"Und wo ist Branco?", erkundigte sich Alex neugierig. Sie saß, wie so oft in den vergangenen Wochen, in Gerrits Büro und strich gedankenverloren über ihren Bauch. "Der observiert jemanden für mich." Michael sah seinen Kollegen strafend an. "Er tut was?" "Seinen Job", sagte Gerrit ernst. "Es geht ihm inzwischen auch besser. Er kommt wieder zu sich, redet und lacht sogar ab und zu." Alex sah ihren Michael skeptisch an. In diesem Moment wurde es draußen laut. "Natürlich kann ich da rein", sagte eine aufgebrachte Männerstimme." Die Tür wurde aufgestoßen und Alexander Kreuzach stürmte ins Büro. Branco folgte ihm, packte den Mann und brachte ihn wieder raus. "Der Boss hat nicht 'Herein' gesagt. Sie können unten warten, Kreuzach." Er blickte Gerrit an. "Tut mir leid, er war ein wenig schneller. Hi, Alex. Du siehst toll aus. Hi, Micha." Damit war die Tür wieder zu. "Wie hast du das gemacht?", erkundigte sich Michael als er seine Fassung wieder gewonnen hatte. "Er ist ja wie ausgewechselt." "Das werdet ihr nie erfahren." "Diese abheilenden Wunden im Gesicht. Was ist passiert?" Gerrit unterdrückte mühsam ein Räuspern. "Er hat Feinde im Milieu. Aber keine Sorge, es waren nur relativ leichte Blessuren. Damit muss er leben." Die Kommissare nickten leicht. Alex grübelte. "Der Typ eben… das war doch Kreuzach, oder? Was will der von dir?" "Ist ein Geschäftstermin. Nichts wichtiges." Gerrit kratzte sich ein wenig verlegen am Hinterkopf. "Könntet ihr eventuell runter gehen? Ich möchte mit Kreuzach gern reden." "Okay." Michael und Alex gingen nach unten in die Bar. "Hat er uns gerade rausgeschmissen, weil er einen Termin hat, von dem wir nichts wissen sollen?" "Naja, von dem Termin dürfen wir schon wissen, aber nicht von seinen Geschäften." Michael unterdrückte den Wunsch, Alex zu sagen, dass auch er langsam glaubte, dass Gerrit sich immer mehr von seinem eigentlichen Beruf entfernte. Er wollte seine schwangere Freundin nicht aufregen.
"Wir kommen ins Geschäft", erklärte Gerrit ruhig. "Ich habe das Geld." "Gut. Aber wir müssen schnell zuschlagen. Es hat sich wohl ein Mitbieter angefunden." Kreuzach war aufgebracht. "Sergej Wolkan." Gerrit lehnte sich lächelnd zurück. "Sergej… der macht mir seit einigen Wochen Ärger. Er hat mir schon vier Mal versucht, mit seinen Schlägern aufzulauern. Mit wenig Erfolg selbstverständlich." "Du bist Bulle. Ich nehme an, du kannst dich selber wehren, oder brauchst du gute Männer?" Er blickte an dem Zuhälter vorbei und Branco direkt ins Gesicht, der mit gleichgültiger Miene neben der Tür stand. "Ich habe genug Leute. Bessere als du." "Besser… Ich will mich nicht mit dir streiten. Es war nur ein Angebot." "Abgelehnt", brummte Gerrit ernst. Er fasst unter seinen Tisch und zog einen Koffer hervor. "Hier ist das Geld, in bar." Er öffnete den Deckel und drehte ihn herum. Kreuzachs Augen wurden groß. Seine Hand glitt automatisch auf den Koffer zu, als Gerrit den Deckel zuschlug und den Mann ernst ansah. Seine Augen wurden schmal. "Wage es ja nicht, mich übers Ohr zu hauen. Das überlebst du nicht." Der zuckte hastig zurück. "Würde ich nie machen. Morgen hast du die Verträge auf dem Tisch." "Okay." Kreuzach verabschiedete sich, funkelte Branco beim Hinausgehen wütend an und verschwand dann. Gerrit wartete, bis er weg war und wandte sich dann seinem neusten Angestellten zu. "Folge ihm. Lass ihn nicht aus den Augen. Du wirst die nächsten 24 Stunden nicht essen, nicht schlafen, nicht mal aufs Klo gehen, klar." "Klar, Boss", sagte der ernst und verschwand. Zufrieden lehnte Gerrit sich zurück. Dieses leichte Prickeln in ihm, welches sich bei näherem Hinsehen zu einem schlechten Gewissen entwickeln könnte, verdrängte er. Er nutzte Brancos derzeitige Situation aus… weil der ausgenutzt werden wollte. Aber eigentlich war es seine Aufgabe ihm zu helfen. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und nahm sich eine Zigarette. Seit er hier arbeitete, hatte er mit dem Rauchen angefangen. Außerdem hatte er sich eine ziemlich großzügige Wohnung zugelegt. Dazu die Rolex, die er trug, seine teuren Markenklamotten, der Sportwagen unten vor der Tür. Wie so oft in letzter Zeit fragte er sich, was er eigentlich wollte. Da er aber eigentlich auch darüber nicht nachdenken wollte, ging er runter in die Bar zu Michael und Alex. Die beiden waren neugierig, was Kreuzach gewollte hatte, doch Gerrit senkte die Stimme und sagte leise: "Es ist besser, wenn ihr es nicht wisst. Verratet ihr mich, bekomme ich Riesenärger. Verratet ihr mich nicht, bekommt ihr Riesenärger. Es ist besser, ihr wisst von nichts." Michael runzelte ein wenig die Stirn. "Aber du machst doch keine krummen Geschäfte, oder?" "Natürlich nicht", empörte sich Gerrit. "Was denkst du denn von mir?" "Okay, okay, beruhige dich. Wir vertrauen dir." Alex nippte an ihrem Apfelsaft und blickte ihren Kollegen einen ganze Weile schweigend an. "Ja, wir vertrauen dir", sagte sie schließlich. Sie sah sich um. "Wo ist Branco?" "Er folgt Kreuzach. Der hat ein wenig Geld von mir dabei und ich möchte nicht, dass er sich damit aus dem Staub macht." Michael grinste. "Ein wenig Geld? Du meinst den Koffer, den er aus deinem Büro mitgenommen hat?" "Typisch Polizist", beschwerte sich Gerrit. "Sowas fällt dir wieder auf." "Natürlich." Mit einem leichten Vorwurf in der Stimme fügte er hinzu. "Sowas ist dir vor ein paar Wochen auch noch aufgefallen."
Branco war Alexander Kreuzach gefolgt, hatte ihn nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen. Im strömenden Regen stand er vor der Villa des Zuhälters, beobachtete durch das Fenster, wie der es mit seiner Freundin trieb und dachte dabei über sein Leben nach. Gerrit war streng zu ihm, behandelte ihn eigentlich ziemlich mies, wenn man bedachte, dass sie unter anderen Umständen Kollegen geworden wären. Und trotzdem sah Branco in dem Kommissar einen Freund. Vielleicht den besten, den er im Moment hatte. Dass die Schläger allerdings von ihm kamen, verblüffte ihn doch ein wenig. "Ein paar aufs Maul und schon bin ich wieder der alte", murmelte er leise. Auf die Therapie wäre sein Arzt in der Klinik nicht gekommen. Ihm fiel ein, dass er da auch mal wieder hin musste. Direkt nach seiner Entlassung war er mehrmals wöchentlich dort gewesen, aber seit Gerrits Sondertherapie hatte sich sein Allgemeinzustand insoweit gebessert, dass die Ärzte ihn für stabil genug hielten, um ein geregeltes Leben draußen zu führen. Grinsend folgten Brancos Augen Kreuzach, der nackt durch das Wohnzimmer lief und sich einen Whiskey holte. 'Ein durch Gerrit geregeltes Leben', dachte er. Er fühlte eine tiefe Dankbarkeit, wenn er an den Mann dachte. Der kümmerte sich hauptsächlich um ihn, um Michael und Alex einen Gefallen zu tun, aber er hatte ihm mehr geholfen als jeder andere. Inzwischen konnte er sogar über seine Verlobte und sein Baby sprechen. Er hatte auf dem Friedhof ein Grab gekauft, einen Grabstein aufstellen lassen und hatte somit einen Ort, an welchem er um die beiden trauern konnte. Da er das Geschlecht seines Kindes nicht wusste, hatte er den Namen Linus Marie eingravieren lassen. Linus sollte das Kind heißen, wenn es ein Junge würde, Marie, wenn es ein Mädchen sein sollte, darauf hatten sich die werdenden Eltern geeinigt gehabt. Natürlich hatte Gerrit das alles bezahlt, Branco verlangte für seine Arbeit nach wie vor keinen Cent. Er ließ sich von seinem Chef einkleiden, aß, was man ihm vorsetzte und tat, was Gerrit wollte. Natürlich merkte er inzwischen, dass der auch Dinge von ihm verlangte, wo Michael und Alex schimpfen würden, zum Beispiel im strömenden Regen vor dem Haus eines Konkurrenten zu stehen und diesen zu überwachen, aber er tat es gern. Denn Gerrits bedingungsloses Vertrauen tat ihm gut. Er vertraute ihm, wahrscheinlich sogar viel mehr als Alex und Michael es jemals wieder tun würden.
Am nächsten Abend, Kreuzach hatte gerade Gerrits Büro verlassen, nachdem die beiden Männer in aller Ruhe die Papiere durchgegangen waren, erschien Branco. Zitternd, klatschnass und ausgehungert erstattete er Bericht. "Kreuzach hat den Koffer nicht einmal geöffnet, bis er der Witwe das Geld übergeben hat und dafür die Kaufverträge bekam." Er klapperte erbärmlich mit den Zähnen. Es hatte die ganze Zeit geregnet und er konnte seine Gliedmaßen kaum noch spüren, so kalt war ihm. "Damit ist er direkt hierher gekommen. Er hat mit niemandem gesprochen, war nirgendwo, außer bei sich Zuhause." Gerrit nickte seinem Gegenüber zu. "Danke, Branco. Du hast hervorragende Arbeit geleistet. Das hätte keiner außer dir gepackt." "Da… Danke", murmelte der ein wenig verlegen. "Melanie wartet im Whirlpool. Geh zu ihr. Sie wird dich wieder aufpäppeln und aufwärmen. Sie hat ein Händchen dafür." "Ich…", begann Branco. "Sie soll nicht mit dir schlafen, sondern nur dafür sorgen, dass du dir nicht den Tod holst." Der nickte ergeben und niest. "Ja, Boss." "Eins noch, Branco. Du wirst ab morgen als Türsteher arbeiten. Kopf hoch und wen du hier nicht im Laden haben willst, den will ich auch nicht hier haben, klar?" "Ja, Boss." Er ging zur Tür. "Und nenn mich nicht immer Boss." "Ja… ähm, ich meine… nein… Boss." Damit war er aus dem Büro raus. Gerrit sah ihm lächelnd nach und schüttelte den Kopf als es unten laut wurde. Er verließ sein Büro und lief runter in die Bar. Hier sah er sich einem Mann mit einem Messer gegenüber, der Nina bedrohte. Der Typ kam ihm bekannt vor, es war einer der Schläger von Wolkan. Langsam fing der Zuhälter an, Gerrit wirklich auf die Nerven zu gehen. Erst war in seinem Laden Ungeziefer aufgetaucht. Es hatte ihn eine ganze Woche gekostet, das Gesundheitsamt davon zu überzeugen, dass man die Viecher hier ausgesetzt hatte. Allein die Grundsauberkeit hatte eine Schließung verhindert und die Leute vom Amt überzeugt, dass es sich wohl wirklich um einen Anschlag handelte. Eine knappe Woche später war sein alter Sportwagen in Flammen aufgegangen. Und jetzt das hier… "Mach deinen Laden zu, Bulle. Sonst kannst du deinen Nutten beim Verrecken zusehen. Einer nach der anderen." Nina zitterte und schluchzte haltlos. Gerrit beachtete sie nicht und konzentrierte sich auf den Mann. "Sag Wolkan, er kann mich mal kreuzweise. Und lass Nina los, sonst brech ich dir alle Knochen." "Das darfst du gar nicht, Bulle." Der Kerl lachte höhnisch und fuhr Nina mit der Klinge leicht über den Hals. Sie schrie panisch auf, als ihre Haut aufplatzte und Blut ihren Hals hinab lief. Gerrit kochte vor Wut und ballte die Fäuste. "Was soll der Scheiß?", brummte er. "Du kommst hier nicht mehr raus, wenn du ihr etwas tust, das schwöre ich dir." Der Mann sah sich um und schien dieselbe Idee zu haben. Langsam wich er zurück, mit Nina im Arm. "Ich gehe jetzt mit der Kleinen raus. Und wenn du oder deine Jungs mir folgen, ist sie tot." Schritt für Schritt wich er zurück, in Richtung des Ganges, der zum Hinterhof führte. Ali und Nico, die an diesem Abend Dienst hatten, hielten sich zurück, ebenso wie Ben. Keiner wollte Nina gefährden und solange Gerrit keinen Befehl gab, den Mann aufzuhalten, würden sie nichts unternehmen. Der Schläger fühlte sich sicher und grinste Gerrit an, bevor er in der Dunkelheit des Ganges verschwand. "Mit der Kleinen werde ich richtig Spaß haben. Mal sehen, was du ihr beigebracht hast." Dann zischte er Nina ins Ohr: "Sag 'Auf Wiedersehen' zu deinem Bullenfreund." "Auf Wiedersehen." Erschrocken zuckte der Mann herum, doch die Faust, die ihn im Gesicht traf, sah er ebenso wenig kommen wie die Handkante, die ihm das Messer aus der Hand schlug. Nina wurde nach vorn gestoßen, schrie auf und rannte panisch in Gerrits Arme, der sie kurz an sich drückte, dann aber an Ben abgab. Stattdessen ging er langsam auf den Mann zu, der auf dem Boden lag, den Arm auf den Rücken gedreht und sah Branco an. "Solltest du dich nicht umziehen?" "Entschuldigung, Boss." Branco zog den Schläger hoch und hielt ihn eisern fest. "Rufen wir die Kollegen?" Gerrit erinnerte sich an die Worte des Mannes. Er packte ihn am Kragen. "Am liebsten würde ich…" Branco drängte ihn zurück und senkte den Blick. "Nicht, Gerrit. Du solltest dir an solchen Typen nicht die Finger schmutzig machen. Ich nehme ihn jetzt mit raus und werde ihm höflich erläutern, dass es ein Fehler war, das zu tun, was er getan hat." Er funkelte Gerrit von unten an. Sein Blick war eiskalt und seine Augen zu Schlitzen verengt. Obwohl er genau wusste, was er zu tun und zu sagen hatte, konnte Gerrit es nicht. Stattdessen nickte er und senkte die Stimme. "Schick ihn zu Wolkan zurück, mit einer deutlichen Warnung. Ich habe die Schnauze gestrichen voll von ihm und seinen Schoßhündchen. Und dann geh endlich nach oben und zieh dich um." "Komm mit." Branco zerrte den Mann zum Hinterausgang und verschwand mit ihm in der Dunkelheit. Sekunden später hörte man das Klatschen von Fäusten auf Haut und ein leises Stöhnen. Gerrit drehte sich um, den Kopf gesenkt und die Lippen fest zusammen gepresst. Bisher hatte er oft wie ein Zuhälter gedacht, manchmal so gefühlt, doch noch nie hatte er wie einer gehandelt. Er wusste, dass er gerade eben einen Weg eingeschlagen hatte, der für ihn eine Einbahnstraße war. Er konnte nicht mehr zurück. Wortlos ging er zu Nina, zog sie zur Bar und trank dort mit ihr etwas, um den Schreck zu vergessen. Als Branco 10 Minuten später rein kam, sich das Blut von den Händen wischte und nach oben verschwand, ohne von den Gästen gesehen zu werden, hatte er bereits eine Entscheidung getroffen.
"Ich bedaure Ihre Entscheidung." Kirkitadse sah Gerrit enttäuscht an, aber nicht wirklich überrascht. Er stand am Fenster, links vom Schreibtisch der Polizeipräsidentin. Sie nickte zustimmend. "Es ist wirklich bedauerlich, einen Mann wie Sie für die Polizei zu verlieren. Aber ich hoffe doch, dass Sie nicht total in den Sumpf einsteigen und weiterhin für uns die Augen und Ohren offen halten." Gerrit zögerte und nickte dann. "Es wird bekannt sein, dass meine besten Freunde Polizisten sind und daran ändert sich nichts", versprach er. "Mein Laden bleibt sauber." Kirkitadse sah ihn drohend an. "Davon werden wir uns in unregelmäßigen Abständen selbst überzeugen." "Sie sind immer herzlich Willkommen, Herr Staatsanwalt." Gerrit grinste. "Wenn Ihre Freundin damit kein Problem hat." "Ist ja rein dienstlich", murmelte der leise. "Außerdem gibt es da einen weiteren Grund, weshalb ich eh nicht mehr bei der Polizei arbeiten kann. Sie wissen doch vom Tod von Peking-Paule." "Sicher. Einer der wenigen relativ anständigen Männer im Milieu." "Sie wissen, was mit seinen Läden passiert ist?" Kirkitadse nickte. "Alexander Kreuzach hat sie aufgekauft. Was uns nur wundert ist, woher er das Geld hat. Man munkelt von einer Summe über 200 000 Euro. Jedenfalls gehören die Läden jetzt ihm." "Nein. Er ist nur der Geschäftsführer und Inhaber zu 24 Prozent. Die Läden gehören mir. Der Kaufpreis stimmt übrigens." "Ich hab den falschen Job", murmelte Kirkitadse leise. Die Polizeipräsidentin lachte leise, wurde dann aber von einem Telefonanruf abgelenkt. Sie winkte Gerrit zu und versprach, die Papiere für ihn zusammen zu stellen. "Ich wünsche Ihnen, dass Sie finden, was Sie suchen." "Vielen Dank." Gerrit und der Staatsanwalt verließen das Büro. Kirkitadse hielt Gerrit leicht an der Schulter fest. "Wie geht es Herrn Vukovic?" "Besser. Aber er ist einfach nicht mehr derselbe wie früher." "Das haben mir Herr Naseband und Frau Rietz auch schon mehrfach erzählt." Der Mann schien mit sich zu ringen. "Die beiden vertrauen Ihnen, Herr Grass, das wissen Sie, nicht wahr?" "Ja, natürlich." Gerrit sah ihn ein wenig irritiert an. Worauf wollte der Mann hinaus? Das ziehen in seinem Magen ignorierte er so gut es ging. "Herr Vukovic scheint von Ihrer Führung sehr abhängig zu sein. Frau Rietz meinte, er wäre Ihnen absolut hörig. Sie würden das doch nicht ausnutzen, oder?" "Natürlich nicht", sagte Gerrit und versuchte dabei möglichst empört zu klingen. "Wie kommen Sie nur darauf?" "Sie haben viel Macht, Herr Grass. Ich weiß nicht, ob Sie sich dessen bewusst sind. Ihre Konkurrenz hat das erkannt und die Staatsanwaltschaft auch. Wir haben ein wachsames Auge auf Sie." "Das stört mich nicht." "Ich weiß. Aber Macht korrumpiert." Gerrit senkte leicht den Blick, dann hob er ihn und setzte ein zuversichtliches Lächeln auf. "Mich nicht", versprach er. "Ich passe schon auf Branco und auf mich auf." "Er soll ein ziemlich ausgeprägtes Aggressionspotential haben." "Hat er. Dem kann ich nicht widersprechen. Er hat in meinem Club eine Heimat gefunden, einen Platz der Ruhe. Und er ist sehr darauf bedacht, sich den nicht von anderen kaputt machen zu lassen." Gerrit schwieg kurz. "Er ist mein bester Mitarbeiter und ab nächster Woche meine rechte Hand." Kirkitadse sah ihn eine ganze Weile schweigend an. "Passen Sie auf ihre rechte Hand auf." Damit ging er. Gerrit sah ihm schweigend nach und steuerte dann sein ehemaliges Büro an. Er wollte seine Freunde von seiner Entscheidung unterrichten, bevor die es von jemand anderem erfuhren. Außerdem musste er mit den beiden dringend über Sergej Wolkan sprechen. Er wusste selber, dass er gestern Abend zu weit gegangen war. Aber er wusste auch, dass es wieder passieren würde, wenn diesem Mann nicht endlich Einhalt geboten wurde.
Gerrit hat echt gekündigt?? Oh man...wie werden seine Freunde reagieren? Aber i-was hat er doch vor, er kündigt doch nicht einfach so? Und was hat Wolkan jetzt vor?
Wie seine Freude reagieren, erfährst du umgehend, Nic und wie die Unterwelt reagiert... kommt glaub ich später in der Story. Danke für die Kommis *knuddel*
"Schau an, schau an, welch seltener Besucher." Michaels Spruch sollte lässig klingen, aber der leichte Vorwurf war unüberhörbar. Gerrit lächelte ein wenig gequält und scheuchte die anderen Kommissare raus. Er ließ sich auf den Zeugenstuhl fallen und sah einige Male von Michael zu Alex und wieder zurück. "Du liegst gar nicht so falsch, Michael. Demnächst werde ich nur noch als Besucher hierher kommen. Ich habe gekündigt." "Ich habe es kommen sehen", wisperte Alex leise. Tränen schimmerten in ihren Augen. Seit sie schwanger war, war sie ziemlich nah am Wasser gebaut. Gerrit sprang von seinem Stuhl hoch, ging zu ihr und legte die Arme um sie. "Hey, nicht traurig sein. Glaubt mir, der Schritt ist mir wirklich nicht leicht gefallen. Es war toll, hier mit euch zu arbeiten. Aber… beides schaffe ich nicht und das Bordell aufgeben…" Er senkte den Blick. "Das kann ich nicht mehr." "Sportwagen, Eigentumswohnung, Rolex… Ich kann dich schon verstehen", gab Michael zu. "Außerdem haben wir hier alle nur darauf gewartet. Es war abzusehen." Alex kuschelte sich gegen Gerrit. "Bist du dir wirklich sicher, Gerrit? Ich werde dich vermissen." Er lächelte und drückte sie an sich. "Bloß weil ich nicht mehr hier arbeiten werde, heißt das doch nicht, dass wir uns nicht mehr sehen. Alex, wir sind Freunde. Ich besuche euch mal." Er sah Michael an. "Wenn ich darf." Empört sah der ihn an und lachte dann. "Ich bestehe darauf." Alex löste sich von Gerrit und küsste ihn leicht auf die Wange. "Irgendwie bin ich erleichtert, dass du dich entschlossen hast, Nägel mit Köpfen zu machen. Ich habe das seit Wochen geahnt." Seufzend ließ Gerrit sich auf die Kante von ihrem Schreibtisch nieder. "Ich wohl irgendwie auch, aber mir ist es nicht wirklich bewusst gewesen." "Und wieso jetzt die Entscheidung?" Michael reichte Gerrit eine Tasse Kaffee. Der nahm sie und bedankte sich höflich. "Danke dir. Weil ich langsam auch die Schattenseiten als… Bordellbesitzer kennen lerne. Das ist ein weiterer Grund, warum ich hier bin. Ich möchte Anzeige erstatten." Verblüfft sahen sich Michael und Alex an, dann nahm Michael sich sein Tastatur und nickte Gerrit zu. "Gegen wen? Warum?" "Sergej Wolkan. Er hat Ratten in meinem Bordell ausgesetzt, meinen Sportwagen angezündet und gestern war einer seiner Schläger in meinem Laden und hat Nina mit einem Messer verletzt." Alex riss erschrocken die Augen auf. "Wie bitte? Wie geht es ihr?" "Sie hat nur einen Kratzer. Dank Branco. Hätte er nicht eingegriffen… Ich möchte gar nicht darüber nachdenken." Gerrit ballte die Hände zu Fäusten. "Leute… ich weiß selber, dass ich keine Beweise habe, aber wenn Wolkan weitermacht, kann ich für nichts mehr garantieren." "Halte deine Leute zurück, Gerrit. Das ist unser Job. Wir werden Wolkan mal auf Füße treten und ihm zeigen, dass wir auch nerven können." "Ich verlasse mich auf euch, deshalb auch der offizielle Weg. Aber…" Er senkte den Blick. "Ich werde meinen Leuten nicht verbieten, sich angemessen gegen Angriffe zu wehren." Unbehaglich sah Michael seine Freundin an, dann Gerrit. "Wir kümmern uns drum. Versprochen." Gerrit erhob sich und reichte ihnen die Hand. "Sehen wir uns?" "Öfter als dir lieb ist." Michael umarmte ihn kurz. "Pass auf dich auf und auf Branco. Grüß ihn von uns." "Klar. Gern." Gerrit grinste schief und kratze sich leicht am Hinterkopf. "Dem muss ich erst mal beibringen, was ich gerade gemacht habe."
"Du hast gekündigt? Wieso?" Entsetzt sah Branco Gerrit an und lief dann vor dessen Schreibtisch auf und ab. "Ich habe gestern eine Grenze überschritten. Was ich getan habe…" "Der Kerl hat deine Freundin bedroht und du…" "Nein." Gerrit sah ihn ernst an. "Genau das ist der Punkt. Hätte ihm selber eins auf den Deckel gegeben, hätte das wahrscheinlich jeder verstanden. Aber ich habe es dir befohlen. Branco… als Polizist hätte ich das weder anordnen noch erlauben dürfen." Er seufzte leise. "Ich bin schon lange kein Polizist mehr." Schweigen breitete sich im Büro aus. Bis Branco schließlich leise und mit einem mitleidigen Blick fragte: "Ist es dir sehr schwer gefallen, zu kündigen?" Gerrit lächelte freudlos und schüttelte den Kopf. "Nein. Es ist mir überhaupt nicht schwer gefallen, auch wenn ich Alex etwas anderes gesagt habe und das ist wohl auch der Beweis, dass meine Entscheidung richtig war. Kirkitadse weiß übrigens auch von meiner Expansion im Erotiksektor." Er stützte den Kopf auf seine Handfläche. "Setz dich mal bitte hin, Branco. Du machst mich nervös." "Tut mir leid." Schnell ließ der sich in den Sessel fallen, der vor Gerrits Schreibtisch stand. Geduldig blickte er ihn an und wartete auf Anweisungen oder darauf, dass sein Chef ihm weiter sein Herz ausschüttete. "Branco… wieso kämpfst du so für den Club? Meine Türsteher fürchten dich, aber inzwischen meinen sie, du wärst hier der beste Mitarbeiter. Die Mädchen lieben dich, vergöttern dich geradezu, weil du immer für sie da bist, alles für sie tust. Und ich… ich wollte dir eigentlich ein Freund sein, aber irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass du das willst." Der senkte den Blick. "Das will ich auch nicht. Klar helfe ich deinen Angestellten, meinen Kollegen. Ich habe hier ein Zuhause gefunden…" "Einen winzigen Kellerraum ohne Fenster." "Gerrit, ich weiß, es klingt menschenunwürdig. Aber ich fühle mich da sicher. Ich schufte 14... 16 Stunden am Tag, nur um nicht nachdenken zu müssen. Ich helfe den Frauen, weil ich einfach nicht anders kann. Einmal konnte ich nicht helfen und das wird mich mein Leben lang verfolgen." Er stockte. "Ich helfe dir, weil du mich in Ruhe lässt, mir mehr geholfen hast als jeder andere. Wenn auch sehr unkonventionell. Du bist mein Freund geworden. Mein bester Freund. Aber ich brauche eine gewisse Distanz, um mich einigermaßen wohl zu fühlen. Und ich fürchte, das wird sich auch nicht mehr ändern." Gerrit blickte auf seinen Schreibtisch, der die Distanz zu bilden schien, die Branco brauchte. "Ich möchte, dass du ab Montag Bens Aufgaben übernimmst. Du wirst meine rechte Hand und mein offizieller Stellvertreter. Und ich werde dich dafür bezahlen, ob es dir nun gefällt oder nicht." Branco wollte abwinken. Dann zuckte er mit den Schultern. "Pack das Geld auf ein Konto. Ich werde es später Alex und Michas Baby schenken. Vielleicht kann ich ihnen so ein wenig zeigen, wie wichtig sie mir sind und dass ich mit dem Herzen doch ganz nah bei ihnen bin." "Weil du dich um das sorgst, was ihnen am meisten bedeutet?" "Ja." Er hob langsam den Blick. "Ich nehme das Jobangebot an, Gerrit. Und ich danke dir für dein Vertrauen. Damals im Kommissariat und bei der Gerichtsverhandlung dachte ich, ich hätte endgültig alles verspielt." "Hattest du auch." Gerrit schob ihm ein Glas Champagner rüber und die Kugel, mit der der ehemalige Kommissar sich damals, nach den Morden, selber hatte töten wollen. Wie versprochen hatte er sie einfassen lassen und Branco konnte sie jetzt als Kette tragen. "Hier. Du wolltest das wiederhaben." Branco nahm die Kette und legte sie sich um. "Danke." Das Material der Kugel stammte von seinem eingeschmolzenen Verlobungsring und für ihn bedeutete es sehr viel, dass Gerrit sie ihm wirklich zurück gegeben hatte. Dankbar lächelte er seinen Vorgesetzten an. Gerrit hatte so lange gewartet, weil er sicher sein wollte, nicht wieder alte Wunden aufzureißen. Er nickte leicht und sie stießen gemeinsam an. "Auf unseren Club, Branco. Und auf eine gute Zusammenarbeit."
"Was wollt ihr denn hier?" "Uns nur mal ein wenig umsehen, Wolkan." Michael strich mit einem Finger über den Tresen. "Ziemlich staubig. Fehlt die Kundschaft?" Der Zuhälter hielt ihm einen Lappen hin. "Dann mach dich nützlich, Bulle oder zieh Leine." Dessen Blick wurde finster, sein Stimme leiser und bedrohlicher. "Hör mir mal genau zu. Wenn deine Leute nicht aufhören, Gerrit zu belästigen, dann kriegst du mit uns riesige Probleme." Wolkans Gesicht wurde zu einer grimmigen Maske und sein Schnauzbart zitterte. "Mein Bodyguard liegt mit schwersten Verletzungen im Krankenhaus. Er sieht aus wie eine blinde Oma, die ihren Dackel auf der Autobahn spazieren geführt hat. Und ihr wollt mir was erzählen von wegen ich mache Gerrit Probleme?" "Erstens, wo ist die Anzeige? Und zweitens, was hatte dein Bodyguard in Gerrits Bordell zu suchen? Gerrit hat Anzeige gegen ihn erstattet und gegen dich." Michael versuchte den Schock zu verdrängen, dass Gerrit ihm verheimlicht hatte, dass er mit dem Mann schon abgerechnet hatte. "Ich renn nicht gleich zu den Bullen. Und Niko auch nicht. Außerdem hat er nicht auf meine Anordnung gehandelt. Das wird er euch sicher sagen." Der Mann musterte Alex runden Bauch. "Und jetzt schaff die Kullerbraut hier raus, bevor ich noch Ärger mit dem Jugendschutz bekomme." Michael wollte dem Mann an den Kragen gehen, doch Alex hielt ihn hastig fest. "Komm, wir gehen." Sie sah den Besitzer des Ladens an. "Aber wir kommen wieder." Wütend verließen die beiden Kommissare das Bordell. Michael regte sich über die Arroganz von Wolkan auf, während Alex sich vorsichtig auf ihren Sitz gleiten ließ. "Dieses …" "Ruhig, Micha. Das bringt nichts. Wir kriegen den dran. Der weiß jetzt, dass wir hinter ihm her sind und sobald wir einen konkreten Hinweis haben, kriegen wir auch einen Durchsuchungsbefehl. Der hat so viel Dreck am Stecken…" Sie legte ihm sanft eine Hand auf den Oberschenkel. Michael umschloss ihre Hand mit seiner eigenen und sah sie eine Weile schweigend an. "Du hast Recht, Schatz. Wie immer." Er lächelte und hauchte ihr einen Kuss auf den Mund. "Fahren wir zurück ins Büro?" "Nein. Ins Tycoon und ich erwarte von Gerrit eine verdammt gute Erklärung für den Zustand von Wolkans Schläger."
Im Büro von Gerrit erwartete die zwei Kommissare dann allerdings eine Überraschung. Branco saß in dessen Sessel und ging aufmerksam einige Zahlen und Abrechnungen durch. Als Alex und Michael den Raum betraten, legte er die Bücher zur Seite und sah sie offen und mit einem einladenden Lächeln an. "Hallo, ihr zwei. Schön, dass ihr mal vorbei schaut. Aber ich fürchte, Gerrit ist…" Er stockte, denn der war in einem der Erotikläden und traf sich mit Alexander Kreuzach. "Gerrit ist außer Haus." Michael war verblüfft. Bisher hatte Branco, auch wenn er offener gegenüber ihm und Alex geworden war, kaum einen ganzen Satz an sie gerichtet. "Wie geht es dir?", fragte er deshalb. Alex fiel seufzend auf den Sessel und lehnte sich entspannt zurück. Sie bemerkte Brancos sehnsüchtigen Blick, der an ihrem Bauch hing. "Alles klar hier? Behandelt dich Gerrit gut?" Er löste den Blick und sah sie an. "Gut… ja. Vielleicht anders, als ihr es tun würdet, aber für mich ist es gut. Ich bin sein offizieller Stellvertreter." "Nicht schlecht. Glückwunsch. Aber inwieweit bist du in das Geschehen hier im Club eingebunden?" "Zu 100 Prozent." Michael sah ihn ernst an. "Was ist mit Wolkans Schläger passiert? Wieso liegt der Mann im Krankenhaus?" Sein Blick war durchdringend. Branco schluckte leicht, hielt ihm aber stand. "Er hat hier mit einem Messer rumgefuchtelt, Nina als Geisel genommen, offen gedroht, sie zu vergewaltigen. Ich konnte ihn überwältigen und habe ihn nach draußen befördert, wo er auf mich losgegangen ist." Er hielt kurz inne und sagte dann leise. "Gerrit sagt, ich darf mich wehren, trotz der Dinge, die ich gemacht habe." "Natürlich darfst du das", pflichtete Alex ihm sofort bei. "Geht es Nina wirklich gut?" "Sie steht unter Schock und liegt im Bett. Vorhin war noch mal ein Arzt bei ihr. Sie hat eine winzige Schnittwunde am Hals. Aber wenn dieser Typ sie mit raus genommen hätte… Er hat angedroht, was er mit ihr machen wollte, versteht ihr?." Seine ruhige, klare Stimme verlieh seinen Worten Glaubwürdigkeit. Und die Geschichte klang vollständig, obwohl er einen wichtigen Teil raus gelassen hatte. Michael nickte. "Natürlich darfst du dich wehren, erst Recht, wenn der Kerl bewaffnet ist. Ich dachte mir schon, dass es so war. Darum hat dieser Nico auch keine Anzeige erstattet." Branco nickte und stützt leicht das Kinn auf seine verschränkten Hände. "Habt ihr eine Chance, gegen den Mann vorzugehen?" "Müssen wir sehen. Wo ist Gerrits ausgebrannter Wagen geblieben?" "In einer Garage. Ich kann euch den Schlüssel geben, wenn ihr ihn von der Spurensicherung untersuchen lassen wollte." Er schrieb die Adresse auf. Alex nickte. "Auf jeden Fall." Sie nahm den Schlüssel und den Zettel entgegen. Wieder bemerkte sie Brancos sehnsüchtigen Blick, mit dem der ihren Bauch streichelte. Sie fuhr sich leicht mit der Hand darüber. "Schau nicht so neidisch. Glaub mir, schwanger sein ist nicht immer leicht." Er verzog das Gesicht zu einem kleinen Lächeln. "Das habe ich mitbekommen. Wann ist es denn soweit?" "Noch acht Wochen", verkündete Michael stolz. "Und wisst ihr schon, was es wird?" "Ein Junge, so wie es tritt", murmelte Alex. Ihr Freund lächelte und schien damit keine Probleme zu haben. Branco seufzte leise. "Passt auf das Kleine auf. Es ist so unglaublich kostbar." Die beiden Kommissare schwiegen. So offen war ihr ehemaliger Kollege noch nie gewesen, seit er wieder in München war. Nach einer Weile verabschiedeten sie sich von Branco und versprachen, ihm und Gerrit die Ergebnisse der Spusi vorbei zu bringen, sobald die da waren. Außerdem wollten sie an Wolkan dran bleiben. Als sie die Tür hinter sich schlossen, veränderte sich Brancos Gesichtsausdruck. Sein Blick wurde finster, die Gesichtszüge hart und glatt. "Das müsst ihr nicht", sagte er leise und mit einer drohenden, tiefen Stimme. "Der soll nur einen Fuß hier in das Bordell setzen und versuchen, Gerrit noch ein Mal Ärger zu machen, dann kümmere ich mich um ihn. Endgültig." Dann widmete er sich wieder den Büchern.
Dank Brancos Hilfe konnte sich Gerrit in den nächsten Wochen um seine neuen Geschäfte kümmern. Die liefen, wie erwartet, hervorragend. Es war ihm schon fast unheimlich, was für ein gutes Händchen er in Sachen Erotikgeschäften hatte. Irgendwie hatte er hier wohl tatsächlich seine Berufung gefunden. Michael und Alex versuchten in der Zeit, Wolkan unter Druck zu setzen und ihn zu Fehlern zu verleiten. Wobei Alex immer seltener bei den Besuchen dabei war. Sergej Wolkan provozierte die Kommissarin immer sehr bewusst wegen ihrer Schwangerschaft und Michael wollte nicht, dass seine Freundin sich so aufregte. Also saß sie bis Mitte des achten Schwangerschaftsmonats im Büro, dachte mit über laufende Fälle nach oder lag auf der Couch, wenn Michael seinen Papierkram machte. Sowohl die Polizeipräsidentin als auch Kirkitadse hatten ihr schon mehrfach ans Herz gelegt, erst einmal Urlaub zu machen und sich auf das Baby vorzubereiten, aber Alex hielt es zu Hause einfach nicht aus. Erstens langweilte sie sich fürchterlich, weil sie mit ihrem dicken Bauch nichts wirklich machen konnte und zweitens machte sie sich ständig Sorgen um Michael. Die beiden Kommissare hatten eigentlich vorgehabt, noch vor der Geburt ihres ersten Kindes zu heiraten, aber irgendwie kamen sie nicht dazu. Und da Alex sich momentan vollkommen unförmig und hässlich fühlte, wollte Michael ihr die Hochzeit jetzt nicht antun, weil sie sich sonst die nächsten 30 Jahre über die Hochzeitsfotos ärgern würde. Sie würden in einigen Monaten heiraten, wenn das Baby da war und Alex sich wieder wohl in ihrer Haut fühlen würde. Beide konnten die bevorstehende Geburt kaum noch erwarten. Bei Alex war es klar, denn es war ihr erstes Kind und auch wenn sie am Anfang ein wenig geschockt gewesen war, war es gewollt. Ein absolutes Wunschkind. Bei Michael war es das zweite, aber er war nicht weniger aufgeregt als seine Verlobte. Er hoffte auf ein Mädchen, wobei er sich natürlich auch über einen zweiten Sohn freuen würde. Alex war es vollkommen egal, Hauptsache es war gesund. Und laut Vorsorgeuntersuchung war alles in bester Ordnung. Alex lag auf der Couch im Büro und betrachtete die letzten Ultraschallbilder ihres inzwischen fertigen Kindes. Das Kleine trat leicht und die Kommissarin streichelte über die dicke Wölbung ihres Bauches. "Ganz ruhig. Bald bist du da raus. Nur noch ein paar Tage." "Macht es Ärger?", fragte Michael besorgt. "Es wird ein wenig nervös. In letzter Zeit tritt es ziemlich viel um sich." Michael stand auf und setzte sich neben sie. Er legte seine große Hand auf ihren Bauch und sofort war das Kind ruhig. "Was hast du denn? Ist doch ganz ruhig." "Das wird ein Mädchen. Es hört ja jetzt schon nur auf dich." Alex sah ihn ein wenig missbilligend an. Als ob er was dafür könnte. Michael küsste sie zärtlich. "Vielleicht werden es ja Zwillinge." "Um Himmels Willen. Eins reicht… erst mal." "Erst mal?" Sie grinste ihn an. "Erst mal. Ich möchte schon mehr Kinder. Vielleicht können wir uns an das zweite machen, wenn wir für dieses Würmchen einen Namen haben." Das war ein Thema, welches die beiden seit Monaten beschäftigte, mal mehr mal weniger und mit dem sie in den letzten Wochen verstärkt ihre Umgebung genervt hatten. Zu einem wirklichen Ergebnis waren sie allerdings noch nicht gekommen. Und das würden sie auch jetzt nicht, denn das Telefon klingelte. Michael ging ran. Es war Gerrit. "Du hast ja lange nichts von dir hören lassen." "Ich weiß." Gerrit war hörbar zerknirscht. "Tut mir leid. Ich hatte geschäftlich so viel zu tun. Außerdem hatte ich ständig Besuch von zwielichtigen Typen, die wissen wollten, warum ich nicht mehr bei der Polizei arbeite und ob ich vielleicht doch noch heimlich für euch arbeite oder ob ich Mist gebaut habe und gefeuert wurde… Naja, wie auch immer. Habt ihr nicht mal Lust, heute Abend im Club vorbei zu schauen?" "Ich weiß nicht", sagte Michael mit einem Seitenblick auf Alex. Sie gehörte in ihrem Zustand einfach nicht mehr in ein Bordell, auch wenn sie da nur Gast des Chefs war. "Der Club ist heute geschlossen. Wir haben Inventur gemacht, einige Schönheitsoperationen in den Zimmern und so weiter. Wir wären unter uns." Gerrit schwieg kurz. "Branco würde sich auch freuen, wenn er euch mal wieder sieht", fügte er dann hinzu. Alex nickte lächelnd und Michael sagte zu. Dann würden sie den Abend eben nicht auf der Couch vor dem Fernseher verbringen, sondern mit ihren zwei besten Freunden im 'Red Tycoon'.
"Ich habe so die Schnauze voll", knurrte Sergej Wolkan. Der Zuhälter saß in seinem Büro, ihm gegenüber seine rechte Hand Nico Kaiser. "Dieser Grass ist ein Übel der schlimmsten Kategorie. Und dass seine Bullenfreunde hier ständig rumschnüffeln, macht das ganze noch schlimmer." Der Mann ballte die Fäuste und schlug krachend auf den Tisch. Kaiser nickte schweigend. Sein Gesicht war immer noch lädiert durch die letzte Begegnung mit Brancos Fäusten. Gerrit Grass war ihm persönlich egal, aber mit seinem Helfer hatte er noch eine Rechnung offen. Und Kaiser schwor sich, diese zu begleichen. Mit Zinsen. Die Tür wurde aufgestoßen und ein finster dreinblickender Mann erschien im Türrahmen. "Es stimmt. Der Laden ist heute zu." "Wo ist Grass?" "Im Tycoon." Ein teuflisches Lächeln erschien auf dem Gesicht von Wolkan, als er seinen Bodyguard rausschickte. Sein Blick traf den von Kaiser. "Deine Chance, deinen Fehler wieder gut zu machen. Geh in den Laden und leg diesen Scheißkerl um." "Was ist mit diesem Killer?" "Vukovic?" Wolkan zuckte mit den Schultern. "Mir egal, was du mit ihm machst. Und noch was… Lass dich bloß nicht erwischen." "Keine Sorge. Diesmal wird es keine Zeugen geben." Er zog seine Beretta, die er von seinem Vater geerbt hatte und legte sie triumphierend auf den Tisch vor sich. "Ich mache jeden kalt, der in dem Laden ist und lass es aussehen wie einen normalen Raubüberfall." Sergej Wolkan zündete sich eine Zigarette an, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blies den Rauch in Richtung Decke. "Freut mich, dass wir uns verstanden haben."