„Von wem ist dieses Ding?“, donnerte Hannes und deutete auf das Kleidungsstück in seiner Hand. Alex hielt es nicht für notwendig, darauf zu antworten. Sie erhob sich, versuchte, an ihm vorbei zu huschen. Doch Hannes packte sie, riss sie am Oberarm zurück. „Was soll das?! Warum redest du nicht mit mir, Alex?“, wollte er wissen. Sie versuchte vergebens, sich zu befreien. Wild schüttelte er Alex. „Hör doch endlich auf, Hannes.“, bat sie, zog an ihrem Arm, doch sie war einfach zu schwach. „Bleib hier.“, verlangte er wild, wieder schüttelte er Alex, als er merkte, dass sie wieder nicht bereit war, ihm zuzuhören. „Alex...!“, rief Hannes, seine Augen funkelten, sie bekam es erst im letzten Moment mit, und sie erschrak darüber, denn dieser Ausdruck war ihr völlig fremd. „Lass mich los!“, verlangte Alex energisch, an seinem Gesicht konnte sie die ablehnende Antwort ablesen. „Ich wusste gar nicht, dass du so eigensinnig bist.“, fuhr sie kopfschüttelnd fort und versuchte vergeblich, ihren Arm aus der Umklammerung zu befreien. „Lass es bleiben, Alex.“, brummte Hannes.
Alex ignorierte den gefährlichen Unterton in seiner Stimme. Übergangslos schlug er zu, so kräftig, dass ihr Kopf hin und her flog. Alex war so überrascht, dass sie vorerst nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Das erste, was sie wahrnahm, war der Schmerz, den seine Hand auf ihrer Wange hinterlassen hatte, merkte, dass er sie noch immer festhielt. Rasch überlegte Alex, wie sie sich von ihm befreien konnte. Das erste, was ihr einfiel, war, dass sie mit dem Fuß kräftig gegen sein Schienbein treten konnte, was sie auch sofort tat. Überrascht schrie Hannes auf, ließ sie endlich los und starrte sie fassungslos an. Alex nutzte es aus, dass er nur erstaunt vor ihr stand, nicht genau zu wissen schien, wie er reagieren sollte. Sie lief schnell in den kleinen Vorraum, schnappte sich die Handtasche von der Garderobe und lief zur Tür. Ein rascher Blick sagte ihr, dass ihr Schlüssel weder im Schloss noch auf dem kleinen Kästchen daneben lag. Eilig rannte sie aus der Wohnung, darauf hoffend, dass der Schlüssel in der Tasche war.
Alex irrte ziellos durch die Straßen Münchens ohne auf ihre Umgebung zu achten, aus diesem Grund stieß sie gegen Passanten, ohne sich darüber im klaren zu sein, sie murmelte zwar immer wieder eine Entschuldigung, bewusst wurde es ihr dennoch nicht.
Erst das Läuten ihres Handys riss sie aus ihrer Erstarrung. Hastig suchte sie in ihrer Tasche danach und meldete sich, ohne auf das Display zu schauen. Alex seufzte auf, als sie Hannes Stimme erkannte. „Wo, um alles in der Welt, treibst du dich herum?“, hörte sie ihn brüllen, hielt sich das Telefon vom Ohr weg, da ihr die Lautstärke, in der er mit ihr sprach, beinahe wehtat. „Ich laufe in München herum.“, erwiderte sie ungehalten, jedoch nicht allzu laut. Alex zwang sich, ruhig zu bleiben, da sie durch die Entfernung, die zwischen Hannes und ihr inzwischen lag, bereits mutiger geworden war. „Ich möchte mit dir reden, komm nach Hause.“, donnerte Hannes. Alex hielt es nicht für notwendig, darauf zu antworten, sie beendete das Gespräch, ohne irgendetwas zu sagen. Vorsichtshalber schaltete sie das Telefon ab, da sie keine Lust hatte, nochmals mit Hannes zu reden.
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„Ich kann es nicht verstehen, Alex ist nicht zu erreichen.“, murmelte Michael vor sich hin, während er das Handy wieder zur Seite legte. „Michael, du machst dir einfach zu viele Gedanken.“, stellte Gerrit fest, er arbeitete bereits an Alex´ Computer. „Du weißt doch gar nicht, ob es gestern Abend nicht spät geworden ist, immerhin war ihr Freund ein paar Tage nicht zu Hause!“ Michael hielt kurz die Luft an, seine Gedanken überschlugen sich. Er erinnerte sich daran, dass sie ihm von einem Streit und dem raschen Verschwinden von Hannes erzählt hatte. „Ich denke, dass es sehr wohl mit diesem Hannes zu tun hat, aber nicht, so wie du es dir gerade ausmalst.“, sagte Michael langsam, klopfte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte. Ruckartig hob er den Kopf und schaute Gerrit direkt in die Augen. „Was genau meinst du damit?“, wollte Gerrit wissen, neugierig schaute er seinen Freund und Kollegen direkt in die Augen. Hilflos zuckte Michael mit den Schultern. „Eingebung...!“, murmelte er nur, für ihn war dieses Thema erledigt.
Nur Robert hakte nach, als er das Büro wieder betrat. „Alex ist ja noch immer nicht da?!“, bemerkte er erstaunt, als er sich im Raum umschaute. „Das wissen wir schon, Robert, und bevor du weiter fragst, sie hat sich noch nicht gemeldet, sie ist auch nicht zu erreichen.“, erwiderte Michael, sichtlich ungehalten, Gerrit warf ihm einen eiligen Blick zu und beschloss ihm zu helfen, weil Michael die Fragen über Alex schon sehr nervten. „Möchtest du nicht endlich diese Akte zum Staatsanwalt bringen?“, wollte Gerrit wissen, reichte dem jungen Kollegen einen großen Stoß Akte. Robert schaute ihm ziemlich verstört an und tippte sich schließlich mit einem Finger gegen die Stirn. „Vergiss es einfach, Gerrit, ich bin doch nicht dein Laufbursche.“, brummte er, nahm die Akten dann aber doch entgegen und verschwand damit wohl eher aus dem Grund, Gerrit aus dem Weg zu gehen.
Nachdenklich starrte Michael vor sich hin auf den Bildschirm, seine Gedanken drehten sich um Alex und die Tatsache, dass sie an diesem Montagmorgen nicht zum Dienst erschienen war, fragte sich, warum das so war. Für Alex war es ungewöhnlich, sich nicht zu melden, war sie doch mehr als dienstbeflissen, wie Michael selbst wusste. Laut seufzte er vor sich hin, als er daran dachte, dass am Abend Katrin wieder kommen würde, und er hatte ein ungutes Gefühl, sie nach dem kleinen Streit wieder zu sehen. „Was ist mit dir bloß los, Michael? Etwas spukt dir doch im Kopf herum!“, bemerkte Gerrit, als er seinem Freund einige Minuten schweigend beobachtet hatte. Michael nickte leicht, bevor er antwortete: „Das stimmt, Gerrit, ich glaube, dass ich einen gewaltigen Fehler gemacht habe, und der ist sicher der Grund, warum Alex heute nicht zum Dienst erschienen ist.“ Irritiert schaute Gerrit zu seinem Kollegen, verstand nicht ganz, was der ihm eigentlich sagen wollte. Michael verstand sehr wohl den Blick, den Gerrit ihm zuwarf. Aber wollte er tatsächlich weiter sprechen, von den letzten Tagen erzählen, fragte er sich. „Lass mir Zeit, Gerrit, es kann sein, dass ich dir irgendwann davon erzähle.“, meinte Michael und hatte nicht den Mut, Gerrit in die Augen zu schauen, aus Angst, dass er daraus gelesen werden konnte. „Ist schon in Ordnung, Michael..., aber sieh zu, dass du es bald auf die Reihe kriegst.“, bat Gerrit, ehe er sich wieder seiner Arbeit widmete, da er merkte, dass für Michael das Gespräch auch schon wieder beendet war.
Stürmisch wurde die Tür aufgerissen, ein Mann Mitte dreißig betrat das Büro des K11 und blickte sich suchend um. „Wo ist sie?“, fragte er wütend. Michael und Gerrit schauten sich überrascht, ja fast schon irritiert an und wussten nicht, was sie vom Erscheinen des Mannes halten sollten. „Wo ist sie?“, wiederholte der Fremde ungehalten seine Frage und warf zornig ein schlampig zusammen gelegtes Etwas vor Michael auf den Tisch. Der erschrak leicht, ehe er endlich etwas über die Lippen brachte. „Was soll das denn?“, erkundigte sich Michael und deutete auf das Leibchen vor sich, denn durch das Werfen war es doch mehr verrutscht, als ursprünglich geplant, und an dem Ausschnitt des Kleidungsstückes zu erkennen. „Das möchte ich gerne mit Alex selbst besprechen. Sie sollte doch bereits hier sein.“, stellte Hannes fest, wieder blickte er sich suchend um. Gerrit beobachtete interessiert das etwas eigenartige Gespräch schweigend, hatte den Polizeibeamten bemerkt, der hinter Hannes das Büro betreten hatte, und sich mit sich mit einem Kopfnicken für sein Erscheinen bedankt. Noch verstand Gerrit Hannes´ Erscheinen nicht, nach einem kurzen Seitenblick auf Michael bemerkte er auch dessen Verunsicherung.
„Können Sie mir vielleicht den Grund Ihres Erscheinens erklären? Bisher habe ich es noch nicht verstanden.“, gab Michael zu und hielt dem Blick seines Gegenübers stand. Hannes seufzte genervt auf. „Ich suche Alex Rietz, sie ist nämlich meine Freundin, und ich wollte eigentlich das Gespräch von heute Morgen weiterführen.“, versuchte er Michael zu erklären. Der blickte rasch zu Gerrit, darauf hoffend, in seinem Gesicht so etwas wie eine Antwort zu finden. Doch dessen Miene war zu Stein erstarrt, und es war daraus nicht das ersichtlich, was er sich eigentlich gedacht hatte. Michael seufzte kurz auf, als er feststellte, dass er sich Alex´ Freund gegenüber sah und erschrak darüber, dass dieser mit seinem, Michaels, T-Shirt vor ihm stand. „Leider hat sich Frau Rietz noch nicht bei uns gemeldet, obwohl sie schon hier sein sollte. Und ich möchte Sie bitten, Ihre Gespräche mit Frau Rietz nicht hier zu führen.“, bat Michael kühl, denn inzwischen hatte er begriffen, dass es wohl besser war, von dem T-Shirt nichts mehr zu sagen, aus Angst, Gerrit würde es als seines erkennen. Immerhin wusste er genau, dass es für ihn, Michael, nur Katrin gab. Zumindest war es bis zum letzten Wochenende so gewesen. Die Zeit mit Alex hatte etwas in ihm ausgelöst, er konnte nur noch nicht sagen, was es war.
Hannes stand noch immer vor seinem Schreibtisch und starrte wütend auf ihn herab. Noch wusste Alex´ Freund nicht, wie er auf Michaels Bitte reagieren sollte, seine Gedanken schwirrten in seinem Kopf umher, ohne dass er sie wieder ordnen konnte. Irritiert sah er Michael dabei zu, wie der das für Hannes so wichtige „Beweisstück“ an sich nahm und in eine seiner Schreibtischladen verschwinden ließ. „Was soll das werden?“, wollte Hannes bitter wissen. „Dieses Shirt gehört doch nicht Ihnen!“ Mit Mühe konnte Michael verhindern, diese Behauptung richtig zu stellen. „Das ist richtig, aber es ist sicher besser, wenn ich es hier habe. Ich möchte nämlich nicht, dass Sie Alex vorhalten, vielleicht mit jemanden einen Affäre zu haben, die es nur in Ihrer Phantasie gibt.“, antwortete Michael, seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln wegen Hannes´ leichter Verunsicherung. Dieser stand da, schien zu überlegen, was er tun sollte, ohne sich bloß zu stellen. Ihm schien es das Beste zu sein, auf dem Absatz kehrt zu machen und eiligst aus dem Raum zu verschwinden, die Türe lautstark hinter sich zuziehend.
Gerrit hatte das Gespräch schweigend verfolgt, jetzt erwachte er aus seiner Erstarrung. „Was genau hat dieser Typ eigentlich hier gewollt?“, erkundigte er sich erstaunt. Michael tat diese Frage mit einer abfälligen Handbewegung ab, da er ja sehr genau wusste, was Hannes´ Auftritt hier sollte. „Da fragst du was...!“, brummte Michael. „Mich interessiert viel mehr, wo Alex abgeblieben ist, ich kann sie nirgends erreichen.“ Jetzt war es an Gerrit, ratlos zu sein. „Wenn sich dieser Hannes bei Alex genauso gegeben hat wie hier, kann ich mir sogar vorstellen, dass sie Abstand braucht.“, sagte er plötzlich. Interessiert schaute Michael seinem Kollegen in die Augen. „Das ist nicht einmal so abwegig, Gerrit...!“, murmelte er nachdenklich vor sich hin.
Noch immer lief Alex ratlos und verunsichert durch München. Sie merkte jedoch selbst, dass ihr die Bewegung gut tat, auch wenn es nicht mehr als ein schneller Spaziergang war. Ohne es zu merken, lenkte sie ihre Schritte Richtung Kommissariat. Erst als ein Kollege sie grüßte, kam sie dahinter, wo sie sich befand.
„Alex...!“, rief Michael aus, als er auf sie aufmerksam wurde, er sprang auf und kam eiligst auf sie zu. „Da bist du ja endlich!“ Er versuchte zwar, den Vorwurf aus seiner Stimme zu nehmen, stellte jedoch fest, dass es ihm nicht zu gelingen schien, was er an ihrem zerknirschten Ausdruck ihrer Augen feststellen konnte. Sein Blick wurde entschuldigend, als er ihre Hand nahm und sie zu ihrem Schreibtisch zog, um sie auf ihren Sessel nieder zu drücken. „Und jetzt sag mir, was dich derart aus der Fassung gebracht hat, dass du dich um Stunden verspätest.“, bat Michael. Schweigend schaute sie ihm in die Augen, wusste vorerst nicht, was sie ihm auf seine Bitte antworten sollte. „Du hast dein Shirt bei mir vergessen...“, brachte sie endlich hervor. „Ich weiß... dein Freund war am Vormittag hier und warf es wütend auf meinen Schreibtisch, ohne zu wissen, dass es mir gehört.“, erzählte Michael. Erschrocken riss Alex die Augen auf. „Was hast du gesagt? Du hast doch nichts vom letzten Wochenende erzählt?“, fragte sie aufgeregt. Beruhigend lächelte er ihr zu. „Natürlich nicht, Alex, es hatte doch keinen Sinn, er war doch wegen dieses Leibchens sowieso schon völlig außer sich.“, stellte Michael fest und merkte, dass sie noch nicht überzeugt war. Betreten senkte Alex ihre Augen. „Hannes – so heißt doch dein Freund, nicht wahr? - möchte noch mit dir darüber sprechen!“ fuhr er fort und empfand so etwas sie Mitleid, als er ihr verängstigtes Gesicht musterte. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Darauf habe ich heute einfach keinen Bock, aber ich denke, dass ich ihm nicht ausweichen kann, und muss dieses blöde Gespräch wohl führen.“, brummte Alex, während sie ihren Rechner hochfuhr. „Ich werde noch ein wenig arbeiten, vielleicht kann ich mich ablenken.“ Bestätigend nickte Michael, ehe er antwortete: „Das ist eine gute Idee, Alex, in den letzten Wochen sind sowieso Akte liegen geblieben.“ Michael deutete auf seinen Schreibtisch, auf dem noch immer ein viel zu großer Stoß Akte darauf wartete, endlich erledigt zu werden. Als Alex endlich begriff, was er mit seiner Handbewegung eigentlich sagen wollte, seufzte sie kurz auf. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“, rief sie entrüstet aus, machte sich dann doch an die Arbeit. Siegessicher grinste Michael ihr zu, half ihr dann doch beim Schreiben der unzähligen Berichte.
Langsam fuhr er Richtung Wohnung, obwohl er eigentlich absolut keine Lust darauf hatte. Michael war sichtlich überrascht, laute Musik aus dem Wohnzimmer zu hören. Erstaunt lehnte er sich gegen den Türrahmen und beobachtete Katrin dabei, wie sie gut gelaunt durch ein ohnehin sauberes Wohnzimmer wirbelte. Belustigt stellte er fest, dass sie ihn gar nicht zu bemerken schien. Erst als sie den Raum verlassen wollte, stieß sie gegen ihn. „Michael...!“, rief sie erstaunt aus. „Du bist ja heute schon da?!“ „Ja...“, erwiderte Michael langsam. „Ich stehe schon eine ganze Weile hier! Du warst so vertieft, dass du es gar nicht bemerkt hast!“ „Tut mir Leid.“, meinte Katrin nur und drängte sich an ihn vorbei.
„Was soll das, Katrin?“ fragte er verwundert, während er ihr nachsah, als sie im Bad verschwand und sie dort rumoren hörte. Irritiert folgte er ihr, wiederholte seine Frage, die er Minuten vorher schon gestellt hatte. „Ach, weißt du... ich hatte in den letzten Tagen Zeit gehabt zu überlegen.“, bemerkte Katrin und schwieg wieder. „Und was ist dabei herausgekommen?“ erkundigte sich Michael, als ihm die Ruhe um sich herum gehörig auf die Nerven ging. Abrupt drehte sie sich zu ihm um. „Weißt du, Michael, in den letzten Wochen und Monaten hat unsere Beziehung sehr gelitten, du hast dich immer mehr in deiner Arbeit vergraben! Michael, ich war so einsam...!“, stellte Katrin fest, ihr Blick wurde entschuldigend. Michael starrte sie kurz entsetzt an, wusste vorerst nicht, was er denken sollte, zu viel schwirrte in seinem Kopf herum. „Du hast einen Freund, nicht wahr?“, brachte er seine Gedanken schließlich auf den Punkt. Zerknirscht nickte Katrin, wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen. Hilflos zuckte sie mit den Schultern. „Was hast du jetzt vor?“, fragte Michael leicht schockiert. „Darüber habe ich nachgedacht, bevor du gekommen bist.“, gestand Katrin hob plötzlich den Kopf und musterte Michaels Gesicht. Sie konnte daraus nichts lesen. „Ich werde hier ausziehen, Michael, und in eine Wohnung ziehen, deren Schlüssel ich heute Nachmittag bekommen habe.“, erzählte Katrin mit einer Offenheit, die Michael überraschte. „Sollte ich noch etwas wissen, Katrin? Ich habe plötzlich den Eindruck, dass einiges an mir vorüber gegangen ist.“, stellte er mit Bestürzung fest. Katrin lächelte leicht, als sie seine Reaktion bemerkte. „Das war auch schon alles, Michael, reicht es dir für heute nicht? Außerdem verstehe ich nicht, dass du so ruhig bleiben kannst.“, gestand Katrin belustigt. Hilflos zuckte Michael die Schultern. „Das kann ich dir gar nicht sagen.“, gab er zu, auch wenn er selbst genau wusste, warum ihn ihr „Geständnis“ nicht sonderlich aufregte. „Ich hatte noch gar nicht die Möglichkeit nachzudenken, Katrin. Außerdem muss ich mich an den Gedanken erst gewöhnen, dass du nicht mehr da bist, wenn ich abends nach Hause komme oder morgens aufwache!“ Ihr Blick wurde interessiert. „Du wirst ja sentimental, Michael!“, rief sie entgeistert aus. „Das gefällt mir,... aber jetzt ist das wohl zu spät!“ Beklemmt und auch traurig nickte Michael. „Ja, jetzt ist es zu spät...!“, murmelte er versonnen vor sich hin und wandte sich ab, um den kleinen Raum zu verlassen. „Ich gehe noch auf ein Bier...!“, meinte er nur, ehe er die Eingangstür hinter sich zuzog.
Langsam schlurfte Michael auf das Gebäude zu, in dem das K11 lag. An diesem Morgen war er ausnahmsweise mit einem Taxi zur Arbeit gekommen, da der vergangene Abend länger gedauert hatte, als er es eigentlich geplant gehabt hatte. Dementsprechend müde war er auch, an die Kopfschmerzen und das Gespött der Kollegen wollte er gar nicht denken.
Michael merkte zwar, dass er beobachtet wurde, ignorierte es jedoch. „Wie siehst du denn aus, Michael, schlecht geschlafen?“, hörte er Gerrit fragen, langsam drehte er den Kopf und schaute in die Richtung, aus der die Stimme kam. Es dauerte wenige Sekunden, bis er Gerrits schadenfrohes Grinsen realisierte. „Hast du durchgemacht?“, wollte Gerrit neugierig wissen, noch immer ein Lächeln auf den Lippen. Michael schüttelte vorerst nur den Kopf, verzog das Gesicht, weil die Schmerzen durch die Bewegung unerträglich wurden. „Nein, hab ich nicht, aber ich habe mehr getrunken, als mir gut tut.“, gestand Michael kleinlaut. „Außerdem habe ich schlecht geschlafen!“ Die Tatsache, dass Katrin sich von ihm getrennt hatte, verschwieg er lieber, wollte er sich doch keine Blöße geben. Entsetzt blickte Gerrit zu Michael und schüttelte endlich fassungslos den Kopf. „Ich bin über dich entsetzt.“, stellte er schließlich fest. „Du weißt doch, dass Katrin es nicht gerne sieht, wenn du die Nacht durch feierst!“ Michael tat diese Bemerkung mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. „Ist doch jetzt auch egal!“ brummte er. „Wir sollten endlich zu arbeiten beginnen, Gerrit... Ach, ist noch Kaffee für mich da?“ „Natürlich...!“, meinte Gerrit und wies mit der Hand auf eine zur Hälfte gefüllte Kanne Kaffee. „Oh... ist der extra für mich?“, fragte Michael begeistert. „Nicht nur, nicht nur.“, schüttelte Gerrit belustigt den Kopf. „Auch wenn du nicht ganz auf dem Damm bist, dreht sich doch noch lange nicht alles um dich!“ Beschämt nickte Michael. „Ich weiß...“, murmelte er schließlich nur, ehe er sich erhob und sich eine Tasse Kaffee holte. Genüsslich schlurfte er das heiße Getränk, merkte selbst, dass es ihm gut tat und ein wenig seine Lebensgeister weckte.
Irgendwann kam Katrin vorbei, brachte ihm ihre Wohnungsschlüssel und holte sich die Kleinigkeiten, die noch bei Michael herumlagen, wenn er zufällig mal zu Hause war. Er war sichtlich erstaunt darüber, dass sie noch auf eine Tasse Kaffee blieb, mit ihm über Belangloses plauderte. Auf den tatsächlichen Grund ihrer Trennung kamen sie nicht mehr zu sprechen. Michael akzeptierte ihre Entscheidung zu gehen, auch wenn es ihm schmerzte, nach all den Jahren wieder allein zu sein. Am meisten wurmte es ihn jedoch, dass er es nicht gemerkt hatte, dass er betrogen worden war. Aber nun war es auch nicht mehr zu ändern, und so nahm er es stillschweigend zur Kenntnis.
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Alex wurde immer ruhiger und verschlossener. Von der jungen, aufgeschlossenen Frau, die von vielen geschätzt und geliebt wurde, war nicht mehr viel übrig geblieben. Ihr Verhältnis zu Hannes kühlte immer mehr ab, sie verbrachten kaum mehr Zeit miteinander, und wenn sie es dann doch taten stritten sie sich oder schwiegen sich an. Alex zerbrach zusehends daran, ohne zu wissen, wie sie es ändern sollte.
„Hannes, was geschieht mit uns?“, fragte Alex plötzlich beim Abendessen, dass sie zufällig wieder einmal gemeinsam einnahmen. Irritiert schaute Hannes auf, direkt in ihre Augen. „Ich weiß es nicht, Alex... sag du es mir.“, bat er hart. „Das kann ich doch nicht, Hannes, ich weiß nur, dass die Kälte in unserer Beziehung nicht mehr aushalte.“, stellte Alex fest. „Ich zerbreche daran, Hannes!“ Er legte seinen Kopf schief, musterte ihr Gesicht, während er seinen Arm ausstreckte und sachte über ihre Wange streichelte. „Alex...!“, hauchte er, schwieg sofort wieder, als er ihren wehmütigen Blick bemerkte. Sie schüttelte leicht den Kopf. „Lass es, ich kann das nicht mehr, Hannes, unsere Beziehung ist doch schon vor Monaten den Bach herunter gegangen, es hat doch keinen Sinn, mehr daran festzuhalten!“, bemerkte Alex leise und senkte den Blick. Langsam zog Hannes seine Hand zurück, entsetzt zog er die Luft durch die Nase ein. Alex bemerkte, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. „Und was schlägst du vor?“, brachte er mühsam hervor. Hilflos zuckte sie mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, Hannes... obwohl ich oft darüber nachgedacht habe.“, gestand sie leise. Ruckartig hob sie den Kopf und sah ihm in die Augen. „Ich denke, dass es für uns beide besser ist, wenn wir uns trennen, Hannes.“ Mit Mühe brachte sie ihren Vorschlag über die Lippen, aus Angst vor seiner Reaktion, auch wenn sie seinem Blick nach wie vor standhielt.
Fassungslos schweigend starrte er sie an, wusste im ersten Moment gar nicht, was er auf ihren Vorschlag antworten sollte. Ruckartig schob er seinen Sessel zurück, sprang auf und begann, wie ein gehetztes Tier im Raum auf und ab zu laufen. Den verunsicherten Blick von Alex schien er nicht zu bemerken, so aufgewühlt war er. Sie erschrak, als er vor ihr stehen blieb und auf sie herunter sah. „Hast du einen anderen? Oft genug bist du ja unterwegs?!“, fuhr er Alex an. Entsetzt schüttelte sie den Kopf. „Nein, Hannes, wie kommst du auf solch eine absurde Idee?“, wollte sie aufgeregt wissen, aus großen braunen Augen starrte sie ihn an. „Keine Ahnung, Alex, es stimmt schon, dass wir uns nichts mehr zu sagen haben, aber das dauert schon länger als nur ein paar Monate. Außerdem verstehe ich nicht, warum im Bett auch nichts mehr läuft!“, erwiderte Hannes, der wieder seine Wanderung aufgenommen hatte. Nervös und aufgewühlt lief er in der Küche auf und ab, wartete eine lange Zeit darauf, dass Alex endlich etwas sagte. Als nichts in dieser Richtung kam, blieb er vor ihr stehen, abwartend blickte er sie an und wartete weiter darauf, von ihr ein Wort zu hören. Endlich reagierte sie, indem sie kurz mit den Schultern zuckte. „Du stellst Dinge in den Raum, Hannes...“, brummte sie ungehalten, schüttelte verständnislos ihren Kopf. Im Stillen musste sie Hannes sogar Recht geben, ihr Sexleben ließ tatsächlich zu wünschen übrig und das lag nicht nur daran, dass sie vor wenigen Wochen mit Michael im Bett gelandet war und das ganze Wochenende dort mit ihm verbracht hatte. Auch vorher hatte es schon in vielen Dingen nicht zwischen Alex und Hannes geklappt.
Sie holte tief Luft, ehe sie endlich zu reden begann: „Hannes, ich denke, dass wir uns bei diesem Gespräch im Kreis drehen, also lassen wir es für heute gut sein. Und je länger ich darüber nachdenke, umso sinnvoller halte ich es, wenn wir uns trennen!“ Entsetzt blickte Hannes ihr in die Augen, wusste vorerst nicht, was er erwidern sollte. „Dir scheint es ernst damit zu sein, dass wir uns trennen sollen.“, murmelte er endlich vor sich hin. „Ja, Hannes, du sagst doch gerade selbst, dass es zwischen uns nichts mehr läuft. Und ich kann so nicht mehr leben, Hannes, verstehst du das denn nicht?“, fragte Alex verzweifelt. Sie senkte den Kopf und schniefte kurz auf, darauf hoffend, die Tränen zurückhalten zu können, vergeblich. Haltlos liefen sie über ihre Wangen, wütend wischte sie darüber. Alex ärgerte sich, Schwäche zu zeigen, verwundbarer zu sein, als sie es ohnehin schon war.
Lange Zeit war es ruhig im Raum, die Stille wurde nur unterbrochen durch das Läuten eines Handys. Alex ignorierte es einfach, Hannes nicht, er schien froh darüber zu sein, dass sich etwas regte, das die Ruhe unterbrach. „Willst du nicht endlich das Gespräch entgegen nehmen?“, fuhr er Alex an. Sie schüttelte nach einem kurzen Blick auf die Uhr nur den Kopf. „Das wird einer meiner Kollegen sein, der mich daran, dass ich zu spät dran bin, du weißt, dass ich Nachtdienst habe. Aber ich möchte dieses Gespräch zu Ende führen.“, erwiderte Alex ernst, anerkennend nickte Hannes, denn damit hatte er nicht wirklich gerechnet. Er holte tief Luft, ehe er zu sprechen begann: „Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zu dem Schluss, dass du recht hast, Alex. Es ist sinnvoller, wenn wir uns jetzt trennen, bevor wir uns nur noch streiten.“ Er kramte in seiner Hosentasche, zog schließlich seinen Schlüsselbund heraus und nestelte daran herum. „Hier, da hast du die Schlüssel. Meine Sachen werde ich nach und nach holen, wenn wir beide Zeit haben.“, fuhr er fort, da Alex ihm nur schweigend beobachtete. Sie nickte nur, da sie nicht wusste, was sie sonst hätte sagen sollen und trank den letzten Schluck ihres Kaffees aus, der bereits kalt geworden war. „Ich werde zur Arbeit fahren, das Wichtigste ist gesagt, Hannes!“, bemerkte Alex nur und erhob sich. „Du hast doch einen Freund.“, stellte Hannes plötzlich fest, ehe sie die kleine Küche verlassen konnte. Langsam wandte sie sich um, schüttelte nur missbilligend den Kopf und verließ rasch die Wohnung, um einem weiteren Gespräch nun doch aus dem Weg zu gehen.
Schweigend arbeitete Alex an ihren Berichten, schaute kaum auf. Auch das Geplänkel ihrer Kollegen ging an ihr vorüber, ignorierte es einfach. „Alex...!“, hörte sie jemand sagen, versuchte es einfach zu verdrängen und sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Erst als sich jemand an ihren Schreibtisch lehnte, zuckte sie zusammen und sah zu Michael hoch.
„Was ist los mit dir, Kollegin?“, wollte er wissen, sein Blick wurde neugierig. „Das ist unwichtig, Michael, glaub mir.“, meinte Alex nur. Betont langsam schüttelte Michael den Kopf. „Das glaube ich dir nicht, Alex, du hast noch Spuren von Tränen auf den Wangen. Was war bei dir zu Hause los?“, erkundigte sich Michael, in seinem Blick war so etwas wie Mitleid zu sehen. Erschrocken schaute Alex zu ihm auf, zuckte hilflos mit den Schultern. „Es ist nichts, Michael, glaub mir.“, erwiderte Alex bittend. Ungläubig schüttelte Michael den Kopf. „Ich fasse es einfach nicht, Kollegin. An irgendetwas verzweifelst du.“, bemerkte er sorgenvoll. Heftig schüttelte sie den Kopf. „Vergiss es einfach.“, knurrte sie, schob ihren Stuhl zurück und verließ fluchtartig das Büro des K11.
Michael blieb alleine zurück, sichtlich irritiert, und wusste nicht wirklich, was er von Alex und ihrem Verhalten halten sollte. Kopfschüttelnd machte er sich schließlich wieder an seine Arbeit, immerhin wurden die Berichte am kommenden Morgen gebraucht.
Alleine saß Alex in der dunklen Kantine, starrte gedankenverloren vor sich hin. Sie wusste zwar, dass sie sich Michael gegenüber falsch verhalten hatte, war aber nicht bereit, sich dafür zu entschuldigen, zu viele Gedanken schwirrten in ihrem Kopf herum, die sich so rasch nicht ordnen ließen.
Alex wusste nicht, wie lange sie alleine im Dunkeln gesessen hatte, einige Kollegen waren an der offenen Kantinentür vorbei gegangen, ohne jedoch in den dahinter liegenden Raum zu sehen. So wurde sie nicht bemerkt, auch wenn sie inzwischen auf und ab ging, um ihre Nervosität in Griff zu bekommen, es half jedoch nichts. Deshalb entschloss sich Alex, wieder an ihren Arbeitsplatz zurück zukehren. Ihr war völlig klar, dass Michael die Unterhaltung von vorhin weiterführen würde. Erstaunt nahm sie zur Kenntnis, dass er auf das Gespräch, welches sie vor geraumer Zeit geführt hatten, gar nicht mehr einging, und sie musste zugeben, dass sie das gar nicht störte, auch wenn es ihr vielleicht gut getan hätte.
Alex wurde immer verschlossener, auch wenn sie sich einredete, die Trennung von Hannes wäre das Beste gewesen, immerhin war ihre Beziehung nicht mehr intakt gewesen. Umso überraschter war sie selbst darüber, dass Hannes ihr nun doch sehr fehlte, auch wenn sie sich durch ihren unregelmäßigen Dienst kaum gesehen hatten.
Ihre Kollegen bemerkten ihre Veränderung sehr wohl, auch wenn sie sie in den ersten Tagen darauf nicht ansprachen. Und ausgerechnet Robert, dem Jüngsten, wurde es schließlich zu bunt und sprach sie darauf an, als Michael und Gerrit gerade nicht im Büro waren. „Lass mich doch einfach in Frieden, Robert, meine Probleme gehen dich einfach nichts an, weil sie nichts mit unserem Dienst zu tun haben, und auch mit euch hat es nichts zu tun, Robert.“, beruhigte Alex ihren jungen Kollegen. Der war und blieb misstrauisch, Alex merkte es, sagte jedoch nichts. Robert seufzte kurz auf. „Das ist doch typisch für dich.“, stellte er fest. „Ich verstehe nicht, warum du nicht darüber reden willst.“ Ungehalten schüttelte er den Kopf. „Ich rede darüber, aber nicht hier und nicht mit meinen Kollegen.“, erwiderte Alex scharf, sie erhob sich und begann, im Büro nervös auf und ab zu laufen. Irgendwann blieb sie vor ihrem Kollegen stehen, um ihn kurz in die Augen zu starren. „Lass mich in den nächsten Tagen einfach in Ruhe.“, verlangte sie energisch, fast schon fordernd. Erschrocken nickte Robert, wusste nicht wirklich, wie er auf den Ton seiner Kollegin reagieren sollte. Also hielt er es für besser zu schweigen und verließ auch bald den Raum, als ihm die Ruhe zu viel wurde.
Die junge Kommissarin konnte nicht sagen, wie lange sie aus dem Fenster des Büros starrte. Sie nahm kaum mehr etwas um sich herum wahr, so hörte sie nicht, wie sich die Türe öffnete und sich auch wieder schloss. Alex merkte zwar, dass sie beobachtet wurde, wollte sich jedoch nicht umwenden, um zu sehen, wer sich noch im Raum befand.
Sie zuckte zwar leicht zusammen, als sie Schritte hinter sich hörte, blieb aber dort, wo sie war und schlang ihre Arme um ihren Körper. Gedankenverloren blickte sie weiter aus dem Fenster, nichts um sich wahrnehmend. Sie hörte zwar, dass jemand durch Räuspern auf sich aufmerksam machen wollte, ignorierte es aber. Wieder nahm sie Schritte wahr, die sich auf sie zu bewegten. „Alex...!“, murmelte eine ihr sehr vertraute Stimme hinter ihr. Wieder zuckte sie zusammen, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie angesprochen wurde. Erst als sie seinen Atem in ihrem Nacken spürte, drehte sie ihren Kopf zur Seite. „Was willst du, Michael?“, fragte sie ungehalten. „Kannst du dir das nicht denken?“, wollte er wissen, anstatt zu antworten. Als sie durch Schütteln des Kopfes verneinte, fuhr er fort: „Du hast dich in den letzten Wochen so verändert, Alex, und niemand kommt an dich heran. Ich möchte verstehen, warum das so ist.“ Seine Stimme war ausgesprochen sanft und zärtlich. Alex schaute ihm erstaunt und irritiert in die Augen, wusste nicht, was sie davon halten sollte. Michael lächelte zaghaft auf sie herab, versuchte, sie damit ein wenig von ihren trüben Gedanken abzulenken, hatte jedoch nicht den Eindruck, als würde es ihm nicht gelingen. Ohne lange nachzudenken, legte er seine Arme um sie und zog sie an sich. Alex versuchte zwar, sich aus seiner Umarmung zu befreien, was ihr jedoch nicht gelang. Michael drückte sie nur noch enger an sich und schüttelte leicht den Kopf.
„Alex, sprich doch mit mir...!“, bat Michael, als ihm die Stille endlich zu viel wurde, doch sie schwieg weiter. „Du machst es mir nicht gerade einfach, kleine Alex.“, stellte er fest, nachdem er vergeblich auf Antwort gewartet hatte. Alex horchte auf und fragte sich, was er mit diesem Satz wohl meinen konnte. Noch immer ein wenig irritiert schaute sie zu ihm auf. Seine blauen Augen strahlten sie mehr an als sonst, auf seinen Lippen lag ein verschmitztes Lächeln. „Was genau meinst du damit?“, erkundigte sie sich zaghaft, wunderte sich, dass er sie noch enger an sich drückte und sich an sie presste. Er wunderte sich darüber, dass sie es sich gefallen ließ und sich sogar an ihn schmiegte. „Du hast mich doch endgültig in deinen Bann gezogen, Alex, nur Hannes hindert mich bisher daran, dir von meinen Gefühlen zu erzählen.“, gestand er leise, begann sanft über ihren Bauch zu streichen. Alex hielt erschrocken die Luft an, ihre Gedanken überschlugen sich, denn sie wusste nicht, was sie von dem eben Gehörten überhaupt halten sollte. „Hannes gibt es nicht mehr, Michael, wir haben uns schon vor ein paar Wochen getrennt...“, erzählte sie leise, fast schon zaghaft. Betroffen schwieg Michael, auch er dachte kurz nach. „Ist der Grund eurer Trennung vielleicht unser Wochenende, Alex? Immerhin war er wegen meines Shirts sehr ungehalten.“, stellte Michael fest. Alex schüttelte den Kopf. „Nein, immerhin wusste er nicht, dass ich ihn betrogen habe. Unsere Beziehung hat doch schon Wochen vorher darunter gelitten, dass wir uns kaum mehr gesehen haben, Michael.“, antwortete Alex und wunderte sich selbst über ihre Offenheit. Sie schluckte krampfhaft, um den aufsteigenden Tränen keine Chance zu geben. Mit Mühe gelang es ihr schließlich auch, ihre Fassung wieder zu gewinnen. Michael ließ ihr die Zeit, sich zu beruhigen, und Alex war ihm dankbar dafür.
Es dauerte Minuten bis sie sich wieder gefangen hatte und ihm ihr Gesicht zuwandte. „Es gibt doch auch noch Katrin, nicht wahr?“, bemerkte sie plötzlich. Diese Tatsache war ihr plötzlich eingefallen, während sie zum Fenster hinaus gestarrt hatte. Michael schüttelte leicht den Kopf, ehe er Alex erzählte: „Nein, Katrin und ich haben uns schon nach unserem Wochenende getrennt, weil sie einen Freund hat. Bitte, Alex... schau mich nicht so an, ich habe dir deshalb nichts erzählt, weil es sich einfach nie ergeben hat.“ Aus großen Augen starrte Alex ihn an. „Das verstehe ich jetzt nicht...“, gab sie zu. „Weißt du, Alex, ihr ist es ähnlich ergangen wie Hannes, sie war einfach sehr einsam.“, antwortete Michael leise. „Aber ich habe echt keine Lust, über mein Verhältnis zu Katrin mit dir zu reden.“ Er lächelte versonnen zu ihr hinab, sein Gesicht näherte sich dem ihren, seine Lippen begannen mit den ihren zärtlich zu spielen. Alex war dadurch so erstaunt, dass sie vorerst nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Erst als sie seine Zunge spürte, die energisch Einlass verlangte, öffnete sie zaghaft ihre Lippen und ließ dadurch einen wunderbaren Kuss zu, der erst endete, als die Tür aufgerissen wurde und Gerrit ins Büro stürmte.
Erschrocken fuhren Alex und Michael auseinander, starrten ihrem Kollegen entgegen. Michael ließ Alex los, wandte sich um und verließ fluchtartig den Raum, zurück blieben ein erstaunter Gerrit und eine äußerst irritierte Alex. Sie leckte sich gierig über die Lippen, noch immer brannte sein Kuss auf ihnen. „Was genau war das denn?“, erkundigte Gerrit sich neugierig. Alex hielt es nicht für notwendig, ihm darauf zu antworten, sie wandte sich endlich ihrem Schreibtisch zu, um endlich etwas am Computer zu arbeiten, beobachtet von Gerrit, der noch immer erfahren wollte, was im Büro eben vorgefallen war.
Alex´ Handy läutete schrill, sodass sie leicht zusammen zuckte, zu sehr war sie in ihrer Arbeit vertieft gewesen. Während sie noch immer an einem Vermerk schrieb, griff sie nach dem kleinen Telefon und meldete sich, konzentrierte sich jedoch noch auf ihre Arbeit. „Alex...?“, fragte eine ihr sehr bekannte Stimme. „Ja, Michael...?“, erwiderte Alex lachend und wartete darauf, dass er weiter sprach. „Hast du nicht schon Feierabend?“, erkundigte sich Michael neugierig und ohne auf ihre Antwort zu warten fuhr er fort: „Ich möchte dich heute Abend noch sehen, könntest du nicht noch zu mir kommen?“ Erstaunt schwieg Alex und überlegte krampfhaft, was sie tun sollte. „Ich werde kommen.“ versprach sie plötzlich. „Ich mache hier noch rasch Schluss, dann werde ich wegfahren.“ „Ich werde auf dich warten, und Alex... ich freue mich schon...“, gestand Michael kleinlaut. Alex lächelte kurz vor sich hin, als sie seine Worte gehört hatte und stellte fest, dass seine Stimme ehrlich klang. „Bis gleich...!“, verabschiedete sie sich rasch, wartete seine Antwort erst gar nicht ab, sondern beendete das Gespräch, während sie ihren Rechner herunter fuhr und auf ihrem Schreibtisch etwas Ordnung machte.
Gerade als Gerrit das Büro betrat, wollte sie dieses verlassen. Er hielt sie am Arm zurück. „Wo willst du denn so rasch in? Dein Dienst ist doch noch gar nicht zu Ende.“, bemerkte er. „Ich weiß, dass ich noch eine halbe Stunde hier sein sollte, aber die Verbrecher machen im Augenblick Pause und so mache ich das jetzt auch.“, erklärte Alex ernst. Gerrit schüttelte ungläubig den Kopf. „Das glaube ich jetzt nicht, Alex, das ist doch gar nicht deine Art. Du gehst doch sonst nie früher...!“, sagte er empört. Mitleidig schaute Alex zu ihm auf. „Ich habe noch so viele Überstunden, ich baue sie einfach nur ab. Außerdem habe ich mir eben ein Date ausgemacht.“, erklärte sie ernst und beobachtete, wie Gerrit eine Braue hochzog. „Ein Date, auf einmal? Hat es vielleicht mit Michael zu tun?“, wollte er wissen. Obwohl er sie durchschaut hatte, schüttelte sie erschrocken den Kopf und stahl sich an ihm vorbei, um einem weiteren Gespräch aus dem Weg zu gehen.
Alex ging dem Verlangen erfolgreich aus dem Weg, nach Hause zu fahren und sich umzuziehen. So rasch wie möglich fuhr sie zu Michael, wusste jedoch nicht genau, warum sie das tat und hatte eigentlich keine Lust, darüber nachzudenken. Auf alle Fälle war es eine willkommene Abwechslung, fand sie, immerhin war sie in den letzten Tagen und Wochen oft genug alleine gewesen, und hatte es mittlerweile gründlich satt.
Gleich beim ersten Läuten öffnete Michael die Tür. Alex kam es so vor, als hätte er dahinter gewartet. „Alex... fein, dass du gekommen bist.“, meinte er zur Begrüßung und strahlte sie an. „Komm rein!“ Mit diesen Worten trat er zur Seite, um seine Kollegin an sich vorbeizulassen. „Hast du etwa gekocht?“, fragte sie neugierig, als sie ihre Jacke an die Garderobe hängte und dabei kurz schnupperte. Stolz nickte Michael. „Natürlich. Ich habe mir echt Mühe gegeben.“, erklärte er ernst, schob Alex in die Küche. Dort roch es herrlich nach Spagetti mit Pasta Asciutta. „Das riecht aber gut.“, bemerkte Alex, als sie den Deckel des kleinen Topfes hob und der Duft des Essens in ihre Nase stieg. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Ich habe mir auch viel Mühe gegeben!“, nuschelte Michael geschmeichelt, als er hinter sie getreten war und ihr über die Schultern schaute. „Lass uns essen, Alex, du hast sicherlich darauf vergessen!“ Beschämt nickte sie, was Michael mit einem wissenden Lächeln quittierte. „Aber ich wollte dich vorher noch gebührend begrüßen.“, fuhr er fort, während er sie in seine Arme zog und sie an sich presste. Sie wandte den Kopf so, dass sie ihm in die Augen sehen konnte. „Und wie sieht deine Begrüßung aus?“, wollte sie belustigt wissen, auch wenn sie es am Glitzern seiner Augen bereits erkennen konnte. Er hielt es nicht für notwendig auf ihre Frage zu antworten, sondern senkte sein Gesicht dem ihren zu, begann, ihre Lippen zu liebkosen. Alex fing an, es zu genießen, ließ sich fallen und öffnete leicht ihren Mund, um einen wunderbaren Kuss zuzulassen. Es dauerte lange, bis sie ihn endlich wieder lösten. „Solche Begrüßungen lasse ich mir gefallen.“, gestand sie leise, schmiegte sich noch enger an ihn. „Warum habe ich mir das gedacht?“, lachte er. „Aber wir werden essen, kleine Alex, immerhin liegt der ganze Abend noch vor uns!“ „Wie du meinst...!“, murmelte sie, wenig überzeugend und löste sich aus seiner Umarmung. „Schade... aber du kommst mir heute nicht mehr davon. Diese Situation von eben möchte ich noch vertiefen.“, erklärte Michael ernst.
„Möchtest du noch Wein?“, fragte er, als Alex ihr leeres Glas auf den Couchtisch stellte. Im Hintergrund lief leise Musik, von der sie sich kurz ablenken ließ, während sie über seine Frage nachdachte. „Ja...!“, meinte sie endlich, nahm ihr Glas wieder zur Hand und hielt es ihm entgegen, mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. „Natürlich möchte ich noch etwas, Michael...“, murmelte Alex und beobachtete ihn dabei, wie er das Glas wieder füllte. Sie wartete darauf, bis er seines ebenfalls aufgefüllt hatte und prostete ihm zu. „Auf einen schönen Abend...!“ Michael nickte nur, tippte gegen ihr Glas und trank einen Schluck, während er sie über den Rand des Behälters hinweg betrachtete.
Es war nur mehr Musik zu hören, Alex und Michael schwiegen, genossen die Gegenwart des jeweils anderen. „Warum sitze ich eigentlich hier, Michael?“, fragte Alex plötzlich, interessiert schaute sie ihm in die Augen. „Ich wollte mir meinen Abend mit der süßesten Frau Europas verschönern und das ist mir heute ganz gut gelungen...“, gab Michael zu, lächelte ihr zaghaft zu und bemerkte das Strahlen ihrer Augen. Seine Antwort schien ihr zu gut zu tun, und es gefiel ihm, dass er die richtigen Worte gewählt hatte. „Danke...“, murmelte sie geschmeichelt, langsam rutschte sie noch näher an ihn heran. „Außerdem wollte ich dich von deinen trüben Gedanken ablenken, Alex, es scheint ja gut zu klappen ...“, bemerkte Michael belustigt. Bedächtig wiegte sie ihren Kopf hin und her. „Natürlich, Michi...!“, murmelte sie. Nur in ganz besonderen Situationen benutzte sie die Koseform seines Namens, und dieser Abend war etwas ganz spezielles. Alex spürte plötzlich wieder ihr Herz, nach all den Wochen, die sich in ihrer Wohnung und in sich selbst zurückgezogen hatte.
Michael legte behutsam seinen Arm um ihre Schulter, zog Alex weiter an sich und lehnte seinen Kopf an den ihren. „Alex, weißt du, seit ich dich kenne, finde ich dich überaus toll und anziehend. Ich habe mich in dich verliebt, obwohl ich mit Katrin zusammengelebt habe und du mit Hannes, und wollte mir nicht ausmalen, dass wir vielleicht eine Chance haben könnten.“, meinte Michael und holte tief Luft, denn diese für ihn ungewöhnlich lange Rede hatte ihn mitgenommen. Alex lauschte seinen Worten noch eine ganze Weile und begriff sehr langsam, was er damit eigentlich sagen wollte. Aber war sie überhaupt bereit dazu, so rasch nach der Trennung von Hannes eine neue Beziehung aufzubauen? Erstaunt schaute sie auf, als sie merkte, dass Michael den Kopf hob, um sie besser beobachten zu können. Ein Blick in seine stahlblauen Augen bewirkte, dass ihr Herz zu rasen begann und Schmetterlinge wie wild in ihrem Bauch herumflogen. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er merkte, was in ihr vorzugehen schien. Er senkte seinen Kopf, fing an, wieder mit ihr zu schmusen, bis sie schließlich einen wunderbaren Kuss zuließen, der in ihr nicht geahnte Gefühle auslöste, die sie nicht mehr loslassen wollte. Sie ließ sich in diesen Kuss fallen, erwiderte ihn so leidenschaftlich, dass Michael ihn dann doch löste und sie erstaunt anschaute. Er grinste sie leicht an. „Was war das denn, Alex?“, fragte er belustigt. „Da ist ja jemand völlig ausgehungert!“ Beschämt nickte Alex, versteckte ihr Gesicht an seiner Brust. „Aber es hat mir gefallen.“, gestand sie. „Es könnte immer so weitergehen, Michael, ich könnte immer in deinen Armen liegen und mit dir schmusen.“ Als Beweis schaute sie ihm kurz in die Augen und küsste ihn besonders sanft. „Das macht auch kurz nach der Trennung von Hannes noch unheimlichen Spaß.“, bemerkte Alex verträumt und leckte sich gierig über die Lippen. „Diese Trennung kann doch auch ein neuer Anfang sein, kleine Alex.“, nuschelte Michael. „Und ich habe nicht vor, dich jemals wieder gehen zu lassen. Komm mit...!“ Er erhob sich, und da er sie noch immer im Arm hielt, zog er sie einfach mit sich...