Suko war wütend auf John, weil der ihm nicht glaubte. Er selber vertraute seinem Instinkt und sein Freund hatte dies bisher auch immer getan, nur in diesem einen Fall blockte er total ab. Und ausgerechnet hierbei ging es um sein Leben. Gut, das war nicht das erste Mal, dass John in Lebensgefahr schwebte, aber dieses Mal kannte er nicht einmal seinen Gegner. Er wusste nichts über ihn, außer dem Geburtstag. Keine Informationen über die Waffen, die der Sohn der Finsternis benutzen konnte. Keine Informationen, wie man ihn besiegen konnte. Es gab laut der Prophezeiungen keine Möglichkeit ihn zu verletzen, bis er seinen nächsten Geburtstag feiern würde. Und danach wurde es auch nicht besser, da er unsterblich war. Wenn Ignatius keine Möglichkeit fand, den Sohn der Finsternis zu bannen, würde es für John nur eine Möglichkeit geben, diesen zu besiegen. Indem er sich selber opferte. "Suko?" Der blickte auf und sah Bill ernst an. "Er glaubt mir nicht. Er leugnet meine Befürchtungen so beharrlich, dass ich mir immer sicherer bin." "Mal angenommen, Gerrit ist wirklich der Sohn der Finsternis. Was würde uns diese Information bringen?" Suko öffnete den Mund, schloss ihn dann kurz wieder, bevor er leise zugab: "Nichts. Außer, dass wir ihn vielleicht zu zeitig aufschrecken. Wenn er es ist, scheint er es zu genießen, John zu studieren." "Dann lassen wir ihn doch." "Und wenn er Alex da mit reinzieht, um John weh zu tun?" "Alex und er sind Kollegen und Freunde." Bill zögerte. "Was ihm ziemlich egal sein dürfte, wenn er wirklich der Sohn der Finsternis ist." Unbehaglich sahen sich die beiden Männer an und gingen dann in ihre eigenen Zimmer. Sie wollten sich noch ausruhen. Suko, um später noch einmal mit John zu reden und Bill für seine Schicht mit Gerrit.
Als ich die Tür zum Büro von Michael und Alex öffnete, in dem ich mich inzwischen fast Zuhause fühlte, blickten mich zwei Augenpaare an. Eines strahlend, das andere leicht genervt. Michel verdrehte die Augen und sah Alex an. "Geh schon." Das tat sie auch sofort, fasste mich an der Hand und zog mich nach draußen. Ich merkte, dass sie Michael nicht verletzen wollte. In dem Moment, als Alex mich stürmisch küsste, war der Mann mir allerdings plötzlich völlig egal. Wie kam das nur? Wir verzogen uns schnell aus dem Kommissariat, denn hier waren einfach zu viele Menschen. Ich wollte mit ihr allein sein und sie offensichtlich auch mit mir, dann wir gingen schweigend zu ihrem Wagen und sie fuhr direkt zu ihrer Wohnung. Seit Bills Anruf hatte ich an nichts anderes mehr denken können als an diese Frau. Mir war der Fall eigentlich völlig egal, sogar Lady X. Mein ganzes Leben drehte sich um die Schicksale anderer Menschen, um deren Probleme und darum, dass ich ihnen helfen sollte. In diesem Moment jedoch hatte ich andere Dinge im Kopf. Ganz andere Dinge. So kam es auch, dass Alex und ich erst zwei Stunden später das erste Mal wirklich miteinander sprachen. Wir lagen erschöpft in ihrem Bett. Ich hatte eine dünne Decke über uns gelegt, meine Hände strichen zärtlich über ihren Körper. Und wie beim letzten Mal, als wir uns so nahe gekommen waren, hatte ich den brennenden Wunsch, diese Frau nie wieder loslassen zu müssen. "Willkommen in München, John", wisperte Alex in den Kuss hinein, den sie mir gab. Ich spürte ihre weichen Lippen und stöhnte leise auf. "Was sagst du?", fragte sie lächelnd und unterbrach den Kuss. "Ich komme immer wieder gern." Auf ihr Grinsen hin verdrehte ich die Augen und fügte schnell hinzu: "Nach München." Sie kicherte leise und schmiegte sich gegen mich. "Das hört Frau gern." "Alex…" Ich wollte ihr so viel sagen, aber das meiste davon war Blödsinn. Wünsche und Träume, die aufgrund meiner Berufung eh nie real werden würden. Auch Alex spürte das und legte mir einen Finger auf die Lippen. "Nicht John. Keine Phantasien die uns nur weh tun. Keine Wünsche, die wir beide eigentlich ganz gut verdrängen können. Keine Lügen." Ihr ruhiger Blick ruhte auf mir. Die braunen Augen, in denen die ganze Liebe stand, die sie für mich empfand. Aber ich sah auch den Schmerz, den ich ihr mit meiner bloßen Anwesenheit zufügte. "Ich liebe dich, Alex", gestand ich ihr ruhig. "Das ist keine Lüge und keine Phantasie." Sie hob die Hand und strich über mein Gesicht. "Ich weiß, John. Ich liebe dich auch. Aber an den Tatsachen ändert das leider nichts." "Nein. Überhaupt nichts." Nachdem ich Jane Collins, meine Ex-Freundin, verloren hatte, nur durch meine Berufung und die damit verbundenen Probleme, hatte ich mit dem Wunsch abgeschlossen, selber eine Familie zu haben. Und auch meine Gefühle für Alex konnten und durften diesen Entschluss nicht ändern. Es hätte keine Zukunft. "Es hat keine Zukunft", murmelte ich leise. "Unsere Beziehung meinst du?" "Ja. Eine einzige Frau wusste bisher, wer ich bin und sie hat es akzeptiert. Alle anderen waren schon vorher weg oder tot, bevor sie wussten, warum. Aber auch Jane habe ich an die andere Seite verloren. Ich liebe dich, Alex und das tut verdammt weh." "Hast du wirklich solche Angst, mich auch zu verlieren?" "Unsagbare. Deshalb kann ich es ja auch ertragen, in London zu leben, ohne etwas von dir zu hören. Denn du bist sicher, wenn du nicht in meiner Nähe bist. Sicher vor dem Schicksal, was andere erlebt haben, die ich mochte." Alex schüttelte den Kopf und sah mich lange an. "Kannst du mir diese Entscheidung nicht überlassen?" "Nein, Alex. Das habe ich schon oft getan und am Ende blieb ich zurück, allein und traurig." Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen traten. So hatte ich noch nie mit einer Frau gesprochen. So offen hatte ich noch nie mit irgendeinem anderen Menschen gesprochen. Und sie schien keineswegs böse aufgrund meiner egoistischen Einstellung. Im Gegenteil, sie nickte und sagte etwas, was ich kaum glauben konnte. "Ich verstehe dich, John. Aber deine Selbstbeherrschung versagt ziemlich kläglich, wenn ich dann vor dir stehe." Unfreiwillig musste ich lachen. Ich spürte wie sie mir eine Träne von der Wange küsste und schloss die Augen. "Ja, wenn ich dich sehe, dann ist es aus." "Jetzt fehlt nur noch der Spruch: Ich bin ja auch nur ein Mann." Sie schob die Unterlippe vor und senkte den Blick. Lachend schob ich sie zur Seite und drehte mich rum. Von oben blickte ich auf sie hinab. "Alex, ich will nicht, dass du darauf wartest, dass das nächste Monster auftaucht und ich wieder herkomme. Ich möchte, dass du glücklich bist und es tut mir unsagbar leid, dass ich dir so weh tue." "John, diese Entscheidung, ob ich auf ein eventuelles nächstes Treffen mit dir warte, musst du mir überlassen. Da kannst du mir nicht reinreden. Ich hänge nicht traurig rum und weine jede Nacht vor Sehnsucht, wenn du weg bist. Dass ich häufig an dich denke, ist normal, aber da ist kein Schmerz dabei, eher die Freude, dich überhaupt zu kennen. Ich lächle bei dem Gedanken an dich. Ich weiß, dass ich mit dir keine Zukunft habe und ich erwarte das auch nicht mehr. Aber ich möchte die Zeit mit dir genießen. Ohne daran zu denken, dass du wieder gehst, vielleicht für immer. Dessen bin ich mir bewusst und ich akzeptiere es." Ungläubig schaute ich die Frau an. "Und wie lange noch?" "Ich habe keine Ahnung. Aber eins solltest du wissen. Ich schotte meine Gefühle nicht ab. Sollte ich tatsächlich jemanden kennen lernen, der mir mehr gibt als du, mit dem eine gemeinsame Zukunft möglich ist, werde ich weg sein." "Das wünsche ich dir und im selben Moment habe ich Angst davor." Ich hatte die Arme neben ihren Kopf gestützt. Unsere Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt. "Ja, ich habe Angst davor und würde gleichzeitig der glücklichste Mensch der Welt sein." Ich spürte, wie Alex die Arme um meinen Oberkörper schlang und mich an sich zog. "Das ist echt kompliziert mit uns beiden." Damit küsste sie mich, lange und intensive. Und ich tat etwas, was ich sonst sehr selten machte. Ich ließ mich einfach fallen. Im wörtlichen und im übertragenen Sinn.
Gerrit holte Bill am Abend vom Hotel ab und sie fuhren mit dem Dienstwagen zur Villa von Kovac. Ein anderer Wagen fuhr weg, die Kollegen, die endlich Feierabend hatten. Gerrit parkte etwas entfernt vom Eingang auf der anderen Straßenseite und schaltete Motor und Licht aus. Schweigend lehnte er sich zurück und hielt den Blick starr auf das Tor gerichtet. Bill sah ihn eine ganze Weile von der Seite an. Die Ähnlichkeit mit John war wirklich verblüffend. Die beiden könnten Zwillingsbrüder sein. Die Minuten verstrichen, aber der Kommissar verwandelte sich nicht in einen Dämon. Bill räusperte sich leise. "Gerrit, kann ich dich mal was fragen?" Der wand den Kopf und sah ihn an. "Klar." "Wie alt wirst du eigentlich?" Erstaunt sah der Kommissar ihn an. "Woher weißt du…?" "Alex." "Tratschtante. Ich werde 39." Er sah, wie Bill erstaunt die Augen aufriss. "Ist das schlimm? Ich möchte eigentlich noch viel älter werden." "Nein, ich bin nur… Weißt du, dass John genau am selben Tag Geburtstag hat und auch noch genauso alt wird wie du?" Aufmerksam beobachtetet er Gerrit Reaktion. Der runzelte die Stirn, dann grinste er plötzlich stolz. "Ist nicht wahr? Wirklich? Das ist ja… unglaublich." Er lachte leise auf. "Vielleicht sollte ich doch etwas Ahnenforschung betreiben." Der Reporter sah in Gerrits Reaktion keinen Hinweis, dass dieses Datum für ihn irgendeine Bedeutung hätte. Und er schien auch nicht irritiert, weil Bill ihm das erzählte. Im Gegenteil, seine Augen funkelte im Licht einer Straßenlampe und auf seinem Gesicht lag ein breites Lächeln. Bill schüttelte unmerklich den Kopf. 'Als hätte man einem kleinen Jungen erzählt, dass er am selben Tag Geburtstag hat wie sein Lieblingssuperheld', dachte er. "Hoffentlich seid ihr dann noch hier, dann können John und ich ja gemeinsam feiern." "Wäre mal was anderes", gab Bill zu. "Du… also versteh mich nicht falsch… du bewunderst ihn ziemlich, mmm?" "Hat John erwähnt, oder?" Als Bill nickte, senkte Gerrit verlegen den Kopf. "Ich finde es einfach cool, was er so macht. Ist was anderes als Bankräuber jagen oder Familientragödien aufzuklären. Bis John bei uns aufgetaucht ist, wussten wir ja gar nicht, dass es Dämonen und sowas überhaupt gibt." "Verstehe ich, keine Sorge. Ich war auch hin und weg, als ich es erfahren habe." "Ich nerve ihn doch nicht, oder?", fragte Gerrit ein wenig unsicher. Bill winkte hastig ab. "Nein. Er war anfangs etwas irritiert, wegen deinem starken Interesse und deiner Begeisterung, aber es schmeichelt ihm ziemlich." "Wirklich?" Wieder dieses jungenhafte Strahlen. "Da bin ich aber erleichtert." Der Reporter lachte leise und schüttelte erneut den Kopf. Diese Begeisterung erinnerte ihn an seinen eigenen Sohn. Der kleine Johnny war in Bezug auf John genauso begeistert. "Weißt du, er hat es ziemlich schwer", erzählte Bill und lehnte sich zurück. "Wir helfen oft Kollegen, sei es in England oder auf dem Festland. Dankbarkeit und Hilfe bekommen wir meist nicht. Die meisten lachen ihn aus, ohne zu wissen, wie oft er dieser Welt schon den Arsch gerettet hat." Gerrits Lachen war verschwunden. Er lauschte den Erzählungen von Bill aufmerksam. Ja, er konnte sich vorstellen, wie frustrierend diese Ignoranz war. Und er an Johns Stelle wäre da wahrscheinlich einige Male ausgeflippt. Durch solche Geschichten fühlte er sich dem Geisterjäger irgendwie verbunden. Das war ihm nicht angenehm, aber er ließ Bill erzählen. Vielleicht bekam er ja so ein wenig mehr über den Geisterjäger heraus. Dinge, die er noch nicht über ihn wusste. Die Abend verging, die Nacht ebenso. Dank Bills Geschichten sogar sehr unterhaltsam. In der Villa tat sich gar nichts. Einmal kam eine große Limousine, fuhr auf das Grundstück und verschwand nach zwei Stunden wieder. Die Stunden gingen dahin. Gerrit holte irgendwann eine Thermosflasche Kaffee hervor und bot Bill eine Tasse an. Der nahm dankend an und trank langsam das nicht mehr ganz heiße Gebräu. "Euer Kaffee ist sehr stark. Nichts im Vergleich zu dem, was wir bei uns so bekommen." "Das liegt aber nicht am Kaffee", gab Gerrit zu bedenken. "Sondern an dem, der ihn kocht." "Stimmt", sagte Bill und fuhr sich mit der Hand über die Augen. "Der steigt einem richtig in den Kopf. Mir ist irgendwie heiß." Er zog an seinem Kragen und atmete keuchend. Dann sank sein Kopf nach vorn. "Bill. Bill, wach auf", sagte Gerrit. Seine Stimme war tief und ruhig. "Wach auf." Der hob den Kopf langsam und wie in Trance. Sein Blick war trüb, schien in weite Ferne zu gehen. "Ich bin wach." Seine Stimme war leise und schwach. "Was wisst ihr über den Sohn der Finsternis?" "Er ist unsterblich und unverletzbar. Er ist so alt wie John. Suko denkt, dass du es bist." "Glaubt John das auch?" "Er ist nicht in der Lage, das zu sehen. Nein, er glaubt es nicht. Er vertraut dir." "Habt ihr eine Idee, wie ihr den Sohn der Finsternis stoppen könnt?" "Nein. John ist bereit, sich im Notfall zu opfern, um seine Seele zu töten." Gerrit zog eine Augenbraue hoch. "Das würde er tun?" "Ja." Grübelnd saß Gerrit in seinem Sitz. "Habt ihr eine Idee, wo sich die Waffe befindet, die der Sohn der Finsternis sucht?" "Nein. John vermutet, dass Vampire in London sie haben. Aber wir haben keine genaue Ahnung." "Wisst ihr, wie die Waffe aussieht?" "Nein. Wir haben keinen Hinweis." "Hat John Angst vor dem Kampf?" "Ja." Lächelnd verschränkte Gerrit die Arme vor der Brust. Dann zog er langsam einen gebogenen Dolch aus der Tasche und legte die Klinge an den Hals von Bill. "Glaubst du, dass ich der Sohn der Finsternis bin?" Dessen Gesicht blieb völlig ausdruckslos. "Nein. Ich sehe keine Hinweise, die in diese Richtung gehen würden. Auch wenn ich Sukos Menschenkenntnis vertraue." Mit einem Nicken zog Gerrit den Dolch langsam zurück und steckte ihn ein. Hätte Bill eine andere Antwort gegeben, hätte er ihn getötet. Dann hätte er sich selbst verletzt und Kovac die Sache in die Schuhe geschoben. Aber wenn Bill ihm noch vertraute, war das nicht nötig. "Schlaf jetzt." Der Mann sackte zusammen und fing an, leise zu schnarchen. "Ich sollte Asmodina für das Wahrheitsserum danken. Es ist wirklich gut." Grinsend lehnte er sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und machte weiter seinen Job.
Ich musste Alex leider irgendwann allein lassen und fuhr mit einem Taxi zurück zur Pension. Dort stand für uns ein Dienstwagen der Kripo München bereit. Suko wartete bereits auf dem Beifahrersitz. "Morgen, Suko." Ein Grinsen lag auf seinem Gesicht. "So fertig habe ich dich noch nie gesehen." Brummend ließ ich mich hinters Steuer fallen und fuhr los. Eine Weile fuhren wir schweigend durch die morgendlich Stadt. Bis ich schließlich das hervorbrachte, was mir auf der Seele brannte. "Suko, ich möchte nicht, dass die Sache mit Gerrit zwischen uns steht. Ich weiß ja, dass du eine verdammt gute Menschenkenntnis hast und ich habe auch nicht vergessen, dass ich den Sohn der Finsternis nicht erkennen kann, bis er sich mir offenbart." Ich sah meinen Freund kurz von der Seite an. "Wenn es dir besser geht, werde ich mich nicht mehr allein mit ihm irgendwo aufhalten, bis der Geburtstag durch ist." "Das fände ich sehr beruhigend, John." Er schwieg kurz. "Ich bin nicht sauer, dass du mir nicht glaubst. Bill hat mich drauf hingewiesen, dass es uns nichts bringen würden, wenn wir wüssten, wer es ist. Ich bin einfach nur besorgt." "Denkst du ich nicht? Verflucht, ich habe Angst, Suko." Der Chinese nickte. Dass sich auf sein Gesicht dann jedoch ein Grinsen legte, sah ich aus den Augenwinkeln. "Anscheinend hast du deine Angst letzte Nacht ja gut bekämpfen können." "Halt die Klappe." Meine Stimme klang drohend. Sein tiefes Lachen klang durch den Innenraum des Autos. "Sei nicht böse. So war es nicht gemeint. Ich freu mich ja für dich. Aber… mal ehrlich, John. Was soll das werden?" "Alex und ich hatten ein sehr intensives Gespräch letzte Nacht." "Gespräch, aha." Ich sah ihn genervt von der Seite an. "Ja, Gespräch. Zwischendurch sozusagen." Ein breites Grinsen huschte über mein Gesicht, bevor ich wieder ernst wurde. "Alex erwartet nichts von mir und ich nichts von ihr. Wir haben nur Spaß." "John, du liebst sie. Das ist nicht zu übersehen." "Ja. Aber trotzdem wissen wir, dass es nur so lange dauert, wie der Job mich hier in München hält." Suko schüttelte den Kopf. "Ihr seid verrückt." "Was soll ich machen? Sie bitten, mit nach London zu kommen? Dann ist sie das nächste Ziel der Mächte, die mich jagen. Hier bleiben? Da hätte Powell wohl was dagegen. Außerdem wäre das Endergebnis dasselbe wie bei der ersten Möglichkeit." "Es gäbe noch eine. Die Finger voneinander lassen." Ich schwieg und steuerte den Wagen die letzten Meter bis zu unserem Ziel. Was sollte ich dazu sagen? Dass ich das nicht konnte, was Suko da empfahl? Dass ich es auch nicht wollte? Dass Alex von dieser Möglichkeit auch nicht begeistert wäre? Vor uns tauchte der Wagen auf. Ich hielt einige Meter dahinter, stieg aus und ging so unauffällig wie möglich hin. Schnell huschte ich auf den Rücksitz und zog leise die Tür zu. "Morgen", grüßte ich Gerrit und Bill. "Morgen, John." Bill gähnte mir die Begrüßung förmlich entgegen. "Morgen, John." "Was ist mit dir los?" Bill sah aus wie nach einer durchzechten Nacht. "Bin wohl eingepennt. Das Leben mit Sheila hat mich etwas verweichlichen lassen." Er gähnte erneut. "Zum Glück war Gerrit aufmerksamer." Der winkte ab. "Ich bin solche Sachen eben gewöhnt. Wir hauen dann ab. Ich setze Bill im Hotel, erstatte Micha und Alex kurz Bericht und geh dann schlafen." "Ja, mach das Gerrit. Es ist nichts passiert?" "Eine Limousine, zwei Stunde da gewesen, wieder gefahren. Das war es." "Dass ein Zuhälter Besuch von reichen Leute bekommt, ist wirklich nichts besonderes", gab ich zu, klopfte meine Freund auf die Schulter und stieg wieder aus dem Wagen aus, der sich kurz darauf in Bewegung setzte und davonfuhr. Ich ging zurück zu Suko, erzählte ihm alles und richtete meinen Blick dann auf die Villa. Suko lachte, weil Bill eingeschlafen war. Ich konnte das schon nachvollziehen. Seit der mit Sheila verheiratet war, war er recht spießig geworden und ziemlich verweichlicht.
Alex war an diesem Morgen ein wenig nachdenklich ins Büro gekommen. Das Gespräch mit John ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Sie trauerte ihm nicht lange nach, wenn er ging, das stimmte. Aber war sie wirklich offen für eine andere Beziehung? Würde sie einem anderen Mann eine Chance geben? Grübelnd saß sie am Tisch, als eine Tasse Kaffee vor ihr auftauchte und sie mit einem verführerischen Duft aus ihren Gedanken riss. Sie blickte auf und sah in Michaels Augen. Besorgnis stand darin geschrieben. "Guten Morgen, Alex." "Morgen, Micha. Entschuldige, ich war in Gedanken." "War die letzte Nacht so schlecht?" Sie stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Seite. "Die letzte Nacht war wunderbar, wenn du es genau wissen willst." Als ihr bewusst wurde, was sie gesagt hatte, verzog sie entschuldigend das Gesicht. Doch Michael lächelte sie offen an. "Ich meine, es war schön, mit John zusammen zu sein. Aber wir haben ein sehr ernstes Gespräch geführt und das geht mir nicht ganz aus dem Kopf." "Was habt ihr denn beschlossen?" "Es zu genießen, solange es dauert." Sie legte die Hände um ihre Tasse und blickte in den Kaffee, als würde sie dort eine Lösung für ihre Zweifel finden. Michael schüttelte den Kopf. Er stand an den Schreibtisch gelehnt und blickte auf Alex hinab. Vorsichtig legte er seine Hand unter ihr Kinn und hob es ein wenig hoch. "Dann mach das doch, Alex." Sie sah ihn eine ganze Weile an. Schließlich sprang sie auf und fiel ihm um den Hals. In ihren Augen spürte sie Tränen, aber sie gab ihnen nicht nach. Stattdessen genoss sie es, sich mal wieder von Michael stärken und aufbauen zu lassen und hatte dabei das Gefühl, ihn genauso auszunutzen wie John sie ausnutzte. Wobei sie das Wort ausnutzen in diesem Zusammenhang nicht wirklich negativ meinte, denn sowohl sie als auch Michael spielten ja sehr freiwillig mit. Der hielt seine Freundin und Kollegin fest an sich gepresst, genoss die wenigen Minuten der Nähe und das Vertrauen, was sie zu ihm hatte. Als sie sich wortlos von ihm trennte und ihn leicht auf die Wange küsste, nickte er nur und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Sie dachte an die Zeit, als John das letzte Mal gegangen war. Alex hatte zwei, drei Tage durchgehangen. Er hatte in der Zeit bei ihr gewohnt, in der ersten Nacht sogar in ihrem Bett geschlafen und sie in den Armen gehalten. Diese Vertrautheit zwischen ihnen war auch geblieben, als es ihr wieder besser ging. Vor allem seit Alex gemerkt hatte, dass er nie einen Versuch unternahm, sich ihr zu nähern und ihre Situation auszunutzen. "Morgen", sagte Gerrit gut gelaunt, aber etwas müde. "Bill hat die halbe Nacht gepennt, es ist nichts passiert und ich geh jetzt ne Runde schlafen." "Gerrit, warte Mal", hielt Michael ihn auf. "Hast du den Gerichtstermin nachher vergessen?" Der schlug sich gegen die Stirn und setzte sich auf das Sofa. Mit einem Seufzen ließ er sich der Länge nach auf die Polster fallen und schloss die Augen. "Weck mich, wenn wir los müssen." "Okay. Schlaf etwas."
Während Gerrit schlief, erledigten Michael und Alex den Papierkram, der lange liegen geblieben war. Als die Männer dann zum Gericht mussten, ging Alex zum Staatsanwalt und bat ihn um ein paar freie Stunden. Der gestattete sie ihr und sie fuhr nach Hause, nachdem sie Michael eine SMS geschickt hatte. Dort legte sie sich noch ein paar Stunden hin, um die fehlenden Stunden der letzten Nacht nachzuholen. Sie war zwar wieder ins Grübeln gekommen, aber bereits Minuten später eingeschlafen. Als sie aufwachte, saß Michael neben ihr auf der Bettkante und hatte die Hand auf ihrer Schulter liegen. "Meine Güte, hast du fest geschlafen. Ich dachte schon, ich muss John holen, damit er dich wach küsst." Lachend streckte sie sich und stand dann auf. Sie zog sich schnell um und ging dann runter in die Küche. Dort stand Michael und kochte Kaffee für die Nachtschicht, die vor ihnen lag. Gemeinsam fuhren sie zur Villa. Alex sprach kurz mit John und Suko, die dann wegfuhren. "Es ist nichts geschehen. Der ganze Tag war ruhig, keiner ist gekommen, keiner gegangen." "Warum vergräbt der Typ sich in seiner Villa?" Michael blickte aus dem Fenster. "Er wartet auf die nächsten Opfer. Ihm fehlen noch 11 Mädchen." "Dieses Arschloch", brummte Michael. "Wir müssen ihn aufhalten." Sie nickte zustimmend und richtete ihren Blick auf das verschlossene Tor. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass hier etwas vor sich ging, was sie übersahen und das gefiel ihr überhaupt nicht.
"Entschuldigen Sie, Sir, aber ich wusste nicht ganz, was ich hiermit machen soll. Es sieht aus, als gehöre es in ein Museum oder so ähnlich." James Powell, leitender Angestellter beim Scotland Yard, sah den Polizisten vor sich verwirrt an. "Wovon reden Sie eigentlich, Mann?" "Sie haben bei Bauarbeiten eine Leiche gefunden und wir haben in der Kanalisation nach Spuren gesucht. Dabei sind wir auf dieses… Ding hier gestoßen. Es lag in einer Art altem Tunnel, der von einem der Hauptgänge abzweigte. Da stand ein Tisch und da lag es drauf. Ich habe schon mal mit Mister Sinclair zusammen gearbeitet und gesehen, dass er auch sowas hatte. Darum habe ich es her gebracht." Er legte ihm eine quadratische Box auf den Tisch, offensichtlich froh, sie los zu sein und nickte leicht. "Ich geh dann mal. Den Bericht bekommen Sie später." Powell sah dem Mann verblüfft nach und wand seine Aufmerksamkeit dann der Schachtel vor sich zu. Sie sah ziemlich zerkratzt aus und sehr alt. Als er sie langsam öffnete, stockte ihm der Atem.
"Asmodina", brüllte Gerrit. Er spielte mit seinem Dolch herum. "Was ist denn?" Sie trat durch den Nebel auf ihn zu. "Ist etwas nicht in Ordnung?" "Was ist mit meiner Waffe?" "Wir haben leider immer noch keine Spur." Sie senkte ein wenig den Kopf. "Es tut mir leid, Sohn der Finsternis." "Verflucht", murmelte er leise. Dann sah er sie an und strich ihr über die Haare. Er griff hart zu und bog ihren Kopf nach hinten. "Danke für das Wahrheitsserum. Es war sehr gut. Dieser Conolly denkt wirklich, er wäre einfach eingeschlafen. Er erinnert sich an nichts." "Das hatte ich dir ja versprochen." Sie verzog das Gesicht. Sein Griff war wirklich schmerzhaft, aber da sie Schmerzen mochte, war es nicht unangenehm. "Hat er etwas Wichtiges erzählt?" "Dieser Chinese ahnt, wer ich bin. Aber Sinclair glaubt ihm nicht. Der Schutz geht so weit, dass er wirklich nicht die Schlüsse ziehen kann, die er sonst ziehen würde. Er hat die Fakten, aber er kann mir einfach nicht misstrauen." Ein böses Lachen erklang. "Und Alex lenkt ihn noch zusätzlich ab." "Vielleicht sollten wir sie…" Sofort hatte Gerrit den Dolch in der Hand. "Wehe, du rührst sie an. Ich warne dich, Asmodina. Es sind noch zwei Tage, dann werde ich Sinclair ganz allein schlagen können. Mit oder ohne Waffe. Alex hat damit nichts zu tun." "Wieso schützt du diese Frau? Was willst du von ihr?" "Sie war immer nett zu mir und du müsstest am besten wissen, dass ich sehr dankbar bin." Drohend hielt er ihr den Dolch vor die Augen, bevor er ihn wegsteckte. "Haben wir uns verstanden? Sinclair gehört mir." Asmodina nickte. "Natürlich, Sohn der Finsternis. Aber glaubst du, es lässt sie kalt, wenn sie erfährt, wer du bist? Meinst du, sie wird dich immer noch mögen, wenn du Sinclair tötest? Das wird ihr mehr weh tun, als jeder Tod, den ich ihr bereiten kann." Die Teufelstochter wand sich um und ging zu Gerrits Thron. Der verzog unwillig das Gesicht. Daran hatte er überhaupt noch nicht gedacht. Für ihn stand es fest, dass er Michael und Alex schützen wollte, als Dank, weil sie ihn immer nett behandelt hatten. Aber Asmodina hatte Recht. Es würde Alex das Herz brechen, wenn er ihre große Liebe töten würde. Vielleicht war ein schneller Tod für sie doch das beste. Er seufzte. Darüber musste er sich später Gedanken machen. "Sinclair und seine Leute wissen nicht, wo die Waffe ist, die wir suchen. Sie wissen also nicht mehr als mir. Hast du noch was von dem Serum?" "Natürlich." Sie warf ihm eine kleine Phiole zu. "Aber es wirkt nicht so gut beim zweiten Mal. Er wird zwar schlafen, aber was die Wahrheit angeht..." "Ich will ja nur, dass er pennt. Er kann unglaublich labern. Es war zwar ganz interessant, die ganzen Geschichten über Sinclair zu hören, aber ich denke, ich kenne jetzt alle." Die Teufelstochter lachte leise. Sie sah ihm nach, wie er die dämonische Welt verließ, um weiterhin Raslan Kovac zu beobachten.
Auch in der Schicht von Michael und Alex ereignete sich nichts Spannendes. Es kam nur wieder eine Limousine, die zwei Stunden später wieder verschwand. Am Morgen wurden die beiden dann von Gerrit und Bill wieder abgelöst. "Was es wohl mit den Limousinen auf sich hat", wunderte sich Gerrit. "Es war dasselbe Nummernschild wie gestern." Bill zuckte mit den Schultern. Er hatte irrsinnige Kopfschmerzen und bat Gerrit um etwas zu trinken, weil er eine Tablette nehmen wollte. "Ich habe noch eine Flasche Wasser hier." Er reichte sie dem Mann, der eine Minute später fest schlief. Gerrit grinste und blickte aus dem Fenster, wo es langsam dunkel wurde. Die Stunden krochen dahin. Es war kurz vor Mitternacht, als plötzlich eine blonde, in schwarzes Leder gekleidete Frau aus dem Tor trat und kurz zum Auto rüberblickte. Sie ging auf den Wagen zu und spielte dabei mit ihrem Maschinengewehr. Gerrit hob die Augenbrauen und ließ langsam die Scheibe herunter. Die Frau lehnte sich entspannt halb in den Wagen und sah zu Bill Conolly hinüber. "Ich würde ihm zu gern ein Magazin in die Eingeweide jagen." "Lass es. Was willst du hier?" "Fragen, ob ihr was braucht. Muss doch unbequem sein, hier so rumzusitzen. Ich hoffe, du hast kein Problem damit, dass Sinclair hier ist." "Nein. Er ist blind, wenn es um mich geht, aber das hat dir Asmodina sicher schon erzählt." Sie nickte. "Frauen. Alle gleich. Egal. Der Chinese stört." "Soll ich ihn beseitigen?" "Braucht Kovac dich nicht?" "Nein. Er kann die Mädchen allein töten. Ihr solltet übrigens mal den Wald absuchen. Dort liegen einige Leichen." Damit verschwand sie. Gerrit rief mit verstellter Stimme bei der Polizei an und meldete den Fund einer Leiche im Park hinter der Villa. Zum Glück näherten sich die Kollegen von hinten dem Park, so dass es hier vorn ruhig blieb und ihre Deckung nicht aufflog. Es wäre auch nicht gut, wenn John hier auftauchen würde und seinen Freund tief schlafend vorfinden würde. So tief schlafend, dass er erst in zwei bis drei Stunden aufwachen würde.
Am nächsten Morgen klingelte Gerrits Telefon. Es war Michael, der ihn ins Büro bestellt, um dort eine Art Lagebesprechung abzuhalten. Eine halbe Stunde später tauchten er und Bill ziemlich müde dort auf und sahen uns an. Ich saß auf Alex Stuhl, mit ihr auf dem Schoß. Kirkitadse stand in der Tür und sah uns kopfschüttelnd an. Michaels Blick war ebenfalls auf uns gerichtete, aber in seinen Augen lag ein mildes Lächeln. Gerrit und Bill ließen sich auf die Couch fallen, Bill mit tiefen Ringen unter den Augen und sehr blass. Suko stand hinter mir und Alex an die kalte Heizung gelehnt. Kirkitadse hatte eine Akte in der Hand. "Heute Nacht ist eine anonymer Anruf bei uns eingegangen. Es wurde ein weiterer Leichenfund gemeldet. Beziehungsweise es wurden vier weitere Frauen gefunden." Suko murmelte etwas auf Chinesisch und das kam wohl dem gleich, was ich auch gerade dachte. Ich nickte leicht und lehnte die Stirn gegen Alex Schulter. "93." "Richtig, Mister Sinclair. 93 tote Frauen. Und wir haben immer noch keine Möglichkeit, die restlichen sieben Morde zu verhindern, wenn sie mit ihrer Vermutung bezüglich der Hintergründe recht haben." Michael blickte auf seine Hände und sagte leise aber deutlich. "Herr Kirkitadse, dürft ich Sie bitten, den Raum zu verlassen? Wir haben da nämlich eine Idee, wie wir an Beweise kommen können, aber sie sollten davon besser nichts wissen." Der sah uns einen nach dem anderen an, legte Alex die Akte auf den Tisch und verließ den Raum wortlos. Er hatte anscheinend genug Vertrauen in uns, um nicht alles wissen zu wollen. Damit reagierte er genau so, wie mein Chef in London. Ich sah Bill grinsen. Er dachte wohl genau dasselbe. Alex regte sich auf meinem Schoß und stützte sich auf den Tisch. Ihr Blick fixierte Michael. "Du meinst, wir sollten wirklich mal Einbrecher spielen und uns noch einmal in der Villa umsehen?" "Ich würde es riskieren. John?" Ich nickte ihm zu. "Bin dabei." "Ich komme mit", sagte Suko sofort. "Ich auch." Gerrit grinste in die Runde. Bill neben ihm gähnte, was wohl eine Zustimmung sein sollte. "Und du?", fragte ich Alex. Sie lehnte sich gegen mich. "Na rate mal." Michael holte einen Plan aus seiner Schreibtischschublade. Er breitete ihn auf dem Boden aus und wir hockten und alle davor. "Hier, das ist das gesamte Grundstück. Es gibt die Möglichkeit über den Park an das Haus ran zu kommen, hier hinten, dann natürlich die Vordertür. Und hier an der Seite ist eine kleine Gartentür, die zum Nachbargarten führt. Verschlossen natürlich, aber das sollte wohl jeder von uns lösen können. Man kommt von dort direkt zu einer Feuerleiter, die zum Dach führt. Es gibt hier wohl einen Balkon, über den man in das Haus einsteigen kann. Vorn muss man durch die Vordertür und hinten ist eine Tür, die in den Keller führt." Gerrit sah Michael erstaunt an. "Darf man wissen, woher den den Grundriss hast?" "Besser nicht, sonst macht sich jemand strafbar." Ich grinste leicht vor mich hin. "Okay. Wir haben den Plan, das genügt. Die Frage ist, suchen wir getrennt oder zusammen? Mit sechs Leuten ist es auffällig, aber auch sicherer." "Sicherheit ist relativ", sagte Alex. "Wenn wir uns gegenseitig auf die Füße treten, ist das auch nicht gut." Ich sah mir unsere kleine Truppe genauer an. Wer sollte mit wem gehen? Alex wollte ich am liebsten bei mir haben. Suko würde sicher gern Gerrit im Auge behalten. Und konnte ich Bill mit Michael gehen lassen? "Wie machen wir es? John, du solltest die Teams bilden", sagte Michael. "Gerrit, Alex und ich wissen nicht wirklich, was auf uns zukommt." "Eigentlich nichts, womit ihr nicht umgehen könntet. Ein Zuhälter, eine Terroristin, die sehr gefährlich ist und absolut kaltblütig und eine unbekannte Anzahl an Leibwächtern. Wir müssen das Kamerasystem und die Alarmanlage ausschalten." "Lady X steht mit Mächten in Kontakt, die wir nicht unterschätzen sollten", warnte Suko. "Ich nehme meine Peitsche auf jeden Fall mit." "Bill kann meine Beretta haben." Ich reichte sie ihm. Mein Blick streifte die deutschen Kollegen. "Ihr habt eure Waffen noch und auch Kugeln?" "Ja. Haben wir." Alex zog ihr und zeigte sie hoch. Michael und Gerrit nickten zustimmend. "Was ist mit dir?" "Ich habe eine Waffe und meine Kreuz." Langsam zog ich meine mächtigste Waffe unter meinem Hemd hervor und hängte es offen auf meine Sachen. Das silberne Kreuz, in welches an den vier Enden die Anfangsbuchstaben der vier Erzengel eingraviert worden waren, war etwas länger als meine Hand, so dass ich es im Kampf gut halten konnte. Es hatte eine unglaubliche Macht und wurde von einem Sohn des Lichts an den nächsten weitergereicht. In besonders schlimmen Notfällen konnte ich mit seiner Hilfe die Erzengel zu Hilfe rufen, auch wenn ich sie noch nie selber gesehen hatte. Das Licht war zu blendend gewesen, aber ich war jedes Mal aus den eigentlich ausweglosen Situationen herausgekommen, auch wenn ich hinterher nie wusste wie. Aber musste man denn alles verstehen? Ich strich über das Kreuz und nickte den anderen zu. "Michael, kannst du mit Bill gehen? Dich kennt Kovac und Bill hat ein gutes Gespür dafür entwickelt, wenn etwas übernatürliches im Spiel ist. Geht einfach zum Haupteingang und lenkt ihn ab." "Okay, können wir machen." Michael sah Bill an. "Du kannst dich selber wehren?" "Im großen und ganzen, ja. In schlimmen Fällen hat John mich immer rausgeholt." Der Kommissar lachte leise. "Wenn es um normale Polizeiarbeit geht, bin ich auch recht gut." Ich war zufrieden und sah Gerrit an, dann Suko. "Ihr zwei geht übers Dach rein. Gerrit, du bist hoffentlich so sportlich, wie du aussiehst." Der sah Suko eine Weile schweigend an. "Ich glaube nicht, dass ich mit dir mithalten kann." Sukos Gesicht nahm einen erstaunten Ausdruck an, was ich selten an ihm sah. Dann winkte er ab. "Wenn es sein muss, nehme ich dich auf die Schulter und schleppe dich aufs Dach." "Dann ist ja gut", sagte Gerrit lachend und zwinkerte meinem Freund zu. Ich sah ihn an und meine Augen sagten: 'Siehst du, er ist nett.' "Alex und ich schleichen uns in den Keller und schauen uns dort mal genauer um." "Ihr zwei?" "Stell dir vor, wir können auch zusammen arbeiten", sagte Alex spitz und sah Michael böse an. Suko und Bill lachten leise und ich nahm ihre Hand, um sie etwas zu beruhigen. Mein Blick glitt einmal über die Gesichter meiner Freunde und Kollegen. "Alles klar soweit?" Allgemeines Nicken. "Wir sollten unseren Einbruch erst starten, wenn möglichst wenig auf den Straßen los ist. Ich schlage 23 Uhr vor." Keiner erhob Einwände gegen meinen Vorschlag. Damit war unser Vorgehen beschlossene Sache. Michael und Gerrit blieben noch eine Weile im Büro und wollten Dienst nach Vorschrift schieben. Alex und ich verzogen uns, um noch ein wenig unsere Zweisamkeit zu genießen und Suko zeigte Bill ein wenig die Stadt.
Punkt 23 Uhr klingelte Michael an der Haustür von Kovac und wurde von einem Leibwächter eingelassen. Bill schlüpfte mit hinein und wurde im Salon von dem Zuhälter skeptisch gemustert. "Herr Naseband, mit Ihnen hätte ich ja gerechnet, aber wer ist Ihr Begleiter?" "Ein Journalist. Er hat von den Leichenfunden erfahren und hält die Klappe, wenn wir ihn ein wenig mitnehmen." Kovac nickte misstrauisch. "Ja, man muss eben sehen, wo man bleibt." Er wand seine Aufmerksamkeit dem Kommissar zu. "Warum dieses Mal keine Einladung ins Kommissariat? Mögen Sie mich dort etwa nicht mehr?" "Wir wollten Ihnen keine Umstände bereiten, denn ich denke ehrlich gesagt nicht, dass Sie viele neue Informationen für uns haben." Der Mann zündete sich eine Zigarette an und nickte seinen beiden Leibwächtern zu, die an der Doppeltür standen. "Raus." Sein Blick fiel wieder auf Michael. "Sie haben Recht. Ich weiß auch dieses Mal nicht, wie die bedauernswerten Mädchen in den Park kommen. Und es ist wirklich nett, dass Sie mir endlich glauben." "Glauben ist etwas anderes, Kovac. Aber wir haben keine Beweise gegen Sie und wir wollen uns auch nicht vollkommen lächerlich machen mit irgendwelchen Anschuldigungen." "Endlich fangen Sie an zu verstehen. Kann ich Ihnen einen Cognac anbieten?" "Nein. Ich habe eigentlich nur ein Frage an Sie, Kovac." Michael wartete eine Minute und holte dann tief Luft. "Mit wem haben Sie den Pakt geschlossen? Wer ist der Dämon, der Ihnen für das Blut und die Seelen der 100 Jungfrauen die Unsterblichkeit verleihen soll?"
Es war eine laue Nacht, aber am Tag hatte es etwas geregnet. Suko bekam einige Tropfen ab, als er durch die Gartenpforte trat, die Gerrit kurz vorher aufgebrochen hatte. Er hielt sich im Schatten, beobachtete aufmerksam die Kameras und huschte dann, einer Raubkatze gleich über den Rasen zum Haus hinüber. Er presste sich gegen die Wand, beobachtete wieder die schwenkenden Kameras und gab Gerrit schließlich mit einer schwachen Taschenlampe ein Zeichen. Leise und schnell folgte der Deutsch ihm. "Vorsicht, die Stufen sind rutschig", warnte Suko ihn, bevor er schnell hinaufstieg. Gerrit sah ihm nach und schüttelte den Kopf. Hielt der Typ ihn für einen Anfänger? Er folgte ihm mit sicherem Griff und war nur Sekunden nach ihm oben auf dem Balkon. Sie befanden sich im zweiten Stock. Sukos Finger glitten am Holzrahmen entlang, es war verschlossen. Ärgerlich sah er sich um, als Gerrit ihm auf die Schulter klopfte. Er zog eine langes, schmales Metallkärtchen hervor, ähnlich einer Kreditkarte und fuhr damit zwischen Boden und Tür entlang. Es klickte zwei Mal, dann schwang sie auf. Stolz steckte Gerrit sein Hilfsmittel weg und deutete Suko einzutreten. Der nickte anerkennend und schob sich leise in den dunklen Raum. Gerrit folgte ihm leise. Suko war so breit, dass er ein gutes Schutzschild bot. Es war wirklich verwunderlich, dass der sich mit so einer Schnelligkeit und Lautlosigkeit bewegen konnte. Kein Wunder, dass John ihn so gern an seiner Seite hatte. Er war schnell und zuverlässig. Sie durchquerten ein Schlafzimmer, wahrscheinlich gehörte es dem Hausherrn. Die teuren Möbel, das überdimensionale Bett, die teuren Vorhänge, alles sprach für die Vermutung. Suko schlich langsam durch den Raum und öffnete ganz vorsichtig die Tür. Der Flug war durch kleine Lampen gleichmäßig ausgeleuchtet. Der Chinese fluchte leise. So war es für sie beide schwieriger, sich durch das Haus zu bewegen. Gerrit stieß ihn leicht an. "Los. Wir müssen weiter." Der nickte unwillig und trat auf den Flur hinaus. Der Boden war mit Läufern ausgelegt, um die Lautstärke ihrer Schritte brauchten sie sich also keine Sorgen zu machen. Sie schlichen zur nächsten Tür und Suko öffnete sie vorsichtig. Eine Art Gästezimmer, aber ohne Gast. Völlig unverdächtig. Tür für Tür nahmen sie sich vor, bis sie schließlich den Flur abgearbeitet hatten. Sie standen an der Treppe, die nach unten in den ersten Stock führte. Leider stand dort ein Bodyguard und spielte mit seiner Waffe. Suko sah Gerrit an und wies ihn mit einem Blick an, zu warten. Der nickte und sah ihm interessiert nach, als er langsam die Treppe runter schlich. Er grübelte. Wenn er jetzt ein kleines Geräusch machte, würde der Typ sich umdrehen und Suko abknallen und er wäre ein Problem los. Seine Hand glitt langsam über den Tisch, der neben der Treppe stand. Dort stand eine Vase, um die sich Gerrits Finger jetzt legten. Er hob das leichte Porzellan hoch und seine Hand glitt durch die Luft über den Rand des Tisches hinweg.
"Meine Schuhe sind total durch", schimpfte Alex. Ich musste grinsen. "Alex, auch wenn ich dir gern die Sonne schenken würde, es liegt nicht in meiner Macht. Und zum Rasenmähen bin ich heute nicht gekommen, da du mich nicht aus dem Bett gelassen hast." Ich hörte ihre leises Lachen hinter mir und schlich vorsichtig weiter. Meine Schuhe drückten das nasse Gras nieder. Wir erreichten das Grundstück, kletterten über den Zaun und schlichen uns im Schatten mehrere Bäume und Sträucher zu einer Treppe, die zu einer Tür führte. Sie bestand aus Metall, was irgendwie überhaupt nicht zu dem Haus passte. Es gab keine Klinke, keinen Türknauf, nur ein Schloss. Alex trat neben mich, als ich davor stand und sah sich um. Niemand war zu sehen, Kameras konnte sie auch nicht entdecken. Ich sah sie kurz an, nickte ihr zu und zog ein Dietrichset aus meiner Tasche. Das Schloss war kompliziert zu knacken, ich brauchte weit über eine Minute, bis die Tür endlich leise aufschwang. Wir betraten den Raum und schoben die Tür hinter uns schnell wieder zu. Ich nahm meine kleine Taschenlampe und leuchtete damit durch den Raum. Regale mit Geldkassetten standen dort. Ich hielt mich zurück und sah nicht nach, was dort drin war. Stattdessen griff ich nach Alex Hand und zog sie zur Tür. Vorsichtig schob ich sie auf und blickte in einen Gang, der mich ein wenig erstaunte. Es sah eher aus wie ein Flur in einem wohlhabenden Haus, aber nicht wie ein Kellergang. Verwirrt blickte ich einmal nach rechts, wo eine Wand zu sehen war, dann nach links, wo eine Treppe nach oben führte. Ich schwankte etwas und wir entschieden uns dafür, die einzelnen Räume zu durchsuchen. Wir gingen nach rechts, öffneten die Türen, schlossen sie wieder. Als wir an der Wand angekommen waren, griff ich mir hektisch an die Brust und zog mein Kreuz hervor. Es glühte in einem leichten Weiß und war deutlich wärmer geworden. "Was ist?", fragte Alex und sah sich hektisch um. "Was sagt dir dein Kreuz?" "Es zeigt, dass hier schwarzmagische Energie vorhanden ist. Ziemlich stark sogar. Gib mir Deckung, Alex." Sie drehte mir den Rücken zu und zog ihre Waffe. In gespannter Haltung blickte sie zur Tür, damit uns niemand überraschen konnte. Ich nahm mein Kreuz ab und näherte es der Wand. Je näher ich ihr kam, desto unscharfer wurde sie. Sie schien zu zerfließen, löste sich auf und eine Tür kam zum Vorschein. "Schau an", murmelte ich leise und öffnete sie vorsichtig. "Komm. Ich denke, wir haben gefunden, was wir suchen. Es ist hier unten. Hier tötet er die Mädchen. Ihr konntet keine Spuren finden, da die Mädchen direkt hierher gebracht wurden." Hinter der Tür befand sich eine Treppe, die mehr zu dem passte, was ich unter einem Keller verstand. Schimmel, Spinnweben, Steine und Putz. Alex folgte mir, als wir langsam die rutschigen Stufen hinab stiegen, durch einen kleinen Gang kamen und schließlich in einem Raum landeten, der in Form eines Pentagramms angelegt worden war. "Mein Gott", hauchte Alex. Während ich mich auf den Altar und das Buch konzentriert hatte, waren ihr die fünf Frauen aufgefallen, die panisch zu uns aufblickten. Ihre Hände und Füße waren an die Wand gekettet, die Augen wirkten dumpf, trotz der Panik. Sie standen entweder unter einem Bann oder unter Drogen. Mein Kreuz glühte jetzt regelrecht, der Raum hier war aufgeladen mit schwarzmagischer Energie. Alex hockte sich neben eines der Mädchen und schlug ihr leicht gegen die Wange. Sie reagierte langsam, kaum merklich. Ich hockte mich neben sie und berührte sie leicht mit dem Kreuz. Sie strahlte leicht auf und schüttelte den Kopf. Ängstlich sah sie uns an, kroch zurück. "Ganz ruhig", sagte ich leise. Sie sagte etwas in einer fremden Sprache. Ich überlegte und sagte noch einmal: "Ganz ruhig." Sie sah mich an und hielt inne. Die Lippen waren geöffnet und sie keuchte leise. "Wir holen dich und die anderen hier raus. Aber ihr müsst etwas warten, es ist jetzt zu gefährlich." Sie nickte mir zu. "Bleib ganz ruhig, vertrau mir. Ich bin von der Polizei." Ich zog Alex ein Stück weg. Sie fragte mich leise: "Was für eine Sprache war das?" "Arabisch. Ich kann es nicht sehr gut, aber es reicht anscheinend, um sie zu beruhigen." "Kovac holte sich die Mädchen vollkommen wahllos, Hauptsache sie sind rein." Ich nickte und trat auf den Stein zu, auf dem die Mädchen gestorben waren. Dann sah ich mir das Buch an. Alex stand neben mir. "Diese Seiten und die Schrift… es sieht irgendwie… lebendig aus." Unwillig schluckte ich. Mein Schicksal schlug wieder zu. Ja, ich war gut darin, Frauen zu verjagen. "Es ist Haut, die getrocknete Haut von Menschen, nehme ich an. Und die Schrift…" "… ist aus Blut, schon verstanden." Sie schüttelte sich. "Widerlich." Entgegen meiner Erwartung wich sie nicht zurück, sondern schmiegte sich an mich. So sehr meine Welt sie auch anwiderte und verängstigte, sie suchte ausgerechnet Trost bei mir davor.
"Wie bitte?" Kovac ließ sein Glas sinken und sah Michael entgeistert an. "Haben Sie gerade Dämon gesagt?" "Kommen Sie schon, Kovac. Das Blut von 100 Jungfrauen. Sie sagten selber, Sie wollen unsterblich werden. Aber Sie legen keinen Wert darauf, der Welt mitzuteilen, dass Sie die Mädchen getötet haben, noch darauf, dass überhaupt jemand weiß, dass sie tot sind. Also meinen Sie mit unsterblich das Wort im eigentlichen Sinn." Der Zuhälter bekam den Mund nicht wieder zu. Sollte dieser Polizist tatsächlich an die Gegenwelt glauben, an Dämonen und die Macht, ewiges Leben zu bekommen? Oder wollte er ihn provozieren? "Sie glauben an Dämonen?" "Seit ich das Glück hatte, einem Ghoul über den Weg zu laufen, zwangsläufig." Jetzt wurde Kovac unruhig, denn wenn dieser Mann wusste, wovon er sprach, dann konnte er ihm eventuell gefährlich werden. Und das jetzt, so kurz vor seinem Ziel. 93 Opfer hatte er bereits gebracht. Fünf weitere waren zur Opferung bereit. Dann würden ihm noch zwei fehlen. Seine Hand glitt langsam unter das Kissen, welches neben ihm auf dem Sofa lag. Sein Blick fixierte den zweiten Mann. "Wer sind Sie?" "Bill Conolly, ein Freund von John Sinclair. Der Name sagt Ihnen sicher etwas, Mister Kovac. Lady X und John kennen sich recht gut." Sinclair. Natürlich kannte er den Namen. Seine Aufpasserin hatte ihn mehrfach erwähnt und jedes Mal mit blankem Hass in den Augen. "Sinclair ist in London. Er wird mich nicht aufhalten." Michael grinste siegessicher. "Sind Sie sich sicher?" Mit einer flüssigen Bewegung zog er seine Dienstwaffe und richtete sie auf den Mann. "Legen Sie die Hände auf den Tisch und versuchen Sie gar nicht erst, Ihre Gorillas zu warnen." Langsam hob Kovac die Hände und legte sie vor sich auf den Tisch. Er sah, wie dieser Conolly das Kissen hochhob und die darunter liegende Waffe an sich nahm. Sein Blick fixierte den Kommissar. "Sie können mich nicht aufhalten, Naseband. Ich bin mit Mächten im Bunde, die Sie sich nicht einmal vorstellen können." "Verraten Sie mir etwas. Wie haben Sie die Mädchen in den Park bekommen, ohne Spuren zu hinterlassen." Der Mann war also lange nicht so tief eingeweiht in die Geheimnisse der Dämonologie, wie er dachte. Er kratzte an der Oberfläche, mehr nicht. Kovac lehnte sich zurück. "Ganz einfach. Sobald das Blut der Mädchen im Sammelgefäß ist, werden die Körper durch ein Dimensionstor nach draußen befördert. Das hat mein mächtiger Beschützer so für mich eingerichtet." "Was für ein Gefäß? Wo ist es?" "Im Keller." "Den haben wir durchsucht. Das war kein Tropfen Blut." "Sie haben nur den Teil durchsucht, den Sie sehen konnten, Herr Naseband." Michael runzelte die Stirn und dachte nach. Er war bei der Durchsuchung selber dabei gewesen. Dann schloss er kurz die Augen. "Natürlich, die Wand." "Sehr gut. Sie wissen also nicht nur, dass es Dinge gibt, die man nicht sofort sehen kann, sie lernen auch langsam daran zu glauben." In diesem Moment erklangen Schüsse im Stockwerk über ihnen. Michaels Blick zuckte zur Tür. Diesen Moment nutzte Kovac, legte seine Handflächen unter den Couchtisch und kippte ihn auf den Kommissar. Mit einem langen Hechtsprung war er hinter einem Sessel, der zwischen dem Mann und der Tür war. "Rokko, Gerd", brüllte er und die Bodyguards stürmten in den Raum. Beide hatten Waffen in den Händen und schossen sofort auf Michael und Bill, als sie ihren Chef hinter dem Sessel kauern sahen. Michael reagierte schnell genug und zog Bill hinter die Lehne des Sofas. Sie lagen flach auf dem Boden, während sich Kovac aus dem Staub machte. Kugel um Kugel hieb in die teuren Möbelstücke. Der Kommissar und der Journalist saßen in der Falle.
Gerrit hatte die Vase vorsichtig wieder auf den Tisch gestellt, als Suko den Wachmann mit einem harten Schlag gegen den Hals ins Reich der Träume schickte. Es war fast Mitternacht. Dann waren es noch 24 Stunden bis zu seinem großen Tag. Was sollte ihm diese übereilte Aktion jetzt bringen? Er lief schnell hinter Suko her, der den Bodyguard in ein Zimmer zog und leise die Tür schloss. Gemeinsam gingen sie weiter. Flure, leere Zimmer, an den Wänden teure Bilder. Kein Mensch hielt sich hier auf. Suko sah plötzlich zur Treppe, die ins Erdgeschoss führte. Dann schüttelte er den Kopf. "Was ist?", flüsterte Gerrit. "Ich dachte, da wäre jemand vorbei gerannt. Vielleicht habe ich mich auch getäuscht." Sie gingen weiter und hatten relativ schnell die Räume durchsucht. In keinem war auch nur ein Mensch zu finden oder ein Hinweis auf übernatürliche Aktivitäten. Suko deutete auf eine Ecke. Der Flur machte hier einen Knick. Wahrscheinlich gab es dahinter noch ein oder mehrere Zimmer. Gerrit nickte und folgte ihm mit gezogener Waffe. Als Suko um die Ecke bog, blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen. Im selben Moment ratterte ein Maschinengewehr los und jagte Kugel um Kugel auf en Chinesen zu, der sich rückwärts fallen ließ und so wieder hinter der Ecke verschwand. Mit einer eleganten Rolle rückwärts war er wieder auf den Beinen und zog Gerrit ins nächstbeste Zimmer. Sie versteckten sich hinter einem Bett und warteten, dass Lady X die Tür eintreten würde, die Suko gerade noch abgeschlossen hatte. Beide hielten sie ihre Waffen in den Händen, die Läufe direkt auf die Tür gerichtet. Sie hörten Schüsse, aber die kamen eindeutig vom Stockwerk unter ihnen. Suko verzog das Gesicht. Hoffentlich ging es John und Bill gut. Er sah zu Gerrit hinüber, der ernst zur Tür blickte. Ernst, aber nicht eine Spur nervös oder gar ängstlich. Sein Atem ging ruhig und keine Spur von Schweiß lag ihm auf der Stirn. Für Suko war das nur eine Bestätigung mehr, dass er hier mit dem nächsten großen Gegner von John stand. Dieser Mann fürchtete sich nicht davor, zu sterben. Er wusste, dass er nicht sterben würde. Mit einem Mal wünschte er sich, draußen im Flur bei Lady X zu sein.