RE: Hier kommt Alex (beendet) - 2

Jaja, ich bin immer wieder für Überraschungen gut:


Das Qualifying verging und Kai versuchte neben seinem eigentlichen Job noch einen Praktikanten zu betreuen. Aber er wusste, dass der Mann nicht lange im Team bleiben würde. Er mochte den Kerl einfach nicht und auf seine Menschenkenntnis konnte er sich verlassen.
Trotzdem verhielt er sich ihm gegenüber offen und fair.
Florian kam nach der Sendung auf die beiden Männer zu, die sich noch unterhielten und bekam mit, dass der Neue Kai erklären wollte, wie man so ein Team leiten musste und was die Mitarbeiter alles falsch machten. Er sah den Ärger in Kais Gesicht.
“Weißt du , Thomas, eigentlich dachte ich, du bist ein ganz netter Typ… bis du den Mund aufgemacht hast.” Kai drehte sich um und ging. So sah er weder den wütenden Blick des Praktikanten noch das bleiche Gesicht von Florian, der aussah, als würden ihm gleich die Beine wegsacken.
Am Abend beim gemeinsamen Essen mit dem Team spürte Kai, dass Florian extrem ruhig war. Der saß grübelnd am Tisch, stocherte in seinem Essen herum und beobachtete Kai immer wieder, wenn er glaubte, dass der es nicht merken würde. Schließlich murmelte er eine Entschuldigung und verschwand in seinem Zimmer. Seine Kollegen sahen ihm ein wenig verwirrt nach.
Kai folgte ihm nach einer halben Stunde und wollte mit ihm sprechen, aber Florian bat ihn um etwas Ruhe. Er müsse nachdenken. Der verschwand etwas unsicher in seinem Zimmer, er wollte Florian nicht unter Druck setzen. Der würde ihm hoffentlich noch sagen, was los war. Aber wie immer erst dann, wenn er es für richtig hielt.

Zehn Jahre.
Florian saß auf dem Bett und blickte in seine Reisetasche. Er wühlte in seinen Sachen herum, bis er auf einen länglichen Gegenstand stieß, der in ein weißes Tuch eingewickelt war. Er nahm ihn in beide Hände.
Zehn Jahre arbeiteten sie zusammen.
Seine Finger strichen über den Stoff. Es drängte ihn, das Tuch aufzuwickeln, aber tat es nicht. Er hatte es noch nie getan.
Zehn Jahre arbeiteten sie zusammen und er hatte es wirklich nicht gemerkt.
Geschockt und fassungslos schüttelte er den Kopf.

Und hier der letzte Teil:


“Florian, hey…” Niki stieß ihn an. “Der Bericht ist vorbei, wir sind auf Sendung… Mal wieder.”
Der Moderator sah den Österreicher an, blickte dann entschuldigend in die Kamera. “Tut mir leid, liebe Zuschauer. Ist wohl nicht ganz mein Tag heute.”
Kai kam auf die beiden zu. “Hör mal, Flo, wenn du dich nicht wohl fühlst, dann übernehme ich.”
“Ich pack das schon.” Seine Stimme klang kalt und abweisend. Er spürte die fragenden Blicke seiner beiden Kollegen. “Es geht mir gut.”
“Bin ich mir nicht so sicher.” Zweifelnd sah Kai ihn an. “Wenn es nicht mehr geht, sag Bescheid.”
“Ich sagte doch, es geht mir gut.”
“Du lügst.”
“Tun wir das nicht alle, Skorpio?”
Kai sah ihn geschockt an. Woher kannte Florian seinen alten Spitznamen? Er hatte es ihm nie erzählt. Und wieso war der so eiskalt ihm gegenüber. Er suchte den Blick seines Freundes, doch was er sah, waren zwei blaue Augen, die ihn hasserfüllt musterten. Er kannte diese diesen Blick, niemals in seinem Leben würde er ihn vergessen. Wortlos wand er sich um und ging wieder zurück zu seinem Job.
Niki setzte zu einer Frage an, aber Florian schnitt ihm mit einer knappen Geste das Wort ab. “Vergiss es einfach.” Dann wand er sich der Kamera zu und machte mit dem Vorbericht weiter.
Das Rennen kam und verging, der Nachbericht musste moderiert werden und Florian hatte sich wieder soweit gefangen, dass er konzentriert arbeiten konnte. Allerdings blickte er ernst in die Kamera, ging auf keine Scherze ein. Sein Co-Moderator war erleichtert, als die Sendung endlich rum war. Er wollte mit Florian sprechen, als er Kai auf sich und Florian zukommen sah.
“Wir müssen reden”, sagte der kurz angebunden.
“Reden?” Ein bitteres Lachen war die Folge. “Ich glaub es einfach nicht, dass ich dich nicht erkannt habe. Dabei habe ich dich gesucht.”
“Gesucht?”
“Ja. Ich wollte dir dein Messer zurückbringen.” Florian griff unter seine Jacke und zog es aus dem Hosenbund. Er reichte es Kai.
Der nahm es und wickelte es aus dem Tuch aus. Rostflecken waren darauf zu sehen und angetrocknetes Blut. Ungläubig schüttelte er den Kopf. “Das kann nicht sein”, hauchte er.
Florian kochte vor Wut. “Du hast mich mit diesem Scheißding fast umgebracht”, presste er hervor. “Und eigentlich wollte ich es dir auf dieselbe Weise zurückgeben, wie ich es bekommen habe.”
Kai hob den Blick. “Du hast meinem kleinen Cousin einen psychischen Schaden verpasst, den er nie ganz überwunden hat”, schrie er.
“Ich war 15, verflucht”, schrie Florian in derselben Lautstärke zurück.
“Und er 13 und viel kleiner und schwächer. Und du hattest deine Kumpels dabei.”
Einige Angehörige der Szene schauten dem Disput der beiden Journalisten interessiert zu. Niki war total verwirrt. Er hatte Florian in all den Jahren nie wütend erlebt. Und dass der und Kai sich so anschrieen, hätte er bis zu diesem Moment für unmöglich gehalten.
“Ich weiß es, Kai. Er war schwächer und er hatte Angst. Und es tut mir verdammt leid, dass ich ihn da mit rein gezogen habe, aber ich habe nicht nachgedacht.”
“Nachgedacht hast du in dieser Zeit nie viel. Dazu warst du viel zu zugedröhnt.”
“Meine Güte, spiel mal nicht den Moralapostel. Vielleicht hättest du Benni mal zuhören sollen. Ich habe ihn laufen lassen. Meine Jungs hätten garantiert noch andere Ideen gehabt.”
Kai schluckte. “Ich weiß es. Benni hat es in meinem Prozess ausgesagt.” Er senkte den Blick und wurde wieder leiser. “Es tut mir leid, Flo. Bitte glaub mir, ich wollte dich nicht so verletzen.”
“Nein… du wolltest mich töten. Kai, lüg nicht. Ich habe den Blick in deinen Augen gesehen, als du mir das Messer in Bauch gerammt hast. In dieser Sekunde wolltest du mich töten.”
“Diese Sekunde habe ich bitter bereut. Mehr als einmal.”
“Snake hat…”
Er schüttelte den Kopf. “Die Schläge und Tritte von Snake habe ich verkraftet. Nach ein paar Wochen Krankenhaus war ich wieder gesund. Gesund genug für den Prozess. Mit dem Bereuen meinte ich eigentlich mehr den Moment, als Benni seine Aussage gemacht hat. Schon als dich auf dem Boden liegen sehen habe, war ich geschockt über meine Tat. Als Benni dann auch noch sagte, dass du ihn hast laufen lassen und an der Tat eigentlich nicht beteiligt warst, habe ich mich verdammt mies gefühlt.” Kai seufzte. “Da hab ich gelernt, dass Gewalt nichts bringt. Flo bitte, du musst mir glauben, ich habe im Knast gebetet, dass du es schaffst.”
Erstaunt sah Florian ihn an. “Ich dachte immer, es wäre Skorpio egal gewesen und das hat mich wütend gemacht.”
“Skorpio ist in dieser Nacht gestorben. Und ich habe für seine Taten gebüßt. Als ich aus dem Knast rauskam, hab ich mein Leben umgekrempelt.”
“Das sehe ich.” Florian blickte ihn an.
“Was ist bei dir damals passiert?”
“Ich habe ein halbes Jahr im Koma gelegen. Danach der Drogen- und Alkoholentzug. Meine Mutter war immer da, wir haben uns ausgesprochen. Ich bin wieder zu ihr gezogen und hab die Schule beendet. Dann bin nach Köln, um zu studieren… naja, den Rest kennst du ja.”
Die beiden Männer standen sich gegenüber, Kai das Messer in der Hand, einen hilflosen Blick auf Florian gerichtet. Der stand verkrampft da, hatte die Lippen fest zusammen gepresst und die Hände zu Fäusten geballt.
“Hatte ich doch Recht. Ich hatte Recht”, Norbert stand jetzt neben Niki und sah Florian forschend an. “Du bist Alex.”
“Ich war es. Alex ist tot.” Er deutete auf Kai. “Er hat ihn getötet.”
“Das bedauere ich nicht. Ich hätte damals, als du deine Motorradgang noch hattest, keinen Euro darauf verwettet, dass du jemals volljährig wirst. Und mit der Meinung stand ich nicht allein.”
“Ähm…” Niki hob leicht den Finger. “Mal eine kurze Zwischenfrage: Hä?”
“Flo, Leiter einer Motorradgang, böser Junge. Er nannte sich Alex”, erklärte Norbert kurz.
“Wieso Alex?”
“Alexander ist mein zweiter Vorname. Und es klingt härter als Flo.”
“Klar, viel härter. Du harter Kerl.” Niki nickte ihm hastig zu, obwohl er nicht glauben konnte, was er hier hörte.
Norbert lachte leise. Er sah Kai an. “Skorpio… du hast uns Alex damals also vom Hals geschafft.”
Der nickte leicht. “Ja.”
“Uiuiuiuiui… wenn ihr euch gleich erkannt hättet, nach der Geschichte...”
“Daran möchte ich nicht denken. Ich gebe zu, wir wären nie Freunde geworden, wenn ich früher erfahren hätte, wer du bist, Kai. Dafür war mein Hass auf dich viel zu groß.”
Der nickte. “Das verstehe ich. Aber ich bin ehrlich gesagt sehr froh, dass wir eine zweite Chance hatten, uns kennen zu lernen. Mir würde sonst echt was fehlen.” Ein schiefes Lächeln erschien auf Kais Gesicht, bevor er wieder ernst wurde. “Und der ganze Ärger, wegen einem Missverständnis.”
“Missverständnis?”
“Ja. Hätten wir früher mal miteinander gesprochen, statt uns gleich zu prügeln, hätten wir gemerkt, dass wir eigentlich auf einer Wellenlänge liegen.”
Florian nickte. “Da hast du Recht.” Er sah Kai an und reichte ihm die Hand. “Freunde?”
“Freunde.” Er wickelte das Messer ein und steckte es in die Tasche. “Das Ding entsorge ich. Ein für alle Mal.”
“Ich komme mit. Nur um zu gucken, ob du es wirklich machst.”
“Vertrau mir.”
“Warum sollte ich?” Grinsend stieß er Kai in die Seite. “Komm, ich lad dich auf ein Käffchen bei Mercedes ein. Du zahlst.”
Kai sah ihm nach, als Florian ging. “Schon seit Jahren.” Mit einem erleichterten Grinsen folgte er ihm und versuchte ihm zu erklären, was der eigentliche Sinn einer Einladung ist.

Ende

Danke für die tollen Kommis, Mädels... *gar nicht weiß, was sie sagen soll* Hab mich riesig gefreut, als ich sie gelesen habe.

LG Kitty