Mal sehen, ob ich in diesem Forum noch neue Leser finde Also, das hier ist meine erste Gerrit-Story. Viel Spaß beim Lesen...
Auf der anderen Seite
Das Mädchen zitterte. Sie war erst 16, blond, schlank und arbeitete schon seit Jahren auf der Straße. Als sie 11 war, hatte sie angefangen, Drogen zu nehmen. Irgendwann kam das Heroin, der erste Freier und der Abstieg war unaufhaltsam. Jetzt stand sie im Red Tycoon. Der Schuppen hatte bis vor zwei Monaten Gerhard Lader gehört, einer bekannten Größe im Milieu. Jetzt war der Mann tot, bestialisch ermordet, wie man hörte und ein Neuer hatte den Laden übernommen. Den Laden, die Angestellten und die Mädchen. “Das ist Nina”, sie zickt immer ein bisschen rum.” Ben packte das blondhaarige Mädchen am Arm und zog sie ins Licht. “Sie macht den Job freiwillig, würde aber am Liebsten allein arbeiten, ohne Aufpasser.” Der Unbekannte hob den Blick und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er war riesig, über 1,90, hatte dunkelblonde Haare und einen steckenden, eiskalten Blick. Langsam musterte er die junge Prostituierte von oben bis unten. Sein eisblauen Augen schienen Nina förmlich auszuziehen. “Du willst allein arbeiten? Du bist dumm.” Sein Stimme war vielleicht recht angenehm, wenn er normal sprach, aber er hatte die Worte förmlich herausgepresst. Nina schluckte. “Ich kann auf mich selber aufpassen.” Ihr Gegenüber lachte laut auf. “Nicht dumm”, korrigierte er sich. “Nur naiv. Hör mal, Kleine. Lader ist tot. Die Stadt ist gefährlich. Du brauchst einen Beschützer.” “Der Killer tötet keine Prostituierten, nur Zuhälter”, brachte sie mutig hervor, aber ihre Stimme zitterte. Der Mann machte ein finsteres Gesicht, verengte die Augen zu Schlitzen und trat direkt vor das Mädchen. Seine Hand schnellte hoch und packte von unten ihren Kiefer. Er zwang sie, hoch zu sehen und zischte leise, aber doch hörbar: “Entweder, du arbeitest für mich, oder…” Ben lachte, was ihn einen bösen Blick von seinem neuen Boss einbrachte. “Überleg es dir. Und bis dahin, bleibst du in deinem Zimmer.” Er ließ sie los. Seine Finger hatten rote Abdrücke auf ihrer Haut hinterlassen. “Bring sie hoch, Ben und pass auf, dass sie nicht türmt.” Der nickte, packte Nina und zog sie nach oben, wo die Zimmer der Prostituierten waren. “Die Kleine ist ein dummes Huhn. Die weiß nicht, was gut für sie ist.” Melanie, eine kleine, schwarzhaarige Angestellte des Bordells trat auf den Zuhälter zu und legte ihre lackierten Fingernägel auf seine Schulter. Ihre Hand ruhte auf seiner schwarzen Lederjacke. Der Mann wand sich um. Die Hand der Prostituierten wanderte seine Brust hinab. “Aber du weißt es, oder?” “Aber sicher doch.” Sie reichte ihm ein Glas Champagner und nahm sich ebenfalls eins. Zwei weitere Mädchen blickten zu ihnen hinüber. Ein eiskaltes Lächeln huschte über sein Gesicht, dann schlug er ihr das Glas aus der Hand. Es zerschellte auf dem Boden. “Jetzt hör mir mal genau zu, Melanie. Ich bin ein ruhiger und sehr netter Mann, aber reiz mich nicht. Ich entscheide, wer für mich arbeitet, nicht du. Und ich brauche deinen Rat auch nicht und dein Meinung ist mir scheißegal.” Sie nickte scheu und zog die Hand weg, die bis dahin auf seinem Bauch gelegen hatte. Der Mann war zufrieden, griff nach der Flasche und nahm sie mit in sein Büro. An der Tür blieb er stehen und sah sich noch einmal um. “Räum die Scherben weg und komm in zehn Minuten zu mir.” “Ja, Gerrit.” “Braves Mädchen.” Er grinste anzüglich und schloss die Tür hinter sich.
Du möchtest zwar neue Leser haben, aber ich denke, ich darf dir dennoch ein Kommentar schreiben
Meine Meinung kennst Du eigentlich*g* Aber ich sags dir gern nochmal: Diese Story ist echt Wahnsinn und ich freue mich, dass Du sie in meinem Forum nochmals veröffentlichst*strahl* Du beschreibst alles so gut, dass man sich echt hierdrin verlieren kann und die Zeit vergisst....Man ist so richtig gefesselt von dir und deiner Story..
Hehe... vielen Dank für die Kommis . Und weiter geht´s:
Sechs Monate vorher:
“Der nächste tote Zuhälter”, brummte Michael und knallte eine Akte auf seinen Tisch. “Bernie Mescik. Kommt aus Krakau, lebt seit 10 Jahren in München und hat seitdem auch hier ein Bordell. Das Black Rose. Ganz übler Schuppen. Sein Mädchen sehen nicht gut aus, aber keine traut sich, ihn anzuzeigen.” Alex stand auf und trat hinter ihren Kollegen. Sie blickte ihm über die Schulter und studierte die Akten. “Würg”, sagte sie. “Genauso bestialisch abgeschlachtet.” “Mir tun die Typen nicht gerade leid, wenn man bedenkt, was die den Mädchen oft antun, aber es ist inzwischen der achte Fall in diesem Jahr. Und wir haben gerade mal Juni.” “Ja. Da hat jemand richtigen Hass auf Zuhälter.” “Den hab ich auch, aber rauslassen tu ich es nicht so.” Alex nickte und holte sich einen Kaffee. Sie drehte sich um. “Du auch?” “Immer doch, Kollegin.” Michael lehnte sich in seinem Stuhl zurück, nahm die ihm gereichte Tasse und trank einen kleinen Schluck. “Mmmm… lecker”, lobte er. “Dein Kaffee ist ein Gedicht.” Alex lachte und setzte sich wieder vor ihren PC. “Übertreib nicht so schamlos.” Sie blickte zur Tür, wo allerdings nur der Staatsanwalt stand. “Wo steckt Herr Grass?”, fragte der sichtbar genervt. Michael und Alex sahen sich an und zuckten mit den Schultern. “Wissen wir nicht. Er geht nicht an sein Handy.” “Wir haben heute Donnerstag. Und es ist das vierte Mal in dieser Woche, dass er zu spät kommt. Vier Stunden zu spät, um genau zu sein.” “Vielleicht ist er…” begann Alex, doch Kirkitadse winkte verärgert ab. “Vergessen Sie es, Frau Rietz. Keine Ausreden mehr. Ich weiß nicht, was in Herrn Grass gefahren ist, aber so geht es nicht weiter. Ich habe von seinen ständigen Eskapaden langsam die Schnauze voll.” Damit wand er sich um und knallte verärgert die Tür zu. “Ich auch”, murmelte Michael leise. Alex sah ihn verärgert an, doch dann nickte sie. Gerrit benahm sich in letzter Zeit wirklich äußerst sonderbar. Sie machte sich Sorgen um ihn. Sie blickte Michael besorgt an, doch der Wand nur mit einem Brummen den Kopf ab und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit. In diesem Moment betrat Gerrit das Büro. Aber wie. Er blieb im Türrahmen stehen, eine Zigarette im Mundwinkel, unrasiert. Seine Haare waren weder gekämmt noch gestylt. Er sah aus, als hätte er die Nacht durchgemacht und das sagte Michael ihm auch. Gerrit zuckte mit den Schulter und ließ sich auf die Couch fallen. “Geht dich einen Scheißdreck an”, giftete er. Alex sah ihn erstaunt an. “Seit wann rauchst du?” “Seit ich 12 bin. Ich hatte es nur für eine Weile aufgegeben.” Er schnippte die Kippe auf den Boden und trat sie aus. Dann kickte er sie unter Michaels Schreibtisch und sah ihn provokativ an. Der konnte sich nur mit Mühe beherrschen. “Wo kommst du jetzt her? Dein Dienst hat vor über 4 Stunden angefangen.” “Ist mir scheißegal.” “Der Staatsanwalt will dich sprechen.” Gerrit zog eine Augenbraue hoch, stopfte das Jeanshemd, welches er trug in seine Hose und stand auf. Er salutierte grinsend. “Dann melde ich mich mal bei unserem Kommandanten.” Damit ging er. Mit offenem Mund starrten die beiden ihrem Kollegen nach. Alex schüttelte leicht ihren Kopf. “Er hatte getrunken.” “Er ist stockbesoffen trifft es wohl eher.” Voller Sorge sah Michael ihm nach. “Was ist nur los mit ihm?”
Nach fast einer Stunde war Gerrit wieder da. Er grinste vor sich hin, nahm die Tasse Kaffee, die Alex ihm reichte und blieb neben ihrem Schreibtisch stehen. “Was hat er gesagt?”, fragte sie vorsichtig. “Ungebührliches Verhalten, bla, bla, bla, Schande für die Polizei, bla, bla, bla… Abmahnung, bla, bla, bla… ich soll mich ändern, bla, bla, bla…” In diesem Moment ging die Tür auf und der Staatsanwalt trat ein. Gerrit blickte ihm in die Augen, beugte sich ein wenig zu ihm nach vorn und sagte genüsslich: “Bla…” Er grinste. Kirkitadse ignorierte ihn, während Michael und Alex ihn schockiert ansahen. “Wir haben einen dringenden Fall. Es gilt, einen Zeugen zu schützen.” Er sah Gerrit an. “Sie bleiben im Büro. Frau Rietz und Herr Naseband machen das.” Gerrit nickte und ließ sich hinter Alex Schreibtisch fallen. Seine Füße legte er auf die Kante und meinte: “Seid vorsichtig und bringt mir was mit.” Die Kommissare verließen den Raum und ließen Gerrit mit dem Staatsanwalt allein. Der sah ihn mit versteinertem Gesicht an und ging dann ebenfalls. Während seine Kollegen also diesen Zeugen beschützten, suchte Gerrit in den Akten nach einigen Dingen. Er grinste und druckte sich eine Seite aus. ‘Bevorstehende Razzien im Rotlichtviertel’. Hastig steckte er sie ein, bevor noch jemand sah, was er hier tat.
Oh, eine geile Fs!!! Suuuuper!! Ich bin so absolut begeistert!! Kann mir die ganze Situation so bildlich vorstellen!! Gaaaaanz schnell weiter, bitte, sonst werd ich noch ganz kirre... *gg*
Vielen Dank für die Kommis und hier der nächste Teil:
Einige Tage später, Michael und Gerrit hatten sich etwas zu essen geholt und fuhren jetzt zum Kommissariat zurück, sahen sie, wie ein Mann einer Frau die Handtasche entriss. “Halt an”, schrie Gerrit Michael an und sprang aus dem Wagen, noch bevor der richtig stand. Er hechtete dem Taschendieb nach und hatte ihn nach wenigen Metern eingeholt, da dieser, von Panik getrieben, in einen Hinterhof gerannt war. “So, du kriminelles Subjekt”, sagte Gerrit böse und drückte ihn gegen eine Mauer. “Hab ich dich.” “Ich ergebe mich”, schrie der gepeinigt, denn Gerrit verdrehte ihm brutal den Arm. “Ich mach sowas nie wieder.” “Natürlich nicht, Kleiner. Ich werde nämlich dafür sorgen, dass du in der nächsten Zeit keine alten Damen mehr überfallen kannst.” Er riss ihn herum und legte seine Hand um dessen Hals. Der Junge, vielleicht 16 Jahre alt, zitterte und röchelte panisch. Erbarmungslos drückte Gerrit zu. “Gerrit, hör auf.“ In diesem Moment kam Michael um die Ecke gerannt und riss seinen Kollegen von dessen Opfer weg. Gerrit wirbelte herum und hieb ihm die Faust gegen den Kiefer. Michael taumelte zurück und griff automatisch nach seiner Waffe. Gerrit jedoch hob leicht die Hände. “Sorry, Micha, ich wusste nicht, dass du es bist.” “Ich habe dich gerufen.” “Hab ich nicht mitbekommen.” “Na klar.” Michael war stinksauer, außerdem schmerzte seine rechte Wange und sein Kiefer. Er nahm den Jungen fest und brachte ihn zum Dienstwagen. Schweigend fuhren sie zurück. “Ich werde darüber in meinem Bericht schreiben.” Gerrit zuckte mit den Schulter. “Mach es doch, Petze.” Wütend funkelte Michael ihn an, doch Gerrit schien es egal zu sein. Also schüttelte er den Kopf und fuhr weiter.
Wie angekündigt hatte Michael den Bericht wahrheitsgemäß verfasst, so dass einige Stunden nach dem Vorfall Staatsanwalt Kirkitadse auf der Matte stand. “Haben Sie den Verstand verloren, Herr Grass?”, fragte der empört. “Körperverletzung in zwei Fällen.” “Ich wollte den Jungen nur erschrecken, damit er das nicht wieder macht.” Die Ausrede klang sehr lahm. “Ja, klar.” Gerrit sah Michael wütend an, dessen Wange und Oberlippe von dem Schlag geschwollen war. “Hey, ich hatte mich entschuldigt. Aber wenn du so eine Memme bist…” “Jetzt halten Sie die Luft an, Herr Grass. Sogar der Junge hat bestätigt, dass Sie Herrn Naseband gehört haben müssen. Sie sind nämlich kurz erschrocken, als er Sie gerufen hat.” Jetzt schwieg Gerrit. Er zuckte nur beleidigt mit den Schulter. “Und nun?” “Ich hatte Sie gewarnt. Das ist die zweite Abmahnung. Noch so ein Ding und ich schmeiße Sie raus.” “Sie können mich mal kreuzweise, Herr Staatsanwalt.” Gerrit nahm sich seine Jacke und ging in Richtung Tür. “Ich hab Feierabend.” Als er das Zimmer verlassen hatte, schlug Michael wütend auf den Tisch. “Verfluchte Scheiß”, schimpfte er. “Ich dachte, es würde ihn zur Vernunft bringen, mal offen mit uns zu reden, aber es hat alles nur Schlimmer gemacht. Hätte ich den blöden Bericht nur nicht geschrieben.” “Machen Sie sich keine Vorwürfe, Herr Naseband. Herr Grass scheint im Moment nicht er selber zu sein.” Kirkitadse ging. Allerdings murmelte er noch: “Und der neue Gerrit Grass ist für die Polizei nicht mehr tragbar.”
Alex und Michaels Sorgen wuchsen von Tag zu Tag. Sie kamen mit ihrer Arbeit kaum noch hinter, da sie eigentlich ständig über Gerrit redeten. Michael fing sogar an, ihm nachzuschnüffeln, was Gerrit jedoch sehr schnell bemerkte und was letztendlich wieder zu einem Streit zwischen den beiden führte. Nach dem Streit hatte sich Gerrit aus dem K11 verkrümelt, obwohl er eigentlich noch Dienst hatte. Es war fast Mitternacht, noch relativ warm und sternenklar. Gerrit lief eilig durch die Straßen der Stadt und stand plötzlich vor dem Red Tycoon. Er zögerte kurz, dann ging er hinein. “Der Herr Kommissar”, sagte Gerhard Lader. “Ich muss mit Ihnen reden.” Lader sah sich um, einige Kunden sahen den neuen Gast skeptisch an. Also nickte er und führte Gerrit in sein Büro. Er bat ihn, Platz zu nehmen und bot ihm ein Glas Champagner an. Und zu seiner Überraschung nahm Gerrit auch an. “Was wollen Sie von mir?”, fragte Lader jetzt direkt. Gerrit nippte an dem Glas. “Sie warnen. Ihre kleinen Drogengeschäfte sind der Polizei schon lange ein Dorn im Auge.” “Ich weiß nicht, wovon Sie reden und ich muss mir auch nichts unterstellen lassen.” “Halten Sie die Schnauze, Lader”, fuhr Gerrit ihn an, beugte sich über den Tisch und sah dem Zuhälter direkt ins Gesicht. “Wenn zum Beispiel nächste Woche Dienstag um 18:30 Uhr hier eine Razzia stattfinden würde, was würden die Kollegen dann finden?” Mit offenem Mund saß Lader in seinem Sessel. Dann schluckte er, räusperte sich und sagte: “Nichts.” Gerrit nickte und kippte den Champagner hinter, der noch in seinem Glas war. Dann ging er zur Tür. “Hey, warum machen Sie das, Mann?” “Weil ich jemandem in den Arsch treten will.” Mit einem bösen Lächeln auf den Lippen verschwand er aus dem Büro und ließ einen verdutzten und zugleich hocherfreuten Zuhälter und Bordellbesitzer zurück.
Als am Dienstag dann tatsächlich die Razzia stattfand, waren die Polizisten einigermaßen überrascht. Denn, nicht nur, dass sie keine Drogen fanden, wie ein Informant garantiert hatte, nein, sie sahen auch Gerrit Grass, einen Kollegen vom K11 in einer Nische sitzen und sich mit einem der Mädchen unterhalten. Der Leiter der Einheit machte sich eine gedankliche Notiz. Er wollte mal mit Michael Naseband darüber reden. Der war schließlich sowas wie der indirekte Vorgesetzte von Grass. Zwei Tage später wurde Gerrit in das Büro des Staatsanwaltes zitiert, wo Michael bereits saß und mit Kirkitadse redete. Gelangweilt ließ Gerrit sich auf einen Stuhl fallen, ohne zu grüßen. “Herr Grass, es geht um den Einsatz im Red Tycoon”, begann Kirkitadse sofort. “Ist nach hinten losgegangen”, grinste Gerrit. “Ein halbes Jahr Ermittlungsarbeit für die Katz.” “Schön, dass Sie das freut.” Ärgerlich blickte der Gerrit an. “Was hatten Sie in dem Laden zu suchen?” “Das geht sie nichts an. In meiner Freizeit kann ich machen, was ich will, klar?” Gerrit verengte die Augen zu schlitzen und funkelte dann Michael an. “Und, wieder was zu klagen über mich?” Michael schluckte. Er konnte Gerrit einfach nicht verstehen. “Du warst nicht während deiner Freizeit da, sondern während deiner Schicht. Das du nicht zur Arbeit erscheinst, daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Aber dass du in so einem Laden rumhängst…” “Uh, jetzt bist du aber enttäuscht, oder?” Gerrit grinste schadenfroh und sah dann Kirkitadse an. “Ich brauchte etwas Entspannung.” “Haben Sie Lader verraten, dass dort eine Razzia stattfinden wird?” Schweigen. Michael und der Staatsanwalt sahen Gerrit herausfordernd an. Der blickte kurz auf den Boden, dann sah er Kirkitadse an. “Nö, der zahlt nicht gut genug. Kann ich jetzt gehen?” “Ja.” Gerrit ging. Noch bevor er zur Tür hinaus war, zündete er sich eine Zigarette an. Michael saß bei Kirkitadse und sah ihn eine Weile schweigend an. “Er hat gelogen”, sagte er schließlich. “Ich weiß.” Der Staatsanwalt tippte mit einem Kuli auf einer Akte rum. “Ich müsste ihn rausschmeißen.” Michael nickte. “Ja. Aber warum tun Sie es nicht?” “Weil ich befürchte, wenn ich das tue, verlieren wir ihn komplett an die Gegenseite.”
In den folgenden Wochen fanden noch mehrere Razzien statt, die alle ergebnislos verliefen. Nicht einmal wurde etwas gefunden. Und immer sagten Zeugen aus, dass Gerrit Grass Tage zuvor im jeweiligen Etablissement gewesen sei. Michael führt die Befragung selber durch, mit einem Bild von Gerrit in der Hand. Er war entsetzt, enttäuscht und wütend. Am liebsten hätte er Gerrit den Hals umgedreht. Vor allem dafür, dass er Alex solche Kopfschmerzen und Sorgen bereitete. Die dachte nämlich nur noch darüber nach, was mit ihm los sei und wie man ihm helfen könne. Er und Kirkitadse unterhielten sich oft über Gerrit, wobei der Staatsanwalt von Gespräch zu Gespräch einsilbiger wurde. Und konkreter. Am Anfang hatte er versucht, herauszufinden, was mit Gerrit los war. Jetzt suchte er nach Beweisen, dass der die Razzien verraten hatte und somit nach einem endgültigen Grund, ihn rauszuschmeißen. Und den bekam er während einer Vernehmung. Sie hatten den Besitzer des letzten Bordells im Kommissariat. Wieder war die Aktion schief gelaufen und Paul Berger saß nun grinsend im Vernehmungszimmer. “Sie haben nicht eine Spur von Koks gefunden. Warum halten Sie mich fest? Eigentlich könnte ich aufstehen und gehen.” “Versuch es Paule”, sagte Michael drohend. “Herr Naseband…” Kirkitadse sah ihn strafend an, dann wand er sich an Berger. “Wir haben zwei Ihrer Mädchen hier. Die sind minderjährig. Da kommt Einiges auf Sie zu.” In diesem Moment öffnete Alex die Tür und legte Berger ein Blatt vor die Nase. “Die Mädchen haben ausgepackt. Sie wurden zur Prostitution gezwungen. Und man hat sie mehrfach brutal vergewaltigt.” Jetzt wurde Berger nervös. “Was kann ich dafür, dass meine Jungs die Mädchen bei mir anschleppen. Ich wollte sie ja wieder rausschmeißen, aber…” “Hören Sie auf, Berger”, sagte Michael. “Aber, was mich viel mehr interessiert, wer hat unsere Razzia verraten.” Der Zuhälter schwieg. Dann sah er den Staatsanwalt an. “Krieg ich weniger, wenn ich es sage?” “Spucken Sie es aus, verdammt noch mal”, fuhr Michael den Mann an, sprang hoch und packte ihn am Kragen. “Michael”, rief Alex und ging dazwischen. Sie sorgte dafür, dass ihr Kollege den Mann wieder losließ und sah Berger dann an. “Es war ein Kollege von uns, oder?” Der zog an seinem Hemdkragen. “Ja.” Michael schob ihm ein Bild von Gerrit zu. “Der hier?” “Hey, Sie wissen es ja schon.” Kirkitadse ballte die Fäuste. Dann stand er langsam auf. “Das war zuviel. Irgendwann reißt auch bei mir der Geduldsfaden.” Er schlug mit der Faust auf den Tisch. “Und zwar genau jetzt.” Damit stürmte er aus dem Vernehmungszimmer und in Richtung des Büros von Alex und Michael, wo er Gerrit vermutete.
Die Tür zum Büro flog auf und der Staatsanwalt stürmte herein. Gerrit blickte kurz von seiner Zeitung hoch, die er gerade las und widmete sich dann wieder dem Artikel. Hinter Kirkitadse traten jetzt auch Michael und Alex ein. “Wie haben mehrer Zeugenaussagen vorliegen, dass Sie, Herr Grass, unsere Aktionen verraten haben. Stimmt das?” “Na wenn die Zeugen das sagen.” Michael hielt es nicht mehr aus. Er schlug Gerrit die Zeitung aus der Hand und packte ihn am Kragen. Mit vor Zorn gerötetem Gesicht sah er seinen Kollegen an. “Wieso machst du das? Du weiß genau, wieviel Arbeit dahinter steckt.” “Ach, leck mich doch. Vielleicht hab ich einfach keinen Bock mehr auf diese Spießigkeit und den ganzen Scheiß hier. Das geht mir alles so auf den Sack.” Er blickte zu Alex hinüber, die mit Tränen in den Augen in der Tür stand. Für den Bruchteil einer Sekunde huschte so etwas wie Bedauern über dessen Gesicht. Doch dann wurde es wieder hart und er blickte Michael an. Der konnte sich kaum noch beherrschen. Doch in diesem Moment schaltete sich Kirkitadse ein. “Herr Grass, bis der Fall endgültig geklärt ist, suspendiere ich sie vom Dienst. Sie werden mit jetzt ihre Dienstwaffe und ihren Ausweis aushändigen und das Kommissariat dann auf der Stelle verlassen. Alles andere klären wir in einem Anhörungsverfahren.” “Ist nicht nötig. Ich kündige.” Er zog seine Dienstwaffe und reichte sie dem Staatsanwalt. Seinen Ausweis zerriss er und warf ihn Kirkitadse vor die Füße. “Tschüß, Kollegen. Man sieht sich.” Damit ging er.
Eine Weile herrschte Schweigen. Dann kam Alex in den Raum, hob die zwei Teile von Gerrits Ausweis auf und starrte mit Tränen in den Augen darauf. Sie sah Michael an und flüsterte leise: “Wieso?” Eine Träne kullerte über ihre Wange. Der zuckte resigniert mit den Schultern. “Ich weiß es nicht, Alex.” Er nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. Sie schluchzte leise. Kirkitadse murmelte etwas von einem Termin und verschwand. Als Alex sich nach ein paar Minuten wieder gefangen hatte, sah sie Michael an. “Ich verstehe das nicht. Er ist mit Leib und Seele Polizist.” “Er war es.” Michael sah sie unendlich traurig an. Er hatte nicht nur einen Kollegen verloren, sondern vor allem einen Freund. Geistesabwesend strich er ihr über die Haare.
Gerrit lief ziellos in der Stadt herum. Okay, er hatte jetzt keine Arbeit mehr. Aber irgendwoher musste er die Kohle für die nächste Miete nehmen. Er kehrte bei einem Döner-Imbiss ein, aß etwas und las die Stellenanzeigen einer dort ausliegenden Zeitung. Es sah nicht so rosig aus. Nach zwei Stunden, es war bereits dunkel draußen, ging er wieder. Sein Weg führte ihn ins Rotlichtviertel. Vielleicht gab es hier ja etwas für ihn zu tun. Also ging er direkt zum Red Tycoon. Gerhard Lader staunte nicht schlecht, als Gerrit in seinem Büro stand. “Wieso haben meine Leute Sie reingelassen?” “Haben Sie nicht freiwillig, aber ich bin besser ausgebildet.” Gerrit setzte sich und nahm sich eine auf dem Tisch liegende Zigarre. “Ich brauch ´nen Job.” Lader machte noch größere Augen. “Wie bitte? Stellenabbau bei der Polizei oder was?” “So ähnlich. Ich habe diesen Scheiß-Job hingeschmissen. Ich will was machen, wo ich auch Geld verdiene.” Jetzt dachte der Zuhälter genauer nach. Gerrit Grass war kein Schwächling. Und er kannte die meisten Zivilpolizisten. Vielleicht konnte er ihn eine Weile gebrauchen. Und wenn er ihn loswerden musste… es gab Mittel und Wege. Er nickte. “Okay. Ich brauche jemanden der mir hilft. Ich kann… ich kann dich anlernen.” Gerrit nickte und reichte ihm die Hand. “Ich heiße Gerrit.” “Gut, Gerrit. Du wirst hier alles mal machen, vom Putzen bis hin zum Dealen. Du passt auf die Mädchen auf, dass die keinen Unsinn machen und mich nicht bescheißen und auf die Freier, dass die den Mädchen nichts tun. Wer Stress macht, fliegt. Klar?” “Ist klar. Sind die Mädchen freiwillig hier?” “Ja. Alle. Von Zwang halte ich nicht viel. Wenn eine gehen will, lass ich sie ziehen. Auch ohne Ablösesumme. Einige sind nach einer Weile sogar wieder gekommen.” Gerrit hörte aufmerksam zu und nickte. “Und wie weit dürfen die Freier gehen?” “Soweit, wie vorher vereinbart. Will einer plötzlich mehr, fliegt er raus. Zahlen muss er trotzdem. Ach ja, wenn dir eine der Damen gefällt, sag mir Bescheid. Das wird dann mit ihr abgesprochen und sie bekommt von mir etwas Geld. Aber so wie du aussiehst, machen die es dir bestimmt auch kostenlos.” Er lachte dreckig. Gerrit grinste leicht. “Apropos Gehalt. Was krieg ich eigentlich?” “500 Euro. Die Woche. Plus 1000 am Monatsende, wenn du den vorigen Monat keinen Scheiß gebaut hast.” “Klingt gut. Sie können sich auf mich verlassen, Boss.” “Das hoffe ich.” Lader beugte sich über den Tisch vor und nahm Gerrit die Zigarre ab. “Mach keinen Unsinn und versuche nicht, mich zu verarschen. Da bin ich sehr empfindlich.” Gerrit nickte, stand auf und reichte seinem neuen Arbeitgeber die Hand. “Kann ich gleich anfangen?” “Ja, du gehst zu Benny, entschuldigst dich und akzeptierst es, wenn er dir eins in die Fresse gibt. Raus jetzt.”
Zum Glück dachte Benny überhaupt nicht daran. Als Gerrit ihm erzählte, dass er jetzt auch für Lader arbeitete, nickte der erfreut und reichte ihm die Hand. “Ich bin hier der Türsteher und wie alle anderen, das Mädchen für alles. Du hast einen ganz schönen Schlag drauf.” Er deutete auf sein Kinn, welches an einer Seite etwas anschwoll. “Siehst gar nicht so aus.” “Hallo? Ein bisschen was lernen wir bei der Polizei ja auch.” “Kannst du mich unterrichten?” “Klar, jederzeit.” “Hey, super Mann. Er holte zwei Flaschen Bier und stieß mit Gerrit an. “Auf gute Zusammenarbeit, Kollege.” Der grinste und trank. Den Rest des Abends und der Nacht stand er mit Benny am Eingang und plauderte. Sie passten auf, dass nur Besucher in den Laden kamen, die auch zahlen konnten. Stammkunden waren am Liebsten gesehen. “Eins noch”, erklärte Benny Gerrit, bevor sie sich um 4 Uhr morgens voneinander verabschiedeten. “Wenn die Mädchen sich hin und wieder ´ne Line gönnen, ist das okay. Wenn du bemerkst, dass eine süchtig ist, sag Bescheid. Junkies wirtschaften nur in die eigene Tasche, der Boss mag sowas nicht. Du siehst das als Ex-Bulle wahrscheinlich eher.” Gerrit nickte. “Ich war eine ganze Weile beim Drogendezernat.” “Na prima. Dann kennst du doch die Tricks der Junkies.” Gerrit nickte, winkte Benny zu und verschwand nach Hause. Er war todmüde.
Die nächsten Tage arbeitete Gerrit sich immer mehr in seinem neuen Job ein. Er lernte alles. Vom Reinigen der Zimmer, über die Aufgaben an der Bar, bis hin zum Türsteherjob. Und seine erworbenen Fähigkeiten als Polizist halfen ihm, zum Beispiel bei Kunden zu merken, wenn die etwas im Schilde führten. Lader war zufrieden mit ihm, vor allem, da seine Konkurrenz sich merklich zurück hielt, seit sich rumgesprochen hatte, dass ein Ex-Bulle führ ihn arbeitete. Was Gerrit am meisten verblüffte, war die Tatsache, wie viele seiner Ex-Kollegen, sich des Nachts in solchen Etablissements herumtrieben. Er begegnete ihnen nicht nur im Club, sondern auch auf der Straße. Und er musste zugeben, dass es ihm Spaß machte, diese Ex-Kollegen an der Tür abzuwimmeln und zu sehen, wie sie mit eingezogenem Schwanz und vor Verlegenheit rotem Gesicht davonzogen.
Ich kenn deine Story mitlerweile in und auswendig...Und ich krieg immer noch nicht genug davon!!!! Gerrit im Millieu...DAS hat definitiv etwas
Aber nun fallen mir einige Details noch mehr auf, die auf meine - dir bekannte Vermutung - hindeuten. Und genau das find ich interessant...Ich kann diese Story nun analysieren, nach Hinweisen suchen etc...Das ist herrlich...
Und wie immer freu ich mich auf neue Teile von dir!
geil...absolut der hammer...ich bin sprachlos...so ein klasse story!! aber gummy hat recht, gerrit im rotlichmilieu...DAS hat in der tat was... schnell weiter, bitte, hau in die tasten!!
Danke für die Kommis und weil ich heute irgendwie meinen guten Tag hab, was Stories on stellen angeht.. hier noch ein Teil:
Als Gerrit bereits einen Monat für Lader arbeitete, trug dieser ihm auf, einen Drogendeal abzuwickeln. Gerrit nickte, nahm den Koffer mit dem Geld und fuhr zusammen mit Ben los. Den hatte Lader vorsichtshalber mitgeschickt, falls Gerrit auf die Idee kommen würde, mit der Kohle zu türmen. Immerhin hatte er 5 Millionen bei sich. Der Deal lief leider nicht so glatt, wie Ben und Gerrit es sich gewünscht hätten. Der Dealer war ein ziemlich bekannter Betrüger. Das wusste Gerrit noch aus seiner Zeit bei der Drogenfahndung. Leider hatte Lader davon keine Ahnung gehabt, als er das Geschäft aufgezogen hatte. Jetzt stand der Typ, Black Snake genannt, vor Gerrit und bedrohte den mit einer Waffe. Zum Glück war Ben pinkeln gegangen, da der Dealer sich unheimlich verspätet hatte und konnte sich jetzt von hinten an den anschleichen, während Gerrit ihn mit sinnlosem Gequatsche ablenkte. Ben schlug Black Snake nieder. Gerrit nahm den Koffer und blickte hinein. “Er hat den Stoff dabei, riskiert aber hier so eine große Lippe und einen noch schlechteren Ruf als er eh schon hat.” Ben nickte zustimmend. “Der Typ ist ein Idiot. Dachte der wirklich, der kann einfach mit dem Geld vom Boss durchbrennen?” Inzwischen hatte Gerrit vorsichtig das Rauschgift probiert. Er spuckte aus und schloss den Koffer. Beide Koffer stellte er in den Kofferraum des Wagens, dann zog er seine Waffe, trat auf Snake zu, der gerade wieder zu sich kam und schoss ihm in den Bauch. Dann ging er seelenruhig zu seinem Wagen, startete und fuhr los. Ben war schon eingestiegen und sah Gerrit geschockt an. “Warum hast du den Typen erschossen?” “Als Warnung. Niemand verarscht den Boss.”
Gerhard Lader war froh, dass Gerrit auf seiner Seite stand. “Hauptsache, du hast keine Spuren hinterlassen”, sagte er und reichte Gerrit eine kleine Tüte von dem Koks. “Aber du warst ja lange genug bei den Bullen, du weißt hoffentlich, wie man sowas vernünftig erledigt.” “Sicher doch.” Gerrit sah auf das Kokain in seiner Hand. “Wenn ich davon aber zu viel nehme, hab ich bald nicht mehr genug Grips um solche Aufträge zu erledigen.” Lader lachte auf. “Sehr vernünftige Einstellung, Gerrit. Das ist für die Party am Wochenende in meiner Villa. Du bist eingeladen und sollst dich ja schließlich amüsieren.” Gerrit nickte, steckte die Drogen in seine Hosentasche und ging zum Eingang, wo Ben auf ihn wartete.
Das Wochenende verbrachte Gerrit dann in der Villa seines Chefs. Er knüpfte Kontakte, unterhielt sich nett mit den Mädchen und genoss die entspannte Atmosphäre. Stundenlang lag er in einem parkähnlich eingerichteten Raum, ausgestattet mit einem Pool mit leichtem Wellengang und echtem Sandstrand. So ließ es sich leben. Zusammen mit einigen anderen probierte er das Rauschgift, welcher sein Boss ihm geschenkt hatte. Da er vorher noch nie Kokain genommen hatte, nahm er sehr wenig und verschenkte den Rest. Als sein Boss ihn darauf ansprach, begründete Gerrit es damit, dass er gern Herr der Lage blieb. Der nickte grinsend und sagte loben: “Du wirst hier noch eine richtig große Nummer, Gerrit. Ein ganz Großer der Unterwelt.”
Dieser Meinung waren auch Alex und Michael, die in ihrem Büro saßen und Akten durcharbeiteten. Gerrit hatten sie inzwischen abgeschrieben. Er hatte sich entschieden, da ließ sich nichts mehr ändern. Obwohl sie jetzt mehr mit ihm zu tun hatten, als früher. Sein Name tauchte immer wieder auf. Immer wieder, wenn es um Drogendelikte ging, um Zuhälterei, um Körperverletzungen und sogar bei einem noch ungeklärten Mordfall. Ein Dealer war bei einem Deal erschossen worden. Und einige Milieuangestellte behaupteten, es wäre Gerrit gewesen. Michael und Alex konnten und wollten es nicht glauben. Sie hatten mit Spannung auf die Obduktion gewartet, doch die Leiche war verschwunden. Auf dem Weg vom Tatort zum Doc einfach abhanden gekommen. Michael hatte getobt. Es war einfach nicht zu glauben, dass unter den Augen der Polizei eine Leiche verschwand. Staatsanwalt Kirkitadse war verärgert gewesen und hatte das K11 von dem Fall abgezogen. Das K9 war jetzt dabei, nach dem verschwundenen Toten zu suchen. Kirkitadse hatte es damit begründet, dass die Mitarbeiter des K11 mit der Mordserie an den Milieugrößen und Zuhältern genug zu tun hatte. Aber Michael kam es komisch vor. Alex seufzte und schaute von ihrem Computer hoch. “Es hat eine Drogenrazzia in einem der Clubs von Lader gegeben. Diverse Anzeigen wegen Drogenbesitz, aber keine wegen Drogenhandel. Keiner der dort anwesenden hatte genügend dabei, dass man ihm hätte was nachweisen können.” Michael hörte nur mit einem halben Ohr hin. “War Gerrit dort? Der scheint ja inzwischen die rechte Hand von Lader zu sein.” “Ja. Er war da und hat die Polizisten förmlich wieder rausgeschmissen, als die fertig waren.” “Dieses Arschloch”, murmelte Michael. In ihm wühlte ein unbändiger Hass auf seinen ehemaligen Freund und Kollegen. Er fühlte sich von ihm verraten und verarscht. Alex senkte leicht den Blick. Sie hatte Gerrit ewig vor den üblen Reden der Kollegen in Schutz genommen. Immer wieder hatte sie sich vor ihn gestellt. Bis auch sie die Augen nicht mehr vor der Wahrheit verschließen konnte. Gerrit war übergelaufen. Die Tür wurde geöffnet. Kirkitadse kam mit einer Akte rein und legte sie Michael auf den Tisch. “Ein neuer Mord. Gerhard Lader wurde umgebracht.” Michaels Kopf schnellte hoch. “Wie bitte?” “Geht es Gerrit gut?”, fragte Alex, sich sofort auf die Zunge beißend. Nein, innerlich hatte sie es wohl doch noch nicht ganz akzeptiert. Der Staatsanwalt brummte etwas. “Ja, zu gut. Er ist drauf und dran das Bordell von Lader zu übernehmen. Es wird noch eine Weile dauern, vielleicht einen Monat, vielleicht zwei, dann weiß jeder, dass der Ex-Polizist jetzt ganz oben mitmischt.”
Gerrit saß in seinem Büro. Sein Büro. Das Red Tycoon gehörte jetzt ihn. Er sah sich einige Unterlagen an. Personalakten der Mädchen, die für seinen ehemaligen Boss gearbeitet hatten. Und auch welche von den anderen. Leibwächter, Schläger, Spitzel. Er durchwühlte die Schubladen und fand, was er suchte. Einen Schlüssel und eine Geheimzahl. Sie gehörte zum Safe hinter dem Selbstbildnis von Lader. Es klopfte und er schloss die Schublade wieder. Stattdessen nahm er sich eine Zigarre, zündete sie an und rief: “Komm rein.” Zögernd trat Melanie ein. “Ich sollte herkommen, Gerrit.” Der stand auf und ging auf sie zu. Ernst sah er auf sie hinab. “Wieviel hat Lader euch bezahlt?” “20 Prozent unserer Einnahmen.” “Arbeiten hier Frauen, die weg wollen?” “Nein. Lader war einer der netteren Zuhälter. Okay, wenn ihm was nicht gepasst hat, hat er auch mal zugeschlagen, aber eher selten.” Gerrit nickte. Egal, was er hier seit Monaten machte, Gewalt gegen Frauen war ihm zuwider. “Hier wird sich Einiges ändern.” “Ja, Gerrit.” Das Mädchen trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Gerrit legte einen Zeigefinger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf hoch. “Seit wann machst du den Job?” “Seit 7 Jahren.” “Du bist… 25. Hast du keine Lust, mal was Vernünftiges zu versuchen?” “Und dann auf der Straße landen, weil ich mir nicht mal mehr ´ne Wohnung leisten kann? Nein.” Er verzog das Gesicht. “Du machst den Job gern?” “Es gibt durchaus Freier, mit denen es Spaß macht.” “Und mit Lader…?” Melanie sah nach unten. “Er war immer ziemlich grob beim Sex. Aber, wie gesagt, ich hatte schon andere und die waren alle schlimmer.” Sie strich mit einer Hand leicht über Gerrits Seidenhemd. “Ich bin ziemlich gut. Wenn du mal etwas Entspannung brauchst…” Gerrit grinste. “So? Meinst du ich wäre verspannt?” Sie ließ ihre Hand nach unten gleiten und strich einige Male über seine Hose. “Ja, ein wenig schon.” Sie blinzelte ihn an. Der grinste, zog an der Zigarre und lehnte sich bequem gegen den Schreibtisch, während Melanie vor ihm auf die Knie sank.
Es gab bei den Mädchen einen Spruch: Ein befriedigter Zuhälter ist ein guter Zuhälter. Und sie waren einigermaßen beruhigt, als Gerrit und Melanie aus dessen Büro kamen. Gerrit grinste leicht und hatte einen Arm um die Schulter des Mädchens gelegt. Sie lächelte leicht und leckte sich mit einer eindeutigen Geste über die Lippen. Dann ging sie mit ihm zum Tresen und reichte ihm ein Glas Champagner. “Hört mal zu, Mädels”, sagte Gerrit nach dem ersten Schluck. “Wir ändern jetzt mal einige Dinge. Ich brauch nicht so viel Kohle, aber ich will eure Treue.” Interessiert blickten sie ihn an. “Ihr bekommt 80 Prozent eurer Einnahmen. Wenn eine gehen will, kann sie sofort machen. Außerdem besorge ich euch einen Arzt, der euch bei jedem kleinen Muskelkater umsorgt. Wenn ihr Probleme habt, könnt ihr zu mir kommen… Ich habe immer ein offenes Ohr, aber wenn eine von euch es wagen sollte, mich zu hintergehen, werde ich sauer. Und das wollt ihr nicht…” Er machte eine Pause. Dann sah er zu Ben hinüber, der überrascht zuhörte. “Du suchst noch zwei Leute, die ich mit einstellen kann. Ihr bekommt eine zusätzliche Aufgabe. Ihr passt auf die Mädchen auf. Sie sind mein Kapital und ich will, dass es ihnen gut geht.” Er sah die Damen an. “Wenn ein Typ was will, was ihr nicht geben wollt, dann lasst es. Sprecht eure… Neigungen unter euch ab und verweist die Kunden an die anderen. Sollte ein Typ meinen, bloß weil ihr Nutten seid, müsst ihr alles machen, ruft Ben oder die anderen oder mich.” Damit schob er den Damen eine volle Flasche Champagner hin und ging nach oben in das Zimmer, in welches man Nina gebracht hatte. Seine Angestellten saßen ziemlich steif auf ihren Barhockern und sahen sich erstaunt an. “Hat der was genommen?”, fragte Saskia, eine ziemlich üppige Blondine. Melanie schüttelte den Kopf. “Hab nichts gesehen.” “Okay, dann…” Ben ließ den Korken durch den halten Raum fliegen. “Auf Gerrit. Den entweder bescheuertsten oder coolsten Chef, den man haben kann.” Die Mädchen stießen mit an. Ihr Job war kein Zuckerschlecken, aber mit Gerrit als Chef würden sie endlich richtig gut verdienen. Und er machte nicht den Eindruck, als ob er es duldete, wenn seinen Mädchen was passierte. Er würde sie beschützen, wirklich beschützen, was in diesem Milieu sehr selten war.
Michael und Alex hatten eine anstrengende Nachtschicht hinter sich. Es war fast 7 Uhr, sie war einfach so in ihre Akten vertieft gewesen, dass sie beide nicht auf die Uhr gesehen hatten. Jetzt gingen sie müde zu ihren Autos. Das heißt, sie gingen zu Michaels, da Alex ihres in der Werkstatt hatte. Als sie saßen, wollte Michael den Motor starten, um seine Kollegin nach Hause zu fahren, als er plötzlich einen Mann aus dem Kommissariat treten sah, gefolgt von Staatsanwalt Kirkitadse. “Was…?” Mit offenem Mund blickte er nach draußen. Alex folgte seinem Blick. “Wer ist das?” “Black… Snake”, stotterte Michael. “Das ist Black Snake.” “Der Dealer? Aber der ist doch tot. Wir haben doch sogar eine Weile gegen Gerrit ermittelt.” “Ja und dann war plötzlich die Leiche weg und das noch vor der Obduktion. Und die Ermittlungen hat Kirkitadse uns entzogen, weil wir angeblich zu tief drin stecken würden, wegen Gerrit und … jetzt rennt der Typ hier rum und unterhält sich mit dem Staatsanwalt.” Verblüfft sahen sich die beiden Kommissare an. Sie entschieden sich, dem Mann zu folgen. Der fuhr direkt in Gerrits Bordell. Er verschwand durch die Hintertür. Michael und Alex beschlossen, ihm zu folgen.
Gerrit öffnete die Tür, sah die Kleine auf dem Bett sitzen und schloss hinter sich wieder ab. Er sah die ängstlichen Augen, den wissenden Blick. Er schüttelte den Kopf, nahm sich einen Stuhl und setzte sich in neben das Bett. “Warum lungerst du immer hier vor dem Bordell rum?” “Ich suche Freier.” “Du bist 16, verdammt noch mal. Geh in die Schule, such dir einen vernünftigen Job.” “Und bei welchem normalen Job verdiene ich die 800 Euro am Tag, die ich für den Stoff mittlerweile brauche.” Gerrit riss die Augen auf. “Wieviel drückst du? Spinnst du? Bei anderen Leuten reicht das für zwei Goldene.” Nina sah den Mann an. Er schien nicht mit ihr schlafen zu wollen, was andere Zuhälter immer wollten, wenn sie sie aufgriffen. Er schien sich echte Sorgen zu machen. “Was willst du von mir, Gerrit?” “Ich will, dass du einen Entzug machst.” “Warum sollte ich? Mein Leben ist eh hinüber.” “Das muss nicht sein.” “Doch. Ich hab keine Hoffnung mehr. Die hab ich vor langer Zeit aufgegeben.” Traurig blickte sie ihn an. “Kann ich für dich arbeiten?” Erstaunt blickte Gerrit das Mädchen an. “Aber vorhin wolltest du unbedingt frei sein?” “Vorhin kannte ich dich auch nur vom Reden. Jeder andere Zuhälter hätte längst auf mir gelegen.” Gerrit schluckte. “Ich kann dich nicht beschäftigen. Nicht als Prostituierte. Du dürftest nicht mal in dem Laden hier sein.” Enttäuscht schob sie die Unterlippe vor und zog einen Schmollmund. Gerrit verstand, was die Männer an ihr so anziehend fanden. “Warum nicht?” “Weil du erst 16 bist, verdammt noch mal.” “Hast du Schiss vor den Bullen? Ist doch Quatsch. Mensch, bitte, warum sträubst du dich so? Ich bring dir bestimmt viele Kunden.” “Ich kann dich hier nicht arbeiten lassen.” Gerrit gingen die Argumente aus. “Es geht einfach nicht.” “Warum denn nicht?” “Weil …” In diesem Moment wurde es laut im unteren Stockwerk. Gerrit sprang auf und rannte nach unten.
Michael und Alex waren durch die Hintertür geschlichen und hatten noch gesehen, wie Black Snake in die obere Etage verschwand, als sie plötzlich von zwei Typen festgehalten wurden. Ben und Ali, Gerrits neuer Angestellter, blickten die Kommissare böse an. “Was macht ihr hier? Frauen haben hier nix zu suchen und Kunden kommen meist vorn rein.” “Lasst uns los. Wir sind von der Kripo.” Alex blickte den Mann böse an, der sie festhielt. Ben nickte Ali zu. Sie ließen die beiden los, die ihnen sofort ihre Ausweise unter die Nase hielten. “Und was wollt ihr hier?” “Wir sind hinter Black Snake her.” Ben lachte. “Das war nicht Black Snake. Okay, der Typ sieht ihm ähnlich, aber Snake ist tot.” “Weil euer Boss ihn umgebracht hat”, fauchte Michael. “Hey, Vorsicht, Mann”, sagte Ali und baute sich drohend vor ihm auf. “Der Boss ist kein Killer.” Ben hielt ihn zurück. “Beruhige dich. Die haben doch nix gegen ihn in der Hand, sonst würde er nicht mehr hier sein. Die sind nur stickig, weil er die Seiten gewechselt hat.” Er stutzte. “Na klar, ihr seid seine Ex-Kollegen, Rietz und Naseband… Er hat von euch gesprochen.” “Sehr nett von Gerrit.” Ben nickte, dann jedoch wurde er ernst. “Verschwindet hier. Ihr habt hier nix zu suchen und Gerrit hat nie den Eindruck gemacht, als würde er sich wünschen, dass ihr hier aufkreuzt. Also, husch husch.” “Vergesst es. Wir wollen wissen, wohin der Typ verschwunden ist.” Michael drängte sich an Ali vorbei, der den Weg zur Bar und zur Treppe versperrte, doch Ali hielt ihn fest. “Nix da, raus hier. Ihr habt keinen Durchsuchungsbefehl.” “Den brauchen wir nicht.” Es kam zu einem Handgemenge, einige Stühle fielen um. Ben wollte eingreifen, doch Alex hielt ihn zurück. “Halt, Freundchen.” In diesem Moment kam Gerrit die Treppe runter. “Was ist denn hier los?” Er sah seine Ex-Kollegen an. “Alex? Michael? Was sucht ihr hier? Lasst sofort Ben und Ali los.” Einige der Mädchen kamen angelaufen und schauten dem Disput interessiert zu. “Hier in deinem Laden ist ein Mann, den wir suchen. Black Snake.” Gerrit lachte auf und kam die letzten Stufen runter. “Black Snake ist tot. Und ihr habt sogar gegen mich ermittelt.” “Was wird hier gespielt, Gerrit?” “Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Michael. Mein Laden ist sauber, hier gibt es keine Drogen, keine Zwangsprostituierten, keine Geister.” Michael lief rot an. Ali unter ihm versuchte frei zu kommen, doch er hielt ihn eisern fest. “Verarsch mich nicht, verdammt noch mal.” Gerrit sah ihn und dann Alex ernst an. “Raus jetzt. Ihr habt kein Recht, euch hier aufzuhalten. Oder muss ich mich erst bei Kirkitadse beschweren.” Wütend stieß Michael Ali zur Seite und sprang einen Schritt auf Gerrit zu, als plötzlich Melanie vor den trat und den Kommissar herausfordernd ansah. “Der Boss hat gesagt, Sie sollen gehen, Herr Kommissar, oder wollen Sie mich auch gewaltsam durch den Raum schleudern?” Auch die anderen Mädchen bauten sich vor Gerrit auf. Der blickte Michael triumphierend an. Alex trat neben ihn und zog ihn mit nach draußen. Er knurrte noch: “Wir sehen uns wieder”, dann war die Tür zu. Während sich Alex und Michael über das loyale Verhalten der Prostituierten gegenüber ihrem neuen Chef wunderten, wurde Gerrit sauer. “Was erlauben die sich eigentlich? Ben, Ali, alles klar?” “Paar blaue Flecken”, sagte Ali. “Alles okay.” “Gute Arbeit, Jungs.” Damit verschwand er in seinem Büro.
Gerrit saß immer noch sauer an seinem Schreibtisch, als sein Telefon klingelte. Er nahm ab. “Costino Roguez”, meldete sich eine dunkle Stimme am anderen Ende der Leitung. “Gerrit Grass.” Der Mann lachte. “Ich hatte es doch geahnt, dass Sie den Laden übernehmen, jetzt, wo Ihr Boss tot ist.” “Sie hatten Recht.” “Ich hoffe, mit Ihnen kann man bessere Geschäfte machen, als mit Ihrem Vorgänger.” Gerrit grinste leicht. “Der Mann war ein guter Chef, aber ein Idiot, wenn es ums Geld ging.” “Diese Einstellung lob ich mir.” Der Mann murmelte kurz etwas. “Entschuldigung, meine Angestellt wusste nicht, wo sie putzen muss.” Er lachte dreckig. “Kann ich davon ausgehen, dass Sie an meinem Angebot interessiert sind?” “Ich habe es vor mir liegen”, sagte Gerrit und nahm die Papiere aus dem Schreibtisch, die er vorher aus dem Safe geholte hatte. “Ich bin an mehr Stoff interessiert. Ich kann einiges als Großpackungen weiterverscheuern und dann hab ich Kohle um noch einige der anderen Clubs aufzukaufen, die jetzt ohne Besitzer sind.” “Mehr Stoff?” Roguez war erstaunt. “Wieviel mehr?” “Ich nehme die fünffache Menge.” “Fünf…? Soll ich das Zeug mit einem LKW vorbeibringen? Wie soll ich unauffällig 500 Kilo Heroin transportieren?” Gerrit grinste leicht. “Mit Phantasie. Ich werde in meinem Laden ein wenig renovieren müssen. Und, soweit ich informiert bin, haben Sie unter anderem einen kleinen Betrieb, der sich um handwerkliche Tätigkeiten kümmert. Ich bräuchte eine neue Bar, zum Beispiel. Und einige Sack Zement werden auch von Nöten sein.” Roguez lachte trocken. “Das ist verdammt riskant, Mann.” Eine Weile schwieg der Dealer. “Ich will 30 Millionen dafür.” “Okay, 20 Millionen sofort bei Lieferung, den Rest zwei Wochen später.” “Einverstanden. Allerdings hole ich die Kohle diesmal selber… Bei soviel Geld hab ich kein Vertrauen zu meinen Angestellten.“ “Das ist mir völlig egal. Sie können sich gern als mein Gast betrachten, solange Sie sich in München aufhalten. Meine Mädchen werden Ihnen den Aufenthalt schon versüßen.“ “Es ist wirklich eine Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen. Der Stoff kommt dann nächste Woche, Mittwoch, 14 Uhr. Schön öffentlich, damit keiner Verdacht schöpft.” “Liefern Sie sauberen Stoff und Sie gewinnen einen treuen Kunden.” Gerrit überlegte. “Und noch was… Ich brauche noch 5 Kilo Koks, zum üblichen Preis.” “Ich setze es auf die Liste. Schönen Tag noch.” Gerrit nickte zufrieden und legte auf. Das lief ja wie geschmiert. Hoffentlich funkten ihm Michael und Alex nicht dazwischen. Es hatte ihn viel Zeit und Mühe gekostet, hier in der Szene Fuß zu fassen und er wollte sich von den beiden nicht alles kaputt machen lassen. Er griff erneut zum Telefon und wählte eine Nummer. “Staatsanwaltschaft. Kirkitadse am Apparat.” “Gerrit hier. Ich habe ein Problem… nein, zwei.” “Herr Naseband und Frau Rietz?”, mutmaßte der hörbar genervt. “Richtig. Sie sind in meinen Laden eingedrungen, haben meine Mitarbeiter angegriffen und behaupten, ich würde einen Black Snake verstecken.” “Es tut mir leid, Herr Grass. Das wird nicht wieder vorkommen.” “Das hoffe ich. Dieses Mal werde ich keine Anzeige erstatten, beim nächsten Mal…” “Das wird es nicht geben, versprochen.” Gerrit nickte zufrieden, was der Staatsanwalt natürlich nicht sehen konnte und legte dann auf. Er nahm sich eine Zigarre, zündete sie an und lehnte sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht in seinem schwarzen Ledersessel zurück.
Michael und Alex durften sich am nächsten Tag eine Strafpredigt von Kirkitadse anhören. Der war stinksauer. “Aber wir haben genau gesehen, wie Sie und Black Snake hier vor dem Kommissariat miteinander gesprochen haben. Wir sind doch nicht bescheuert.” “Sie müssen sich getäuscht haben.” “Nein”, sagte Alex jetzt ebenfalls. “Wir haben uns nicht getäuscht.” “Jetzt hören Sie mir beide mal zu. Sie sind für zwei Wochen in den Innendienst strafversetzt. Und halten Sie sich vom Red Tycoon fern. Sorgen Sie dafür, dass endlich die Morde an den Zuhältern aufgeklärt werden. Gibt es da Fortschritte?” “Ja, wir haben zwei Handlanger verhaftet, aber der Drahtzieher sitzt in Kolumbien, der Mann heißt… Costino Roguez. Eine internationale Größe im Drogenhandel. Er hat die Zuhälter getötet, weil er an deren Platz auf Leute hofft, die mit ihm handeln.” Alex brummte etwas. “Wir brauchen nicht auf Hilfe der kolumbianischen Kollegen zu hoffen, der Typ hat die Hälfte der Leute gekauft.” Kirkitadse blickte die beiden Kommissare ärgerlich an. “Gut, bleiben Sie dran. Vielleicht kommt der Typ ja mal nach Deutschland, dann müssen wir ihn kriegen.” “Ja, klar”, sagte Michael sarkastisch. “Wie denn? Meinen Sie, der liefert selber?” “Das nicht, aber vielleicht ordert ja jemand mal eine Menge, für die es so viel Geld gibt, dass er kein Vertrauen mehr zu seinen Angestellten hat.” Michael überschlug im Kopf die derzeitigen Preis für Heroin. “Ja, klar. Vielleicht so ab einer Menge von 200 Kilo im Wert von ungefähr 10 Millionen oder was immer das zur Zeit kostet.” “Ist ja jetzt egal. Wir müssen warten.” Kirkitadse sah auf seine Uhr. “Apropos warten… ich muss zu einem Termin bei Gericht und auf Sie beide warten Akten. Ich brauch die bis morgen nach der Schicht.” Die Kommissare standen missmutig auf und verließen das Büro. Alex sah traurig auf ihre Schuhspitzen. “Irgendwas stinkt hier. Kirkitadse lügt uns an und die Sache mit Gerrit geht mir immer noch an die Nieren.” Michael legte den Arm um ihre Schulter. “Das mit Kirkitadse ist merkwürdig. Der hat sich mit dem Typen getroffen und es war Black Snake. Ich bin mir inzwischen einhundertprozentig sicher. Wieso lebt der Typ noch, aber die Unterwelt feiert Gerrit als Helden, weil der ihn angeblich abgeknallt hat. Ich hab manchmal das Gefühl…” “Was?” Alex blickte ihren Kollegen fragend an. “Ich hab manchmal das Gefühl, Gerrit und der Staatsanwalt stecken unter einer Decke.” “Glaub ich nicht”, murmelte sie leise, obwohl ihr Bauchgefühl etwas anderes sagte. “Und was machen wir nun?” “Wir bleiben an Gerrit dran. Ich zumindest. Irgendwas hat er vor und ich habe richtig Bock, ihm in die Parade zu fahren.” “Ich begleite dich”, sagte Alex, aus Sorge, dass Michael Dummheiten machen würde.
Gerrit hatte Nina bei sich behalten. Sie arbeitete jetzt bei ihm hinter der Bar und er hoffte inständig, dass er keine Probleme mit den Herren vom Jugendschutz bekommen würde. Und er sah mit ein wenig Erleichterung, dass Nina in seinem Laden regelrecht aufblühte. Seine anderen Mädchen waren am Anfang ein wenig entsetzt gewesen, dass Nina blieb, schließlich war sie ein Magnet für Kunden und hätte ihnen bestimmt viele Stammfreier ausgespannt. Aber Gerrit hatte allen gesagt, dass sie acht geben sollten, dass die Freier Nina nicht zu nahe kamen. Und die hielten sich daran. Was Gerrit in seinem Glück störte, waren Alex und Michael, die täglich mehrere Stunden vor seinem Laden rumlungerten. Er überlegte, wie er sie loswerden könnte, aber er konnte sie nicht einfach wegscheuchen, da sie auf einem öffentlichen Parkplatz standen, was in Deutschland nun mal nicht verboten war. Er hoffte nur, dass die beiden sich zurück halten würden und ihm keine Problem bereiteten.
So kam der Mittwoch. Gerrit war ein wenig nervös. Und seine Mädchen und die anderen Angestellten wussten, wer da kommen würde. Und sie sahen auch, dass man dem Boss heute lieber aus dem Weg ging. Mit einer Zigarette in der Hand stand er an der Bar und trank ein Glas Champagner. Er blickte auf seine Uhr, zum x-ten Mal an diesem Tag. Er seufzte innerlich. Wenn er das doch nur hinter sich hätte. Hoffentlich hatte er sich da nicht übernommen. Er nahm die Flasche und ging nach draußen. Er musste etwas Stress abbauen und dabei konnten ihm Alex und Michael sogar helfen. Mit einem Grinsen auf den Lippen ging er zu ihnen und klopfte auf Alex Seite an die Scheibe. “Wollt ihr einen Schluck?” “Wieso? Gibt´s was zu feiern?”, fragte die sichtlich verwirrt. “Ja. Ich kriege heute meine neue Bar und Handwerker kommen auch. Und nächste Woche kann ich mein Etablissement neu eröffnen und noch mehr Mädel einstellen.” “Aber du hast doch offen.” Michael krallte sich die Flasche und nahm einen Schluck. Champagner bekam man nicht alle Tage. “Sicher, der Rubel muss ja rollen. Ich muss die Umbauten ja auch irgendwie bezahlen.” “Sag mal… stimmt es, dass du nur 20 Prozent von den Mädchen kassierst?”, fragte Alex neugierig. Gerrit nickte. “Ja, das stimmt. Sie machen schließlich die Arbeit.” Er grinste sie an. “Mit einigen meiner Stammkunden würde ich nie freiwillig in die Kiste steigen.” Alex lachte leise. Michael hingegen blickte Gerrit wütend an. “Aber deine Mädchen müssen es.” “Sie müssen gar nichts, lieber Michael. Wenn sie einen Freier abweisen, müssen sie nur damit leben, dass ihnen das Geld durch die Lappen gegangen ist.” “Pah”, machte der. Er glaubte Gerrit kein Wort. Für ihn war der nur ein kleiner schmieriger Zuhälter, so wie die anderen hier im Rotlichtviertel auch. Gerrit blickte sich um, als er ein Motorengeräusch hörte. “Ah, meine Handwerker. Ich muss euch leider verlassen, aber die machen mehr Schaden als Ordnung, wenn ich da nicht aufpasse.” Ein Lastwagen rollte heran. Dahinter ein kleinerer LKW mit offener Ladefläche. Leitern, Zementsäcke, Eimer, alles lag darauf herum. Die Männer waren eine Mischung unterschiedlicher Nationen, Deutsche, einige Türken, Latinos. Gerrit wies sie ein, was sie wo hinstellen sollten und ging dann rein. Die Männer fingen an, ihre mitgebrachten Materialien abzuladen. Alles lief reibungslos und nach einer Weile war der kleine Laster leer. Aus dem großen holten sie dann mit vereinten Kräften die Teile einer neuen Bareinrichtung. Einige der Mädchen standen an der Tür und suchten nach Kunden oder schauten einfach nur erstaunt, was ihr Chef mit dem Laden noch alles vor hatte. Michael und Alex beobachteten das ganze Treiben neugierig, aber es waren nur Handwerker bei ihrer Arbeit, sonst nichts weiter. Allerdings notierte Michael sich den Namen der Firma, die Gerrit beauftragt hatte, vielleicht war ja doch irgendwas nicht in Ordnung damit. Er hoffte es inständig.
“Die Baufirma gehört einem Wayne Burough”, teilte Michael am nächsten Abend seiner Kollegin mit. “Der Mann ist 88 Jahre und wohnt seit 20 Jahren in Kolumbien. Ich habe ihn überprüft, er hat das Land in den letzten 20 Jahren auch nicht verlassen.” “Ach komm, eine Firma kann man auch vom Ausland aus leiten.” Michael knurrte etwas vor sich hin. “Wundert mich, dass die so lange arbeiten.” “Die arbeiten bestimmt nicht mehr, die werden Gerrit noch ein wenig Geld in die Kasse spülen.” “Kann auch sein.” Sie schwiegen und beobachteten weiterhin den Laden. Da fuhr jetzt eine Limousine vor, aus der zwei Muskelprotze ausstiegen. Michael und Alex waren plötzlich hellwach. Der Mann, der dort ausstieg, war kein geringerer als Roguez persönlich. “Das kann nicht sein”, sagte Michael leise. Alex lachte leise neben ihm. “Das glaub ich jetzt nicht. Es war geplant, es war alles geplant.” “Wieso haben Sie uns nicht eingeweiht?” Michael schwankte zwischen Erleichterung und blanker Wut. “Das wird uns Kirkitadse erklären müssen.” Schnell hielt Alex ihren Kollegen zurück, als der seine Waffe zog und aus dem Wagen steigen wollte. “Spinnst du? Bleib gefälligst hier. Die bringen Gerrit um, wenn sie merken, dass er ein Spitzel ist.” Michael ließ sich in den Sitz fallen. “Bist du sicher, dass er das noch ist und nicht längst die Seiten gewechselt hat?” “Ja, ganz sicher.” “Wieso?” “Weibliche Intuition.” Sie grinste. “Wir müssen ins K11 und mit Kirkitadse reden.” “Auf keinen Fall. Wenn Gerrit das wirklich nur gespielt hat, braucht er unsere Hilfe. Und wenn nicht… Dann dreh ich ihm den Hals um.”
Geil!!! Absolut der Hammer!! Ich bin sprachlos!!! Ich konnte mir bisher noch keine Story so richtig bildlich vorstellen, bis ich auf Deine gestoßen bin!! Wahnsinn!!! Schnell weiter, bitte, hau in die Tasten!!!