Ich stelle diese Story bewusst in den 18er Bereich, wegen des Themas. Im Nachrichtenteil wurde ja ausführlich über den Fall Pascal (Fall... das klingt so abwertend) diskutiert. In der Diskussion sind immer wieder die Worte Recht und Unrecht aufgetaucht. Damals, als das ganze ans Licht kam, habe ich diese Story zum Thema Kindesmissbrauch geschrieben. Ich habe sie in den Formel 1 - Bereich verlegt, weil das das realtätsnaheste ist, was ich damals hatte. Die Story ist meine Art, sich damit auseinanderzusetzen.
Recht und Unrecht
Florian stand nervös neben Niki und versucht vergeblich, seine Unsicherheit zu überspielen. Niki hatte irgendwann genug davon. „Was ist hier eigentlich los? Mit dir und den anderen Mitarbeitern des Senders, meine ich. Ihr seid unkonzentriert, nicht richtig vorbereitet und vor allem nicht bei der Sache. Und wo zum Teufel steckt eigentlich...“ Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment trat Marc Surer zu Florian hinüber und tippte ihm auffordernd auf die Schulter. Er grinste in die Kamera seines Kollegen und fragte neugierig: „Mir hat ein Vögelchen eine richtig gute Story zugeflüstert.“ „Ach so“, murmelte Florian genervt. Er mochte seinen Kollegen von Premiere nicht sonderlich. Surer war zu sehr damit beschäftigt, andere Journalisten fertig zu machen. „Ja“, sagte der Mann gedehnt. „Kai ist ja auffallenderweise nicht da. Und das am Rennsamstag.“ Jetzt wurde Niki hellhörig, denn genau diese Frage hatte er Florian schon öfter an diesem Wochenende gestellt, aber der war ihm immer ausgewichen. „Ich habe gehört, dass Kai im Moment etwas... verhindert ist. Stimmt es, dass er im Knast sitzt?“ Florian schluckte leicht und nickte dann vorsichtig. „Es stimmt“, gab er leise zu. „Kai sitzt seit letztem Mittwoch in der JVA in Köln in Untersuchungshaft.“ Surer lachte auf. „Das musste ja mal so kommen. Was hat er ausgefressen?“ Als Florian schweigend auf den Boden blickte, wurde Surer ungeduldig. „Komm schon, Florian, sag es mir und den Zuschauern. Es steht sowieso morgen in der BILD.“ Verärgert sah Florian seinen Kollegen an, als Heinz plötzlich hinter diesen trat und ihn zur Seite schob. „Sollte das eben ein Scherz sein?“ „Nein, durchaus nicht.“ „Was hat er angestellt?“ Heinz und Kai waren seit sehr langer Zeit enge Freunde und Heinz war natürlich besorgt um Kai. Drängend sah er Florian an, bis der schließlich leise seufzte und dann die Geschichte erzählte, die Kai in den Kölner Knast gebracht hatte.
Tage vorher: Kai befand sich auf einer Party. Er langweilte sich furchtbar. Nur ältere Leute, Geschäftsfreunde seiner Eltern. Hin und wieder redete er mit dem einen oder anderen, aber ansonsten war es öde. Die Party, auf der Kai mit seinen Eltern und seiner kleinen Tochter war, fand auf dem Anwesen einer befreundeten Familie etwas außerhalb von Köln statt. Es ging vor allem darum, Geschäftskontakte zu knüpfen. Kai dachte an Robin. Die Kleine schlief in einem der Gästezimmer. Es war bereits weit nach Mitternacht und Kai hatte sie vor Stunden ins Bett gebracht. Er war nicht begeistert gewesen, als seine Ex-Frau am Nachmittag mit dem Mädchen vor der Tür gestanden hatte. Aber nicht, weil er sich nicht freute, die Kleine zu sehen, sondern weil Natascha mal wieder ins Ausland wollte und Ricco, Kais Sohn, bei ihren Eltern mit einer schweren Grippe im Bett lag. Also musste er auf das Mädchen aufpassen. Mit kleinen Schlucken trank Kai sein Glas Champagner leer und stellte es weg. Er ging raus in den Garten, um etwas frische Luft zu schnappen und eine Zigarette zu rauchen. Er gähnte, kramte in seiner Tasche nach einem Stäbchen und klemmte es sich zwischen die Lippen. Er wollte gerade das Feuerzeug in die Hand nehmen, als er ein merkwürdiges Geräusch hörte. Kai war mit Leib und Seele Reporter und sofort war seine Neugier erwacht. Er entfernte sich vom Haus und schlich in die Finsternis des parkähnlichen Anwesens, welches nur hier und da von kleinen Gehweglampen erhellt wurde. Erneut hörte er ein Geräusch. Es klang wie ein Stöhnen. Kai grinste leicht. ‘Vielleicht ein Pärchen’, dachte er. Wieder etwas. Ein erstickter Schrei und ein Fluchen. Kais Nackenhärchen stellten sich auf. Hier stimmte etwas nicht. Leise und geduckt schlich er weiter. Zwischen Büschen und Hecken verborgen lag einige Meter vom Haus entfernt ein Geräteschuppen. Die Geräusche kamen eindeutig von dort. Ein leiser Hilferuf. Kai wurde es zu viel. Er lief auf die Tür zu und stieß sie auf. Das Bild, welches er vor sich sah, brannte sich unauslöschlich in seinem Gehirn ein. Ein Mann mit heruntergelassener Hose kniete über einem nackten Kind, welches sich verzweifelt gegen den Angreifer wehrte. Erschrocken sah der Kerl Kai an. Er war angetrunken, schwankte leicht. Da der Mann jetzt nicht mehr die Sicht verdeckte, konnte Kai auch sein Opfer erkennt. Zitternd, mit blutverschmiertem Körper lag seine kleine Tochter vor ihm und starrte ihn aus vor Angst geweiteten Augen an. Kai biss sich vor Entsetzen auf die Unterlippe. Er zitterte am ganzen Körper, als er seinen Blick wieder dem Mann zuwand, der inzwischen von der Kleinen abgelassen hatte. Bevor er etwas sagen konnte, hatte Kai zugeschlagen. Er war früher Boxer gewesen und das zeigte sich hier sehr deutlich. Sein Gegenüber hatte keine Chance. Die Wut und der Wunsch nach Rache trieben Kai immer wieder an. Wie von Sinnen prügelte er auf den Mann ein, der sich an seiner Tochter vergangen hatte. Minuten später wurde Kai abgelenkt. Das leise Wimmern von Robin ließ ihn langsam in die Wirklichkeit zurück kehren. Sie hatte sich zusammengerollt und schaute ihren Vater mit tränenverschleiertem Blick an. „Papa“, flüsterte sie leise. „Papa, hilf mir.“ Kai schluchzte auf, zog seine Jacke aus und wickelte sie um das zitternde Mädchen. „Keine Angst, Robin, es ist vorbei. Der Kerl wird dir nie wieder etwas tun“, flüsterte er ihr ins Ohr, während er mit ihr im Arm zu seinem Wagen rannte. „Es tut so weh“, flüsterte Robin. „Ich bringe dich zu einem Arzt. Der hilft dir.“ Die Kleine lehnte sich gegen Kai und weinte hemmungslos. Kai schluckte schwer. Er hatte einen kurzen Blick auf den Mann geworfen, der sich an Robin vergangen hatte. Er war sich nicht einmal sicher, ob der noch am Leben war. Angst vor einer Strafe hatte er genauso wenig wie Reuegefühle. Er ärgerte sich nur ein wenig, dass so ein Typ sein Leben und seine Karriere zerstört hatte. Aber das war im Moment sowieso egal. Jetzt zählte nur seine kleine Tochter.
„Na los, Florian, spuck’s aus“, drängte Michael Schumacher. Er war, genauso wie einige andere auch, inzwischen zum Drehort gelaufen. Kai gehörte seit über zehn Jahren zum Rennzirkus. Und dementsprechend viele Leute waren jetzt auch neugierig. „Kai hat...“ Florian zögerte. „Kai hat einen Mann zusammengeschlagen.“ Erstauntes Raunen war zu hören. „Deswegen kommt man nicht ins Gefängnis.“ Heinz sah Florian ernst an. „Der Kerl liegt im Koma. Die Ärzte wissen nicht, ob er durchkommt.“ „Kai, unsere kleine Kampfmaschine.“ Surer grinste schief. Florian wurde es zu viel. Er packte Surer am Kragen und sah ihn von oben an. „Halt endlich die Klappe, Marc.“ Heinz legte eine Hand auf Florians Arm. „Lass es. Aber beantworte mir bitte eine Frage. Kai schlägt niemanden grundlos. Was ist passiert?“ „Dieser Typ... er... er hat Kais Tochter vergewaltigt.“ Schockiert sahen die Menschen Florian an. „Robin“, flüsterte Heinz leise. Sie war sein Patenkind. Florian nickte. Er hatte vor Wut Tränen in den Augen, wenn er daran dachte, was dieser Kerl der Kleinen angetan hatte. „Kai ist zufällig dazu gekommen. Er ist ausgerastet, als er sein Kind weinend und blutverschmiert unter diesem Typen liegen sah.“ Michael ballte die Fäuste. „Das würde wohl jeder.“ „Hoffentlich kommt der Kerl durch“, murmelte Niki und erntete viele verständnislose Blicke. „Wenn er stirbt, kann ein böser Staatsanwalt Kai wegen Mordes vor Gericht bringen und wir sehen ihn vielleicht nie wieder.“ „Ein Hoch auf unsere Justiz“, sagt Ralf verärgert. „Die Kinder können sie vor solchen Perverslingen nicht schützen. Die Kleine wird Jahre brauchen, um das zu verarbeiten und die Täter kommen mit einer Bewährungsstrafe davon. Dafür sperren sie lieber die Eltern weg, die ihren Kindern helfen wollten.“ Zustimmendes Nicken. „Wo ist Robin?“, fragte Heinz, als es wieder ruhiger wurde. „Noch im Krankenhaus. Der Kerl hat sie schlimm zusammengeschlagen, um sie ruhig zu bekommen. Sie wird psychologisch betreut, aber sie redet mit niemandem. Und Kai darf sie nicht sehen.“ „Was???“ „Sie haben es ihm verboten. Angeblich würde es Robin schaden.“ „Das ist doch unmöglich.“ Heinz schüttelte verständnislos den Kopf. „Wo ist Natascha?“ „Irgendwo im Ausland. Sie hat keine Ahnung, was passiert ist.“ Heinz zog seinen Schlüssel aus der Hosentasche und wollte weggehen. Michael hielt ihn fest. „Wo willst du hin?“ „Zu Kai. Und Robin.“ „Aber, das...“ „Das Rennen ist mir piepegal“, sagte Heinz ärgerlich. „Hier geht es um meinen besten Freund und mein Patenkind. Sie brauchen mich jetzt. Ich pfeife auf das Rennen und wenn es sein muss auf die ganze Formel 1.“
Kai saß zu diesem Zeitpunkt auf seiner Pritsche und blickte starr auf den Boden. Sein Zellengenosse, ein Dealer, den man auf frischer Tat ertappt hatte, sah ihn schon seit einer Weile an. „So prominenten Besuch gab es hier schon lange nicht mehr.“ Er grinste leicht. „Was haben Sie angestellt? Schumi wegen einer schlechten Antwort in den Hintern getreten?“ Kai lächelte leicht und hob den Blick. Auch die anderen Insassen hörten neugierig zu. „Nein. Stellen Sie sich vor, für mich gibt es auch ein Leben außerhalb der Formel 1.“ Der Typ nickte leicht und reichte Kai die Hand. „Ich heiße Mario.“ Kai schüttelte sie leicht. „Kai.“ „Ich weiß. Sie sind bekannt genug. Weshalb sind Sie hier? Oder muss ich bis morgen warten und es dann in der Zeitung nachlesen?“ „Ich habe einen Mann zusammengeschlagen. Letztes Wochenende.“ „Und dann hat man sie erst Mittwoch verhaftet? Unsere Justiz wird auch immer langsamer.“ Kai ballte wütend die Fäuste. „Dieses Schwein hat meine Tochter vergewaltigt. Letzten Sonntag auf einer Party. Ich war im Krankenhaus bei meiner Kleinen, als die Polizei mich einkassiert hat.“ Hass blitzte in den Augen des Dealers. „Hoffentlich haben Sie es ihm richtig gezeigt. Solche Schweine sollte man kastrieren und abknallen.“ Mit einem leichten Nicken murmelte Kai: „Und ich muss jetzt hoffen, dass er durchkommt, sonst bin ich wegen Totschlags dran.“ „Ungerecht. Was sagt eigentlich Ihr Sender dazu?“ „Mein Chef hat mich fristlos entlassen.“ „Was?“ Verständnislos sah Mario ihn an. „Das gibt es doch nicht. Wie kann er Sie feuern, bloß weil Sie Ihre Tochter...“ „Er kennt die Wahrheit nicht“, unterbrach Kai den Mann. „Er weiß nur die offizielle Geschichte. Ich hatte Streit mit einem Arbeitskollegen meines Vater. Wir waren beiden leicht angetrunken. Ich habe ihn zusammengeschlagen. Fertig. So wird es auch die Staatsanwaltschaft in der Anklage vorbringen.“ „Ich verstehe nur Bahnhof.“ „Es ist ganz einfach.“ Mit Hass in den Augen blickte Kai durch das vergitterte Fenster. „Nur meine Tochter, ihr Peiniger und ich haben gesehen, was wirklich passiert ist. Sage ich dem Gericht das, wird er es abstreiten. Das würde bedeuten, Robin müsste aussagen. Und ich will nicht, dass sie alles noch einmal durchmacht. Also habe ich sowohl meinem Verteidiger, als auch der Polizei die Unwahrheit gesagt. Und Robins Ärzte unterliegen der Schweigepflicht und dürfen deshalb ohne meine Einwilligung nichts sagen.“ Sehr langsam nickte Mario. „Wenn Sie die Wahrheit sagen, würden Sie höchstens eine Bewährungsstrafe kriegen. Aber so...“ „Es ist völlig egal. Aber ich werde meiner Tochter ersparen, alles noch einmal haarklein erzählen zu müssen.“ Eine Hand legte sich auf Kais Schulter. Es war ein Mann, der in der Nachbarzelle saß. „Ich habe Sie immer für einen Clown gehalten, Herr Ebel. Das ist jedoch ein riesiger Irrtum. Sie haben das Herz am rechten Fleck.“ „Danke“, murmelte Kai. „Ich heiße übrigens Bertram.“ „Habe ich schon mitbekommen. Sie sind schon länger hier als ich.“ „Ja. Ich habe einen Kerl über den Haufen gefahren, der meinen Sohn an die Nadel gebracht hat.“ Kai zog eine Augenbraue hoch und blickte zu Mario hinüber, der unschuldig an die Decke starrte und etwas auf Abstand zu Bertram ging. „Sind Sie das erste Mal hier?“ „Nein. Ich war gerade erst auf Bewährung raus. Vor zehn Jahren habe ich im Streit einem Mann eine Bierflasche über den Kopf gezogen. Er war sofort tot. Man verknackte mich zu 15 Jahren. Wegen guter Führung hat man mir nach zehn Jahren den ersten Freigang gestattet.“ „Haben Sie noch mehr Kinder?“ „Ja. Sie haben mich oft hier drin besucht.“ „Ob das so gut ist“, murmelte Kai. „Es ist wichtig. Kinder denken oft, sie haben etwas verkehrt gemacht, wenn die Eltern sie nicht mehr besuchen. Es gibt hier in der JVA extra Räume, wo Kinder sich wohl fühlen können und mit den Eltern zusammen sind. Man hat so die Chance, mit ihnen zu reden.“ „Ich habe Angst, dass sie mir meine Kleine wegnehmen.“ „Sie sind geschieden, oder?“ Kai nickte. „Ja. Seit zwei Jahren.“ „Kämpfen Sie um ihr Mädchen. Sie scheinen eine sehr tiefe Bindung zu ihr zu haben.“ „Ich würde alles für sie tun.“ Bertram nickte. „Wenn alle Eltern so denken würden, hätten wir weniger Probleme in dieser Welt.“
Einen Tag später, Kai hatte gerade sein Essen bekommen, kam ein Polizist an die Tür seiner Zelle. „Sie haben Besuch. Kommen Sie bitte mit.“ Kai nickte und ging vor dem Beamten her. Im Besucherraum wartete Heinz auf ihn. Kai lächelte erleichtert, als er seinen Freund am Tisch sitzen sah. Heinz stand auf, als er Kai sah. Er war ziemlich erschrocken. Kai sah müde und völlig erledigt aus. „Hey, Alter.“ Er reichte seinem Freund die Hand, mehr war leider nicht erlaubt. Müde ließ sich Kai an den Tisch fallen. „Schön, dich zu sehen.“ Er stutzte kurz. „Das Rennen?“ „Im Moment zählen andere Dinge.“ „Danke, dass du hier bist.“ „Schöne Grüße, von den anderen.“ Kai zog die Augenbrauen hoch. „Wer hat nicht dicht gehalten?“ „Florian.“ Als Kai etwas sagen wollte, unterbrach Heinz ihn mit einer knappen Geste. „Surer hat heraus bekommen, wo du bist und Florian hat ihm, uns und den Fernsehzuschauern die Wahrheit erzählt. Er wollte dich nur vor den Spekulationen schützen.“ Kai nickte leicht. „Da werden sich einige Leute aber wundern. Der Prozess ist öffentlich und die Anklage lautet garantiert auf gefährliche Körperverletzung.“ „Du willst Robin die Aussage ersparen und erzählst deshalb nicht die Wahrheit?“ „Ja.“ Flehend sah Kai Heinz an. „Könntest du bitte mal nach ihr sehen? Bitte. Sie sagen mir nicht, wie es ihr geht oder wo sie ist.“ Tränen glitzerten in seinen Augen. Heinz legte seine Hand auf die von Kai. „Sicher doch. Ich fahre ins Krankenhaus. Vielleicht schaffe ich es, dass sie dich mal besuchen kann.“ „Das wäre schön, aber ich denke nicht, dass man es mir gestattet, sie zu sehen.“ Der Wärter kam. „Es tut mir sehr leid, Sie zu stören, aber Sie müssen in Ihre Zelle zurück.“ Er sah Heinz an. „Längere Besuche sind während der U-Haft nur dem Verteidiger gestattet.“ Heinz nickte und erhob sich. „Wer ist dein Verteidiger? Hans Von Bolten?“ „Ja.“ „Ich werde mal mit ihm sprechen.“ Er reichte Kai die Hand. „Halt die Ohren steif.“ Kai nickte. „Kümmere dich um Robin. Versprich es mir, Heinz.“ „Versprochen.“
Während Kai in seine Zelle zurück gebracht wurde, fuhr Heinz mit dem Taxi zum Krankenhaus. Nach einer Weile hatte er die Psychologin gefunden, die Robin seit ihrer Einlieferung betreute. „Wieso verweigern Sie Kai den Umgang mit Robin?“ Dr. Vicky Berenz sah ihn ernst an. „Ich halte es nicht für so gut. Sie hat immerhin gesehen, wie ihr Vater einen Menschen fast zu Tode geprügelt hat. Sie steht völlig unter Schock, spricht nicht und verweigert jegliche Nahrung. Außerdem hat sie schwere Verletzungen erlitten und kann sowieso noch nicht aufstehen.“ Heinz blickte sie verärgert an. „Kai liebt seine Tochter und sie liebt ihn. Er hat sie aus den Klauen dieses Perversen gerettet und sitzt deshalb im Gefängnis.“ Er atmete tief durch. „Kann ich sie wenigstens sehen?“ Eine Weile zögerte die Ärztin. „Sie sind ein Freund der Familie?“ „Ich bin ihr Patenonkel.“ „Unter diesen Umständen... ja. Aber nur kurz. Und wenn sie Anzeichen von Angst zeigt, gehen Sie bitte sofort wieder. Sie sind ein Mann und sie hat verständlicherweise große Angst vor Männern.“ „Sicher.“ Zusammen mit der Ärztin betrat Heinz die Kinderstation des Krankenhauses. Hinter einer der Türen lag Robin. Heinz erschrak zutiefst, als er sie sah. Blessuren entstellten ihr hübsches Gesicht. Ihre Wangen waren eingefallen und ihre sonst blitzenden Augen wirkten stumpf und unendlich müde. Sie starrte an die Decke und schien die Besucher gar nicht wahr zu nehmen. Heinz trat langsam neben sie und streichelte sanft ihre Hand. Die Ärztin beobachtete dies mit Argwohn, ließ den Rennfahrer aber doch gewähren. Durch die Berührung wurde Robin auf den Besuch aufmerksam. Sie starrte Heinz groß an. Ganz leise flüsterte sie: „Warum kommt Papa mich nicht besuchen, Onkel Heinz? Habe ich etwas falsch gemacht?“ Heinz spürte, wie ihm Tränen über die Wangen liefen. Hastig wischte er sie weg. Fast vorwurfsvoll blickte er die Ärztin an, die mit offenem Mund ihre Patientin anstarrte. „Dein Papa kann im Moment nicht kommen, Robin“, wand er sich dem Kind zu. “Aber er denkt ständig an dich. Und, du hast nichts falsch gemacht. Verstehst du?“ Robin nickte leicht. Tränen glitzerten in ihren Augen. „Ich vermisse Papa so sehr.“ Heinz beugte sich nach vorn und legte die Arme um das schluchzende Kind. „Wir werden eine Möglichkeit finden, dass du wenigstens kurz mit deinem Vater reden kannst. Das verspreche ich dir." Robin schniefte leise. „Wirklich?“ „Ja, mein Schatz. Aber du müsstest etwas dafür tun.“ „Was denn?“ „Du musst essen“, sagte Heinz ernst. „Sonst bist du zu schwach um zu laufen.“ Robin sah ihren Onkel ernst an. „Du willst mich reinlegen. Ich habe mir geschworen, nichts zu essen, bis ich Papa sehen darf.“ Jetzt schaltete sich Vicky Berenz ein. „Du darfst deinen Papa sehen, Robin. Warum hast du es mir nicht eher gesagt, dass du das möchtest?“ „Sie haben so viele Fragen auf einmal gestellt, dass ich nicht wusste, auf welche ich zuerst antworten soll.“ Heinz lächelte. Das war die alte Robin. Sie war ein verdammt helles Köpfchen. Er küsste sie leicht auf die Stirn. „Ich muss jetzt gehen, aber ich bin in einigen Stunden zurück, Robin.“ „Denk an dein Versprechen“, rief sie Heinz hinterher. „Und du an deins.“
„Herr Frentzen, bitte kommen Sie doch rein“, sagte Hans von Bolten und begrüßte den Rennfahrer mit einem Händedruck. „Was kann ich für Sie tun?“ „Ich bin wegen Kai hier.“ „Ich darf eigentlich nicht mit dritten über einen Mandanten sprechen.“ „Kai wird Ihnen sicher erzählt haben, dass ich sein Freund bin.“ „Hat er. Und er sagte, ich kann Ihnen vertrauen.“ „Dann tun Sie das bitte auch, Herr von Bolten. Es ist sehr wichtig für Kai.“ Die beiden Männer nahmen am Schreibtisch Platz. „Bitte, sprechen Sie“, sagte Kais Verteidiger. „Es geht mir vor allen Dingen um Robin, Kais Tochter. Sie will ihren Vater sehen.“ „Das ist sehr gut, dass sie das will. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass ich Herrn Ebel überzeugen kann, die Wahrheit zu sagen.“ „Das wird er nicht tun. Und ich muss ihm beipflichten. Für Robin wäre es wie eine zweite Vergewaltigung, wenn sie es noch einmal erzählen müsste.“ „Manche Kinder wollen aber reden. Sehen Sie, Herr Frentzen, ich habe schon mit vielen solcher Fälle zu tun gehabt.“ Er lehnte sich am Schreibtisch vor und senkte verschwörerisch die Stimme. „Dieser Fall wird öffentlich verhandelt und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das keine Chance für mich wäre, bekannt zu werden. Außerdem ist Kais Vater ein alter Freund von mir und er will nicht, dass sein Sohn für Jahre hinter Gitter wandert, nur weil er seine Tochter aus den Händen eines Vergewaltigers befreit hat.“ „Wie sehen seine Chancen aus?“ „Im Moment hat er einen angetrunkenen Mann fast zu Tode geprügelt und getreten. Wenn wir keine guten Gründe finden, wandert er für sieben bis zehn Jahre ins Gefängnis.“ Der Anwalt machte eine Pause. „Und Robins Vergewaltiger verließe den Saal als freier Mann. Und das will ich auf jeden Fall verhindern.“ „Sie haben einen Plan?“ „So ähnlich. Aber ich brauche Ihre Hilfe.“ „Was soll ich tun?“ Heinz sah den Mann ernst an.
Die Tage vergingen. Robin ging es wieder besser. Heinz saß viele Nächte an ihrem Bett und tröstete sie, wenn sie von Alpträumen geweckt wurde. Kai wartete währenddessen auf den Beginn seiner Verhandlung. Bereits zwei Wochen nach dem Vorfall begann diese. Kai saß im Gerichtssaal und wartete auf seinen Verteidiger und den Richter. Ihm gegenüber saß der Staatsanwalt, der ihn vorwurfsvoll ansah. Kai wusste, dass der Mann die Wahrheit kannte, Kais Beweggründe aber nicht nachvollziehen konnte. Aber es ging nun mal nicht anders. „Hallo, Kai“, sagte Hans von Bolten und ließ sich neben seinen Mandanten fallen. Er reichte ihm die Hand. „Es geht gleich los. Wie geht es Ihnen?“ „Nicht so gut, um ehrlich zu sein. Ich bin nicht so glücklich darüber, dass das Fernsehen den Prozess live überträgt.“ „Es geht um Körperverletzung. Da ist das leider erlaubt. Und Ihr Sender ist nun einmal sehr interessiert daran, zu erfahren, was hier passiert.“ „Ich kann es mir denken.“ Kai lächelte ganz schwach. „Mein Chef kam vor einer Woche zu mir und hat sich entschuldigt, dass er mich entlassen hat. Er kannte ja die wahre Geschichte nicht. Er sagte, wenn ich nur auf Bewährung verurteilt werden würde, könnte er mich sofort wieder einstellen.“ „Dazu müssten Sie die Wahrheit sagen, aber da Sie das nicht wollen...“ Kai nickte verstehend und blickte betrübt auf seine Hände.
Einige Minuten später betrat der Richter den Saal. Alle Anwesenden standen auf und setzten sich, als der Richter es ihnen gestattete. Der Mann wand sich an Kai. „Ich erkläre hiermit die Verhandlung für eröffnet. Herr Ebel, Sie sind der gefährlichen Körperverletzung in einem besonders schweren Fall angeklagt.“ Kai nickte leicht. „Würden Sie bitte auf dem Zeugenstuhl Platz nehmen, damit ich Ihre Personalien vergleichen kann.“ Kai ging mit gesenktem Kopf zu dem Stuhl, der auf einem kleinen Podest gegenüber dem Richtertisch stand. „Ihr Vorname ist Kai. Sie wurden am 15.05.1961 in Mönchengladbach geboren, leben aber jetzt in Köln. Sie sind geschieden, haben zwei Kinder und arbeiten als Journalist. Stimmt alles soweit?“ „Ja.“ „Wie sieht Ihr derzeitiges Arbeitsverhältnis aus?“ „Ich bin vorerst gekündigt worden. Man stellt mich eventuell wieder ein, je nachdem, wie der Prozess endet.“ Der Richter nickte. „Was haben Sie zuletzt verdient?“ „Circa 4500 Euro plus Sonderzuschläge. Je nachdem, ob ich im Ausland bei den Formel 1 - Rennen war, oder hier im Studio.“ „Verstehe.“ Er blickte den Staatsanwalt an. „Verlesen Sie bitte die Anklageschrift.“ Der Staatsanwalt erhob sich und nahm einen Hefter hoch. Kai hörte mit ausdruckslosem Gesicht zu. „Am 23.08.2005 kam es während einer Party zum Streit zwischen Kai Ebel und dem späteren Opfer Werner Kling. Im Verlauf dieses Streits, wurde Herr Ebel handgreiflich und ging auf Herrn Kling los. Er versetzt ihm mehrere gezielte Schläge und Tritte, wobei sich Herr Kling lebensgefährliche Verletzungen zuzog, zum Beispiel einen Nierenriss, schwere innere Quetschungen und acht Rippenbrüche. Des weiteren bekam er diverse Tritte in den Unterleib, welche zu irreparablen Verletzungen in den Hoden führten, so dass Herr Kling auf Dauer impotent bleiben wird.“ Kai konnte sich bei diesem Satz ein Lächeln nicht verkneifen. „Herr Kling lag einige Tage im Koma. Da der Angeklagte viele Jahre geboxt hat, konnte er voraussehen, welche Folgen sein Angriff haben würden. Das Opfer war gegen den Angriff völlig wehrlos. Kai Ebel wird daher wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, strafbar nach dem Paragraphen 255 Absatz drei. Die Anzeige bezüglich der Körperverletzung wurde rechtzeitig gestellt.“ „Herr Ebel“, wand sich der Richter an Kai. „Sie haben die Anklage gehört. Wollen Sie sich dazu äußern?“ „Ich habe mich mit Herrn Kling gestritten, habe ihn zusammengeschlagen und liegen gelassen.“ Der Richter sah Kai einige Sekunden ernst an. „Worum ging es bei dem Streit?“ „Wir hatten beide getrunken, ich weiß es nicht mehr.“ „Herr Ebel. Die Polizei hat diverse Zeugen befragt, die alle ausgesagt haben, dass Sie nicht mehr als drei oder vier Gläser Champagner getrunken haben. Und das über einen Zeitraum von immerhin fast sieben Stunden. Ich denke, Sie vertragen etwas mehr als das.“ „Ich möchte nichts weiter dazu sagen.“ „Das ist natürlich Ihr gutes Recht. Noch Fragen an den Angeklagten?“ Da von keiner Seite etwas kam, durfte Kai sich wieder neben seinen Verteidiger setzen. „Dann beginnen wir mit der Beweisaufnahme. Ich rufe den Zeugen Werner Kling.“ Die Tür am hinteren Ende des Saales öffnete sich und Werner Kling betrat den Raum. Mit bemitleidenswertem Gesicht ging er zum Zeugenstuhl und setzte sich vorsichtig hin. Hasserfüllt blickte er Kai an. Der hatte jedoch den Kopf gesenkt und blickte auf seinen Tisch. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. „Herr Kling“, begann der Richter. Werner Kling sah ihn an. Er bestätigte seine Personalien. „Gut. Dann schildern Sie uns bitte einmal den Abend, an welchem Sie so schwer verletzt wurden.“ „Sehr gern, Herr Richter. Ich war auf einer Party von Geschäftsfreunden. Der Abend war lustig und ich habe natürlich auch etwas Alkohol genossen. Gegen zwei Uhr bin ich in den Garten gegangen, um etwas durchzuatmen. Sekunden später betrat auch der Angeklagte den Garten, fing mit mir einen Streit an und schlug plötzlich ohne Vorwarnung auf mich ein.“ „Worum ging es bei Ihrem Streit?“ Kling knetete nervös seine Finger. „Ich weiß nicht mehr so genau.“ „Anscheinend verträgt hier niemand ein paar Gläser Champagner, ohne einen Blackout.“ Einige der Anwesenden lachten leise. „Naja. Wie kommt es eigentlich, dass Sie im Gartenhaus des Anwesens aufgewacht sind. Nach Ihrer Schilderung müssten Sie doch im Garten gelegen haben.“ „Ich habe keine Ahnung, warum Kai mich dorthin geschleppt hat, nachdem ich bewusstlos geworden bin. Wahrscheinlich wollte er, dass ich krepiere.“ „Nun aber mal langsam. Mit solchen Äußerungen wäre ich etwas vorsichtiger.“ „Sicher. Aber sehen Sie mich doch an. Die Verletzungen sieht man heute noch deutlich. Und ich werde niemals Kinder bekommen können, bloß weil dieser Schläger mich grundlos fertig gemacht hat.“ Kai sah den Mann hasserfüllt an und murmelte: „Ist auch besser so.“ „Da Sie es schon einmal ansprechen, möchte ich hier den Krankenhausbericht teilweise verlesen.“ Der Richter nahm zwei Seiten und blätterte kurz hin und her. „Teilweise deshalb, weil er doch sehr lang ist. ‘Herr Werner Kling wurde gegen 03:00 Uhr morgens im Krankenhaus eingeliefert. Der Gesundheitszustand war besorgniserregend. Der Patient litt unter diversen Hämatomen, blutenden Wunden, sowie Knochenbrüchen am gesamten Körper, sowie schwerste Verletzungen im Unterleib und im Genitalbereich. Hinzu kam ein Riss der linken Nierenwand, welcher eine sofortige Notoperation notwendig machte. Und so weiter. Obwohl der Patient einige Tage in einem künstlichen Koma gehalten werden musste, erholt er sich sehr schnell und wird wieder vollständig genesen, bis auf seine Impotenz, die von Dauer sein wird.“ „Da hören Sie es, Herr Verteidiger. Ihr Mandant ist wie ein Verrückter über das Opfer hergefallen, welches nicht die geringste Chance hatte, sich zu verteidigen.“ Herausfordernd schaute der Staatsanwalt von Bolten an. „Das gibt mein Mandant ja auch zu, wenn Sie am Anfang richtig hingehört haben.“ „Bitte keinen Streit“, sagte der Richter. „Sind noch fragen an den Zeugen?“ „Zur Zeit nicht“, sagte von Bolten. Der Staatsanwalt schüttelte mit dem Kopf. „Dann bleibt er als Geschädigter nach Paragraph 62 unvereidigt. Sie können sich nach hinten setzen.“ Kling nickte und wechselte den Platz. „Peter Gernau bitte in den Sitzungssaal.“ Peter Gernau, der Gastgeber der Party, trat ein und nahm Platz. „Herr Gernau. Bei Ihnen fand die Party statt, bei welcher Herr Kling später schwer verletzt wurde.“ „Richtig.“ „Sie haben das Opfer auch gefunden.“ „Das stimmt. Ich bin gegen 02:30 Uhr in den Garten gegangen, weil ich Kai gesucht habe. Seine Eltern hatten die Party verlassen und ich wollte es ihm sagen. Ich hatte ihn gegen dreiviertel zwei in den Garten gehen sehen, also suchte ich dort nach ihm. Im Gartenhäuschen brannte Licht, was meine Aufmerksamkeit erregte. Ich ging hinein und fand Herrn Kling zusammengekrümmt und blutverschmiert auf dem Boden liegen. Ich rief sofort den Notarzt und die Polizei.“ „Ist Ihnen irgendetwas merkwürdiges aufgefallen?“ „Nun ja...“ Gernau stockte kurz. „Was?“, bohrte der Staatsanwalt nach. „Herr Klings Hose war heruntergezogen, ebenso seine Unterhose. Das war schon merkwürdig.“ „Haben Sie eine Erklärung dafür, Herr Kling?“ Der schüttelte mit dem Kopf. „Herr Ebel?“ „Mein Mandant möchte sich zu dem Vorfall nicht weiter äußern“, sagte von Bolten sofort. Kai sah ihn dankbar an. „Gut. Noch Fragen? Keine. Herr Gernau, Sie können hinten Platz nehmen. Sie bleiben unvereidigt.“ „Könnte ich vielleicht gehen, Herr Richter? Ich habe noch einige dringende Termine.“ Der Richter sah kurz zu von Bolten und zum Staatsanwalt hinüber. Die beiden nickten und er erlaubte es dem Zeugen. „Herr Ebel“, wand sich der Richter an den Angeklagten. „Wollen Sie uns nicht endlich die ganze Geschichte erzählen?“ „Nein.“ „Sie machen es einem wirklich schwer.“ „Wir würden gern einen weiteren Zeugen aufrufen“, wand sich von Bolten an den Richter. „Und zwar Heinz-Harald Frentzen. Er ist seit vielen Jahren Kais bester Freund und kann bestätigen, dass Kai kein Schläger ist, auch wenn der Staatsanwalt uns hier etwas anderes glauben machen möchte.“ „Heinz-Harald Frentzen bitte eintreten.“ Der Rennfahrer betrat den Gerichtssaal, wurde jedoch erst einmal von einem Pulk Fotografen gestoppt. Nachdem der Richter sich Ordnung ausgebeten hatte, nahm er auf dem Zeugenstuhl Platz. Er blickte kurz zu Kai hinüber und lächelte ihm aufmunternd zu. „Herr Frentzen“, wand sich der Richter an den neuen Zeugen. „Sie sind, wie ich gehört habe, seit langer Zeit mit dem Angeklagten befreundet.“ Heinz-Harald nickte. „Erzählen Sie uns bitte einmal, was er für ein Mensch ist. Rastet er leicht aus? Ist er reizbar?“ „Kai ist einer der friedfertigsten Menschen, die ich kenne. Und durch meinen Job kenne ich einige. Kai ist jemand, der Spaß versteht, der über sich selber lachen kann und der sehr lange ruhig bleibt, auch wenn man versucht, ihn zu provozieren.“ „Aber er ist Boxer“, warf der Staatsanwalt ein. „Nicht jeder Boxer ist privat gleich ein Schläger. Kai sieht den Boxsport als Konzentrations- und Ausdauertraining. Er hat Kämpfe fast nie durch KOs gewonnen, sondern meist durch Punktsiege.“ „Hat er Schwachpunkte, die ihn ausrasten lassen?“ „Nur einen einzigen.“ Heinz sah kurz zu Kai hinüber. „Seine Kinder.“ Der Richter nickte. „Danke, Herr Frentzen. Wenn keine Fragen mehr sind, können Sie hinten Platz nehmen.“ „Keine Fragen“, sagte der Staatsanwalt. „Aber eine Anmerkung. Kai Ebel und Heinz-Harald Frentzen kennen sich seit weit über 20 Jahren. Dass er seinen besten Freund nicht reinreiten will, kann sich ja wohl jeder denken.“ „Genau aus diesem Grund habe ich ihn auch gebeten, mir bei der Suche nach einem weiteren Zeugen zu helfen, der viel über die Psyche meines Mandanten aussagen kann. Allerdings wusste ich bis vor der Verhandlung noch nicht, ob das wirklich klappt.“ „Sie ist hier“, sagte Heinz-Harald. „Sehr gut. Dann bitte ich, eine weitere Zeugin zu hören. Natascha Ebel.“ Kai starrte seinen Anwalt erstaunt an. „Was soll Sie denn zu dem Fall beitragen? Sie war doch nicht einmal auf demselben Kontinent?“ „Ich wüsste auch nicht, was die Ex-Frau ihres Mandanten dazu sagen soll.“ „Herr Staatsanwalt. Kai war acht Jahr mit dieser Frau verheiratet. Sie kennt ihn sehr genau. Und vielleicht halten Sie sie ja für glaubwürdiger als den besten Freund meines Mandanten.“ Der Richter traf die Entscheidung und rief Natascha Ebel in den Zeugenstand. „Sie sind eine etwas überraschende Zeugin und ich weiß deshalb auch nicht, was Sie zu diesem Fall beitragen können. Können Sie mir ein bißchen über das Verhalten des Angeklagten erzählen? Wie verhält er sich gegenüber anderen Menschen, und so weiter.“ Natascha blickte ihren Ex-Mann kurz an. Der erwiderte den Blick. Dann wand sie sich wieder dem Richter zu. „Kai ist ein sehr ruhiger und lieber Mensch. Auch wenn er vor der Kamera gern mal den Witzbold heraushängen lässt. Er lässt sich nicht leicht aus der Ruhe bringen und ist auch sehr selbstkritisch. Man kann ihn nicht schnell beleidigen, weil er sich Kritik anhört und erst einmal darüber nachdenkt, bevor er reagiert.“ „War er Ihnen gegenüber jemals gewalttätig?“, fragt von Bolten. „Nein. Niemals.“ Natascha schüttelte heftig den Kopf. „Kai würde niemals grundlos einen Menschen schlagen und erst Recht keine Frau.“ Sie grinste leicht. „Dafür ist er viel zu viel Macho.“ „Wie meinen Sie das?“, fragte der Richter. „Kai hält Frauen für von Natur aus schwächer. Und er mag keine schwächeren Gegner.“ „Halten Sie es für möglich, dass er aus einem Streit heraus, vielleicht auch unter Alkoholeinfluss, einen Menschen ins Koma prügelt und tritt.“ „Nein. Das ist vollkommen ausgeschlossen.“ Einige Menschen im Saal flüsterten leise. „Ruhe“, sagte der Richter streng. „Aber er hat es getan.“ Der Staatsanwalt sah Natascha Ebel durchdringend an. „Sie scheinen ja ein recht gutes Verhältnis zu ihrem Ex-Mann zu haben.“ „Warum sollte ich nicht?“ Natascha blickte den Staatsanwalt herausfordernd an. „Wir waren acht Jahre verheiratet. Das ist eine lange Zeit. Wir haben zwei Kinder, um die wir uns kümmern müssen und das geht nun mal besser, wenn man vernünftig miteinander reden kann.“ Der Staatsanwalt nickte leicht. „Wie reagiert Ihr Ex-Mann eigentlich auf Alkohol?“ „Kai hat schon immer eine ganze Menge vertragen.“ „Was verstehen Sie darunter?“ „Er hat, zum Beispiel, einmal eine ganze Flasche Wodka ausgetrunken und danach ein Minigolfturnier gegen einige Freunde gewonnen. Es handelte sich dabei um eine Wette.“ „Also ist es unwahrscheinlich, dass er von drei oder vier Gläsern Champagner einen Blackout hat?“, hakte der Richter nach. „Das ist unmöglich.“ Natascha sah Kai an. „Und es gibt nichts, was den Angeklagten reizen könnte?“ „Doch“, gab Natascha zu. „Wenn es um seine Kinder geht, versteht er keinen Spaß.“ „Dann danke ich Ihnen, dass Sie so kurzfristig gekommen sind. Sie können hinten Platz nehmen.“ „Herr Richter, wäre es möglich, dass ich vor der Tür warte?“ „Hat das einen Grund?“ „Ich habe gerade meine Tochter vom Krankenhaus abgeholt und sie wartet draußen.“ Zum ersten Mal während der Verhandlung zeigt Kai eine deutliche Reaktion. Sein Gesicht wurde weich. Schmerz und die Sehnsucht nach seinem Kind standen deutlich in seinen Augen geschrieben. Auch der Richter sah es. „Gehen Sie“, sagte er. Natascha öffnete die Tür. Ihre Tochter stand direkt davor. Sie warf einen kurzen Blick in den Saal und sah ihren Vater. „Papa“, rief sie erfreut und wollte zu ihm laufen. Der Wachmann hielt sie jedoch fest. Ängstlich sah das Mädchen den Mann an. Panik machte sich in ihr breit. „Papa“, schluchzte sie verzweifelt und wehrte sich gegen den Griff des Mannes. „Hilf mir.“ Kai hatte das Gefühl, sein Herz würde zerspringen. Mit Tränen in den Augen fauchte er den Wachmann an: „Lassen Sie sie los. Sie sehen doch, dass sie Angst vor Ihnen hat.“ Der sah den Richter fragend an. Der nickte. Blind vor Tränen rannte Robin zu ihrem Vater. Kai war von seinem Stuhl aufgesprungen und fing seine Tochter auf. Fest presste er das zitternde Mädchen an sich. Mit leisen Worten beruhigte er sie. „Warum hast du mich nicht besucht?“, fragte Robin ihren Vater. „Es ging nicht, mein Schatz. Ich habe etwas sehr böses getan und war deshalb im Gefängnis.“ Verständnislos blickte das Mädchen in das Gesicht ihres Vaters. Dann sah sie zu den anderen Anwesenden. Als sie Werner Kling erblickte, fing sie an zu zittern und schloss die Augen. Hastig wand sie den Kopf und klammerte sich angsterfüllt an ihrem Vater fest. „Herr Ebel, wir müssen die Verhandlung fortsetzen.“ Natascha ging zu dem Mädchen und strich ihr sanft über den Kopf. „Komm mit, Robin. Wir warten draußen.“ Hastig schüttelte sie den Kopf. „Nein. Nur Papa kann mich beschützen.“ Der Richter dachte kurz nach. „Setzen Sie sich bitte hin, Frau Ebel. Und Sie auch, Herr Angeklagter. Robin?“ Das Mädchen, welches jetzt auf dem Schoß ihres Vaters saß, sah den unbekannten Mann fragend an. „Möchtest du bei deinem Papa bleiben?“ „Ja. Bitte“, sagte sie flehend. „Na gut. Ausnahmsweise. Und auch nur, weil ich das Gefühl habe, es könnte uns in diesem Fall weiterhelfen.“ Kai war das zwar nicht Recht, aber er brachte es auch nicht übers Herz, seine Tochter vor die Tür zu schicken. Sie war einfach zu verängstigt. „Herr Ebel“, sagte der Staatsanwalt streng. „Sie haben grundlos einen Mann zusammengeschlagen. Sie haben zwar gestanden, zeigen aber nicht die Spur von Reue. Wenn Sie uns nicht endlich sagen, worum es bei Ihrem Streit ging, werden Sie für sehr viele Jahre ins Gefängnis gehen.“ Erschrocken sah Robin den Mann an. „Papa würde nie jemandem weh tun.“ „Er hat es aber getan. Auf einer Party.“ „Aber er...“ „Pscht“, sagte Kai leise. „Sei bitte leise, Robin. Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst, verstehst du?“ „Ja, aber sie wollen dich einsperren. Das dürfen sie nicht. Du hast mir doch nur geholfen.“ Der Richter sah das Mädchen sanft an. „Du warst auch auf dem Fest?“ „Ja.“ „Aber um diese Uhrzeit, als das passiert ist, worum er hier geht, da hast du doch schon geschlafen.“ Robin senkte den Blick. „Ich war oben in einem Zimmer. Papa hat mich gegen 21 Uhr ins Bett gebracht. Ich habe auch gleich geschlafen. Aber dann...“ Sie zögerte. „Aber dann war da plötzlich der Mann.“ „Welcher Mann?“ „Der“, sagte Robin und deutete mit zitternden Fingern auf Werner Kling. „Ich habe nichts...“ brauste der auf. Robin presste ihr Gesicht gegen den Anzug ihres Vaters. „Halten Sie den Mund, Herr Kling. Solange ich mit der Kleinen rede, haben Sie Sendepause, verstanden?“ „Ja, Herr Richter.“ „Sehr gut. Also Robin, hab keine Angst. Hier kann dir niemand etwas tun.“ „Ich weiß“, sagte das Mädchen mit zitternder Stimme. „Papa beschützt mich.“ Natascha lächelte milde. Sie hatte immer gewusst, dass Robin an ihrem Vater hing. Das die Gefühle des Mädchens allerdings so tief waren, hätte sie nie für möglich gehalten. „Was hat der Mann getan?“ „Er hob mich aus dem Bett. Er hat ganz komisch gerochen, nach Schnaps. Er hat mir den Mund zu gehalten, so dass ich kaum atmen konnte und wir sind in den Garten gelaufen, in so eine Holzhütte. Dort... dort hat er mir meinen Schlafanzug ausgezogen. Ich wollte das nicht, weil mir kalt war, aber der Mann hat mich immer wieder ganz doll ins Gesicht gehauen.“ Robin deutete auf ihr geschwollenes Auge, welches immer noch nicht richtig abgeheilt war. „Er hat seine Hose ausgezogen und... und dann...“ Schluchzend klammerte sie sich an ihren Vater. „Hören Sie doch endlich auf“, flehte Kai den Richter an. „Sie sehen doch, wie sehr die Erinnerung ihr weh tut.“ Tränen liefen über seine Wangen. „Sie haben mein Geständnis. Was wollen Sie denn noch?“ „Die Wahrheit. Und ich glaube, dass auch Robin nicht jahrelang auf ihren Vater verzichten will, bloß weil ich eine falsche Entscheidung treffe.“ Er wand seinen Blick dem zitternden Mädchen zu. „Robin, ich danke dir für deine Aussage. Sie war unheimlich wichtig für deinen Vater.“ Sie schluchzte leise. „Wirklich?“ Fragend blickte sie Kai an. „Ja. Sehr wichtig. Ich danke dir, mein kleiner Engel.“ Er küsste sie leicht auf die Stirn. „Könntest du bitte einmal kurz mit dem Polizisten raus gehen. Es ist wirklich nur für ein paar Minuten. Dann darfst du wieder herein kommen.“ Kai nickte auf den fragenden Blick des Mädchens hin. „Geh ruhig.“ Zärtlich strich er über ihren Kopf und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Zögernd stand Robin auf und ging nach draußen. Der Richter wand sich an Kai. „Normalerweise bräuchte ich eine komplette Aussage von Ihrer Tochter, Herr Ebel, aber das will ich ihr einfach ersparen. Reden Sie dafür jetzt endlich. Sagen Sie, wie es wirklich war.“ „Ihre Geschichte mit dem Blackout nimmt Ihnen hier sowieso niemand ab“, fügte der Staatsanwalt hinzu. Kai nickte langsam. „Okay. Ich war im Garten. Dann hörte ich plötzlich ein Geräusch. Ich wurde neugierig und versuchte, die Quelle zu finden. Es kam aus dem Gartenhäuschen. Anfangs dachte ich, es wäre ein Pärchen...“ Kai schluckte schwer. „...dann hörte ich einen erstickten Hilfeschrei und ein Stöhnen. Ich stieß die Tür auf und... mein Gott...“ Mit einer fahrigen Bewegung wischte Kai sich über die Augen. Hilflos blickte er Natascha an, dann Heinz, dann Kling. „Dieses Schwein stand mit heruntergelassener Hose vor einem nackten Kind. Ich habe erst Sekunden später gesehen, dass es Robin war. Sie lag da, flehte mich um Hilfe an. Ihr Gesicht war blutverschmiert, ihre Lippen blau vor Kälte.“ Kai ballte die Hände zu Fäusten. Sein Blick ging jetzt ins Leere. „Ich habe das Blut und das Sperma von diesem widerlichen Mistkerl auf ihren Oberschenkeln gesehen. Da bin ich ausgerastet. Ich hab so lange auf ihn eingeschlagen, bis er reglos am Boden lag. Danach habe ich ihm ein paar Mal in den Unterleib getreten.“ Hasserfüllt schaute Kai Kling an. „Ich wollte, dass dieses Monster nie wieder in der Lage ist, einem Kind so etwas anzutun“, schrie Kai Werner Kling an. Völlig kraftlos ließ er den Kopf auf die Tischplatte sinken. Er schluchzte leise. Heinz legte den Arm um Natascha, die von der Geschichte völlig fertig war. „Das ist eine grauenvolle Geschichte“, sagte der Richter nach einigen Sekunden. Der Staatsanwalt nickte. „Richtig. Aber ich bin froh, dass ich jetzt endlich etwas in der Hand habe. Herr Kling, ich erkläre Ihnen hiermit Ihre vorläufige Festnahme. Sie sind des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger angeklagt, in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Sie werden morgen einem Haftrichter vorgeführt. Bei einer Verurteilung müssen Sie mit einer Gefängnisstrafe von zwei bis zehn Jahren rechnen.“ „Aber...“ Bevor Werner Kling noch etwas sagen konnte, klickten bereits die Handschellen. Der Wachmann führte den sich heftig wehrenden Mann aus dem Saal. „Fein. Da kommt auch noch Widerstand gegen die Staatsgewalt hinzu.“ Zufrieden nickte der Staatsanwalt. „Ich denke, damit können wir die Beweisaufnahme schließen. Sind noch Anträge? Nein, gut.“ Robin kam wieder in den Saal gelaufen. Sie rannte zu ihrem Vater und ließ sich von ihm in seine Arme ziehen. „Ihr Plädoyer, Herr Staatsanwalt.“ Der Staatsanwalt erhob sich langsam. „Die Beweisaufnahme hat den Tatvorwurf voll bestätigt. Allerdings hat der Angeklagte die Tat ja auch nie bestritten. Allein die Umstände, wie es zu der Tat gekommen ist, sind hier, denke ich, entscheidend.“ Er machte eine lange Pause. „In Anbetracht der schweren Verletzungen von Robin Ebel und der völligen Unfähigkeit des Mädchens, sich gegen ihren Angreifer zu wehren, war das Eingreifen des Angeklagten völlig gerechtfertigt.“ Erstaunt sah Kai den Mann an. „Allerdings nicht das Ausmaß. Ich beantrage, das Verfahren, gegen eine Zahlung von 20000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung, einzustellen und den Angeklagten frei zu sprechen.“ „Herr Verteidiger.“ Der Richter sah Hans von Bolten an. „Herr Staatsanwalt, es kommt nicht oft vor, aber ich schließe mich Ihren Ausführungen an.“ „Herr Ebel“, sagte der Richter an Kai gewandt. „Wären Sie mit einer Einstellung gegen die eben genannte Auflage einverstanden?“ Kai nickte schwach. „Sicher doch.“ „Wüßten Sie eine Organisation, der Sie gern helfen würden?“ „Der Weiße Ring.“ Der Richter nickte und schrieb kurz etwas auf. „Bitte erheben Sie sich zur Urteilsverkündung.“ Die Menschen im Saal standen auf. „Das Verfahren gegen Kai Ebel wegen gefährlicher Körperverletzung wird gegen eine Zahlung von 20000 Euro an die Stiftung ‘Weißer Ring e.V.’ eingestellt. Bitte nehmen Sie Platz.“ Einige Menschen im Saal applaudierten. Unter ihnen einige der Journalisten. „Ich mag eigentlich keine Störungen, aber in diesem Fall sind sie mal zugelassen. Herr Ebel, können Sie die Summe mit einem Mal zahlen?“ „Ja, kann ich.“ „Gut. Wenn Sie bezahlt haben, sind Sie ein freier Mann ohne Vorstrafen. Zahlen Sie nicht, wird der Prozess erneut aufgerollt. Zur Begründung des Urteils. Ihr Übergriff war unnötig hart, aber das wissen Sie selber. In dieser Situation allerdings befanden Sie sich in einem Schockzustand, der Sie nicht verantwortbar macht für Ihre Tat. Dass Sie Ihre Tat nicht bereuen, kann und will ich Ihnen nicht vorwerfen. Und dass sie sich wiederholt, will ich nicht hoffen.“ Kai nickte dankbar. „Ich hoffe, Sie bald wieder zu sehen. Aber auf dem Bildschirm. Die Verhandlung ist damit geschlossen.“ Kai atmete erleichtert auf. „Können wir jetzt nach Hause?“, fragte Robin leise. „Ja, mein Engel. Wir können nach Hause.“ Heinz ging zu Kai und umarmte ihn erleichtert. „Das ist ja noch Mal gut gegangen. Hast du ein Schwein.“ „Irgendwie.“ Kai war zu erledigt, um sich richtig freuen zu können. „Ich will nach Hause.“
Einige Wochen später, beim letzten Rennen der Saison in Suzuka, hatte sich die Welt für Kai wieder einigermaßen normalisiert. Er machte seinen Job, den er natürlich sofort zurück bekommen hatte. Die Neugier der Kollegen und das Interesse der Medien an seiner Person hatten sich auch gelegt. Jetzt freute er sich auf die lange Pause und die viele Zeit, die er mit seinen beiden Kindern verbringen konnte. Er interviewte gerade Heinz, der das Rennen überraschend gewonnen hatte. Da kam Florian auf ihn zu gelaufen und wedelte mit einem Blatt herum. „Kai, entschuldige, dass ich euch unterbreche. Aber das Fax ist wichtig. Es ist von Hans von Bolten.“ „Hast du schon wieder was angestellt?“, fragte Michael und trat grinsend neben Heinz. Kai schüttelte den Kopf und las es schnell durch. Ein fast bösartiges Grinsen legte sich über sein Gesicht. „Ich habe Hans gebeten, mich über die laufende Verhandlung gegen Werner Kling auf dem Laufenden zu halten.“ „Und?“, drängte Michael. „Herr Kling scheint im Gefängnis eine schlechte Zeit gehabt zu haben. Die Gefangenen waren wohl etwas zu nett zu ihm.“ Einige der Umstehenden grinsten schadenfroh. „Man hat ihn zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt mit anschließender Sicherheitsverwahrung.“ „Viel zu wenig. Der kommt doch bestimmt nach fünf Jahren wieder raus“, schimpfte Michael. „Nein.“ Kai blickte ernst zu seinen Freunden. „Er hat sich vor einer Stunde in seiner Zelle die Pulsadern aufgeschnitten, nachdem ihn die anderen Häftlinge mal wieder beim Wickel hatten.“ Eine gewisse Genugtuung beschlich die Umstehenden und auch die Zuschauer, die das natürlich mitbekommen hatten und niemand versuchte, das zu verbergen. Niemand hier war für die Todesstrafe, allerdings war das genau die Strafe, die so ein Mann wie Kling verdient hatte.
WOW...Ich weiss gar nicht, was ich zu dieser Story sagen soll...Sie ist unglaublich gut beschrieben und ich kann Kai gut verstehen - wie sicher viele andere, die Kinder haben. Wenn ich dran denke, das sowas meiner Nichte passieren könnte...Ich glaub, ich hätte genauso wie Kai gehandelt...
Eine gelungene Story Kitty, die einem eine Gänsehaut und Übelkeit hochsteigen lässt...
Ich las jetzt gerade meinen Text durch, den ich im Nachrichtenthread verfasst habe, betr. Monster Kindesmisshandlung usw. Ich stehe nach wie vor zu dieser Meinung, aber ich habe dass als Aussenstehende geschrieben, also rationell gedacht, mit allen wenn´s aber´s und warum´s. Wie ich reagieren würde, wenn es mich persönlich betrifft, keinen Plan, warscheinlich genau so!
Kann sich noch jemand an den Fall Marianne Bachmann erinnern? Sie erschoss damals im Gerichtsaal den Mörder ihrer Tochter! Rechtlich gesehen, war es nicht richtig. Selbsjustiz ist in Deutschland verboten, aber menschlich gesehen hatte ich ihr Verhalten verstanden! Also wie oben schon erwähnt, wie ich persönlich reagieren würde, wenn es mich treffen täte. Keine Ahnung! Ich hoffe von ganzen Herzen, dass ich nie in solch eine Situation komme!!!
Ich finde das Thema "Kindesmissbrauch" sehr schlimm und traurig. Im moment vergeht ja kein Tag, wo mal nix darüber in der Zeitung steht. Und solche Täter kommen meist ungestraft davon, bzw. werden früher wieder entlassen. Weil sie als geheilt gelten und dann "schlagen" sie wieder zu.