anerkennend und setzte sich auf seinen Sessel. "Ein Bisschen was ist eben doch hängen geblieben von meinem Studium." "Wir können ja mal wieder ´ne Runde Baseball spielen." "Wäre super. Ich setzte schon langsam Speck an." Kai sah Florian breit grinsend an. "Du? Wo denn?" Florian deutete auf seinen Bauch. Kai schüttelte den Kopf. "Ich auch. Allerdings nur während der langen Auslandsphasen." Florian lachte auf. "Ich weiß, worauf du hinauswillst. Du vermisst Natascha." Kai wurde rot und nickte leicht. "Irgendwie schon." "Ihr zwei seid schon ein komisches Paar." Eine Weile verfolgten beide das Rennen. Es war leider nicht sonderlich interessant. "Wie soll ich da eine ganze Stunde über das Rennen sprechen? Ehrlich gesagt ist mir ein Crash lieber als so was. Da habe ich wenigstens was zu reden." Kai nickte abwesend. "Kai, was ist los?" Der trank einen Schluck aus seiner Dose und stellte sie auf den Tisch. Grinsend drehte er sich zu Florian um. "Tascha ist schwanger", platzte er plötzlich heraus. Florian fiel fast von der Couch. "Wie bitte?" Kai nickte grinsend. Florian stand auf und gratulierte Kai herzlich. "Herzlichen Glückwunsch. Könnt ihr nicht besser aufpassen?" Kai sah Florian erst erstaunt, dann verärgert an, dann lachte er. "Was wird es?" "Wissen wir noch nicht. Wir lassen uns überraschen." "Und was sagen deine zwei anderen dazu." "Robin ist froh, dass sie dann nicht mehr die Jüngste ist." Florian schüttelte lachend den Kopf. "Wann ist es denn soweit?" "Wenn’s pünktlich kommt, am 22.07." "Ui, ausgerechnet. Das ist der Samstag am Nürburgring." Kai zog die Augenbrauen hoch. "Leider", sagte er. "Hoffentlich verplappere ich mich nicht." "Weiß Heinz davon?" "Noch nicht, ich hatte noch keine Gelegenheit es ihm zu sagen."
Das Rennen ging zu Ende, andere kamen und vergingen, so kam das Wochenende in Silverstone. Es war Ende Juni und Kai war dementsprechend nervös. Heinz und Florian wussten, was mit Kai los war, die anderen bemerkten zwar, dass der anders war, dachten sich aber nichts dabei. Kai hatte öfters mal seine Spleens und niemanden störte das sonderlich. Es war am Samstag. Kai lief herum und redete mit den Leuten. Hin und wieder schaltete er sich für ein Interview in die Sendung, ansonsten hielt er sich heute ziemlich zurück. Er hatte wirklich Angst, sich zu verplappern. Natascha hatte ihm Ärger angedroht, falls er was ausplaudern würde. Und in solchen Fällen pflegte Kais Frau stets Wort zu halten. Nach der Sendung traf sich Florian mit Kai hinter der Box von Sauber. Sie warteten auf Heinz. Plötzlich klingelte Kais Handy. Er ging ein Stück weg, da Norbert und Niki zu Florian kamen und er in Ruhe zuhören wollte. „Ja?“, fragte er. „Kai ich bin’s“, sagte sein Chef leise. Kais Magen krampfte sich zusammen. Er spürte, dass etwas nicht stimmte. Eine ganze Weile hörte er seinem Vorgesetzten zu. Florian sah einmal kurz zu Kai hinüber und erstarrte förmlich. Sein Freund und Kollege war weiß wie eine Wand. Tränen standen in seinen Augen und seine Hand, die das Telefon hielt, zitterte. Heinz trat neben ihn. „Was ist mit Kai los?“, fragte er besorgt. „Keine Ahnung.“ Kai ließ das Telefon fallen und rannte weg. Florian und die anderen sahen ihm verwirrt nach. Heinz hob das Handy hoch, es war nach wie vor an. „Wer ist da?“, fragte er. „Hans Mahr“, meldete sich Kais Chef. „Wo ist Kai?“ „Er ist weggerannt. Was haben Sie ihm gesagt?“ „Sind Sie das, Herr Frentzen?“ „Ja, verdammt. Sagen Sie schon, was mit Kai los ist!“ Der erzählte. Heinz wurde genauso blass wie Kai. Vollkommen schockiert schaltete er das Handy ab. „Was ist passiert?“ Heinz sah Florian an. „Natascha hatte einen Autounfall. Sie und... Sie und Ricco sind tot.“ „Um Gottes Willen.“ Florian starrte Heinz mit offenem Mund an. „Was ist mit dem Baby?“ „Sie haben es per Kaiserschnitt auf die Welt geholt. Es hat eine gute Chance zu überleben.“ „Und Robin?“ „Sie liegt schwerst verletzt im Krankenhaus.“ Heinz stockte. „Sie wird es nicht schaffen.“ Er wischte sich über die Augen, konnte seine Tränen aber nicht zurückhalten. Michael und Ralf kamen auf Heinz zugelaufen. „Was ist denn mit Kai los? Mischt der jetzt bei den Rennen mit?“ „Wieso?“ „Er ist in seinen Mietwagen gesprungen und wie ein Wahnsinniger losgerauscht.“ Auch die anderen an der Formel 1 beteiligten Deutschen kamen jetzt angelaufen und erkundigten sich nach Kais plötzlichem Verschwinden. Schließlich war es Samstag, seine Sendung lief und er hatte niemandem gesagte, wann er wieder hier sein würde. Außerdem hatte Kai hier Freunde, die natürlich wissen wollten, was mit ihm los war. „Kais Frau und sein Sohn sind bei einem Unfall ums Leben gekommen“, sagte Heinz leise. Michael sah ihn ungläubig an. „Aber, Natascha war doch schwanger.“ „Woher wusstest du...? Ach egal. Das Baby lebt. Aber Kais Tochter liegt im Sterben. Kai will wahrscheinlich zum Flughafen.“ „Ob der jetzt einen Flug kriegt?“ „Meine Maschine steht dort und mein Pilot ist auch da. Kai wird zu ihm gehen.“ In diesem Moment klingelt sein Handy. Er ging ran. „Ja, es ist gestattet. Fliegen Sie schon, Denny. Egal, wohin er will.“ Er steckte es weg und sah die anderen an. „Mein Pilot. Kai ist bereits am Flughafen.“ Michael wischte sich die Tränen aus den Augen. „Hoffentlich schafft er es, sich wenigstens von Robin zu verabschieden.“ Heinz und die anderen nickten zustimmend. Ihnen wurde erst sehr langsam klar, was geschehen war. Und je klarer es ihnen wurde, desto mehr Sorgen machten sie sich um Kai. Der war zwar emotional sehr stark, aber so einen Schicksalsschlag musste man erst einmal verkraften. ‘Hoffentlich macht er keine Dummheiten’, dachte Heinz besorgt. In den Gesichtern von Florian und Michael sah er dieselbe Sorge.
Kai lief verwirrt durch die Gänge der Uniklinik von Frankfurt. Sein Gesicht war nass von Tränen. Ein Arzt kam ihm entgegen. Er legte seine Hand auf Kais Arm und zog ihn in ein Zimmer. „Kai, es tut mir leid, was passiert ist.“ Doktor Benninger kannte Kai bereits sehr lange. Er hatte seine beiden Kinder entbunden und betreute die Familie seit Kai hier in Köln lebte. „Natascha und Ricco waren sofort tot. Ich weiß, das ist kein Trost...“ Kai schüttelte verzweifelt mit dem Kopf. „Nicht wirklich. Ich will zu Robin.“ „Sicher. Komm mit. Ich bring dich zu ihr. Aber Kai...“ Der Arzt zögerte. „Sie ist sehr schwer verletzt worden.“ „Sie ist meine Tochter, verdammt. Ich will sie sehen.“ Wütend blitzte er den Arzt an. Der nickte und brachte Kai zur Intensivstation. Dort schob er ihn sanft in ein Zimmer. Kai schluchzte auf, als er das sechsjährige Mädchen sah. Sie lag bleich in ihrem Bett. Tiefe Schnittwunden entstellten ihre Arme und ihr Gesicht. Über ihren Augen trug sie einen Verband. „Sie hat Glas in beiden Augen. Wir haben ihr Morphium gegeben. Eine Operation ist vollkommen sinnlos“, flüsterte der Arzt. Kai nickte und ging zu seiner Tochter, während der Arzt das Zimmer verließ. Er ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen, der neben ihrem Bett stand. Eine Weile starrte er den Monitor an, der die Herzfrequenz des Mädchens aufzeichnete. „Papa?“, hauchte Robin plötzlich. „Ich bin ja hier, mein Mäuschen“, flüsterte Kai mit tränenerstickter Stimme. Er nahm ihre Hand in seine und hielt sie fest. „Wo ist Mama?“ „Sie wartet auf dich. Du wirst sie bald wieder sehen.“ Mit ihrer freien Hand strich die Kleine zärtlich über Kais Wangen. „Du weinst ja.“ Kai nickte leicht und küsste ihre kleine Hand. „Ja.“ „Du brauchst nicht traurig sein. Ich bin doch hier. Und Mama und Ricco auch.“ „Ja, ihr seid hier. Und ihr werdet für immer bei mir sein.“ „Was ist mit Mandy?“ „Mandy?“, fragte Kai verwirrt. „Das Baby soll so heißen. Mama und Ricco und ich haben das auf der Fahrt beschlossen. Der Name ist doch toll.“ „Ja“, murmelte Kai. „Das ist er.“ „Ich bin so müde“, nuschelte die Kleine. „Mir ist kalt.“ Kai legte die Arme um ihren kleinen Körper und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Schlaf, mein kleiner Engel. Wenn du aufwachst, werden die Schmerzen weg sein.“ „Ich hab dich lieb, Papa.“ Ihr Kopf kippte zur Seite. „Ich dich auch, mein Schatz“, flüsterte Kai. Ein durchdringendes Piepen drang an seine Ohren. Er starrte auf die Linie, die bis eben noch von Ausschlägen unterbrochen worden war. Jetzt war sie gerade. Robin war tot. Doktor Benninger kam herein und schaltete den Apparat aus. Er legte Kai eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid, Kai. Unendlich leid.“ Der nickte schluchzend. Er starrte in das bleiche Gesicht seiner kleinen Tochter. „Wo sind Ricco und Natascha?“ „Unten. Komm mit.“ Sie gingen zusammen in einen Raum im Keller, in welchem Leichen aufgebahrt lagen. Hinten an der Wand standen zwei Bahren. Der Arzt zog das Tuch von den Gesichtern der beiden Menschen und ging. Kai trat zwischen sie. Sie schienen beide nur zu schlafen. Er beugte sich über seinen Sohn und küsste ihn auf die Wange. „Mach’s gut, Ricco. Du warst mein ganzer Stolz. Denk an mich, wo immer du bist.“ Tränen tropften auf das Gesicht seines Sohnes. Kai wischte sie weg. Dann drehte er sich zu seiner Frau um. Zärtlich strich er über ihr blasses Gesicht. Unendlich vorsichtig hauchte er ihr einen Kuss auf den Mund. Dann brach er weinend über ihrem Leichnam zusammen. Einige Stunden später kam Doktor Benninger in die Leichenhalle, um nach Kai zu sehen. Der kauerte zwischen den zwei Bahren auf dem Boden und starrte apathisch vor sich hin. Die Toten hatte er wieder fein säuberlich zugedeckt. Er hockte sich vor den Reporter hin und sah ihn an. „Kai, dort oben sind zwei Polizisten. Sie wollen mit dir reden.“ Ganz langsam hob Kai den Kopf und sah den Arzt verständnislos an. Dann nickte er und erhob sich. Er ging mit dem Mann mit in dessen Zimmer. Dort saßen zwei Uniformierte. Sie drückten Kai ihr Beileid aus. Der nickte leicht. „Wie ist es passiert?“, fragte er dann. „Ein Mann hat ihre Frau überholt und sie beim Einscheren gestreift. Wir haben mit Hilfe von Zeugen das Kennzeichen ermittelt und den Wagen bereits sicher gestellt. Er hatte es nicht gemerkt, dass ihre Frau die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren hatte und ist deshalb weiter gefahren.“ „Nicht gemerkt?“, fragte Kai verächtlich. „Wir glauben ihm auch nicht.“ „Wie heißt der Typ?“ Die Polizisten zögerten kurz. „Ich will den Namen“, schrie Kai aufgebracht. „Georg Hofmeister.“ „Dieser Großindustrielle aus Düsseldorf?“ „Ja, der.“ Kai nickte und verließ das Krankenhaus. Die Polizisten folgten ihm eilig. „Wohin wollen Sie?“ „Ich will zu diesem Kerl.“ Sie sahen, dass sie Kai nicht aufhalten konnten, also boten sie ihm an, ihn hinzufahren. Nach kurzem Zögern nahm Kai an. Vor der Villa des Mannes hielten sie an. Kai sprang aus dem Wagen und stürmte die Auffahrt hoch. Er schlug mit der Faust hart gegen die Tür. Ein Butler öffnete und Kai drückte ihn zur Seite. In einem Wohnzimmer sah er einen Mann und eine Frau sitzen und reden. „Sind sie Georg Hofmeister?“, fragte Kai böse. Der nickt und erhob sich. „Ja, das bin ich. Was wollen Sie von mir?“ „Sie haben heute einen Unfall verschuldet.“ Langsam ging Kai auf den Mann zu. Die Polizisten hielten sich im Hintergrund, um im Notfall eingreifen zu können. „Ich habe es nicht gemerkt, dass die Frau die Kontrolle über ihren Wagen verloren hat...“ „Sie dreckiger Lügner“, schrie Kai und packte ihn am Kragen. „Geben Sie es doch zu, dass Sie es eilig hatten. Vielleicht haben Geschäftspartner auf Sie gewartet, oder eine Golfstunde.“ Zitternd hing der Mann in Kais Griff. „Okay, ich hatte einen wichtigen Termin und war spät dran. Es tut mir leid, was passiert ist, aber ich kann es nicht mehr ändern. Kennen Sie die Unfallopfer?“ „Sie war meine Frau. Im Wagen saßen außerdem meine beiden Kinder.“ „Oh mein Gott“, murmelte die Frau von Georg Hofmeister. „Wie geht es Ihnen? Man wollte uns nichts sagen.“ Kai ließ ihn erschöpft los. Seine Kraft und seine Wut waren plötzlich verflogen. Er schluchzte auf. „Sie sind tot. Meine Frau und mein Sohn waren sofort tot, meine Tochter starb vor zwei Stunden im Krankenhaus.“ Völlig erschüttert sahen die Eheleute Kai an. Sie wussten nicht, was sie sagen sollten. „Das tut mir unendlich leid“, flüsterte Georg Hofmeister. Er trat neben Kai. „Wenn sie Hilfe brauchen... Wir werden natürlich ein angemessenes Schmerzensgeld zahlen.“ Hasserfüllt blickte Kai den Mann an. „Was wollen Sie? Sie reicher Schnösel. Wollen Sie mir meine Familie bezahlen?“ Er holte aus und schlug dem Mann seine Faust ins Gesicht. Die Polizisten zogen ihn weg und brachten ihn nach draußen. Als Kai gerade in den Wagen steigen wollte, kam Frau Hofmeister rausgerannt. „Herr Ebel.“ Kai sah sie an. „Sie kennen mich?“ „Natürlich.“ Sie senkte den Blick. „Machen Sie sich keine Sorgen, mein Mann wird den Schlag wegstecken wie ein Mann und Sie nicht anzeigen. Meinetwegen hätten Sie ruhig härter zuschlagen können.“ „Ich hatte keine Kraft.“ „Es tut mir unendlich leid, was passiert ist. Ich weiß, dass eine Entschuldigung nichts ändert, aber ich kann Ihnen nicht mehr bieten. Nichts kann eine Familie aufwiegen.“ Traurig nickte Kai. Dann fiel ihm etwas anderes ein. „Mandy. Ich muss ins Krankenhaus. Sie braucht mich bestimmt.“ Damit stieg er in den Wagen. „Wer ist Mandy?“, fragte Frau Hofmeister einen der Polizisten. „Natascha Ebel war hochschwanger. Das Baby hat den Unfall überlebt und liegt mit ganz leichten Verletzungen im Krankenhaus.“ „Dann hat er jemanden, der ihn braucht.“ Fast erleichtert sah die Frau dem Streifenwagen nach.
Im Krankenhaus angekommen, ging Kai sofort zur Kinderstation. Dort stand Doktor Benninger und hielt ein Kind im Arm. Als er Kai sah, ging er auf ihn zu. „Schau mal, da kommt dein Papa“, sagte er zu dem kleinen Wesen. Ungläubig schaute Kai es an. Dann nahm er es dem Arzt ab. „Hallo Mandy. Willkommen kleiner Engel.“ Das Mädchen öffnete die Augen und blinzelte ihren Vater an. Ein winziges Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Dann gähnte sie und schloss die Augen. Zufrieden schlief sie in den Armen ihres Vaters ein. „Wann kann ich sie mitnehmen?“, fragte Kai den Arzt. „Morgen früh. Heute Nacht wollen wir sie noch zur Beobachtung hier behalten. Sie hat das Ganze sehr gut überstanden. Es ist ein Wunder.“ Kai schluckte. „Ich begreife das alles einfach nicht.“ „Nicht verzweifeln, Kai. Bitte. Die Kleine hat auch ihre Familie verloren. Du bist der Einzige, den sie noch hat.“ „Und sie ist mein ganzer Halt.“ Er legte das Mädchen in ihr Bett. Die ganze Nacht saß Kai vor der Kinderstation und beobachtete seine Tochter. Er war nicht fähig, sie allein zu lassen. Am Morgen kam eine Schwester mit einem Fläschen. Sie sah Kai fragend an. „Wollen Sie es ihr geben?“ „Unbedingt.“ „Sie wissen ja, wie es geht.“ Kai nickte, nahm das Mädchen aus seinem Bett und setzte sich auf die Bank vor der Kinderstation. Vorsichtig fütterte er sein Kind. „Sie hat einen gesunden Appetit.“ Doktor Benninger ließ sich neben Kai auf die Bank fallen. „Du kannst sie mitnehmen. Ich habe mir die Werte und Untersuchungsergebnisse noch einmal angesehen. Es ist alles in Ordnung.“ Völlig erschöpft nickte Kai. Dann schreckte er hoch. „Meine Güte, wie spät ist es?“ „Viertel acht. Wieso?“ „Die Sendung. Die anderen warten bestimmt schon.“ „Du kannst doch heute nicht arbeiten.“ „Nein. Aber meine Freunde sind bei dem Rennen. Ich kann nicht allein sein.“ Verständnisvoll nickte der Arzt. „Dann flieg doch hin. Das Rennen ist doch in Silverstone. Das macht der Kleinen nichts aus.“ Kai sah Mandy an. „Dann siehst du gleich mal, was dein Papa so macht. Ich fürchte nämlich, du wirst die ersten Jahre an den Strecken aufwachsen.“ „Wenn du dich um sie kümmerst, ist das kein Problem. Im Gegenteil. Es könnte sich als Vorteil erweisen. Sie entwickelt dadurch sicher einige positive Eigenschaften wie Toleranz und Belastbarkeit.“
Florian stand mit Heinz und den Schumis vor der Ferrari-Box und unterhielt sich. Natürlich ging es um Kai. Sie hatten alle sehr schlecht geschlafen. Heinz hätte Kai gern angerufen, sich aber nicht getraut. Er wusste einfach nicht, was er machen sollte. Traurig blickte er Richtung Eingang. Kai kam mit seiner Tochter im Arm durch den Haupteingang und sah sich um. Er sah Heinz, Florian und die anderen. Alles schien normal. Heinz sah ihn erleichtert an und kam langsam auf ihn zu. Wortlos nahm der Rennfahrer Kai in die Arme. Der schluchzte auf. „Ist es wirklich wahr?“, fragte Heinz leise. „Ja“, murmelte Kai unter Tränen. „Sie sind alle tot, Heinz.“ „Es tut mir so leid, Kai. Es tut mir leid.“ Auch über sein Gesicht liefen Tränen. Kai vergrub sein Gesicht in Heinz-Haralds Rennoverall. Seine Tochter fing plötzlich an zu weinen. Er hob den Kopf und wischte sich übers Gesicht. „Ist ja gut, mein Engel. Bloß weil Papa weint, musst du das nicht nachmachen“, sagte er und strich dem Mädchen mit einem Finger über die Wange. Sie blickte ihren Vater an und beruhigte sich wieder. Heinz starrte das Baby an. „Wie heißt sie?“ „Mandy. Natascha wollte es so. Sie hat es mit den Kindern im Auto besprochen, hat Robin gesagt.“ „Sie ist wunderschön. Herzlichen Glückwunsch, Kai.“ „Danke. Schau dir mal ihre Augen an.“ „Ich habe es schon gemerkt. Genau derselbe Blick, wie Natascha.“ Kai schluckte. „Die große Liebe meines Lebens lebt in diesem kleinen Wesen weiter.“ „Dann hüte sie gut.“ „Das werde ich.“ Florian trat neben Kai. Tränen schimmerten in seinen Augen. Kai gab Heinz das Baby und ließ sich von Florian in den Arm nehmen. Auch die Schumis und die anderen Deutschen sprachen Kai ihr Beileid aus. Nach und nach kamen auch andere Personen der Formel 1 - Szene zu Kai. Alle hier kannten sich und es sprach sich langsam herum, was geschehen war. Einige wunderten sich, dass Kai hier war, aber die meisten verstanden es, dass seine Freunde hier waren und er Leute zum Reden brauchte. Alle wollten natürlich Kais Tochter sehen. Von allen Seiten wurde das Mädchen bewundert. Sie wuchs inmitten des Formel 1 - Zirkus auf. Alle kümmerten sich um sie, wenn Kai keine Zeit hatte. Sie bekam einen Privatlehrer, der von den Hofmeisters bezahlt wurde. Somit war sie immer an den Strecken dabei. Und es kam, wie es kommen musste. Nachdem sie mit zwölf Jahren zum ersten Mal in einem Formel 1 - Auto gesessen hatte, wurde sie mit achtzehn zum jüngsten Weltmeister in diesem Sport. Und nicht nur das. Mandy Ebel wurde zu einem absoluten Idol und zu einer Legende im Rennsport vor der selbst Michael Schumacher und andere Sportgrößen den Hut zogen. Kai hatte lange gebraucht, um den Tod seiner großen Liebe zu verkraften. Er kümmerte sich anfangs nur um seine Tochter. Irgendwann bemerkte er, dass seine Kollegin Tamara von Nayhauß ihm mehr als freundschaftliche Gefühle entgegen brachte. Mit viel Geduld schaffte die Frau es, in Kai wieder die Sehnsucht nach Zärtlichkeit zu wecken. Acht Jahre nach dem tragischen Unfall heiratete Kai die Gräfin. Mandy verstand sich mit der neuen Frau ihres Vaters sehr gut und akzeptierte sie als neue Mutter, obwohl Kai ihr oft von Natascha erzählte. Die Erinnerung an seine erste große Liebe hielt Kai bis zu seinem Tod fest und Tamara akzeptierte das.
Diese Story ist echt tragisch...Armer Kai....Alle tod...Ich hab echt geheult....Dein Schreibstil ist echt so genial, ich hab alles vor meinen Augen gesehen....
Aber ein doch schönes Ende...Ich freue mich, dass die so glücklich geworden sind!!!
Danke danke . Freut mich doch, dass diese Stories auch noch andere Leute lesen, außer Gummy (meiner treuesten Leserin ---> schönen Gruß in die Ferien).