Vielleicht, weil der Schock ganz heilsam war . Danke fürs Kommi, Nic.
Gerrit sah ihr erstaunt nach. Obwohl die Wut in ihm brodelte, konnte er ihr nicht nachgeben, denn sie war nicht stark genug. Asmodina hatte Tränen in den Augen gehabt. Die Tochter des Teufels hatte geweint. Fassungslos schüttelte er den Kopf, bevor er sein Kreuz ansah. Er stutzte. Seine Waffe war nicht zerbrochen, wie er es angenommen hatte. Das Kreuz war nicht nur im übertragenen Sinn eine Waffe, es war ein kleiner Dolch. Sein Griff hatte den oberen Teil gebildet, die Querbalken trennten die Klinge vom Griff. Der untere Teil war die Hülle, in der die Klinge gesteckt hatte. Verwundert sah er sich das blanke Metall an. Grüne Flammen schienen die Klinge zu umhüllen, Flammen, die eine Kraft und Energie ausstrahlten, die kaum zu ertragen war. Er schob den Dolch in die Hülle zurück und setzte so das Kreuz wieder zusammen. Dann nahm er die Pergamentrolle und begann, darin zu lesen. Mit jedem Satz wurden seine Augen größer. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, welches seine spitzen Eckzähne blitzen ließ. "Ich liebe dich, Asmodina", schrie er in den Nebel, bevor er die Rolle an seine Brust presste und sich auf den Weg nach München machte. Er musste mit John reden, ganz dringend.
Wieso Michael und ich uns gerade an Alex Sarg ausgesprochen haben, weiß ich nicht. Aber von dem Moment an waren wir Freunde. Wir weinten gemeinsam, redeten stundenlang und ich half ihm ein wenig bei seiner Arbeit. Suko und Bill ließen uns in unserer Trauer, fingen uns nur ab und an auf, wenn es zu schlimm wurde und wir begannen, uns gegenseitig runter zu ziehen. So rückte der Tag der Beerdigung näher, vor dem wir beide eine furchtbare Angst hatten. Zwei Wochen nach Alex Tod sollte es so weit sein. Ihr Körper war wie erstarrt und eiskalt. Der Gerichtsmediziner konnte es nicht erklären, warum der natürliche Verwesungsprozess nicht einsetzte. Wahrscheinlich hatte es etwas mit der Todesart zu tun oder dem Ort, an dem sie gestorben war. Den Abend vor der Beerdigung saßen Michael und ich im Büro des Kommissars und redeten. Er redete, um genau zu sein. Bill und Suko hörten zu. Ich selber kämpfte mal wieder mit den Tränen. Michael erzählte uns von alten Fällen, von gemütlichen Abenden, die er mit Gerrit und Alex erlebt hatte. Er sprach von einer Scheinhochzeit, von einem Zelturlaub, von Abenden in Bars, wo er und Alex sich furchtbar gezofft hatten. Er hatte so viele wunderbare Erinnerungen an diese Frau. Und was hatte ich? Einige heiße Nächte. Mehr nicht. Auch wenn ich das Gefühl hatte, sie gut zu kennen, Michael zeigte mir überdeutlich, dass das ein Irrtum war. Als Gerrit plötzlich auftauchte, war ich richtig froh darüber. Für eine Sekunde. Dann wurde ich wütend. "Kannst du nicht wenigstens noch einen Tag warten, bis wir Alex bestatten konnten?" Er schüttelte hastig den Kopf. Seine Augen funkelten. Mir fiel auf, dass sie blau strahlten. Er schien sehr nervös zu sein, hielt eine alte Pergamentrolle in der rechten Hand und sein Kreuz in der linken. "Ich bin nicht hier, um zu kämpfen." Sein Blick fiel auf Bill und Suko, die ihre Waffen in den Händen hatten. "Steckt die weg", fuhr ich sie an. "Wenn, dann gehört er sowieso mir." Meine Freunde taten es und ließen sich wieder auf ihre Plätze fallen. "Gib dein Kreuz Suko", wies Gerrit mich an. "Wieso?" Ich wurde misstrauisch. Wollte er mich jetzt doch mit Tricks reinlegen? Gerrit legte seines vor Michael auf den Tisch und ging dann weg zur anderen Seite des Raumes. "Gib dein Kreuz Suko", forderte er mich erneut auf. Da er nicht bereit war, mir zu antworten, tat ich, was er wollte. Ich warf es Suko zu, der es geschickt auffing. "Versuch es, auseinander zu ziehen." "Das ist Metall. Ich bin zwar sehr stark, aber…" "Mach es", zischte Gerrit ihn an. Suko sah mich an, dann zog er. Ich sah, wie sein Kopf rot wurde und Schweißperlen auf seine Stirn traten. Aber es geschah nichts. Gerrit fluchte ungehalten. "So geht es nicht. Asmodinas Weg ist wohl doch der richtige. Wirf es auf den Boden, so fest du kannst." "Nein", sagte ich und sprang auf. "Tu es." Gerrits Augen wurden schwarz. Suko weigerte sich und ging auf Abwehrhaltung. "Nein. Ich werde es nicht zerstören." "Es hat schon andere Dinge überstanden, verflucht noch mal. Wirf es auf den Boden, mit aller Kraft." Er sah mich an, wirkte dabei gehetzt wie ein Tier auf der Flucht. "Wirf es auf den Boden." Keiner regte sich. "Es geht um Alex, verdammt noch mal." Michael zuckte hoch, riss Suko meine mächtigste Waffe aus der Hand und schmetterte sie mit aller Kraft auf die Erde. Gerrit entspannte sich und ich ging langsam auf die Knie. Mein Kreuz schien zerbrochen zu sein. Verwundert sah ich es an. Dann zog ich es langsam auseinander. In der Hand hielt ich einen Dolch und die Schutzhülle, in die er gehörte. Ein weiß-goldenes Feuer umzüngelte die Klinge und eine Kraft erfasste mich, die mir fast die Sinne raubte. Ich sah, wie Gerrit sein Kreuz nahm und es auseinander zog. Er hielt einen gleichen Dolch in der Hand, nur war seiner natürlich schwarz. "Die Dolche des Schicksal, John. Sie sind die mächtigsten Waffen, die je erschaffen wurden. Sie sind die Basis unserer Kräfte. Deiner gibt dir die Kraft zu glauben. Dein Glaube an das Gute und die Fähigkeit in anderen Menschen Hoffnung zu erwecken, ist deine größte Waffe. Meiner verleiht mir die Macht der Unsterblichkeit." "Was haben die Dolche mit Alex zu tun?" Gerrit hockte sich vor mich. "Mein Blut vereinigt mit dem Blut eines Menschen, den ich getötet habe, holt ihn ins Leben zurück. Aber er würde grausam und rachsüchtig sein. Also muss auch anderes Blut durch dessen Adern fließen. Das Blut eines Menschen, der von Grund auf gut ist. Dann hat man am Ende einen Menschen mit einer guten und einer schlechten Seite. Das, was euch Sterbliche so auszeichnet." "Ein ganz normaler Mensch", flüsterte Michael leise. "Unsere Alex." "Moment", sagte Suko. "Diese Waffen sind unglaublich mächtig. Was ist der Preis, Gerrit? Wo ist der Haken?" Ich zitterte vor Aufregung. Sollten wir wirklich eine Möglichkeit haben, Alex wieder zum Leben zu erwecken? Sukos Worte bremsten meine Hoffnungen jedoch ziemlich ein. Gerrit seufzte. "Die Dolche würden, wenn wir sie gleichzeitig einsetzen, ihre Macht verlieren, da sie ja mit der Magie und dem Blut des Hauptgegners getränkt würden. Damit verlierst du die Kraft deines Kreuzes, John. Für immer." "Und du… deine Unsterblichkeit." Ich sah ihn erstaunt an. Würde er das wirklich aufgeben? Für Alex? Hatte er tatsächlich solche Schuldgefühle? Er nickte mir zu. "Ja. Die Kreuze sind danach nur noch Zierde. Die zukünftigen Generationen der Söhne des Lichts hätten es damit sehr viel schwerer. Hoffnung, Glaube, es muss aus ihnen kommen, denn dieses Kreuz hält im besten Fall noch schwache Vampire ab, wenn das Feuer des Dolches nicht mehr brennt. Du unterbrichst für Alex den Kontakt deiner Nachfolger zu den Erzengeln. Ziemlich eigensüchtig, wenn du mich fragst." Seine Augen hielten meinen Blick fest. "Dass die Prozedur eine Höllenqual für uns beide bedeutet, muss ich nicht extra sagen, oder? Wenn du es nicht durchhältst und das Ritual unterbrichst, Sohn des Lichts, war alles umsonst." Ich schluckte und verdrängte alle Gedanken, die in diesem Augenblick in mir hochstiegen. Vor allem die Schuldgefühle für meine eigennützige Tat, die ich jetzt schon gegenüber meinen Nachfolgern hatte. "Was muss ich tun?"
Wir standen in einem Kreis, gezogen aus rotem Sand. Alex lag auf einem Tisch zwischen uns. Wir befanden uns in der Leichenhalle und es hatte uns viel Überredungskunst gekostet, die Besitzer zu verscheuchen. Nun ja, zuletzt hatte Gerrit sie hypnotisiert und jetzt standen sie mit starren Blicken im Nebenraum herum. Gerrit und ich standen jeweils an einer Seite von Alex Leichnam. Suko, Bill und Michael standen an der Wand, außerhalb des Kreises. Das Ritual würde 24 Stunden dauern. Und bis dahin durften wir nicht unterbrochen werden. Ich sah Michael an, der es kaum noch erwarten konnte, Alex wieder in die Arme zu schließen. Er fühlte genauso wie ich. Bill war sehr verständnisvoll, wenn auch skeptisch. Suko hatte mich mehrfach versucht umzustimmen und ich war ihm dankbar dafür. Aber ich konnte nicht zurück. Alex war unschuldig gestorben. Ihre Seele war so viel wert wie jede andere auf diesem Planeten. Wenn ich sie retten konnte, dann würde ich das tun. Schließlich hatte er aufgegeben und sich dafür entschieden, Gerrit im Auge zu behalten, falls der doch einen Versuch unternehmen würde, mich zu töten. Er traute ihm einfach nicht und würde das in diesem Leben auch nicht mehr lernen. Gerrit murmelte Worte in einer Sprache, die ich nicht verstand und nicht nachsprechen konnte. Aber das war unnötig. Der Sand um uns herum begann zu leuchten und eine Barriere schützte uns vor äußeren Einflüssen. Er sah mich an. "Bereit?" "Ja." Mein Blick war voller Zuversicht. "Überleg es dir gut, John. Die Schmerzen wirst du nie wieder vergessen." Ich nickte und zog den Dolch. "Für Alex", sagte ich leise. Er nickte und nahm seinen Dolch. Mit der Hand umfasste er die von Alex, presste seine Handfläche fest auf ihr und hob den Dolch in die Luft. Ich nahm Alex linke Hand in meine, drehte sie so, dass mein Handrücken nach oben zeigte und nickte Gerrit zu. Auch mein Dolch erhob sich in die Luft, verharrte zitternd über meinem Handrücken. Gerrit nickte leicht und sagte dann laut und deutlich: "Mächte der Finsternis, ich rufe euch. Heute und hier brauche ich die Kraft dieses Dolches, mir verliehen von den vier Reitern der Apokalypse. Ich gebe meine Fähigkeit ewig zu leben und vereine mein Blut mit dem meines Feindes." Ich schluckte hart. "Mächte des Lichts, ich rufe euch. Heute und hier brauche ich die Kraft dieses Dolches, mir verliehen von den vier Erzengeln. Ich gebe meine Fähigkeit, bedingungslos zu Glauben und zu Hoffen und vereine mein Blut mit dem meines Feindes." Wir sahen uns für den Bruchteil einer Sekunde an, dann sausten die Dolche unseren Händen entgegen. "Mächte des Himmel und der Hölle", riefen wir, wie aus einem Mund. "Nehmt unser Blut und gebt diese unschuldige Seele frei." In diesem Moment durchstießen die Klingen unsere Haut, unser Fleisch, bohrten sich in Alex Hände und in den Tisch darunter. Ich brauchte alle Selbstbeherrschung, die ich mir in meinen unzähligen Kämpfen angeeignet hatte, um nicht aufzuschreien, denn der Schmerz, der von der brennenden Klinge ausging, war unglaublich. Ich merkte meine Knochen, die zerschnitten wurden, die Muskeln und Sehnen, die ich zertrennte und die unzähligen Nerven. Tränen liefen mir über das Gesicht, aber ich wusste, ich musste schweigen. Mein Blick glitt zu Gerrit. Er hatte sich vor Schmerz die Vampirzähne in die Unterlippe gerammt, Blut lief ihm über das Kinn. Auch in seinen Augen schimmerten Tränen und sein Gesicht war vor Qual verzerrt. Doch auch aus seinem Mund drang kein Laut des Schmerzes. Wir mussten schweigen. Schweigend hier stehen bleiben, für einen ganzen langen Tag. Unser Blut musste Alex durchströmen und mit Hilfe der magischen Kräfte der Dolche würde sie in 24 Stunden wieder auferstehen. Ich wusste, dass die Schmerzen noch schlimmer werden würden. In dem Moment nämlich, wo Gerrits Blut in meinen Körper eindringen würde. Aber wir wollten es beide, für Alex. Erleichtert dachte ich an die Worte in dem alten Pergament. Wenn wir die Dolche entfernen würden, würden sich Alex Wunden sehr schnell schließen. Unsere hingegen würden lange brauchen um zu heilen und die Narben würden nie vergehen. Aber das alles waren wir bereit, auf uns zu nehmen. Das alles war ein winziger Preis im Vergleich zu dem Gefühl, Alex für immer verloren zu haben. Ich bemerkte ein Schimmern im Raum. Asmodina tauchte auf. Sie stand neben Suko, der sie einfach hinnahm, wo die beiden sich sonst immer bis aufs Blut bekämpften. Ich hörte ihre Worte, als sie meinen chinesischen Freund ansprach: "Wieso seid ihr Männer so? Er hätte alles haben können. Die Welt, Unsterblichkeit… Und er schmeißt alles hin für eine Frau, die nur eine Freundin ist." "Vielleicht ist sie doch mehr für ihn", vermutete Suko. Asmodina sah ihn wütend an. "Ist sie nicht. Sie ist nicht sein Typ. Sie passt auch gar nicht zu ihm." Erstaunt zog ich eine Augenbraue hoch und sah Gerrit fragend an, der schief grinste. Seine Lippen formten unhörbar ein Wort. 'Frauen.' Ich lachte, ebenso lautlos und blickte wieder auf Alex. Auch ich hatte die Vermutung gehabt, dass sich hinter Gerrits Schuldgefühlen andere Gefühle für diese Frau versteckten. Aber dem war wohl nicht so. Mir wurde schwindlig, die Wunde in meiner Hand kribbelte und fing an zu brennen. Gerrit atmete hastiger, spürte ebenfalls die langsam beginnenden Schmerzen, die alles bisher da gewesene noch in den Schatten stellen sollte. Unser Blut hatte also den leblosen Körper ein mal durchflossen und war jetzt beim jeweils anderen angekommen. Wieder trafen sich unsere Blicke. Und die Zuversicht in den Augen des jeweils anderen war der letzte Beweis, dass die Entscheidung für dieses Ritual die richtige gewesen war.
Die Stunden krochen elend langsam dahin und die Schmerzen machten uns beide fertig. Allein die mal aufmunternden, mal bösen Blicke, die wir uns zuwerfen, hielten uns beide davon ab, aufzugeben. Und dass wir beide Alex Schicksal in den Händen hielten, stärkte uns. Keiner war allein, zusammen würden wir das Ziel erreichen. Immer wieder sah ich Gerrit bedauernd an, denn genau hier zeigte sich mal wieder, wie unglaublich gut wir zusammen arbeiten konnten. Dass Asmodina bei meinen Freunden stand, begriff ich im Moment nicht so wirklich. Sie hatte immer versucht, mich umzubringen, sobald wir uns begegnet waren. Sie war eine Dämonin durch und durch. Sie hasste mich und alles Gute auf dieser Welt. Aber anscheinend hatte die Teufelstochter sich verliebt und wollte nun aufpassen, dass Gerrit nichts geschah. Liebe und Asmodina in einem Gedanken. Es war schon seltsam auf was ich so kam, wenn ich müde war und Schmerzen hatte. Aber ich hatte Recht. Gerrit schaute immer wieder zu ihr hinüber und die sonst zornig dreinblickende, rothaarige Frau bekam ein sehr weiches Gesicht. Ob ihrem Vater das wohl gefiel? Wobei Gerrit als zukünftiger Schwiegersohn im Dämonenreich nicht zu verachten war… zu verachten gewesen war. Wie sich die Aktion mit Alex auf sein Ansehen auswirken würde, war nicht abzusehen, aber eines war sicher. Dass er mir half, diese Frau zurück zu bringen, brachte ihm Feinde ein. Mächtige und gefährliche Feinde. Und dass sich diese Aktion rumsprechen würde, war so sicher wie das Amen in der Kirche, denn Klatsch und Tratsch gab es in der Unterwelt genauso wie auf der Erde. Mit der Hand wischte ich mir den Schweiß von der Stirn, schwankte leicht und wurde von Gerrit am Kragen festgehalten. Mahnend sah er mich an. Ich nickte ihm zu. Er musste sich keine Sorgen machen, ich hielt schon durch. Für Alex schaffte ich alles. Bill verschwand kurz, war Sekunden später wieder zurück mit einer Flasche Wasser in der Hand. Er trank ein wenig, reichte die Flasche weiter an Suko und Michael. Letzterer war so angespannt, dass ihm die Flasche fast runter fiel. Gerrit und ich taten wenigstens etwas. Er konnte einfach nur zusehen. Es musste sich entsetzlich grausam anfühlen. Wie sehr es ihn mitnahm, merkte man daran, dass er Asmodina die Wasserflasche reichte. Sie blickte ihn erstaunt an, schüttelte dann aber den Kopf. "Wenn ich draus trinke und ihr sie an die Lippen setzt, seid ihr tot. Nicht, dass mir das was ausmachen würde, aber Gerrit würde sich dann wieder aufregen." Der nickte zustimmend. Michael zuckte mit den Schultern und reichte Bill die Flasche zurück. Der sah sie an, sie war vielleicht noch zu einem Viertel voll. Er reichte sie Asmodina. "Hier, kannst du behalten. Ich weiß zwar nicht, ob du Trinken brauchst…" "Denkst du ich lebe allein von Hass, Conolly?" Sie nahm sie und trank sie leer. "Klar muss ich essen und trinken. Am liebsten mag ich zartes Fleisch von neugierigen Reportern und ihr Blut." "Wie gut, dass ich nicht neugierig bin", murmelte Bill mit gespielter Erleichterung. Suko lachte leise. Auch er schien von Asmodinas Auftritt mehr als überrascht zu sein, blieb aber wachsam. Sein Misstrauen gegen alles Dämonische war tief verwurzelt und hatte uns allen schon mehrfach das Leben gerettet. Mit ihm fühlte ich mich irgendwie immer sicher, egal wie verfahren eine Situation auch war. Und dass er hier stand und wartete, obwohl er von diesem Ritual nichts hielt, machte ihn mir mal wieder noch sympathischer. Wenn das überhaupt noch möglich war. "Wie lange dauert das hier noch?", brummte die Teufelstochter und kratzte sich an ihrem Horn. Sie strich eine Strähne ihres Haares von der Stirn und sah Suko fragend an. Der schüttelte verblüfft den Kopf. "Du bist unsterblich, wieso die Eile?" Sie zuckte mit den Schultern. "Moment mal… Kann es sein, dass Gerrit die Idee für dieses Ritual von dir hat?" "Wenn er und John zu dämlich sind, um die Macht ihrer Waffen richtig kennen zu lernen, dann muss Frau schon mal nachhelfen." "Wieso hilfst du Alex?", fragte Michael sie. "Sie ist mir scheißegal… wie heißt du?" "Michael Naseband." Sie nickte. "Wie gesagt, die Kleine ist mir egal, aber Gerrit hat dermaßen unter seinen Schuldgefühlen gelitten, das war schon nicht mehr mit anzusehen. Er wird ja zum Gespött der ganzen Dämonenwelt." Der Kommissar sah sie lange schweigend an. Schließlich nickte er leicht. "Er ist ein toller Kerl." Ein dunkles Funkeln huschte über ihren Blick. "Mal sehen, ob du das immer noch denkst, wenn er wieder auf der Höhe ist." Für Gerrit und mich waren die Gespräche und Sticheleien eine sehr willkommene Abwechslung. So hatten wir etwas, womit wir uns ablenken konnten. Ablenken von der Müdigkeit in unseren Beinen und von den Schmerzen in unseren Händen. Sollten sie sich ruhig weiter zoffen und sich gegenseitig ärgern. Solange Asmodina friedlich blieb, war auch alles in Ordnung. Und ihre Gedanken schienen sich im Moment einzig und allein um Gerrit zu drehen.
Als das Ritual beendet war, fühlten wir beide einen einzigen großen Schmerz, der uns durchzuckte. Schweiß und Tränen mischten sich auf unseren Gesichtern, als das Feuer der Dolche sich unvergesslich in unsere Haut brannte und dann erlosch. "Zieh den Dolch raus, John. Los." Gleichzeitig entfernten wir die Dolche und brachen beide in die Knie. Unsere Hände hielten immer noch Alex Hände fest umklammert. Michael trat dicht an den Kreis heran, wagte aber nicht, die Linie zu durchbrechen. Gerrit stemmte sich langsam hoch und nickte ihm zu, dann kam er zu uns. Er kümmerte sich zuerst um mich, hob mich vom Boden auf und trennte langsam meine Hand von der von Alex. Wir sahen ihre Hand an, die Wunde hatte sich komplett geschlossen. Asmodina war neben Gerrit getreten und sah ihn besorgt an. Asmodina… besorgt… schon wieder Worte, die gemeinsam in einem Satz eigentlich nichts zu suchen hatten. "Alex?", flüsterte Michael mit heiserer Stimme. "Alex?" Wir schauten auf sie hinab. Ihre Augenlider flatterten und sie atmete tief und gleichmäßig. Langsam glitten ihre Augen an mir hoch, sie lächelte leicht, sah dann Gerrit an und lächelte auch ihm zu. Schließlich blieb ihr Blick an Michael haften und sie öffnete langsam den Mund. "Micha, was geht hier vor?" Ich verzog ein wenig die Lippen. Es war typisch Alex und typisch für ihr wunderbares Verhältnis zu dem Kommissar, dass sie von ihm eine Erklärung verlangte. Ihm vertraute sie am meisten. Und es war typisch für den Michael, den ich kannte, dass er dies ignorierte und mich nicht triumphierend ansah. Er streichelte Alex über die Hände und half ihr dabei, sich hinzusetzen. "Kannst du dich an den Kampf erinnern?", fragte er vorsichtig. Sie nickte. "Ja. Ich bin durch die Barriere gekommen und wollte Gerrit davon abhalten, John weh zu tun." Sie sah die beiden Männer an. "Dann weiß ich nichts mehr." "Das ist über eine Woche her. Du warst tot, Alex. Ich konnte den Angriff nicht abbrechen, den ich gegen John gerichtet hatte." Gerrit senkte beschämt den Blick. "Ich habe dich umgebracht." Verwirrt schaute sie ihn an. "Aber ich fühle mich nicht tot." "John und Gerrit haben dich mit einem Ritual ins Leben zurück geholt." Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Gemeinsam?" "Das war nur dieses eine Mal", sagte Gerrit schnell. "Wir sind immer noch Feinde." "Richtig", stimmte ich ihm zu. "Toll, sie hat den Weltuntergang verschoben. Kannst dir ja was drauf einbilden." Alex sah Asmodina an, die Gerrits Handgelenk umklammert hatte. Sie sah die tiefe Wunde und das Blut, was unaufhörlich auf den Boden tropfte. "Du lieber Himmel. Gerrit…" Sie sah mich an. Suko und Bill stützen mich und Bill hatte mir mit einem mitgebrachten Tuch die Hand notdürftig verbunden. "John… was um alles in der Welt habt ihr getan? Was war das überhaupt für ein Ritual?" Ich sah Gerrit an und zog die Augenbrauen unsicher nach oben. Dann zeigte ich ihr den Dolch. "Unser Blut, in Verbindung mit den Kräften unserer Kreuze konnte dich zurück bringen." Alex war skeptisch. Sie hatte inzwischen genug über die Welt erfahren, in der Gerrit und ich lebten, um zu wissen, das solche Rituale Opfer erforderten. "Und?" "Wir mussten dafür das hergeben, wofür unsere Kräfte stehen. Gerrit hat seine Unsterblichkeit geopfert, ich die Fähigkeit, bedingungslos zu Glauben und zu Hoffen." "Seid ihr beide komplett verrückt geworden. Vor allem du, John. Diese Entscheidung zu treffen…" Ich konnte nicht anders, strich ihr mit der Hand über die Wange und küsste sie. Als Asmodina murmelte: "So ist richtig, endlich ist sie ruhig", musste ich einfach lachen. Diese ganze Situation war einfach verrückt. Vollkommen verrückt. Bill und Suko kümmerten sich dann auch etwas mehr um meine Hand. Sie hatten vorsichtshalber einen Erste-Hilfe-Kasten mitgebracht. Michael versorgte zusammen mit Asmodina Gerrits Hand und Alex schüttelte den Kopf über unsere Aktion. Sie fand es natürlich toll, dass sie lebte. Auch, dass wir zusammen gearbeitet hatten, war in ihren Augen ein Schritt auf dem Weg hin zu einer Versöhnung. Gerrit und ich sahen das natürlich anders, aber egal. Ich wollte mit ihr nicht streiten und schon gar nicht in dem Augenblick, wo sie von den Toten auferstanden war. Michael half Alex vom Tisch herunter. Sie war putzmunter und bedankte sich bei Gerrit mit einem Kuss auf die Wange. "Willst du nicht bei uns bleiben?" "Ich kann nicht, Alex. Mein Schicksal ist ein anderes." Er sah sie traurig an, bevor seine blauen Augen wieder überlagert wurden von den dämonischen schwarzen. "John." Ich hob den Kopf und sah ihn an. "Wir sehen uns." Betrübt nickte ich. Er wollte den Kampf also fortsetzen. Damit blieb mir mit Alex wieder nur noch ein begrenzter Zeitraum. "Danke, Gerrit." "Ich danke dir. Ich habe zwar die Unsterblichkeit aufgeben, aber Dämonen und Söhne der Finsternis wird es immer geben. Unsere Stärke ist die Bosheit und die Unterstützung anderer Dämonen. Du hast das größere Opfer gebracht. Denn ein Sohn des Lichts ohne Hoffnung und Glaube ist schwach." Langsam schüttelte ich den Kopf. "Ich fühle mich nicht hoffnungslos, Gerrit." Ich sah den Dolch an, der auf dem Tisch lag, besudelt von Blut. "Vielleicht wird es Zeit, dass das Kreuz für mich und meine Nachfolger mehr ein Symbol wird. Unterschätze uns Söhne des Lichts nicht, wir sind stark, auch wenn wir manchmal zweifeln oder verzweifeln. Das ist nur menschlich." Er lächelte mir zu, umfasste Asmodinas Hand mit seiner gesunden und löste sich langsam auf. Bevor sie ganz verschwunden waren, warf die Teufelstochter Bill die Wasserflasche zu. "Hier. Recycling gibt’s bei uns noch nicht." Lachend sahen wir den beiden Dämonen nach, wie sie verschwanden und ich hoffte ganz fest, dass ich Gerrit nicht erst bei unserem nächsten Kampf um die Welt begegnen würde. Michael war da praktischer. Er zog Alex in seine Arme und drückte sie fest an sich. "Ich hab dich wieder. Meine Alex. Ohne dich ist das Büro einfach nur tot… totlangweilig." Sie lachte und schmiegte sich gegen ihn. "Danke." Dann löste sie sich von ihm und kam zu mir. "Lass uns hier verschwinden. Du bist ganz blass." Ich nickte und legte den Arm um ihre Schulter. "Wenn ich dein Lachen höre und in deine Augen sehe, weiß ich, dass es das wert war." Sie schmiegte sich gegen mich. Ihr Körper strahlte Wärme aus, ihr Atem strich über meine Hand, als sie kurz die Lippen auf meinen Handrücken presste und ich hätte vor Freude am liebsten losgeheult. Schon lange war ich nicht mehr so glücklich gewesen.
Die nächsten Wochen waren wunderschön. Sie waren nichts besonderes, vielleicht war das ja das Zauberhafte daran. Michael arbeitete im Büro, ich war krank geschrieben und durfte natürlich von meinem Chef aus in München bleiben. Auch weil die Sache mit Gerrit noch nicht geklärt war. Bill und Suko halfen Michael ein wenig, wenn sie konnten und unterhielten ihn sonst einfach. Und Alex huschte strahlend durchs Büro, neckte Michael, scherzte mit Bill und ließ sich von Suko einige Handgriffe im Nahkampf zeigen oder sie saß bei mir auf der Couch und wir lachten, redeten oder schwiegen gemeinsam. Die Verbindung zwischen Michael und mir war so intensiv geworden, dass er sich inzwischen fast allein um meine Verletzung kümmerte. Er wollte mir damit zurückzahlen, was ich für Alex getan hatte und er hatte irgendwie eine gute Hand als Pfleger. Er wechselte mir die Verbände und spritzte mir sogar die Schmerzmittel, die Doktor Alsleben besorgt hatte. Trotzdem heilte die Wunde sehr, sehr schlecht. Von Gerrit hörten wir in der ganzen Zeit nichts und ich hoffte wirklich von ganzem Herzen, dass es ihm gut ging. Ohne ihn hätte ich Alex verloren und dieses Gefühl bestimmte meine Beziehung zu ihm voll und ganz. Dass er mich immer noch umbringen wollte, verdrängte ich gekonnt.
Gerrit tat dies jedoch nicht. Er war erleichtert, dass alles geklappt hatte und er zeigte Asmodina überdeutlich seine Dankbarkeit für den Tipp. Sie genoss die Nähe zu ihm und pflegte ihn gesund, so gut sie es konnte. Das Zufügen von Wunden war eben doch leichter als das Heilen, stellte sie mehrfach fest. Andere hohe Dämonen hatten sich bei Gerrit nicht mehr blicken lassen, einige niedere schauten ab und an vorbei. Und was sie erzählten, stimmte Gerrit nicht wirklich froh. Natürlich wussten die Wesen der Unterwelten, was er getan hatte. Und niemand verstand es. Asmodinas Vater hatte seiner Tochter sogar den Umgang mit ihm verboten. Seiner Meinung nach war ein Sterblicher nichts für seine Tochter. Doch die hatte ihm gehörig die Meinung gesagt. Seitdem hatte der Teufel sich auch nicht mehr sehen lassen. Bis heute. "Gerrit, Asmodina, ich muss mit euch reden." Der Geruch von Schwefel und Feuer wehte zu Gerrit hinüber, als der Gehörnte sich auf ihn zu bewegte. Gerrit stand langsam auf und sah den Satan fest an. "Sei Willkommen." "Spar dir die Höflichkeiten", knurrte er leise. "Es gibt Mächte, die wollen dich vernichten." "Und du gehörst nicht zu ihnen?" "Nein." Sein Schwanz peitschte durch die Luft. "Nicht, solange meine Tochter an deiner Seite steht." Er sah sie empört an. "Was willst du von ihm? Er wird alt und runzlig. Bin gespannt, ob er dir dann immer noch gefällt." Sie schob die Unterlippe vor und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich liebe ihn und werde ihn auch dann noch lieben." "Liebe… Du bist meine Tochter und wagst es, von Liebe zu sprechen?" Seine donnernde Stimme hallte durch Gerrits Reich. "Ja, Vater." Gleichgültig sah Asmodina ihn an. Sein Knurren klang so gefährlich, dass Gerrit die Teufelstochter hinter sich zog, um sie vor dem Zorn ihres Vaters zu schützen. Das brachte den jedoch zum Lachen. "Du bist immer noch ein Mensch, Gerrit. Meine Tochter musst du nicht schützen. Nicht vor mir. Du hast immer noch Kräfte, die über alles hinausgehen, was die meisten Dämonen sich vorstellen können. Das ist der einzige Grund, warum du überhaupt noch am Leben bist." Damit verschwand er mit einem lauten Knall. Gerrit seufzte leise. "Dein Vater hat Recht." Er ließ sich auf seinen Thron fallen. Asmodina nickte leicht und ging zu einem kleinen Schrank, den Gerrit sich aus Japan besorgt hatte. Hier bewahrte er einige alkoholische Getränke und besondere Blutsorten auf. Für schlechte Zeiten, wie er mehrfach beteuert hatte. Sie nahm einen Pokal aus reinem Gold heraus und füllte etwas Whiskey hinein. Dazu goss sie das Blut einer Hexe, die Gerrit umgebracht hatte und krümelte einige Kräuter und getrocknete und zerstoßene Dinge hinein. "Vater macht sich nur Sorgen um mich. Alle Väter sind so." Sie hob ihre Hand und biss sich in den Unterarm. Dann tropfte sie einige Tropfen ihres Blutes in den Kelch. Dessen Inhalt schäumte und brodelte, wurde giftgrün und schließlich braun und durchsichtig. Sie ging um den Thron herum und reichte Gerrit das Gefäß. "Trink. Das bringt dich auf andere Gedanken." "Was ist das?" Er roch daran. "Whiskey?" "Ja, es ist nur Whiskey." Ihre Lippen kräuselte sich leicht. "Riecht etwas merkwürdig." Sie strich ihm über die Wange. "Trink, mein geliebter Sohn der Finsternis. Und alles wird gut werden." Er küsste sie flüchtig und setzte dann den Kelch an seine Lippen. Asmodinas Augen glitzerten, als er die Flüssigkeit hinunterschluckte.
Nein, es war nicht nur Whiskey. Gerrit hatte keine Ahnung, was Asmodina ihm da verabreicht hatte, aber als er von irrsinnigen Schmerzen gepeinigt vor seinem Thron lag und sich krümmte, fluchte er über die Hinterlist der Dämonen. Er schwor Asmodina Rache, für was auch immer sie getan hatte. Diese stand neben ihm, blickte ruhig auf ihn hinab und sagte nichts. "Wieso tust du das? Für wen arbeitest du?", keuchte er, als sich seine Eingeweide zusammenzogen und brannten, als hätte er flüssiges Feuer getrunken. Er schrie auf und wand sich. "Wieso willst du mich umbringen?" Die Teufelstochter rollte mit den Augen und ließ sich neben ihn nieder. "Nun mach mal nicht so einen Aufstand, Gerrit. Es ist gleich vorbei." Sie kniete sich auf den Boden und zog seinen Oberkörper auf ihre Oberschenkel. "Entspann dich", sagte sie und strich ihm über die schweißnasse Stirn. "Ist das deine Rache… weil mir Alex… so wichtig ist?" "Ein wenig", sagte sie grinsend, fuhr aber fort, ihn zu streicheln. "Entspann dich. Ganz ruhig atmen." Er versuchte es und tatsächlich ließen die Schmerzen langsam nach. Als sie abgeklungen waren, stemmte er sich langsam auf die Knie und sah die Teufelstochter durchdringend an. "Was hast du mit mir gemacht. Sag es mir, sonst bringe ich dich um." Sie lachte leise. "Im Gegensatz zu dir, bin ich unsterblich, vergiss das nicht." Er knurrte leise. Lächelnd strich sie ihm über die Wange. "Wobei, das ist eine Lüge. Seit eben bin ich nicht mehr unsterblich. Der Trank war mit einigen Zutaten versetzt, die ich dir lieber nicht im Einzelnen aufzähle. Eine davon war mein Blut. Darauf hast du wohl so heftig reagiert." "Wie meinst du das, du wärst nicht mehr unsterblich?" "Ich habe die Unsterblichkeit aufgegeben, um dir damit einige Tausend Jahre zu schenken. Wir beide werden altern, aber sehr, sehr langsam. Wie lange uns bleibt, weiß ich selber nicht, aber ich hoffe, dass wir die Zeit gemeinsam verbringen können." Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen starrte Gerrit die Frau an. Erst ist diesem Moment wurde ihm bewusst, dass Asmodina wohl doch nicht nur den Ruhm an ihm mochte, sondern mehr. Vorsichtig legte er seine Hände auf ihre Wangen. "Ist das wahr? Hast du das wirklich für mich getan?" "Für uns, Gerrit. Wann glaubst du mir endlich, dass auch ein Dämon wahre Liebe empfinden kann?" Verblüfft sah er sie an, doch in sein Gesicht kehrte ein sehr milder Ausdruck zurück, den er eigentlich meist hatte, wenn er mit dieser Frau allein war. Zärtlich küsste er sie. "Ich glaube dir doch, Asmodina und ich bin dir so dankbar, nicht für die Jahre, sondern dafür, dass du sie mit verbringen willst." Seine Stimme war sanft und weich. "Ich muss mich doch selber erst einmal dran gewöhnen, was ich jetzt bin und ich weiß, dass Dämonen fühlen können, nur die meisten wollen es nicht und ich dachte, du gehörst dazu." "Das dachte ich auch", seufzte die Frau. "Bis ich dich kennen gelernt habe." Die Luft flimmerte und Asmodis erschien. Sein Gesicht war vor Zorn verzerrt, als er mit grollender Stimme, einem Erdbeben gleich, brüllte: "Asmodina, sag mir, dass du das nicht getan hast."
Obwohl ich die Ruhe mit Alex und die normale Polizeiarbeit genoss, wurde ich mit jedem Tag ungeduldiger. Mir wäre es lieber gewesen, wenn Gerrit sich endlich blicken lassen würde. Warten war noch nie meine Stärke gewesen. "Hey, schau nicht so finster." Michael ließ die Akte sinken, in der er gelesen hatte und grinste mich an. "Kaffee?" "Gern." Alex kam zur Tür herein. "Der Staatsanwalt will endlich Ergebnisse." "Drogenschmuggler fängt man am besten, wenn man sich einschleust. Das will Kirkitadse aber nicht, da die Typen uns alle kennen. John darf auch nicht, da er ja hier in Deutschland nicht ermitteln darf. Was will er von uns?" Sie ließ sich hinter ihren Schreibtisch fallen. "Ich weiß nicht, was er genau will. Aber wir haben durch die Observation von dem Treffen erfahren." "Von dem möglichen Treffen", erinnerte ich Alex. Sie verdrehte die Augen. "Sorry, Schatz, aber eigentlich wissen wir nichts." Michael legte die Observationsfotos auf den Tisch. "Wenn wir wenigstens wüssten, wer dieser neue Händler ist. Irgendwie kommt er mir ja bekannt vor, aber ich kriege es nicht zusammen, woher ich den kenne." "Ich auch nicht." Alex wedelte mit dem Foto herum. "Den hatten wir irgendwie schon mal beim Wickel, aber er ist nirgends in den Akten vermerkt." Sie seufzte und sah mich an. "Was ist mit Suko und Bill?" "Sie sind heute morgen geflogen. Suko steht auf Abruf bereit, sollte ich ihn brauchen und Bill hätte Ärger mit Sheila bekommen, wäre er noch einen einzigen Tag hier geblieben." Ich musste grinsen, als ich an sein Gesicht vom letzten Abend dachte, Sekunden, nachdem seine Frau ihm den Kopf gewaschen hatte. Die Luft in der Mitte des Raumes flimmerte und Gerrit und Asmodina erschienen. Ich musste lachen. Das Gesicht von Gerrit entsprach genau dem von Bill gestern. Er sah keinen von uns an, nahm sich wie selbstverständlich eine Tasse Kaffee und erhitzte sie mit einem Feuerstoß, den er von seinem Finger abschoss. Er setzte sich neben mich auf die Couch und trank vorsichtig. Asmodina stand neben der Tür und hatte die Augen geschlossen. "Diese Ruhe hier." "Mmm", machte Gerrit und trank hastig noch einen Schluck. Alex und Michael sahen den Neu-Dämon erstaunt an. Ich grinste. "Vor wem seid ihr denn auf der Flucht?" "Flucht?" Er sah mich so unschuldig an, dass ich fast Mitleid mit ihm hatte. Dann verdrehte er leicht die Augen und deutete auf seine Freundin. "Ihr Vater macht Stress." Lachend schüttelte ich den Kopf. "Was ist denn dem Fürsten der Unterwelt über die Leber gelaufen?" "Naja…" Asmodina sah mich an. "Es gibt da einen Trank, mit dem kann ein Unsterblicher seine Unsterblichkeit mit einem anderen Lebewesen teilen. Dadurch bekommen beide eine ansehnliche Anzahl an Jahren." Jetzt war ich platt, anders konnte man das nicht sagen. "Verstehe ich das jetzt richtig? Du hast deine Unsterblichkeit aufgegeben, damit er… ihr…" "Damit wir gleich schnell altern, ja und?" Sie zuckte mit den Schultern und blickte in Richtung Decke. Asmodina war verlegen. Irgendwie schien alles seit Alex Tod sehr merkwürdig zu verlaufen. Michael stand auf und hielt Gerrit das Bild von dem Drogendealer vor die Nase. "Kennst du den noch?" "Ich arbeite hier nicht mehr", knurrte er und zeigte ihm provokant seine langen Eckzähne. Michael, ganz erfahrener Vater eines pubertierenden Jungen, nickte. "Ich weiß. Kennst du ihn nun oder nicht? Alex und ich kommen nicht drauf, wo wir den schon mal gesehen haben." Gerrit nahm das Foto und blickte es grübelnd an. "Der war Zeuge im Mordprozess an J.J." "Jochen Janders, der Drogenkönig von München. Klar doch." "Das war doch seine rechte Hand. Zero, Alberto Zero." Alex suchte im Computer nach eventuell abgespeicherten Daten über den Fall von damals. "Gerrit, du bist super." "Ich weiß." Er lehnte sich zurück und musterte mich von der Seite. "Können wir zwei uns mal allein unterhalten?" "Sicher." Alex sah uns besorgt nach. "Ihr macht aber keine Dummheiten, oder?" Ich zuckte mit den Schultern, doch Gerrit schüttelte den Kopf. "Wir müssen uns einfach nur unterhalten." "Gerrit?" Asmodinas Stimme klang unsicher und halb drohend. "Wir sind bald wieder da", versicherte er ihr und verließ das Büro. Ich folgte ihm neugierig nach draußen. Eigentlich dachte ich ja, dass er nur raus zur Sitzecke bei den Automaten wollte, aber er ging weiter zum Fahrstuhl und wir verließen das Gebäude. Schweigend gingen wir in den Park, gegenüber dem K11. "Was willst du von mir, Gerrit? Einen neuen Termin ausmachen für ein neues Duell? Oder willst du, dass ich das Ergebnis unseres letzten Kampfes akzeptiere und mich dir kampflos ergebe?" Er sah mich eine ganze Weile schweigend an, blickte dann wieder auf den Boden vor sich. "Weder noch, John. Ich habe kein Interesse daran, mein Schicksal zu erfüllen. Ich will nicht gegen dich kämpfen und ich habe seit Alex Tod auch den Spaß am Quälen und Töten verloren. Weißt du, was ich wirklich will?" "Nein." Es war verblüffend, aber ich freute mich nicht über Gerrits Worte. Ich war irritiert, denn ich wusste, dass es kaum jemanden gab, der seinem Schicksal entgehen kann. "Was willst du?" "Eine Familie, Ruhe und Frieden." "Kleine blonde Kinder mit Hörnchen auf der Stirn?", fragte ich ihn grinsend. Er sah mich mit demselben Lächeln an. "Vielleicht. Asmodina hat mir ein Geschenk gemacht, was ich noch gar nicht fassen kann." "Sie muss sehr viel für dich empfinden, wenn sie sich deshalb so sehr selber schadet." "Du kennst sie länger als ich." Ich nickte. "Oh ja. Und bis du dazwischen gekommen bist, war es nicht möglich, dass wir auch nur zwei Sekunden in einem Raum waren, ohne uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Sie ist unglaublich nett geworden… menschlich." "Du sagtest, sie hätte sich selber geschadet." "Natürlich hat sie das." Ich blieb stehen und sah Gerrit ernst an. "Im Reich der Dämonen, zu dem ihr beide gehört, läuft es etwas anders als hier. Dämonen sind nur darauf aus, Macht zu erringen. Asmodina hatte einen sehr guten Stand, natürlich durch ihren Vater und eben durch ihre Unsterblichkeit. Sie ist jetzt gefährdeter. Und du bist es auch. Du musst auf dich aufpassen. Vor allem, wenn du das ernst meinst, was du eben gesagt hast." "Du meinst, wenn ich dich nicht umbringe, stelle ich mich automatisch auf deine Seite?" "So werden es deine Gegner sehen." Wir gingen weiter, schwiegen und hingen unseren Gedanken nach. Schließlich standen wir wieder vor dem K11. Gerrit sah mich an. "Ich bleibe dabei. Ich möchte dich nicht töten. Eigentlich habe ich nichts gegen dich. Dass du so viel für Alex geopfert hast, hat mich sehr beeindruckt." "Wir sind uns sehr ähnlich, weißt du das? Und ich meine nicht das Äußere." Er nickte. "Ja, das habe ich inzwischen auch kapiert. Wieso habe ich dich gehasst?", fragte er mich unsicher. "Sag du es mir." "Ich… ich schätze ich habe dich verantwortlich für mein Schicksal gemacht. Es war schließlich der dunkle Teil deiner Seele, den ich aufnehmen musste. Dadurch hatte ich nie ein normales Leben. Meinst du, es hat Spaß gemacht, sich von Dämonen 39 Jahre lang sagen zu lassen, dass man nur auf der Welt ist, um einen Kampf zu kämpfen? Ich habe mir eine Familie gewünscht und Freunde, aber ich habe sie ständig belogen. Ein beschissenes Gefühl." Betroffen nickte ich. "Glaub mir, Gerrit, ich weiß, was du durchgemacht hast. Wir haben zwar nicht das gleiche Problem, aber die Auswirkungen auf mein Leben sind dieselben. Dir geht es sogar noch besser als mir." "Was? Wieso?" "Du hast Asmodina. Sie scheint dich wirklich zu lieben. Sie weiß, wer du bist und durch dein Dasein und dein Schicksal gefährdest du nicht mal ihr Leben." "Aber du hast doch Alex." Traurig lehnte ich mich gegen die Wand des K11. "Wenn du nicht mehr vor hast, mich umzubringen, kann ich meinem normalen Job wieder nachgehen. Ich muss nach London zurück. Alex wird hier bleiben." Ich senkte den Blick und murmelte leise: "Und wenn sie schlau ist, wird sie endlich merken, dass Michael der Richtige für sie ist." "Spinnst du? Sie liebt dich. Micha ist nur ihr bester Freund." "Er könnte mehr sein." "Unsinn. Selbst wenn du nicht da wärst, wären die beiden kein Paar." Gerrit schüttelte den Kopf. Ich sah ihn an und wunderte mich, dass er normal aussah, ohne Vampirzähne. "Asmodina hat mir das beigebracht. Irgendwie habe ich es allein nicht hinbekommen", erklärte er mir auf meinen fragenden Blick hin. "Arbeite doch wieder hier." "Ich? Als dämonischer Kommissar oder wie?" Ich zuckte mit den Schultern. "Sprich mit Kirkitadse. Er wird es nicht wagen, dich nicht einzustellen." "Nein. Ich muss erst mal sehen, was aus Asmodina und mir wird und wir müssen unseren Standpunkt im Dämonenreich festigen." "Wenn du Hilfe brauchst…" Erstaunt sah er mich an und ich verstand auch, wieso. "Du bietest mir deine Hilfe an?" "Warum nicht? Ein Dämon, der auf meiner Seite steht, bringt mir eine Menge." "Eine Partnerschaft?" Gerrit sah mich erstaunt an. "Eine lose Partnerschaft. Brauchst du einen Kämpfer an deiner Seite, um dich zu schützen, werde ich da sein. Und sollte ich Probleme bekommen, würde ich mich freuen, wenn du da wärst." "Gib mir etwas Zeit, um darüber nachzudenken, okay?" "Du weißt, wo du mich findest. Zumindest kannst du es schnell rausfinden." Er lächelte mir zu, fasste nach meiner Hand und transportierte uns zurück ins Büro. Wortlos lächelte er Alex an, nickte Michael zu und verschwand mit Asmodina, die versuchte, ihn über den Inhalt unseres Gesprächs auszufragen. Da er ihr nicht antwortete, warf sie mir einen vernichtenden Blick zu. Diese Frau hasste mich nach wie vor aus tiefstem Herzen und das beruhigte mich doch irgendwie. "Was wollte Gerrit von dir?" Alex ließ sich neben mir auf die Couch fallen und legte ihr Hand auf meinen Oberschenkel. Angst glitzerte in ihren Augen. Ich küsste sie kurz und sah sie lächelnd an. "Er wollte mir sagen, dass er mich nicht mehr umbringen will." "Wie nett", kommentierte Michael grinsend. "Heißt das, du fährst wieder nach Hause?" In seinen Augen schimmerte ein Bedauern, welches nicht zu seiner Stimme passte. Ich presste die Lippen zusammen und sah Alex an. In ihrem Blick las ich puren Widerwillen und Trauer. "Natürlich helfe ich euch noch, diesen Drogendeal platzen zu lassen, ist doch klar. Aber ich fürchte, dann muss ich nach Hause. Zurück nach London." "Ich…" Hastig legte ich Alex einen Finger auf die Lippen. "Nein. Egal, was du sagen willst, sag es nicht. Schlaf drüber und ich bin mir sicher, morgen lachst du darüber." In ihren Augen glitzerten Tränen. Sie strich über meine Hand, die immer noch bandagiert war und küsste sie leicht. Die Wunde von dem Ritual heilte wirklich jämmerlich langsam und sie tat immer noch ziemlich weh. "Nach Lachen ist mir gerade nicht zumute, John", murmelte sie leise und kuschelte sich gegen mich. Ich schlang die Arme um sie und zog sie an mich. "Sei nicht traurig, Alex. Ehrlich gesagt bin ich dankbar, dass unser Leben anscheinend wieder in ganz normalen Bahnen verlaufen wird. Verstehst du das?" "Ja. Wenn man den Weltuntergang direkt vor Augen hatte… Aber vertraust du Gerrit wirklich?" "Nein." Ich lächelte sie offen an. "Noch lange nicht. Aber ich glaube seinen Worten." Wir mussten einfach abwarten, ob er bei seiner Meinung bleiben würde. Aber das konnte ich eben auch in London. Für Gerrit gab es keine Grenzen, er würde mich dort ebenso leicht finden, wie hier in München oder sonst wo auf der Welt.
Während Alex in dieser Nacht ein wenig unruhig in meinen Armen lag und schlief, blickte ich grübelnd an die Decke. Ich hatte sie ihren Satz im Büro nicht beenden lassen, weil ich wusste, was sie sagen wollte und weil ich mir nichts mehr wünschte. Natürlich würde ich mich glücklich schätzen, wenn sie mich begleiten würde. Mit ihr in London zu leben, war ein Traum. Ich musste an Bill denken und die vielen Male, wo ich Gast in seinem Haus war. Wir hatten am Kamin gesessen und eine Zigarre geraucht, Sheila hatte das Essen gemacht und Johnny tobte durchs Wohnzimmer und zeigte uns stolz sein Spielzeug. Es war ein perfektes Leben, eine Familie. Nichts wünschte ich mir so sehr. Aber das ging nicht. Bloß weil Gerrit mich nicht mehr jagte, war mein Leben nicht sicherer geworden. Es gab eine unendliche Zahl von Dämonen, die mir an den Kragen wollten und ihnen war Alex vollkommen egal. Sie war gefährdeter als je zuvor, denn durch den Kampf, über den in der Unterwelt natürlich gesprochen wurde, kannte jeder Dämon die Frau und wusste, wie ich zu ihr stand. Noch hatte es keiner gewagt, sie anzugreifen. Aber bis es soweit war, war es nur eine Frage der Zeit. Deshalb hatte ich mich auch entschlossen, München so bald wie möglich zu verlassen und hoffte, dass meine Dämonen mit mir kommen würden. Auch wenn das ein, auf den ersten Blick, lustiger Gedanke war, wurde mir sehr schwer ums Herz. Denn ich war mir dieses Mal ganz sicher, dass ich diese Stadt und damit auch die Frau, die ich über alles liebte, so schnell nicht wieder sehen würde. Eineinhalb Flugstunden würden uns trennen. Und keiner würde diesen Schritt gehen. Ich musste mit Alex noch einmal darüber reden und ich würde es hoffentlich schaffen, ihr zu sagen, dass aus uns nichts werden konnte. Nach Alex Tod hatte ich angefangen, mich zu verändern. Ich wäre fast daran zerbrochen. Als sie wieder da war, hatte ich gemerkt, dass weder sie für mich der wichtigste Mensch war noch ich für sie. Ich liebte sie, das stand außer Frage und dass sie für mich genauso fühlte, wusste ich. Aber in ihrem Herzen hatte Michael einen Platz, den ich niemals haben konnte. Denn sie vertraute ihm blind. Es war ein Vertrauen, welches ich nicht einmal Suko oder Bill entgegenbrachte. Zwischen Michael und Alex herrschte eine Verbundenheit, die ich nie zuvor erlebt hatte. Bei all seinen Erzählungen und Geschichte über die gemeinsame Zeit mit Alex hatte ich erkannt, dass diese beiden Menschen zusammen gehörten. Ja, ich liebte Alex und ich wollte sie glücklich machen. Und dazu musste ich sie dazu bekommen, endlich zu kapieren, dass Michael der richtige für sie war. Ich verstand Michael jetzt, warum er auf sie verzichtet hatte und ich hoffte, dass auch ich so stark sein konnte. Für sie. Seufzend strich ich der Frau in meinen Armen über die Haare. Meine Gedanken glitten zu Gerrit. Was er wohl machte? Was würde aus ihm werden? Mein ehemaliger schlimmster Gegner, der hoffentlich bald ein zuverlässiger Partner sein würde, hatte im Moment noch viele eigene Probleme. Er war noch der Führer der Dämonen, aber er hatte zwei schlimme Fehler begangen, in den Augen seiner Untergebenen. Er hatte mich verschont und er hatte seine Unsterblichkeit aufgegeben, für Alex. Dämonen verstanden natürlich nicht, warum. Sie hielten es für eine Schwäche. Und ein Dämon, der Schwächen zeigte, war ein toter Dämon. Gerrit würde in nächster Zeit sehr vorsichtig sein müssen. Er und auch Asmodina. Meine Sorge um sie hielt sich in Grenzen. Wir waren Todfeinde, seit vielen, vielen Jahren. Aber da sie für Gerrit wichtig war, hoffte ich, dass die beiden aufeinander aufpassen würden. Gegen vier Uhr morgens riss mich Alex aus dem Schlaf. Ich hatte gefühlte zehn Minuten geschlafen und war dementsprechend brummig. "Ich muss mit dir reden", murmelte die Kommissarin leise und setzte sich im Bett auch. Ich erhob mich langsam und setzte mich neben sie. "Okay." "Du hast gesagt, ich soll darüber schlafen, aber das ändert nichts. Ich will dich nicht verlieren." Ihre Stimme bebte. Sie kämpfte mit sich, das spürte ich. "Lass mich mit dir gehen. Ich möchte dich nach London begleiten." "Nein, Alex. Nein, nein und nochmals nein. Glaub mir, der Schock mit deinem Tod war heilsam." "Heilsam", flüsterte sie leise. "Hast du dich deshalb so von mir distanziert?" Ich nahm im Dunkeln ihre Hand und streichelte sie. Sie zog sie nicht zurück, reagierte aber sonst nicht darauf. "Alex, ich liebe dich und das wird sich nicht ändern. Aber dich ständig in Gefahr zu wissen, das kann ich nicht. Da geh ich kaputt dran." Sie schwieg lange und lehnte sich plötzlich gegen mich. "Ich hatte Angst um euch. Um dich. Ich konnte an nichts anderes mehr denken. Und als ihr mich zurück geholt habt…" Erleichtert nickte ich. "Es wird dir zuviel, nicht wahr?" "Dein Leben ist sehr unstet." "Ich weiß." "John… ich liebe dich…" Sie schwieg und schmiegte sich fest gegen mich. "Alex, es ist okay. Ich denke nicht, dass sich einer von uns entschuldigen muss. Ich bin froh, dass du so empfindest wie ich. Und dass du so denkst wie ich." Es war die Wahrheit. Ich war wirklich erleichtert. "Dann war es das für uns? Du gehst und ich bleibe allein zurück?" Jetzt schaltete ich das Licht ein und sah die Frau an. "Das stimmt nicht. Du hast Michael." Ihre Augen funkelten. "Alex… wieso sträubst du dich so gegen ihn? Er sieht nicht schlecht aus, er liebt dich mehr, als jeder andere Mensch es könnte." "Mehr als du?" "Ich fürchte ja. Auch wenn sich das beschissen anfühlt. Und du kannst mir nicht erzählen, dass du nichts für ihn empfindest." "Natürlich empfinde ich etwas für ihn. Aber John… meinst du wirklich, wir müssen uns jetzt über ihn unterhalten?" Ich lächelte. Es war schon eine absurde Situation, mit einer Frau im Bett zu liegen und ihr den eigenen Nachfolger aufzuschwatzen. "Ja. Wann sonst? Ich möchte nicht, dass du allein bist und traurig. Alex, ich liebe dich von ganzem Herzen. Deshalb möchte ich dich glücklich sehen." Sie schüttelte den Kopf. "Gerrit stellte sich gegen das ganze Dämonenreich, du opferst die Zukunft aller Söhne des Lichts, wenn das Kreuz doch wichtiger war, als wir glauben, Michael erträgt es, uns beide glücklich zu sehen. Ich sollte mich wohl glücklich schätzen, was für eine Macht ich über Männer habe, die mich mögen oder lieben." "Wegen Frauen wurden Kriege geführt." Sie lächelte und küsste mich. "Das ist verrückt, John." "Ich weiß", murmelte ich wieder. "Michael wird immer auf mich aufpassen, dazu muss ich ihm nichts versprechen und ihm auch nichts anbieten." "Aber du sollst nicht allein sein. Und…" Ich zögerte. "Alex, ich werde so schnell nicht wieder herkommen. Unter keinen Umständen, wenn ich es irgendwie verhindern kann. Sonst komme ich nie von dir los." "Und ich nie von dir." Erneut küsste sie mich, dieses Mal sehr intensiv. Ich schob sie ein Stück von mir weg. "Alex", schimpfte ich leise. "Du machst es mir echt schwer." "Natürlich. So schwer es geht. Meinst du etwa, ich lass dich so einfach gehen?" Empört sah sie mich an. "Wir habe noch die Zeit, bis der Fall erledigt ist. Du hast versprochen zu helfen." "Das Versprechen halte ich auch." "Und ich will, dass du so lange auch bei mir wohnst." Sie schob die Unterlippe vor und machte einen Schmollmund. "Versprich mir das." "Gut. Dann machen wir es wie letzten Male. Genießen, so lange wie es dauert." Sie drückte mich auf das Kissen zurück. "Das klingt doch mal richtig gut." Ihre Lippen strichen zärtlich über meinen Mund. Bis eine Stimme uns unterbrach. "Störe ich?", fragte Gerrit uns überflüssigerweise. Grinsend blickte er auf uns hinab. Alex sah ihn genervt an. "Ja", fauchte sie. Als sie den Verband an seiner Hand sah, tat es ihr gleich wieder leid. Gerrit folgte ihrem Blick und bewegte leicht die Hand. "Geht schon. Entschuldigt den Überfall, ich bin auch gleich wieder weg. Wollte nur John was sagen." Ich schaute an Alex vorbei. "Ich lausche." "Ja." Verwirrt schaute ich ihm nach, als er sich auflöste. Dann musste ich grinsen. "Gut", sagte ich leise. "Das ist sehr gut." "Hä?", machte Alex. "Und dann sagt man immer, Männer würden Frauen nicht verstehen." "Ich hatte ihn gefragt, ob er sich eine lose Partnerschaft vorstellen könnte. Ich helfe ihm, wenn er Probleme hat und er greift mal ein, wenn ich Unterstützung brauche." Sie strahlte mich an. "Das ist ja wunderbar. Du bist ein Genie." "Natürlich." Grinsend zog ich die Frau an mich. "Hoffentlich haben wir jetzt endlich Ruhe", knurrte ich leise. So taten wir das, was wir auch schon die letzten Male getan hatten, wenn ein Abschied in greifbare Nähe rückte. Wir genossen unsere Zweisamkeit und hofften, dass es uns später nicht zu schwer fallen würde, uns zu trennen.
"Da ist er." Alex deutete durch die Scheibe. Einer der Drogendealer, die sie bisher observiert hatten, trat aus seinem Wohnhaus heraus und ging die Straße entlang bis zu einem kleinen Café. Michael nickte leicht. "John, hörst du mich? Der Verdächtige kommt jetzt rein. Schwarze Jacke, Jeans, Cowboystiefel, Schirmmütze." "Ich seh ihn." "Gut, dass er noch hier ist. Die kennen doch in dem Laden alle unsere Gesichter." "Mmmm", machte Alex nachdenklich. Das Gespräch mit ihm ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Er hatte ja praktisch mit ihr Schluss gemacht. Was ziemlich weh tat, wenn sie es so nannte. Aber das wollte sie nicht. Es war ja auch nicht so, dass er sie nicht mehr liebte. Aber sein Job ließ sich nicht mit einer Beziehung vereinbaren. Und dass sie bei so einem Fall tatsächlich gestorben war, hatte diese Angst um ein Vielfaches gesteigert. So sehr, dass er sie lieber sicher hier in München wusste, als in ständiger Gefahr an seiner Seite. Sie seufzte leise. "Ist alles klar bei euch? Habt ihr euch gestritten?" Alex sah Michael an, um herauszufinden, ob er sich das vielleicht erhoffte, aber er sah nur ein wenig besorgt aus. "Nein. Wir haben uns nicht gestritten, nur geredet." "Wenn du reden willst…" "Ich weiß, Micha. Ich weiß, dass ich dann zu dir kommen kann und das werde ich auch tun. Aber lass uns erst mal diesen Job beenden, okay?" Er nickte ihr zu und legte sanft die Hand auf die ihre. "Okay." Für einen kurzen Moment lehnte sich Alex gegen seine Schulter. 'John hat Recht', dachte sie. Klar stand er ihr näher, als jemals ein anderer Mensch ihr stehen könnte. Aber sie hatte solche Angst, dass sie diese Vertrautheit verlieren könnte, wenn sie sich ihm auch körperlich näherte. Was, wenn es schief ging? Sie blickte in Richtung der Bar. John zu verlieren, würde sehr weh tun, sehr weh. Michael zu verlieren… Sie lehnte sich zurück und sah ihn an. Michael zu verlieren war ein Gedanke, den sie einfach nicht weiterdenken konnte. Das ging nicht. Michael sah Alex unverwandt an. Natürlich hatte er gemerkt, dass irgendetwas zwischen Alex und John anders geworden war. Dass die beiden sich immer noch liebten, merkte man sofort, aber trotzdem herrschte eine gewisse emotionale Distanz zwischen ihnen. Ausgehend hauptsächlich von John. Alex war heute jedenfalls überhaupt nicht bei der Sache. Sie sah nicht traurig aus, aber sehr nachdenklich. Er hatte sie zu der Observation überhaupt nicht mitnehmen wollen und hoffte jetzt einfach nur, dass nichts passierte, wo volle Aufmerksamkeit gefordert war. "Er kommt raus", hörte er Johns Stimme. "Ich komm dann auch zum Auto." "Okay." Der Geisterjäger war fünf Minuten später im Wagen und berichtete von dem Gespräch, was ihr Verdächtiger mit einem anderen Mann geführt hatte. Es ging um einen Deal, höchstwahrscheinlich um Drogen und es war ein konkretes Datum und ein Ort genannt worden. "Das ist im Industriepark West. Muss irgendwo in einem der alten Lagerhäuser sein." "Alte Lagerhäuser?" Alex nickte John zu. "Die meisten an der Hauptstraße werden noch genutzt und sind videoüberwacht. Es gibt aber einige ältere Hallen, mit einer kleinen eigene Zufahrtsstraße und die liegen doch recht abgelegen und versteckt." "Übermorgen Abend also. Acht Uhr." Michael brummte leise und sah John an. "Machst du mit? Wir nehmen die Typen hoch. So eine Chance bekommen wir nie wieder." "Klar. Einer der Händler kommt schließlich aus London, soweit ich das mitbekommen habe. Außerdem hasse ich Drogen." Michael nickte. "Gut. Dann treffen wir uns übermorgen Mittag im Büro." "Ich fahre zu uns und dann kannst du das Auto nehmen." Alex sah Michael an. "Mach ich."
Alex und ich taten an diesem Abend etwas, was ich noch nie zuvor mit einer Frau getan hatte. Wir sahen uns DVDs an und knabberten Popcorn. Filme, die mich eigentlich nicht interessierten, die ich aber mit Alex im Arm plötzlich nicht nur sah, sondern auch fühlte. "Pretty Woman, Bodyguard… was kommt jetzt noch?" Sie sah mich unsicher an. "Gefällt es dir nicht?" "Doch, Alex. Es gefällt mir unglaublich gut." Vorsichtig schlang ich die Arme um ihren Körper und zog sie dich an mich heran. Dabei zupfte ich am Gürtel ihres Bademantels herum, den sie nach dem Duschen angezogen hatte. "Weißt du, dass ich noch nie so einen Abend verbracht habe? Einfach mit einer Frau rumsitzen, DVDs gucken, kuscheln." "Verstehe, es lief bei dir immer auf Sex hinaus, meinst du. Weil du Angst hattest, einfach zu genießen." "Genau. Es war immer viel zu schnell vorbei, um den Alltag kennen zu lernen." "Selbst bei Jane?" Die Frage kam sehr vorsichtig. Ich nickte leicht. "Selbst bei Jane. Sie hatte ja ihren Job, ich war meist unterwegs. Wenn wir uns mal gesehen haben, hatten wir viel nachzuholen." "Das verstehe ich schon. Aber wieso willst du unsere Beziehung dann beenden, wenn du es so genießt? Erklär mir das, John." Sie stemmte sich hoch und setzte sich auf meine Oberschenkel. Ihr braunen Augen sahen mich traurig an. "Und wieso akzeptiere ich es einfach so?" Mir entfuhr ein leises Seufzen. "Nachdem ich Jane verloren hatte, hatte ich mir geschworen, mich nicht mehr zu verlieben. Dann lernte ich dich kennen. Anfangs war es eine heiße Affäre, aber ich merkte schnell, dass ich mich in dich verliebt habe." Sanft streichelte ich ihr über die Wange. "So sehr verliebt, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Dann habe ich dich verloren. Für mich war das der endgültige Schlussstrich." "Warum hast du dann so viel geopfert, um mich zurück zu holen?" "Weil dein Tod ein Unfall war. Dieser Kampf zwischen mir und Gerrit und alle möglichen Folgen waren vorherbestimmt. Aber nicht, dass du dazwischenhopst." Sie lächelte leicht. "Du meinst, das konnte niemand vorhersehen?" "Nein. Du bist unberechenbar." Ich küsste sie leicht. "Wir Söhne des Lichts kämpfen immer um die Welt. Ich habe nicht einsehen wollen, warum dein Leben weniger wert sein soll, als das aller Menschen zusammen. Darum habe ich sofort Gerrits Plan zugestimmt. Aber ich hatte mich da bereits entschieden, dass es so nicht weitergehen kann. Wir gehen beide daran kaputt." Eine Träne kullerte über ihre Wange. "Ich weiß." "Und weil du das weißt, akzeptierst du es." "Ach John…" Ich hielt sie fest, als sie sich in meine Arme warf. "Ich werde nicht aufhören, dich zu lieben." "Auch ich werde dich nie vergessen, Alexandra. Niemals, so lange ich lebe. Aber gerade deshalb, weil ich so unendlich viel für dich empfinde, ist mir klar, dass ich dich nicht glücklich machen kann. Aber er kann es." Alex schwieg lange, bis sie schließlich leise in mein Ohr murmelte: "Ja. Er kann es." "Bringst du mich zum Flughafen, nach dem Fall?" "Klar. Ich muss mich doch überzeugen, dass du wirklich fliegst." Sie hob den Kopf und sah mich an. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen und obwohl ihre Augen feucht waren, sah sie doch sehr ruhig und erleichtert aus. Ich spürte, dass Alex genauso dachte wie ich. Sie hatte nur Angst gehabt, es auszusprechen. "Kein Kontakt? Kein Telefon? Keine Briefe?" Ich überlegte lange. "Ich weiß, es klingt abgedroschen, aber lass uns Freunde bleiben. Ich kann das auseinander halten und möchte eigentlich schon wissen, was so in deinem Leben passiert. Beruflich und auch privat." "Und du würdest nicht traurig sein, wenn ich dir von meinem tollen Privatleben vorschwärme?" "Nein. Jetzt nicht mehr. Ich habe endlich akzeptiert, dass es Dinge gibt, die ich nicht haben kann. Jede Beziehung hat mich bisher sehr unglücklich zurück gelassen, weil immer schlimme Dinge passiert sind. Bei dir habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich alles richtig gemacht habe." Alex lag jetzt dich an mich gekuschelt, stand dann aber plötzlich auf und zog mich hoch in ihr Schlafzimmer. "Dann ist das unsere vorletzte Nacht? Wieso sitzen wir hier unten und quatschen?" Lachend und widerstandslos folgte ich ihr. Endlich spürte ich auch diese Erleichterung bei ihr, die ich seit einigen Tagen empfand. Alles war geklärt und dass wir beide es nicht als nötig erachteten, unseren Kontakt auf Null zu reduzieren, war ein Beweis, dass wir glaubten, mit unseren Gefühlen umgehen zu können. Ob das der Realität entsprach, würden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Aber ich war da ganz zuversichtlich. Jetzt allerdings konzentrierte ich mich voll und ganz auf den Grund, warum ich so unglaublich gern mit Alex zusammen war. Auf ihren tollen Körper.
Die Drogenübergabe fand genau dort statt, wo Michael vermutet hatte. Das Gelände war vom SEK umstellt, Alex, Michael und ich lagen mit gezogenen Waffen auf der Lauer. Da einer der Dealer aus London kam, durfte ich hier sogar offiziell eingreifen, sagte zumindest Kirkitadse. Und wenn der seine schützende Hand über mich hielt, war alles okay. Ich schob mich mit gezogener Waffe um eine Ecke und blickte mich um. Das SEK hielt sich etwas zurück. Wir wollten die Typen zwar unbedingt kriegen, aber nicht um jeden Preis. Ein Blutbad musste hier nicht unbedingt bei rauskommen. Michael und Alex schoben sich um die andere Seite des Lagerhauses und winkten zu mir herüber. Ich quittierte es mit einem Nicken, dann zogen wir uns wieder zurück. Jetzt sah alles menschenleer aus. So musste es auch sein, damit sich das Auto, welches sich jetzt auf der Straße zeigte, nicht umkehrte, weil die Insassen Verdacht schöpften. Der Wagen rollte langsam auf das Gelände und fuhr direkt zum Tor der Halle. Dieses stand zwar offen, aber der Wagen zog eine Kurve und hielt davor an. Die Kühlerhaube zeigte jetzt wieder in Richtung Straße, so dass man schnellstmöglich fliehen konnte. Zwei Männer stiegen aus dem Wagen aus, sahen sich aufmerksam um und zogen ihre Waffen. Dann folgte ein dritter. Er setzte eine Sonnenbrille auf, mehr zur Tarnung, als wegen der nicht vorhandenen Sonne und betrat die Halle. Als er sich ein Stück vom Wagen entfernte, sah ich auch, dass er einen schwarzen Aktenkoffer in der Hand hatte. Seine Leibwächter folgten ihm in sicherer Entfernung, nah genug um ihren Chef zu beschützen, weit genug entfernt, um sich schnell und kräftig bewegen zu können. Die Dunkelheit der Halle verschluckte sie alle. Von meinem Platz aus sah ich, wie sich Alex und Michael mit gezogenen Waffen dem Eingang näherten. Ich wartete, bis sie drinnen verschwunden waren und folgte ihnen dann leise. Als ich die Halle betrat, hielt ich mich links. Zum Glück stand die Halle voller altem Krempel, kleine Maschinen wie Stapler, Kisten, Paletten und so weiter. Es war ein Leichtes, sich ungesehen zu bewegen. Ich schob mich hinter einen der Stapler. Jetzt hieß es warten. Die ganze Halle war mit Minikameras ausgestattet worden, bevor der Deal stattfand. Diese Halle und fünf weitere. Wir hatten ja nicht gewusst, wo genau die Übergabe stattfinden würde, also waren wir auf Nummer Sicher gegangen. Die Signale der Kameras landeten direkt bei Staatsanwalt Kirkitadse auf dem Computer im K11. Er hatte uns für die Aktion hier freie Hand gelassen. Das SEK draußen war nur dafür da, um eventuell flüchtende Verbrecher aufzuhalten oder uns den Hintern zu retten, sollte hier drin etwas sehr schief gehen. Im Moment sah es allerdings nicht so aus. Alex und Michael hockten hinter einem Stapel alter Kisten und Paletten und spähten hindurch. Ich saß auf der anderen Seite der Tür und folgte jetzt dem Blick der beiden Kommissare. Die Stimmen der Männer, die jetzt zu sechst waren, hallten undeutlich durch den Raum. Es war der Drogendealer, der aus London stammte und mit einem harten Akzent sprach. Ich würde ihn in Richtung Schottland einordnen, wie er so redete. Etwas hinter ihm standen seine Bodyguards, reglos und mit den Waffen in den Händen. Ihm gegenüber, durch einem Tisch getrennt, stand der Mann, den Gerrit vor einiger Zeit im K11 als Alberto Zero identifiziert hatte. Auch er hatte einen schwarzen Koffer in den Händen und auch hinter ihm standen zwei Bodyguards mit Waffen. Aber im Moment wirkten alle sehr ruhig und gelassen. Sechs Gegner. Das gefiel mir nicht. Sechs bewaffnete, zu allem entschlossene Gangster, die sich im Notfall den Weg freischießen würden, war nicht das, was ich mochte. Wir waren nur zu dritt. Gut, wir konnten sie nach draußen laufen lassen, das SEK würde sie hoffentlich aufhalten, aber was, wenn die Männer sich dazu entschlossen, uns vorher die Lichter auszuknipsen? Die Koffer wurden geöffnet, deutlich waren die großen Tüten mit dem weißen Pulver zu erkennen auf der Seite des Dealers. Und die unzähligen Scheine im anderen Koffer. Hier ging ein Deal über den Tisch, der richtig groß war. Michael und Alex diskutierten leise über die Geldmenge. Sie gestikulierten mit den Fingern herum und einigten sich schließlich auf vier Millionen. Ich blickte zum Tisch zurück und nickte leicht. Mit der Schätzung ging ich mit. Nach einigem Hin und Her wechselten die Koffer den Besitzer. Die beiden Händler waren zufrieden, die Bodyguards entspannt. Michael schaute zu mir herüber. Auch er sah unsicher aus, ob wir eingreifen wollten. Wir entschieden uns mit einem kurzen Blick für Plan B und ließen den Drogenverkäufer wieder zu seinem Auto zurückkehren. Als die Männer eingestiegen waren und losfuhren, sprangen wir aus unseren Verstecken. Das SEK würde sich schon um den Wagen kümmern. "Hände hoch, Polizei", schrie Michael und rannte auf den Tisch zu. Die Bodyguards hoben blitzschnell ihre Waffen, ließen sie aber wieder sinken. Draußen war jetzt auch Lärm zu hören, Schüsse bellten und der Wagen krachte lautstark in etwas, wahrscheinlich eine Mauer oder einen Zaunpfeiler. "Schön die Hände hochnehmen. Werft die Waffen weg." Zero stand mit offenem Mund da und hielt den Koffer an sich gepresst, während Michael und ich uns um die Bodyguards kümmerten. "Scheiß Bullen", murmelte er und blickte ärgerlich in die Mündung von Alex Waffe. "Schnauze", murmelte Michael. Seine Handschellen schnappten zu. Einer der Bodyguards lag mit auf dem Rücken gefesselten Händen auf dem dreckigen Boden. Die beiden Männer hatten wohl doch keine Lust auf eine Selbstmordaktion und ließen sich widerstandslos festnehmen. Gut für uns. Zero hatte leider eine andere Ansicht. Alex war mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache, blickte mal zu Michael, mal zu mir hinüber und konzentrierte sich nicht auf den Käufer. Mit einer schnellen Bewegung warf der Alex den Koffer entgegen, die reflexartig zufasste und ihre Waffe fast fallen ließ. Diese entriss Zero ihr und stieß mich zur Seite. Hastig schob er sich an Alex vorbei und nahm dabei den Koffer an sich. Schritt für Schritt ging er rückwärts. "Ich verschwinde", knurrte der Gangster. "Und zwar ohne euren Leuten da draußen über den Weg zu laufen." Er näherte sich einer kleinen Hintertür. Die Bodyguards lagen gefesselt auf dem Boden, Michael und ich standen neben ihnen und warteten ab. Alex stand ungefähr drei Meter von uns entfernt und bewegte sich ebenfalls nicht. Keiner von uns wollte Zero provozieren. Sollte er doch abhauen, wir würden ihn schon wieder einfangen. Doch der hatte miese Laune durch unser plötzliches Auftauchen. "Wagt es ja nicht, mir zu folgen. Ich knall euch ab." "Keiner folgt dir", sagte Michael. "Aber du kommst trotzdem nicht weit." "Schnauze, Bulle", fauchte der Mann ihn an. In seinen Augen blitzte etwas Gefährliches auf, was mir nicht gefiel. Diesen Blick kannte ich. Er grinste plötzlich und hielt inne. "Vielleicht sollte ich dafür sorgen, dass ihr mir wirklich nicht folgen werdet." Die Waffe, die bis dahin zwischen mir, Michael und Alex hin- und hergezuckt war, pendelte sich auf Alex ein. "Vielleicht sollte ich euch eine Aufgabe geben." Er krümmte leicht den Finger. "Zum Beispiel, ihre Schusswunde zu versorgen." Sein Lachen klang dumpf durch die Halle, überlagert nur von einem lauten Knall.
"Alex!" Michael und ich hatten gleichzeitig aufgeschrieen. Michael war in Alex Richtung gehechtete, da er ihr am nächsten stand und hatte sie zu Boden gerissen. Doch eigentlich konnte er es nicht schaffen. Ich hatte mich geduckt und meine Waffe hochgerissen, aber ich sah den Gangster nicht mehr. Nicht, weil der geflohen war, sondern weil mir Gerrit plötzlich in der Schusslinie stand. Erleichtert atmete ich aus und steckte die Waffe weg. Langsam trat ich neben ihn. Gerrit blickte den Mann vor sich missbilligend an und deutete auf seine Jacke, wo ein Loch zu sehen war. "Die war neu", sagte er vorwurfsvoll. Zero blickte ihn mit offenem Mund an. Es kam sicher nicht so häufig vor, dass ein Mann aus dem Nichts vor ihm auftauchte und mit seinem Körper eine Kugel auffing, ohne auch nur das geringste Anzeichen von Schmerz zu zeigen. Ich stutzte. Gerrit war nicht mehr unverletzlich oder unsterblich. Und die Kugel hatte ihn definitiv getroffen. Er erwiderte meinen Blick und grinste mich breit an. Langsam zog er die Jacke beiseite. Deutlich sah ich die Kugel, die dicht vor seiner Brust rotierte. "Ich habe mich wieder gefangen und kann die Materie wieder beherrschen." Er nahm die Kugel und sie zerfiel in seinen Fingern zu Staub. "Scheiße, Mann… was bist du denn?" Gerrit zeigte ihm seine lange Eckzähne. Grinsend ging er auf den zitternden Mann zu und nahm ihm die Waffe ab. "Sonderkommissar des K11." Er knurrte gefährlich. "Leg dich nie wieder mit uns an." Alex und Michael hatten sich inzwischen aufgerappelt. Sie kamen erleichtert auf uns zu. Ich kümmerte mich um Zero, während sich Alex bei Gerrit herzlich bedankte. "Ich dachte, das war´s", murmelte sie leise. "Du bist genau zum richtigen Moment aufgetaucht." "Denkst du, ich habe meine Unsterblichkeit geopfert, damit der Kerl dich hier über den Haufen schießt?" "Sonderkommissar? Heißt das, du arbeitest wieder für uns? Mit uns?" Michael sah ihn hoffnungsvoll an. "Zum Teil. Papierkram mach ich nicht. Ich bin ein Dämon und bleibe auch einer." Er sah mich an. "Wenn du Hilfe brauchst, bin ich da." Lächelnd gab ich ihm die Hand. "Und wenn du Hilfe brauchst, hol mich einfach. Kirkitadse und ich werden es meinem Chef noch erklären. Ich bin echt froh, dass du auf unserer Seite stehst." Als er sich etwas verlegen am Hinterkopf kratzte, lachte Michael leise auf. Warum auch immer. "Asmodina ist nicht so begeistert. Aber sie meint auch, es wäre besser, sich ein paar echte Verbündete zu schaffen, anstatt noch mehr Feinde. Davon haben wir genug." "Das glaube ich dir gern." Der Leiter des SEK kam herein und nahm die drei Männer mit raus. Er sah Gerrit irritiert an, fragte aber nicht weiter. Menschen waren so verdammt gut im Ignorieren des Offensichtlichen. Die Gangster im Auto waren leicht verletzt worden, aber wir hatten sie bekommen. Das war das Wichtigste. Kirkitadse würde sehr zufrieden sein und das war für alle gut. Denn er war gerecht und schmückte sich nicht mit fremden Federn. Auch das SEK würde einige Lorbeeren abbekommen. Zurück blieben wir vier. Gerrit würde ich öfter sehen. Da war ich mir ganz sicher. Was Michael und Alex anging… wir wollten Kontakt halten, ob es auch so kommen würde, würde die Zeit zeigen. Im Moment stand Alex an Michael gelehnt da und erholte sich immer noch von dem Schrecken. Er hatte den Arm um ihre Schulter gelegt und sah mich unsicher an. Ich lächelte ihm zu. "Gerrit, kannst du Alex nach Hause bringen?" Fragend sah sie mich an. "Ich komme nach", versprach ich ihr. Der nickte, nahm Alex Hand und die beiden verschwanden. Michael und ich blieben zurück. "Kannst du mich zum Flughafen fahren? Der ist doch nicht weit weg von hier." "Du hast keine Koffer dabei." Ich grinste ihn an. "Vergiss es. So ein Arsch bin ich nicht. Ich will mir mein Ticket kaufen, nicht abhauen." "Schade." Sein Lächeln sprach eine ganz andere Sprache. Wir gingen zu seinem Wagen und er fuhr auf direktem Weg zum Münchner Flughafen. Hier hielt er auf einem Besucherparkplatz und begleitete mich sogar zum Schalter. Ich buchte einen Flug für den nächsten Tag und ging dann mit ihm zurück zum Wagen. Wir hatten unterwegs über den Fall gesprochen, dann geschwiegen. Jetzt nahm mir Michael das Ticket aus der Hand. "Morgen 11 Uhr", murmelte er leise. Dann sah er mich an. "Kommst du wieder? Ich meine, bald?" Ich spürte ein unangenehmes Ziehen im Magen und schüttelte leicht mit dem Kopf. "Nein. Vielleicht sehen wir uns nie wieder." "Weiß Alex das?" "Ja. Wir haben mehrfach darüber gesprochen und sind uns eigentlich einig, dass es für uns beide das beste ist." Bedauernd sah Michael mich an. "So siehst du aber nicht aus." "Meinst du, es fällt mir leicht? Ich liebe diese Frau. Aber zum ersten Mal kann ich es akzeptieren, dass ich nicht mit ihr zusammen sein kann. Ich habe viel geopfert, um meinen Fehler wieder gut zu machen, den ich beim Kampf begangen habe. Damals hatte ich nur Gerrit im Blick gehabt und damit auch mich selber. Dabei kämpfe ich doch für die Menschen um mich herum. Mein Leben lang habe ich bedauert, wer ich bin, anstatt diese ganze Kraft in meine Berufung zu legen. Jammern statt Handeln. Das hat mich geschwächt. Alex Tod hat mir die Augen geöffnet." Ich sah Michael bittend an. "Behalt das bitte für dich. Der wahre Grund, warum ich mich von ihr trenne, ist meine Berufung. Meine Berufung, die ich endlich akzeptiert habe. Ein Sohn des Lichts darf sich nicht ablenken lassen. Ich werde das tun, wozu ich auserwählt wurde und werde mir damit meine innere Zufriedenheit verschaffen." "Warum sagst du das Alex nicht?" "Weil es selbstsüchtig klingt?" "Selbstsüchtig? Du gibst dein Leben auf und kämpfst für die Welt?" Ich musste grinsen. Michael hatte schon Recht, aber ich eben auch. "Sie akzeptiert meine schwammige Begründung, das habe ich bemerkt. Ich möchte ihr nicht mehr weh tun als nötig. Außerdem…" Wir blieben beide kurz vor den Eingangstüren stehen und sahen uns an. "Außerdem ist sie dabei zu erkennen, wer sie wirklich glücklich machen kann." Seine Augen blitzten mich voller Schmerz an. "Mach darüber keine Witze und mir keine Hoffnung. Die habe ich begraben." Lächelnd ging ich weiter. "Hoffentlich nicht zu tief", murmelte ich leise, während mir Michael eilig folgte.
"Ach, John", wisperte Alex leise, als ich sie ein letztes Mal fest an mich drückte. Dann schob ich sie mit gesenktem Kopf von mir weg und drehte mich um. Aus den Augenwinkeln sah ich noch die starken Arme, die sich um ihren Körper legten. Michael hielt seine Kollegin fest, versuchte auf diese Weise, sie zu trösten. Aber im Gegensatz zu den letzten Abschieden brauchte sie anscheinend keinen Trost. Eine Träne lief über ihre Wange und tropfte auf den kalten Fußboden, aber ansonsten war sie ruhig. Ich blickte mich noch einmal um, dachte an die letzte Nacht mit Alex, in der wir nicht geschlafen hatte. Wir haben die ganze Nacht auf der Couch in ihrem Wohnzimmer gesessen und DVDs geschaut. Dementsprechend müde sah sie jetzt auch aus. Vielleicht zu müde, um wirklich zu begreifen, was dies für ein Moment war. Mir war das nur Recht. Ich rang mich zu einem aufmunternden Lächeln durch, obwohl mir Tränen in den Augen brannten und war glücklich, als sie die Hand hob und mir zuwinkte. "Leb wohl, John", rief sie mir nach. Auch Michael winkte, dann kümmerte er sich wieder um Alex. Seufzend drehte ich mich um und ging zu meinem Gate, wo der Flieger auf mich wartete, der mich für immer von Alex wegreißen würde.