Danke für die Kommis, die Fehlerberichtigung und das mit HHF stammt nicht von mir. Also der Teil mit dem leeren Tank und dem angeknacksten Bein. Das war wirklich so. Zumindest habe ich das so ähnlich in Erinnerung.
10. Kapitel - Retter in der Not
Das Telefon klingelte und Florian ging ran. „Ja, sicher. Ich spreche mit Kai. Tut mir leid, aber allein will ich das nicht entscheiden.“ Er legte auf. „Wer war es denn?“, rief Kai aus der Küche. Die beiden Männer waren in Florians Wohnung und wollten eigentlich etwas Kochen und den Abend dann gemütlich ausklingen lassen. „Mahr. Er will, dass wir nach Kaschmir fliegen und uns dort mal etwas umsehen. Er meint, dort kriselt es im Moment sehr.“ „Das ist wahr, aber ich bezweifle, ob sich da vernünftige Stories rausholen lassen.“ Kai hielt inne. „Es sei denn...“ „Was?“ Florian lehnte sich an den Türrahmen. „Na du weißt doch, dass die Pakistaner und die Inder um die Vorherrschaft in der Kaschmirregion kämpfen.“ „Ja, weiß ich. Und das tun sie mit mehr oder weniger Leuten seit einigen hundert Jahren.“ Kai lächelte. „Übertreib nicht. Stell dir mal vor, hinter den Pakistanern würde eine große Gruppe stehen. Eine Organisation, die sie mit Geld, Waffen und Kämpfern versorgt.“ „Du meinst die Al-Quaida? Was hätte denn bin Laden davon.“ „Einen weiteren Krisenherd, der die Amerikaner anlockt. Einen weiteren Grund, gegen die westlichen Staaten zu wettern.“ „Wenn du damit Recht hast, ist das ein ziemlich dicker Hund.“ Florian grübelte eine Weile. „Meinst du, wir sollten hinfahren?“ „Es wäre sicher nicht uninteressant. Ich rufe mal Reg an und frage ihn, was er davon hält.“ Florian nickte und Kai telefonierte mit dem Soldaten. Der war sehr interessiert an Informationen über die Region und die wahren Hintergründe. Also entschlossen sich Kai und Florian für einige Wochen hin zu fliegen. Schließlich war es erst die zweite Woche im Januar und bis zum ersten Rennen hatten sie noch Zeit.
„Sand, Steppe, Steine. Mir leuchtet einfach nicht ein, worum es hier geht“, flüsterte Florian Kai zu. Die Journalisten lagen hinter den Resten einer eingefallenen Mauer und beobachtete seit Stunden die Gefechte zwischen Pakistanern und Indern. „Mir auch nicht“, raunte Kai zurück. Er sah Florian an. „Es ist, als ob sie für eine Idee kämpfen.“ „Ja, genau. Sie wirken wie ferngesteuert.“ „Ich bin mir inzwischen sicher, dass bin Laden hinter dem ganzen Konflikt steckt. Zumindest hinter der derzeitigen Härte. Vielleicht sollten wir...“ Kai wurde durch ein Klicken unterbrochen. Ein Klicken, welches über ihm aufgeklungen war. Langsam drehte er sich um und blickte in den Lauf einer Kalaschnikow und die finsteren Augen von drei pakistanischen Soldaten. „Scheiße“, flüsterte er. Florian drehte sich zu ihm um und sah aus den Augenwinkeln den Gewehrlauf, der auf Kais Kopf gerichtet war. Er drehte sich ganz herum. Der Anführer der Gruppe, ein circa 50 Jahre alter, bärtiger Mann, blickte Kai an. „Wer sind Sie?“, fragte er auf Arabisch. Kai stellte sich und Florian vor. „Wir sind Reporter.“ Der Mann lachte. „Natürlich. Daran habe ich aber leider Zweifel. Vielleicht sind Sie ja auch Agenten der Inder oder ihrer Verbündeten.“ „Das sind wir nicht“, sagte Kai vorsichtig. „Mein Name ist Khalad. Ich bin Kommandant der hier stationierten Einheit. Wir werden herausfinden, wer Sie sind. Stehen Sie auf, aber schön langsam!“ Kai übersetzte Florian den Befehl. „Woher kommen Sie?“ „Deutschland.“ „Eigentlich haben wir mit Ihrem Land keine Probleme. Noch nicht, zumindest.“ Kai stand vorsichtig auf. Er blickte kurz zu Florian hinüber. Der zitterte wie Espenlaub. Er wollte sich ebenfalls hochstemmen, doch er hatte nicht die Kraft und rutschte aus. Einer der Pakistaner wertete das als Angriff, hob seine Waffe und schoss, Kai sah es und schlug gegen die Kalaschnikow. Der Schuss verfehlte Florians Kopf, traf jedoch dessen Oberschenkel. Blut spritze aus der Wunde hervor und versickerte im Sand. Florian schrie gepeinigt auf und griff sich ans Bein. Kai wurde wütend und warf sich gegen den Pakistaner. Er schlug ihm die Faust ins Gesicht und sein Gegner ging zu Boden. Die anderen zwei Soldaten hatte er völlig vergessen. Khalad hieb Kai seine Waffe ins Genick, woraufhin der das Bewusstsein verlor. Hart fiel er in den Staub.
Als Kai wieder aufwachte, durchzuckten Schmerzen seinen Kopf. Helle Punkte kreisten vor seinen Augen. Schnell schloss er sie wieder. Er stöhnte auf. „Na, wieder da?“, presste Florian zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Jetzt war Kai endgültig wach, denn er erinnerte sich plötzlich wieder an alles, was geschehen war. Besorgt stand er vom Boden hoch, wo er bis jetzt gelegen hatte und blickte sich um. Er befand sich in einer circa sechs Quadratmeter großen Zelle. Zwei alte Pritschen standen hier. Es gab eine dicke Holztür und ein vergittertes, winziges Fenster. Florian lag auf einer Pritsche und blickte Kai aus glasigen Augen an. Kai ging zu ihm hinüber und setzte sich auf die andere. „Wo sind wir?“ „In einem Gefängnis. Immer noch in Pasar. Nachdem Khalad dich niedergeschlagen hatte, hat man uns hierher gebracht.“ Florian zitterte und konnte kaum sprechen. „Wo hat die Kugel dich erwischt?“ „Im Oberschenkel.“ Florian deutete auf sein rechtes Bein. Seine Hose war blutdurchtränkt und Kai sah das Einschussloch. Besorgt hockte er sich neben seinen Freund. Er riss sich einen Ärmel seine Hemdes ab und band das Bein ab. „Du brauchst einen Arzt.“ „Denen ist es scheißegal, ob ich hier krepiere, Kai. Es ist für sie sogar besser.“ Angst spiegelte sich in Florians Augen. „Hast du schlimme Schmerzen?“ „Ich könnte immerzu schreien, so sehr tut mein Bein weh.“ Kai strich ihm sanft mit der Hand über die Stirn. Sie war heiß. „Ganz ruhig, Flo. Du darfst nicht aufgeben. Bitte, du musst kämpfen.“ Er nahm die Hand seines Freundes in seine eigene. Florian schluckte die Tränen runter, die sich in seinen Augen gebildet hatten. Er nickte leicht. „Ich habe noch nie aufgegeben.“ „Wie hast du damals in Belgrad die Verhöre überstanden?“ „Du glaubst, dass...“ „Sicher. Sie halten uns für Agenten und werden zumindest mich dementsprechend behandeln. An dich können sie nicht ran. Es ist laut Koran verboten, verletzte Gefangene zu verhören.“ Florian nickte leicht. „Ich habe meine Phantasie eingesetzt und mich zu meiner Familie zurückversetzt. Immer wieder habe ich diesen einen Tag vor mir gesehen. Weihnachten, ich war acht. Tolle Geschenke, der Baum, meine Eltern und Großeltern. Es hat mir geholfen, die Schmerzen zu ertragen. Irgendwann wusste ich nicht mehr, was Wirklichkeit und was Traum waren. Dann konnte ich mir einreden, dass die Schmerzen, die Folter und das Gefängnis nur ein böser Traum sind.“ Kai grübelte. „Ich habe so viele schöne Erinnerungen.“ „Such dir eine besondere aus. Stell sie dir genau vor.“ Florian blickte Kai tief in die Augen. „Versuche nicht, die Schmerzen zu unterdrücken. Du schaffst es nicht. Sie würden dich umbringen. Schrei sie raus, das hilft.“ Er zitterte. „Ich habe solche Angst, Kai.“ Zärtlich küsste Kai seinen Freund. „Wir schaffen das. Ich weiß es.“ Stimmen und Schritte waren zu hören. Kai küsste Florian flüchtig und setzte sich dann auf seine Liege. Khalad betrat die Zelle. Er sah kurz zu Florian hinüber, deutete dann auf Kai und ging wieder. Zwei Wachen packten Kai und zogen ihn mit sich mit. „Wehr dich nicht“, rief Florian Kai hinterher. Die Tür fiel zu. „Bitte, wehr dich nicht“, flüsterte er noch einmal, während ihm Tränen über die Wangen liefen.
Die Wachen hatten Kai in eine Art Büro gebracht und ihn brutal zusammengeschlagen. Mit blutüberströmtem Gesicht hing er in einem Stuhl, auf welchen man ihn gesetzt hatte. Die Schläge konnte Kai wegstecken, das hatte er beim Boxen gelernt. Aber die Angst vor dem, was noch kommen würde, machte ihn fertig. Khalad kam und stellte Kai einige Fragen. Wenn ihm die Antwort nicht gefiel, schlug er zu. Nach einer Weile drehte er sich unzufrieden um. Er glaubte Kai kein Wort, aber der gab nicht zu, was er hören wollte. Er nickte einem seiner Wachen zu und stellte erneut seine Hauptfrage. „Sind Sie ein Spion?“ „Nein“, stöhnte Kai. Im selben Moment hörte er ein unheilvolles Knistern hinter sich. Bruchteile einer Sekunde später drückte ihm ein Soldat ein Elektroschockgerät gegen den Hals. Kai stöhnte auf. Sein Körper wurde durchgeschüttelt und verkrampfte. Über drei Stunden quälte man ihn mit diesem Gerät, dann wurde Kai bewusstlos. Die Soldaten brachten ihn in seine Zelle und ließen ihn dort auf dem Boden liegen. Kais Gliedmaßen zuckten immer noch unkontrolliert. Blut lief sein Gesicht hinab und wurde von seinem Hemd aufgesogen. „Kai?“, drang die sorgenvolle Stimme von Florian an sein Ohr. „Es geht mir gut“, nuschelte Kai. Er spuckte das Blut aus, welches sich in seinem Mund gesammelt hatte und stemmte sich unter Schmerzen hoch. Er fiel auf seine Liege und blieb dort reglos liegen. „Diese Monster“, hauchte Florian unter Tränen. ‘Die haben noch nicht einmal richtig angefangen‘, dachte Kai, bevor ihm die Augen zufielen.
Die nächsten zwei Tage verliefen in ähnlicher Weise. Stundenlang wurde Kai von Khalad gefoltert, ohne dass der gestand. Kai wusste schließlich, warum er kämpfte. Wenn er gestand, würde man ihn und Florian auf der Stelle erschießen. Florian ging es immer schlechter. Die Wunde an seinem Bein hatte sich stark entzündet und er litt unter hohem Fieber. Zu Essen bekamen die beiden Männer täglich eine trocken Scheibe Brot. Dazu gab es einen kleinen Becher Wasser für jeden. Kai begnügte sich jedes Mal mit einem kleine Schluck und flösste Florian den Rest von seinem Trinken ein.
Am vierten Tag ihrer Gefangenschaft war Florian überhaupt nicht mehr ansprechbar. Er war abgemagert und blass. Sein Gesicht war schweißbedeckt und schmutzig. Kai schätzte Florians Körpertemperatur auf über 40 Grad. Lange würde der nicht mehr durchhalten. Seinen Freund so zu sehen, war für Kai das Schlimmste. Es war schlimmer als alles, was Khalad ihm antun konnte. Die Wachen holten ihn auch an diesem Morgen und brachten ihn in Khalads Büro. Dieselben Fragen, dieselben Schläge. Doch plötzlich packte einer der Männer Kais Hand und drückte sie auf die Tischplatte. Zwei andere drückten Kai auf den Stuhl. Langsam zog der Soldat Kais kleinen Finger nach oben. Kai wand sich vor Schmerzen. Er spürte, wie die Sehne in seinem Finger überdehnt wurden und schließlich rissen. Als sein Knochen letztendlich nachgab, schrie er auf. Florian hörte den gequälten Schrei seines Freundes. Zwischen Alptraum und Realität empfand er wieder die Angst, die er schon einmal gespürt hatte. Vor vielen Jahren im Staatsgefängnis von Belgrad. Erst nachdem man Kai auch noch den Ring- und den Mittelfinger gebrochen hatte und er aufgrund der Schmerzen bewusstlos geworden war, ließ man von ihm ab. Die Wachen brachten ihn in die Zelle zurück und ließen ihn dort auf den Boden fallen. Als Kai circa eine Stunde später aufwachte, stöhnte er vor Schmerzen auf. Seine Hand war geschwollen und taub. Die Schmerzen trieben Kai erneut an den Rand einer Ohnmacht. Nur mit Mühe schaffte er es, wach zu bleiben. Er rollte sich zusammen und schluchzte auf. Florian bekam Kais Ausbruch in seinem Fieberwahn zwar mit, konnte seinem Freund aber nicht helfen. ‘Lass es raus, Kai‘, dachte er nur. ‘Sonst bringt es dich um.‘ Dann war er wieder weg.
Irgendwann hatte es Kai doch geschafft und sich zu seiner Liege geschleppt. Mit seinen letzten Kräften hatte er Florian etwas zu trinken eingeflösst, dann war er eingeschlafen. Mitten in der Nacht wachte er auf. Geräusche waren zu hören. Geschrei, Schüsse, Schritte vor ihrer Tür. Die Tür wurde aufgerissen, ein Waffenlauf erschien. Eine weiße Lampe blendete Kai. „Jemand hier?“, fragte die unbekannte Person auf Englisch. Kai glaubte zu träumen. „Reg?“, flüsterte er ungläubig. Der Soldat kam in den Raum und blickte Kai fragend an. „Kai? Himmel, ich habe dich fast nicht erkannt. Kannst du aufstehen? Wir müssen hier weg.“ „Ich schaffe es schon irgendwie. Aber Florian nicht. Er hat eine Schussverletzung im Bein und hohes Fieber. Er braucht dringend einen Arzt.“ Kais Stimme klang flehend, fast panisch. „Ich verspreche dir, den kriegt er.“ Donaldson umarmte Kai kurz. Dem wurde erst jetzt bewusst, dass er es überstanden hatte. Er schluchzte verzweifelt auf. Donaldson brauchte eine Weile, um ihn zu trösten.
Zwei Stunden später lagen Kai und Florian in einem Militärhospital, welches von Amerikanern geleitet wurde. Donaldson stand an Kais Bett und sah ihn geschockt an. Kai war unglaublich abgemagert. Tiefe Wunden verunstalteten sein Gesicht. Kais Augen waren trübe. Es sah aus, als wäre er weit weg. „Wie geht es dir?“, fragte Donaldson vorsichtig. „Weiß ich nicht. Was sagt der Arzt?“ Kais Stimme klang müde und tonlos. „Du hast diverse Prellungen, drei gebrochene Finger, sieben angebrochene Rippen, leichte innere Verletzungen, Quetschungen am ganzen Körper. Außerdem bist du unterernährt und völlig dehydriert.“ „Wie du gerade gesagt hast, es geht mir gut.“ Plötzlich schreckte Kai hoch. „Flo!“ „Er ist noch im OP. Ich weiß leider noch nicht, wie es ihm geht. Er wird es schon schaffen.“ „Hoffentlich“, hauchte Kai. Dann fiel ihm etwas anderes ein. „Wie hast du uns gefunden?“ „Als du dich nicht gemeldet hast, habe ich mir Sorgen gemacht. Wir haben einige Gefangene gemacht und sie gefragt, wo politische Gefangene hingebracht werden. Ich dachte mir, dass man euch für Spione halten würde, wenn man euch irgendwo aufgegriffen hat. Als wir herausgefunden hatten, wo man euch hingebracht hatte, haben wir sofort angegriffen.“ „Du hast ein ganze Einheit gekriegt, um zwei Reporter zu befreien, die nicht einmal Amerikaner sind?“ Donaldson räusperte sich. „Es ist meine Einheit. Ich habe ihnen von euch erzählt, dass ihr meine Freunde seid und sie haben mich unterstützt.“ „Danke, Reg. Was ist mit Khalad?“ „Danny hat ihn erschossen, als er uns gesagt hat, was er mit dir gemacht hat.“ „Danny war auch da?“ „Ja, er ist draußen im Flur und wartet auf Neuigkeiten von Florian.“ „Wie macht er sich?“ „Er ist ein absoluter Top-Soldat.“ Donaldson sah Kai lächelnd an. „Sehr zu Daniells Bedauern natürlich.“ "Natürlich." Kai nickte und lächelte seinen Freund an. „Danke, dass du uns da raus geholt hast. Ich hätte die Befragung nicht mehr lange durchgehalten.“ „Ich bin wirklich froh, dass ich euch noch rechtzeitig gefunden habe.“ Donaldson zögerte, woraufhin Kai ihn fragend ansah. „Eure Exekutionsbefehle lagen bereits unterschrieben auf Khalads Schreibtisch. Er wusste wohl, dass er von dir nicht die Aussage bekommt, die er wollte. Und Florian wäre im Gefängnis so oder so sehr bald gestorben.“ Kai lief ein Schauer über den Rücken, wenn er jetzt darüber nachdachte, was er hinter sich hatte. Müde schloss er die Augen.
Schweißgebadet schreckte Kai hoch. Seine Verletzungen rächten sich. Gequält stöhnte Kai auf und sank wieder in sein Kissen zurück. Donaldson, der auf dem anderen Bett lag und schlief, war jetzt ebenfalls wach. Er schaltete die kleine Nachttischlampe ein und blickte Kai fragend an. „Was ist los?“ „Ich hatte einen Alptraum“, flüsterte Kai und wischte sich die Tränen aus den Augen. Mitfühlend sah Donaldson ihn an. „Ging es um Florian?“ „Ja.“ Kai schluckte. In diesem Moment öffnete Danny die Tür und betrat das Zimmer. Strahlend sah er seinen Vater und Kai an. „Er hat es geschafft. Der Doktor, der Florian operiert hat, kommt gleich her. Florian lebt und wird wieder gesund. Er braucht nur etwas Zeit und viel Ruhe.“ Erleichtert lächelte Donaldson seinen Freund an. Kai lag auf seinem Bett und hatte die Augen geschlossen. Tränen liefen seine Wangen hinab. „Gott sei Dank“, hauchte er. „Ich hätte überhaupt nicht gewusst, was...“ „Vergiss es, Kai. Ihr seid beide noch mal davon gekommen. Seid in Zukunft vorsichtiger.“ „Auf jeden Fall. Ich bin mir nicht sicher, ob ich sowas noch ein Mal mache.“ Donaldson lachte. „Ich aber. Ganz sicher sogar.“ Ein Arzt betrat das Zimmer. Er sah sich Kai kurz an und nahm sich dann einen Stuhl. „Mein Name ist Doktor Henry Bisor. Ich habe Herrn König operiert und auch Sie behandelt, als Sie hier eingeliefert wurden.“ „Wie geht es Flo?“, fragte Kai. „Er wird wieder. Die Verletzung war sehr schwer. Er hatte sich eine Blutvergiftung eingefangen. Dazu kamen noch die Unterernährung und die Dehydration. Es war fünf vor zwölf, wie man so schön sagt. Noch ein oder zwei Tage länger und kein Arzt der Welt hätte ihm mehr helfen können.“ Kai sah Donaldson unendlich dankbar an. „Ihre Verletzungen sind aber auch nicht zu unterschätzen, Herr Ebel. Hat man Sie mit Stromstößen gefoltert?“ „Ja. Hin und wieder.“ „Das erklärt die kleinen roten Punkte. Sie bleiben auf jeden Fall die nächsten zwei Wochen im Bett, danach werden wir weiter sehen.“ „Wenn‘s denn sein muss. Danach muss ich aber hier raus. Schließlich wartet ein Rennen auf mich. Florian wird sicher nicht wieder fit sein bis dahin, oder?“ „Rennen?“, fragte der Arzt verwirrt. „Ich bin normalerweise Sportjournalist und arbeite für die Formel 1 - Rennen.“ „Wann ist denn das erste Rennen?“ „Es ist noch über einen Monat Zeit, aber ich bin für die Planung mitverantwortlich. Und Florian eigentlich auch.“ „Wir haben Ihren Kollegen vorerst in ein künstliches Koma versetzt, damit sein Körper wirklich die Ruhe hat, die er braucht. Er wird auch künstlich beatmet, da durch die Blutvergiftung sein Kreislauf extrem angegriffen ist.“ Schockiert sah Kai den Arzt an. „Künstliches Koma?“ „Keine Sorge, es ist völlig ungefährlich. Wir können ihn jederzeit wecken, aber es ist besser, wenn er allein aufwacht.“ Kai war zwar nicht ganz überzeugt, doch wesentlich beruhigter als vorher. Er schloss entspannt die Augen und schlief recht schnell ein.
Die nächsten zwei Wochen verbrachte Kai fast ausschließlich mit schlafen und essen. Florian lag leider auf der Intensivstation, weshalb Kai nicht die Chance hatte, ihn zu sehen. Als Donaldson ihn am Wochenende besuchte, hielt Kai es nicht mehr aus. Er bearbeitete den Soldaten so lange, bis der ihm aus dem Bett und in einen Jogginganzug half und zu Florian brachte. Doktor Bisor war etwas überrascht, Kai auf dem Flur der Intensivstation wieder zu finden, erlaubt ihm dann aber den Besuch. „Es wird Zeit, dass Sie wieder auf die Beine kommen“, sagte er und ging. Der Anblick von Florian schockierte Kai ziemlich, als der ihn sah. Bleich lag er in seinem Bett, angeschlossen an Schläuche und Monitore, die seine Vitalfunktionen überwachten. Ein leises Piepen erfüllte den Raum. Vorsichtig zog Kai sich einen Stuhl an Florians Bett und setzte sich. Er nahm die Hand seines Freundes in seine eigene und schaute ihn eine ganze Weile schweigend an. Danny trat neben seinen Vater und schaute ihn besorgt an. „Die beiden werden doch wieder, oder?“, flüsterte er. Reginald Donaldson nickte zuversichtlich. „Sie brauchen Zeit, um gesund zu werden und alles zu verarbeiten, aber sie schaffen es schon.“ Damit verließen die beiden Soldaten das Zimmer. Sie störten hier sowieso nur. Um Kai und Florian etwas Privatsphäre zu geben, schloss Reginald die Tür hinter sich und setzte sich auf einen Stuhl davor. Danny besorgte ihm und sich selber einen Kaffee.
„Es tut mir leid, dass ich noch nicht früher hier war“, flüsterte Kai leise. Er hauchte seinem Freund einen Kuss auf die Hand. „Ich habe die Ruhe gebraucht, das verstehst du sicher.“ Er wischte sich über die Augen, in welchen sich Tränen gebildet hatten. „Ich habe dich vermisst, Florian. Ich hatte so schreckliche Angst um dich. Erst in den letzten Wochen habe ich gemerkt, dass mein Leben ohne dich überhaupt keinen Sinn hätte.“ Zärtlich küsste Kai ihn auf die Wange. Da bemerkte er die Tränen, die in Florians Augen standen. Sein Freund blickte ihn mit halboffenen Augenlidern an. Als er sich umsah, stahl sich Verwirrung in sein Gesicht. Plötzlich atmete er hastiger. „Ganz ruhig, Flo. Überlass der Maschine das Atmen. Du kannst nicht ersticken. Die Ärzte werden dir den Schlauch sicher entfernen, da du jetzt wieder wach bist.“ Florian nickte schwach und beruhigte sich wieder. Die Tür wurde geöffnet und Doktor Bisor erschien neben Florians Bett. „Da sind Sie ja wieder.“ Er stellte sich bei Florian vor. „Sollen wir den Schlauch rausholen?“ Florian nickte. „Gut.“ Er entfernte die Klebebänder und stellte die Maschine ab. Florian atmete einige Male tief durch. „Tief einatmen und wenn ich es sage, atmen Sie tief aus.“ Sekunden später saß Florian hustend im Bett, während der Arzt den Schlauch triumphierend hochhielt. „Gut gemacht“, lobte er seinen Patienten. „Danke“, antwortete Florian mit kratziger Stimme. Dann sah er Kai an. Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Der Doktor verschwand. Donaldson und Danny ebenfalls. Bis jetzt hatten sie in der Tür gestanden und das Geschehen beobachtet. Kai nahm wieder Florians Hand und erzählte ihm, was alles passiert war. Auch von ihrer Befreiung durch die Soldaten berichtete er. „Du hast zwei Wochen im Koma gelegen.“ Erleichtert sah er Florian an. „Ich bin so glücklich, dass du endlich wieder wach bist.“ Florian lächelte. Er hob seine Hand und strich Kai zärtlich über die Wange. Dann legte er seine Hand in dessen Nacken und zog den Kopf seines Freundes zu sich hinunter. Unendlich vorsichtig küsste er ihn. Kai schlang die Arme vorsichtig um seinen Freund und presste dessen Körper an sich. Er wünschte sich, Florian nie wieder loslassen zu müssen. „Du siehst schlimmer aus, als ich mich fühle“, sagte Florian nach einer Weile. Kai nickte. „Es heilt alles wieder.“ „War es sehr schlimm?“ „Ziemlich. Ich verzichte gern auf eine Wiederholung. Aber dein Rat hat mir geholfen. Danke dafür.“ „An was hast du dich erinnert, während der Befragung?“ Kai grinste leicht. „An unser erstes Mal.“ Jetzt lachte Florian. Verträumt sah er Kai an. „Ich liebe dich, Kai. Irgendwie habe ich nicht eine Sekunde gezweifelt, dass wir es schaffen werden.“ „Ich schon“, murmelte Kai ernst. „Die Angst vor jedem neuen Tag war grausam.“ „Ich weiß. Die Frage, was als nächstes kommt, ist das Schlimmste. Du weißt nie, was sie mit dir machen werden und denkst dir die furchtbarsten Sachen aus.“ Kai nickte leicht. „Ich habe es mir nie gewünscht, aber ich kann dich jetzt sehr gut verstehen. Vor allem kann ich deine Angst nachvollziehen, unter der du in Belgrad gelitten haben musst.“ „Meinst du, es bringt uns irgend etwas?“ „Eine besseres Vertrauensverhältnis. Falls das noch möglich ist.“
Ende Februar konnten die beiden Männer das Krankenhaus verlassen. Erst jetzt wurde ihnen bewusst, dass sie sich nach wie vor in Pakistan aufhielten. Sie flogen nach Hause. Donaldson begleitete sie, flog vom Flughafen Köln/Bonn dann jedoch mit einer Linienmaschine nach Florida weiter. Danny hatte die Truppe in Pakistan übernommen und wartete auf den neuen Befehlshaber. „Es ist kurz vor drei“, sagte Kai nach einem Blick auf seine Uhr. „Erschrecken wir Mahr noch ein bisschen?“ Florian grinste. „Warum nicht.“ Sie nahmen sich ein Taxi und fuhren zum Sender. Einige ihrer Kollegen hielten sie auf dem Flur an. Unter ihnen Peter Kloeppel. „Meine Güte, da seid ihr ja wieder. Der ganze Sender war in heller Aufregung wegen eurem Verschwinden. Wie seht ihr überhaupt aus?“ Florian, der auf Krücken durch den Flur humpelte, lächelte leicht. „Wir waren in Pakistan und haben die Gastfreundschaft der dortigen Soldaten genossen.“ Kai nickte. „Danach waren wir vier Wochen im Krankenhaus.“ Peter nickte verstehend. „Also nehme ich das Land von meiner Urlaubsliste lieber wieder runter.“ „Ist besser so“, sagte Kai nickend. „Wo sind unsere Leute?“ „Die reden im Konferenzzimmer mit Mahr über die neue Saison.“ „Und das ohne uns“, schimpfte Florian und humpelte in Richtung der großen Holztür. Kai folgte ihm grinsend, während die anderen erleichtert ihren Feierabend antraten oder ihrer Arbeit nachgingen.
Hans Mahr stand mit gesenktem Kopf vor den Journalisten und Cheftechnikern, die für die Formel 1 - Übertragungen zuständig waren. „Wir müssen uns anscheinend mit dem Gedanken anfreunden, dass Florian und Kai nicht pünktlich zum ersten Rennen wieder da sind.“ „Wo stecken die beiden überhaupt? Warum machen Sie so ein Geheimnis daraus?“ Felix Görner sah seinen Chef verärgert an. „Sie sind höchstwahrscheinlich noch in Pakistan. Ich habe sie als Auslandskorrespondenten dorthin geschickt und mache mir deshalb schon die schlimmsten Vorwürfe.“ „Warum?“, sagte Florian plötzlich. „Es war doch wunderschön dort. Nette Menschen, viel Sonne, tolles Essen, ein Wahnsinnshotel.“ Kai grinste. So sarkastisch hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Er schloss die Tür hinter sich. Mahr war aufgesprungen und starrte die beiden Männer an, als wären sie Geister. Erleichterung machte sich auf seinem Gesicht breit. Sie wich allerdings sofort der Sorge, als er Florians verletztes Bein und Kai Schrammen im Gesicht und an dessen Hand sah. Florian humpelte zu seinem Platz und setzte sich seufzend hin. Kai tat es ihm nach. „Schön, hier zu sitzen.“ Sein Freund nickte. „Sehr schön sogar.“ Sie lächelten sich zufrieden an. „Wo wart ihr so lange?“, fragte Mahr schließlich „Hättet ihr nicht mal anrufen können?“ Jetzt wurde Kai ärgerlich „Entschuldigung, das haben wir glatt vergessen“, knurrte er. „Im Gefängnis der Pakistaner gab es kein Telefon und sie hätten uns wahrscheinlich sowieso nicht telefonieren lassen, da sie uns für Spione gehalten haben. Florian hatte eine Kugel im Bein und war nicht fähig anzurufen und ich wurde durch die ständigen Verhöre ziemlich beansprucht. Später im Krankenhaus muss ich es dann irgendwie vergessen haben. Flo konnte leider nicht telefonieren, da er zwei Wochen im Koma gelegen hat.“ Völlig entsetzt starrte Mahr seinen Angestellten an. „Das wusste ich nicht. Tut mir leid, dass ich euch da reingeritten habe.“ „Sie waren nicht allein Schuld, falls sie das beruhigt.“ „Schön, dass ihr wieder hier seid.“ Michael Niermann lächelte seinen Kollegen zu. „Dann kann die neue Saison ja starten.“ Florian nickte zustimmend. „Genau.“ „Habt ihr schon was Konkretes geplant?“ „Nun ja..“, fing Felix Görner an. Hans Mahr verzog sich leise. Er wurde hier nicht mehr gebraucht. Erleichtert lief er zu seinem Büro und ließ allen wichtigen Leuten mitteilen, dass ihre beiden verschollenen Kollegen wieder da waren. Und er vermerkte sich einen Sonderurlaub für Kai und Florian. Den hatten sie sich wirklich verdient.
Auf sportlicher Seite war die erste Neuigkeit in dieser Saison die Einstellung von Niki Lauda bei Jaguar. Der wollte RTL trotzdem weiterhin zur Verfügung stehen, was Florian sehr freute. Ihm hätte ohne Niki an seiner Seite wirklich etwas gefehlt. Außerdem freute sich Florian schon auf die Gelegenheit, einem Team mal so über die Schulter schauen zu dürfen. Niki hatte ihm dies bereits versprochen. In Melbourne waren allerdings nicht die sportlichen Seiten Gesprächsthema Nummer Eins, sondern Kai und Florian. Als die beiden mit ihren immer noch sichtbaren Blessuren an der Rennstrecke ankamen, ging das Getuschel los. Auch die anderen Sender beteiligten sich an den Mutmaßungen. Zwei Tage ließen Kai und Florian das über sich ergehen, dann gab Florian am Anfang seiner Sendung ein kurzes Statement zum Thema ab und erklärte, was passiert war. „Wieso macht ihr sowas?“, fragte Niki. „Es ist der Job, den wir beide gelernt haben. Die Sache mit der Formel 1 kam erst später. Bei wichtigen Ereignissen müssen wir einfach dabei sein.“ „Verstehe. Dann weiß ich ja jetzt, an wen ich mich wenden kann, wenn ich mal was wissen will.“ Florian lachte in die Kamera. „Wenn ich dir antworten kann, werde ich das gern tun.“
Die nächsten Rennen verliefen weitgehend normal. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Dass Michael Schumacher dieses Jahr seinen dritten Titel holen würde, bezweifelte bereits zur Halbzeit niemand mehr. Dadurch ging leider etwas von der Spannung verloren. Florian und Kai versuchten natürlich auch weiterhin, ihre Beziehung geheim zu halten, was ihnen allerdings immer schwerer fiel, ihre Mimik, ihre Gestik, alles zeigte, wie die beiden Männer zueinander standen. Ihren besten Freunden fiel das nicht so auf. Dafür aber den Menschen, die ihnen nichts gönnten. Allen voran natürlich Marc Surer. Der hielt sich ständig in der Nähe der beiden Männer auf immer auf der Suche nach einem Skandal, mit dem er die beiden fertig machen konnte. Normalerweise beschränkte sich sein Hass vorrangig auf Kai, aber da er und Florian ein so perfektes Team waren, rutschte auch Florian in die Abschusslinie des Premiere-World-Reporters. Beim Rennen in Monza, fast am Ende der Saison, geschah es. Florian und Kai verbrachten den Freitagabend im Fahrerlager. Sie waren fröhlich und ausgelassen... und unvorsichtig. Auf dem Weg zu ihrem Wagen nahm Kai Florians Hand. Sie gingen so eng Seite an Seite, dass man es nicht sah. Den Kuss, den Florian Kai auf die Lippen hauchte, bevor er seinen Mietwagen aufschloss, sah man dafür um so deutlicher. Und auch Marc Surer hatte ihn gesehen. Angewidert verzog er das Gesicht. Er hatte ja mit allem gerechnet, aber damit nun wirklich nicht. Das würde eine Schlagzeile geben. Aber seinen Triumph wollte er vorher auskosten. So trat er aus seinem Versteck und ging mit einem siegessicheren Lächeln auf die beiden Männer zu. Kai bemerkte seinen Konkurrenten als erster und drehte sich erschrocken um. Verunsichert blickte er ihn an. „Interessant, was man so alles zu sehen bekommt, wenn man euch ein bisschen im Auge behält.“ Florian und Kai sahen sich an. Wütend blickte Kai Surer an. „Und was hast du jetzt mit deinem Wissen vor?“ „Das wird die Sensationsmeldung in meiner Show am Sonntag.“ Er funkelte Kai an. „Ihr beide seid raus aus dem Geschäft. Ich denke nicht, dass euer Chef begeistert ist, wenn er erfährt, dass ihr schwul seid. Und dann auch noch ein Paar.“ Kai packte Surer am Kragen, doch Florian hielt ihn zurück. „Lass es sein, Kai. Er ist es nicht wert.“ Mit einem leichten Nicken ließ Kai den Mann los. „Tu, was du nicht lassen kannst.“ Damit wand er sich ab und stieg in den Wagen. Florian stieg ebenfalls ein und fuhr los. „Euch mache ich fertig“, zischte Surer ihnen hinterher. Lachend ging er zu seinem eigenen Wagen. Dieser Sonntag würde sein Tag werden, dessen war er sich sicher.
In ihrem Hotelzimmer angekommen, brach es aus Kai heraus. Er stieß einen wütenden Fluch aus. „Dieser verdammte Schweinehund. Er hat uns in der Hand. Wenn Mahr das erfährt und dann noch von unserer größten Konkurrenz...“ „Du glaubst, er schmeißt uns raus?“ „Nicht direkt, aber es wird für uns verdammt schwer werden. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob unsere lieben Kollegen das so einfach akzeptieren können.“ „Peter hat es doch damals ziemlich locker hingenommen.“ Traurig sah Kai seinen Freund an. „Sicher hat er das. Aber nicht alle sind so offen wie er.“ Florian legte die Arme um Kais Körper. „Egal was passiert, wir schaffen es.“ „Ich habe keine Angst vor dem Outing, aber es ärgert mich, dass Surer damit so einen Triumph feiern kann.“ „Vielleicht fällt uns ja noch etwas ein. Er hat uns schließlich eine Galgenfrist bis Sonntag gelassen. Wir haben morgen noch den ganzen Tag, um uns etwas einfallen zu lassen.“ Kai nickte, doch in seinem Gesicht sah Florian deutliche Zweifel.
Florian fiel es am Samstag sehr schwer, sich auf die Sendung zu konzentrieren. Nach dem Qualifying und der Auswertung sprach Niki ihn darauf an. Vor der Kamera. Eine Weile zögerte der Moderator. „Jemand versucht mich und Kai mit einem Geheimnis zu erpressen“, sagte er plötzlich. „Wie würdest du reagieren?“ Erstaunt sah Niki ihn an. In Florians Augen sah er, dass er die Frage durchaus ernst gemeint hatte. Er überlegte. „Entweder den Erpresser bestechen. Wenn das nicht möglich ist, auspacken. Er kann dich nicht mit etwas erpressen, was jeder weiß.“ Kai trat neben Florian und blickte ihn eine Weile an. „Erst die Sache mit den Auslandskorrespondenten und jetzt noch mehr Geheimnisse. Ich kenne euch beide seit Jahren und habe plötzlich das Gefühl, euch überhaupt nicht zu kennen.“ Die deutschen Fahrer, allen voran Heinz-Harald Frentzen und die deutschen Teamchefs standen in einigem Abstand und lauschten dem Gespräch Auch Surer stand mit rum und sah Florian und Kai entsetzt an. Und genau dieses Gesicht veranlasste Kai zu seinen nächsten Worten. „Unser lieber Kollege Marc Surer hat Florian und mich gestern Abend beobachtet und gesehen, dass wir uns geküsst haben.“ Er machte eine kurze Pause und sah Florian an. „Flo und ich sind ein Paar. Und das bereits seit sehr vielen Jahren. Surer wollte uns mit diesem Wissen den Job vermiesen.“ Erstaunt sahen alle die beiden Männer an. Michael Schumacher war der Erste, der sich wieder fing. Er trat neben Kai. „Wie kommt dieser Typ bloß darauf, dass euch dieses Outing den Job kosten könnte? Wo lebt der denn?“ Erstaunt sah Florian Michael an. „Guck nicht so. So schlimm ist es ja nicht und eigentlich hätte man es sehen können.“ „Genau“, stimmte Heinz grinsend zu. „Du hast das natürlich gewusst, oder?“, wandte sich Michael an seinen Kollegen. „Sicher.“ „Typisch.“ Michael sah Kai an. „Und ihr habt es nicht für nötig gehalten, uns mal etwas davon zu sagen.“ Niki sah Florian eine Weile durchdringend an. Dann deutete er auf dessen Hand. „Hat der Ring, den du seit dem letzten Jahr trägst, irgendeine Bedeutung?“ Florian nickte leicht. „Es ist ein Verlobungsring. Kai und ich werden heiraten, sobald es in unserem Land erlaubt sein wird.“ „Herzlichen Glückwunsch noch.“ „Danke“, sagte Florian überrascht. Auch Kai bedankte sich freudig. Die Umstehenden gratulierten natürlich auch. Sie äußerten sich sehr positiv über das Outing, auch wenn es erzwungen war. Niemand schien Probleme damit zu haben. Kai und Florian waren unglaublich erleichtert darüber. Eine Weile sahen sie sich schweigend an. Dann zog Kai seinen Freund in seine Arme und küsste ihn kurz. Die anderen applaudierten. „Ich bin so froh, dass es raus ist“, sagte Kai in die Kamera. Er wand sich zu Surer um. „Danke, Marc. Du hast uns einen riesigen Gefallen getan.“ Surer wurde rot und verzog sich beleidigt. Begleitet nur vom Gelächter der Anwesenden. „Gibt es sonst noch irgendwelche Geheimnisse, die wir wissen sollten, dann sagt es gleich.“ Niki sah Florian und Kai herausfordernd an. „Bevor euer nächster Konkurrent auf die Idee kommt, euch wieder erpressen zu wollen.“ „Eigentlich war das unser Größtes“, sagte Kai. „Naja.“ Florian hatte damit alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. „Es ist nichts so Weltbewegendes, aber wenn wir schon einmal dabei sind. Ich bin kein Deutscher.“ Völlig verblüfft sah Niki ihn an. „Ich bin gebürtiger Kroate. Nach der Ermordung meiner Eltern habe ich ein Jahr im Belgrader Staatsgefängnis gesessen, bevor mir die Flucht gelang. Ich kam auf Umwegen nach England, fing bei CNN als Auslandskorrespondent an und lernte Kai während des Golfkrieges kennen. Ich folgte ihm nach Deutschland und so landete ich hier.“ Norbert Hang blickte Florian schockiert an. „Das Belgrader Staatsgefängnis galt als wahres KZ. Dort saßen nur politische Häftlinge. Und offiziell soll es nie einen Menschen gegeben haben, der geflüchtet ist.“ „Offiziell nicht.“ „Es gibt Gerüchte über Folter und Morde in diesem Gefängnis.“ Florian nickte ernst. „Es war die Hölle. Ich hätte nie gedacht, lebend dort raus zu kommen. Und ich würde mich heute noch lieber erschießen, als dorthin zurück zu müssen.“ „Es wurde doch nach dem Krieg geschlossen, oder?“ „Ja. Gott sei Dank.“ „Was ist mit den Wärtern? Wurden die vor Gericht gestellt?“ Mit einem bitteren Lachen schüttelte Florian den Kopf. „Nein. Sie sind abgefunden worden und leben heute als reiche Männer in Serbien und den angrenzenden Ländern. Erinnert ihr euch an den Mann, auf den ich mal bei einem Rennen losgegangen bin?“ Die meisten nickten sofort. „Das war der stellvertretenden Wärter. Wenn es darum ging, Insassen zu foltern, war er der Schlimmste.“ „Das erinnert einen richtig an den Film Sleepers“, sagte Ralf. „Anscheinend war es für dich genauso schlimm, wie für die Jungen im Film.“ Florian nickte ganz langsam. „Ich war 17, die Jungs im Film waren jünger. Aber ansonsten habe ich dasselbe durch wie sie.“ Florian wand sich der Kamera zu. „Ich denke, dass war genug Seelenstriptease für heute. Wir sehen uns morgen, liebe Zuschauer. Hoffe ich zumindest.“ Nachdem Kai und Florian verschwunden waren, wand sich Niki an Ralf, „Was für einen Film hast du vorhin gemeint?“ Ralf stand mit blassem Gesicht da und starrte Florian nach. „Der Film ist ein Tatsachenbericht. Es geht um Strafanstalten in den Vereinigten Staaten. Er handelt von vier Jungen, die einen dummen Fehler machen und dadurch in einer Jugendstrafanstalt landen. Einer der Wächter quält und misshandelt sie auf brutale Art und Weise.“ „Du lieber Himmel. Aber Florian schien etwas anderes gemeint zu haben.“ Ralf nickte langsam. „Der wichtigste Satz in dem Film stammt von einem der Jungen. Er lautet: ‘Heute ist mein vierzehnter Geburtstag. Heute endet meine Kindheit.‘ Er spielte damit auf seine von da an ständigen Vergewaltigungen durch einige Angestellte der Strafanstalt an. Florian scheint dasselbe durchgemacht zu haben.“ „Du lieber Himmel.“ Niki sah Ralf und die anderen lange nach. „Ich dachte immer, ich kenne ihn“, murmelte er dann. „Er tut mir unendlich leid.“
Hans Mahr rief seine Angestellten nach der Sendung sofort an und sicherte ihnen seine Unterstützung zu. Er glaubte nicht, dass das Outing der beiden an ihrem Job etwas ändern würde. Er war nur ein wenig beleidigt, dass Kai und Florian es ihm nicht schon früher anvertraut hatten. In den nächsten Tagen und Wochen kamen viele Briefe und Mails im Sender an, die jedoch überwiegend positiv waren. Man beglückwünschte Florian und Kai zu ihrem Mut, ihre Beziehung öffentlich einzugestehen, wünschte ihnen alles Gute für die Zukunft und verspottete Surer. Auch an Florian direkt gingen viele Grüße der Zuschauer. Deutlich ging aus ihnen die Bewunderung hervor, die sie für ihn empfanden. Er hatte viel durchgemacht und war doch wieder aufgestanden.
Eine Woche später fand ein Konzert statt, zu welchem Kai viele Leute der Szene eingeladen hatte. Sämtliche deutsche Fahrer mit ihren Ehefrauen und Freundinnen, einige ausländische, die Teamchefs, hohe Angestellte der Teams und seine Kollegen von RTL. Gemeinsam flogen alle nach München. Während des Fluges erzählte Kai dann auch, warum dieses Konzert so wichtig war. „Einigen von euch habe ich ja schon einmal von Reginald Donaldson erzählt. Er ist Soldat in den Vereinigten Staaten und einer meiner besten Freund. Und ich stehe nach unserer Rettung in Pakistan sehr tief in seiner Schuld. Der Pianist, den wir erleben werden, ist sein Sohn Rokko. Er ist ein begnadeter Musiker und ich will nicht, dass ihr diesen Genuss verpasst.“ Einige lachten. „So ein Konzert ist doch etwas Herrliches“, sagte Corinna Schumacher. Sie sah ihren Mann lächelnd an. Vor dem Konzerthaus sah Kai Donaldson stehen. „Reg“, rief er und ging auf ihn zu. Die beiden Männer umarmten sich kurz. „Schön, dass du wirklich gekommen bist. Es ist sehr wichtig für Rokko. Es ist sein erster großer Auftritt im Ausland.“ „Ich habe es ihm versprochen.“ Kai stellte den Soldaten einigen anderen vor. Die quetschten ihn natürlich darüber aus, wie es war, als er Kai und Florian aus dem pakistanischen Gefängnis geholt hatte. Schockiert und gleichzeitig auch ein wenig sensationsgeil hörten sich alle die Geschichte an. Vor allem Kais schlimme Verletzungen schockierten die meisten. Das Konzert wurde ein voller Erfolg. Alle genossen es. Rokko verzauberte seine Zuhörer mit eigenen Interpretationen bekannter Stücke und erntete dafür Standing Ovations.
Am Samstag vor dem letzten Rennen in Suzuka, kam Michael Schumacher mit der Bildzeitung angelaufen, als Florian und Kai gerade ihre Sendung besprachen. Er bat sie ins Fahrerlager, wo schon einige andere warteten. Fragend sahen alle den Ferrari-Star an. Der las einen Abschnitt aus einem Artikel vor. „Der Bürgermeisterkandidat von Berlin, Klaus Wowereit, hat gestern bei der abschließenden Pressekonferenz um den Posten ein überraschendes Geständnis gemacht. Sein Gegner störte ihn andauernd bei seiner Rede, versuchte, ihn zu provozieren. Meist mit dem Satz: ‘Was ist Ihr Geheimnis, Herr Wowereit? Was verbergen Sie?‘ Nach einigem Zögern sagte Wowereit laut und deutlich: ‘Das hat zwar mit meinen Plänen für diese Stadt nichts zu tun, aber da ich gezwungen wurde, kann ich nicht länger schweigen. Ich bin schwul, liebe Genossinnen und Genossen und das ist auch gut so.“ „Schau an.“ Kai grinste. „Hab ich doch schon lange gesagt.“ „Wenn der jetzt die Wahl gewinnt... Das wäre so ein riesiger Schritt nach vorn.“ Fragend sah Florian Michael an. „Steht in der Zeitung auch, wie die Genossinnen und Genossen reagiert haben?“ Michael grinste und sah kurz nach. „Ja hier. Nach einigen Sekunden verblüfften Schweigens applaudierten die Menschen stehend für Wowereit. Auch in nachfolgenden Interviews äußerten sie sich lobend über den Mut des Kandidaten.“ Kai und Florian sahen sich strahlend an. „Wahnsinn“, murmelte Kai und drückte Florians Hand. Und Klaus Wowereit gewann die Wahl. Das Ergebnis erfuhren Kai und Florian im ‘Blue Star‘. Sie hätten Luftsprünge vollführen können, so sehr freuten sie sich. Sie hofften, dass die Politik jetzt merken würde, dass es ein Gesetzt gab, welches dringend benötigt wurde.
Weihnachten verbrachten die Kai und Florian dieses Jahr wieder in Amerika bei den Donaldsons. Sie hatten das dringende Bedürfnis, sich noch einmal bei Reginald und Danny für ihre Rettung zu bedanken. Die wollten davon jedoch nichts hören. Sie freuten sich einfach nur, dass ihre Freunde wieder bei ihnen waren. So verbrachte man das Weihnachtsfest und Sylvester in einem Ferienhaus in den Rocky Mountains. Florian konnte dort auch mal zeigen, wie gut er inzwischen Skifahren konnte. Mit Kai zusammen genoss er die unendliche Freiheit in der Wildnis.
Was für ein Kapitel. Erst dieser nette kleine Urlaub im pakistanischen Gefängnis, mit wirklich einwandfreiem Zimmerservice und extra Massage-Bereich, gefolgt von einem Kuraufenthalt im Krankenhaus....klingt nach ner ganzen Menge Spaß... Dann versucht Surer, Flo und Kai zu outen und damit seine Karriere ein wenig zu pushen. Was für ein Mistkerl. Aber sie haben`s ihm ja gut gegeben...und dann kommt auch noch Wowi mit seinem Outing an (das übrigens wirklich sehr mutig und absolut super war!) und dann machen sie erst mal gemütlich Urlaub bei Reg und seiner Familie. So gehört sich das. Mach bitte ganz schnell weiter, lg, Isi =)
Wieder ein fesselndes Kapitel. Erst die Folter...*mitgelitten hab*,dann die Erpressung von Surer * Faust geballt hab* und der wohlverdiente Urlaub der 2. *seufz* Das sind gleich 3 Dinge auf einmal...
Nach dem Urlaub mussten die beiden Männer wieder in ihre Büros und arbeiten. Es lief wie in den vergangenen Jahren. Kai wunderte sich nur über die Ruhe während der letzten zwei Jahre. Nicht zum ersten Mal glaubte er, dass bald etwas passieren würde. Und auch Donaldson bestätigte ihm in diesem Glauben. Er und Kai telefonierten in letzter Zeit sehr häufig miteinander. Florian jedoch freute sich, dass alles so ruhig war. Er verfolgte lieber die politischen Debatten im Fernsehen, wo es in der letzten Zeit sehr oft um die Legalisierung homosexueller Ehen ging. Oft ärgerte er sich über die uralten Einstellungen mancher Politiker.
Während des Rennens in Imola, dem ersten Europarennen der Saison, saß Florian im Fahrerlager vor dem Fernseher und schaute Nachrichten, während Kai und einige andere seiner Kollegen sich unterhielten und über die Arbeit diskutierten. „Seid mal still“, zischte er plötzlich. Kai blickte seinen Freund verwundert an. Dessen Gesicht war rot. Seine gesamte Körperhaltung war angespannt. Wie gebannt blickte er auf den Bildschirm. „Es gab sehr lange Debatten zu diesem Thema im Bundestag“, sagte eine blondhaarige Nachrichtensprecherin. „Letztendlich kam man aber zu dem Entschluss, dass es endlich an der Zeit ist, Ehen zwischen homosexuellen Partner zu erlauben. Dieses Gesetz tritt ab dem ersten Mai diesen Jahres in Kraft.“ „Das darf nicht wahr sein“, murmelte Kai, Florian drehte sich um. Tränen schimmerten in seinen Augen. „Endlich“, flüsterte er. Er umarmte Kai und presste ihn fest an sich Kai schluckte die Tränen hinunter, die sich in seinen Augen gebildet hatten. Eine einzelne kullerte über seine Wange. Heinz, Michael und Ralf kamen in den Raum gerannt. „Habt ihr..?“, begann Ralf. „Sie haben es bereits erfahren“, sagte Michael grinsend und deutete auf Kai und Florian, die sich innig küssten. Als sie sich getrennt hatten, fragte Heinz: „Und? Wann ist es soweit?“ Kai schluckte. „Du glaubst doch nicht, dass wir eine große Party feiern.“ „Ihr vielleicht nicht, aber wir“, sagte Ralf begeistert. Alle lachten. Florian kuschelte sich gegen Kai. „Ich möchte im Sommer heirateten. Während der dreiwöchigen Pause am besten.“ „Wäre ich einverstanden.“ „Da wäre noch etwas.“ Bittend sah Florian seinen Freund an. „Du weißt, ich bin Katholik. Ich würde gern kirchlich heiraten.“ Kai stöhnte auf. „Meinetwegen. Wenn ein Pfarrer damit klar kommt, dass ich nicht deinem oder irgendeinem anderen Glauben beitrete.“ „Pfarrer Johannes würde uns trauen. Ich habe vor einiger Zeit mal mit ihm darüber gesprochen.“ „Okay.“ Kai hauchte Florian einen Kuss auf den Mund. Dann stand er auf und ging zur Tür.
Je näher der Termin ihrer Hochzeit rückte, desto nervöser wurden Kai und Florian. Eine freudige Erwartung baute sich in ihnen auf. Kais Mutter kümmerte sich rührend um die Hochzeitsvorbereitungen. Sie und ihr Mann hatten Florian von Anfang an gemocht und freuten sich, dass der Herzenswunsch ihres Sohnes jetzt endlich in Erfüllung gehen sollte. Zwei Tage vor der Trauung waren Florian und Kai mit ihren Trauzeugen Heinz und Niki in der Kirche und sprachen noch einmal die Zeremonie durch. Gegen 18 Uhr waren sie fertig und entschieden sich noch, gemeinsam Essen zu gehen. Florian hielt Kai fest. „Wartet bitte noch kurz. Ich muss noch meine Beichte ablegen.“ „Und was ist mit den zwei Tagen bis zu unserer Hochzeit.“ „Da muss ich halt ein ganz artiger Mensch sein.“ Er grinste seinem zukünftigen Ehemann zu. Kai ging mit den anderen nach draußen. Heinz sah ihn fragend an. „Du wirkst so aufgekratzt.“ „Ich kann seit einer Woche nicht mehr schlafen. Ich habe solche Angst, dass irgendetwas schief gehen könnte.“ „Sie werden das Gesetzt nicht wieder abschaffen, ihr werdet euch nicht streiten und der dritte Weltkrieg wird auch nicht ausbrechen. Etwas anderes könnte eure Trauung nicht verhindern.“ Heinz sah seinen Freund ernst an. „Ihr beide packt das schon.“ „Ich bin so wahnsinnig nervös.“ Kai ließ sich von Heinz kurz in den Arm nehmen. „Danke“, murmelte er dann. „Das habe ich gebraucht“ „Spätestens, wenn Florian ja gesagt hat, weißt du, worauf du die ganzen Jahre gewartet hast.“ „Das ist wahr“, stimmte Niki zu. „Ich bin stolz, dass Florian ausgerechnet mich gefragt hat, wegen des Jobs als Trauzeuge.“ „Er bewundert und verehrt dich, Niki. Du bist für ihn eine Art Vaterersatz geworden.“ Florian verließ die Kirche und ging zu seinen Freunden. Kai zog ihn in seine Arme und blickte ihn eine ganze Weile an. „Wer von euch beiden trägt jetzt eigentlich das Brautkleid?“, fragte Heinz und brachte die Gruppe damit zum Lachen.
Dann endlich war der große Tag gekommen. Kais Familie, viele Menschen der Formel 1 - Szene, sowie Mitarbeiter von RTL hatten sich in der Kirche versammelt. Gespanntes Gemurmel war zu hören. Florian trat in Begleitung von Niki vor den Altar. Neben Kai lief Heinz her. Für Sekunden nahm Kai die Hände seines Freundes und hielt sie fest. Dann wandten sie sich Pfarrer Johannes zu. Der begann mit seiner Predigt. Keiner hatte was gegen die Hochzeit. Die beiden Hauptakteure sagten ja. Als sie sich küssten applaudierten die Menschen in der Kirche. Dann gratulierten sie dem Brautpaar. Kai hob Florian hoch und wirbelte ihn ein paar Mal im Kreis herum. „Ich liebe dich, Flo. Ich bin so wahnsinnig glücklich." Florian lacht und umarmte Kai, als der ihn runter ließ. Sie verließen die Kirche Hand in Hand… und wurden von einigen hundert Menschen empfangen. Irgendwie war durchgesickert, wann und wo die Hochzeit stattfinden würde und die Fans der beiden Männer wollten natürlich einen Blick auf das glückliche Paar erhaschen. Auch Journalisten und Fotografen waren da. Kai zog Florian dichter an sich heran und küsste ihn kurz. Die Menschen jubelten und riefen den beiden Glückwünschen zu. Als sie endlich in ihrer Limousine saßen, die sie zum Anwesen von Kais Eltern brachte, atmete Kai tief durch. „Wenn ich den erwische, der da geplaudert hat...“ „Vergiss es. Freu dich lieber, dass uns so viele Menschen Glück gewünscht haben.“ Kai nahm Florians Hand und hauchte einen Kuss auf dessen Ring. „Du hast ja Recht.“ Danach feierten die Gäste eine rauschende Party, die bis zum frühen Morgen ging, Es wurde gelacht, getanzt und viel getrunken. Beißende Kopfschmerzen weckten Kai am nächsten Morgen. Doch Florians zärtlicher Guten-Morgen-Kuss machte alles erträglicher. ‘Mein Ehemann‘, dachte er lächelnd, bevor er wieder einschlief.
„Ich hasse solche Besprechungen“, flüsterte Kai seinem Freund zu, während er an seinem Walkman rumspielte. Es war der 11. September 2001 und er saß mit Florian und einigen anderen Kollegen in einem Konferenzzimmer und redete mit Hans Mahr über die künftigen Neuerungen bei der Formel 1. Kai fand dieses Meeting überflüssig. Wenn man es auf den Januar verschob, wäre sinnvoller. Hans Mahr redete gerade mit Felix Görner über neue Techniken, die die Übertragung für die Zuschauer attraktiver machen sollte. Er warf Kai einen missbilligenden Blick zu. „Anstatt Walkman zu hören, solltest du dich lieber an unseren Gesprächen beteiligen.“ Kai hielt jedoch inne und antwortete nicht. Eine unnatürliche Blässe überzog sein Gesicht. „Schalten Sie mal den Fernseher ein. CNN.“ Mahr kannte Kai und sah, dass dies keiner seiner üblichen Scherze war. Er ging zu dem Breitbildfernseher und nahm die Fernbedienung in die Hand. Florian sah Kai fragend an, doch der wies nur auf den Fernseher. Dort sah man einen völlig schockierten Nachrichtensprecher. „Wir wissen noch nicht, wieviel Wahrheit in der Meldung steckt...“ Der Mann hielt inne. „Einer unserer Reporter hat sich gemeldet. Wir haben Bilder vom Unglücksort.“ Das Bild wechselte. Flammen und Rauch waren zu sehen. Feuerbälle schossen aus einem Gebäude. Die Kameraperspektive zeigte nach und nach das Gebäude in der Totalen. „Mein Gott, das ist das World Trade Center“, stieß Mahr hervor. Er rannte nach draußen und mobilisierte den gesamten Nachrichtenstab. Allen voran Peter Kloeppel. Kai stellte den Fernseher auf Splitscreen, so dass auf der linken Hälfte CNN und auf der rechten RTL lief. Als Peter auf Sendung ging, schaltete er komplett um. „Sehr verehrte Zuschauer. Wir unterbrechen unser laufendes Programm aufgrund eines tragischen Unfalls in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Flugzeug unbekannte Bauart ist vor wenigen Minuten in den Südturm des World Trade Centers in New York geflogen. Bis jetzt gibt es keinerlei Erkenntnisse, wie es zu dem Unfall kam. In New York herrschen derzeit klare Sicht und bestes Wetter. CNN sendet Bilder über einen ihrer in New York stationierten Reporter. Wir werden Ihnen diese Bilder jetzt ebenfalls zeigen.“ Das Bild schaltete um. Nur wenige Minuten später war Peter wieder zu sehen. Blass saß der Nachrichtensprecher vor einem Zettel. Seine Hände zitterten. „Liebe Zuschauer. Vor einer Minute ist eine Boing 747 in den Nordturm des World Trade Centers gesteuert worden. Damit dürfte ein Unfall nahezu ausgeschlossen sein. Der Kameramann von CNN hat den gesamten Vorgang gefilmt.“ Kais Handy piepste. Er ging ran. Es war Donaldson. Der Soldat sagte nur einen Satz. „Es geht los.“
Bis in die Nacht hinein saßen die Mitarbeiter von RTL im Sender und sahen fern. Es gab immer wieder Neuigkeiten. Der Einsturz der Zwillingstürme. Der Absturz zweier weiterer Maschinen auf das Pentagon und ein Feld bei Pittsburgh. Die Erkenntnis, dass es keine Unfälle gewesen sein können. Der Schwur von Präsident Bush, dass er diese Attentate auf sein Volk bitter rächen würde. Und immer wieder fiel ein Name. Osama bin Laden. Man machte diesen Mann als Drahtzieher für die Attentate verantwortlich. Kai überraschte es nicht sonderlich. Das war im Grunde genau das, worauf er die ganze Zeit gewartet hatte. Florian war schockiert. Ihm ging das Ganze sehr nahe. Er dachte vor allem an die Hinterbliebenen der vielen Opfer. Er wusste, was es bedeutete zu überleben. Er kannte die Vorwürfe, die man sich selber und allen anderen machte.
Trotz dieser grauenvollen Ereignisse bestand Bernie Ecclestone auf einer Durchführung des Rennens in Monza, wenige Tage nach dem 11. September. Die meisten Anwesenden sahen es mit gemischten Gefühlen. Sie wollten mit ihrer Arbeit sich und allen anderen beweisen, dass es weiter ging. Sie wollten der Welt zeigen, dass die Terroristen nicht gewonnen hatten. Aber auf der anderen Seite war es eine grausame Zerreißprobe für alle. Danach kam das Rennen in Indianapolis. Noch nie wurde im Vorfeld über ein Rennen so viel geredet wie dieses Mal. Einige fanden es pietätlos, zu fahren, andere hielten es für ihre Pflicht, den Menschen auf diese Weise zu helfen. Florian flog seit Jahren das erste Mal nicht mit zu dem Rennen. Kai hatte ihn darum gebeten und er hatte auch Angst davor. So saß er zu Hause und sorgte sich um seinen Freund. Der traf sich in den Staaten natürlich als erstes mit Donaldson. „Was geht?“, fragte er sofort, als sie sich begrüßt hatten. „Offiziell laufen noch Vorbereitungen. Aber ich habe mit einer Truppe bereits den Marschbefehl erhalten. Wir sollen nach Südafghanistan. Es wird das erste Ziel von Bush.“ „Bin Laden kriegt ihr nicht.“ Der Soldat nickte ernst. „Ich weiß. Er ist ein Phantom. Aber wir können seine Organisation schädigen und so die Menschen rächen, die hier unschuldig gestorben sind.“ Tränen schwammen in den Augen des Mannes. „Kanntest du jemanden?“, fragte Kai besorgt. „Meine Cousine und ihr kleiner Sohn waren zu Besuch in New York. Sie wurden unter den Trümmern begraben. Wir haben nicht einmal Leichen, die wir beerdigen können.“ „Das tut mir furchtbar leid, Reg.“ Kai umarmte ihn kurz. „Es tut mir leid.“ „Danke.“ Der Soldat straffte sich. „Danny wird in meiner Einheit sein.“ „Pass auf ihn auf.“ „Umgekehrt wird wohl eher ein Schuh draus. Er ist der bessere Soldat.“ „Du hast ihn schließlich ausgebildet.“ „Nur zum Teil.“ Kai grübelte eine Weile. „Ich werde sehen, ob wir euch begleiten können.“ „Ich weiß nicht, Kai. Das kann sehr gefährlich werden. Auch für Reporter.“ „Schlimmer als Pakistan sicher nicht.“ Noch nie in seinem Leben hatte Kai sich so sehr geirrt.
Die Saison war gerade erst vorbei, da fing der Krieg gegen den Terror, wie Präsident Bush ihn nannte, an. Hunderttausende Soldaten wurden ins Ausland gebracht. Viele Truppenverbände wurden durch Reporter begleitet. So auch die Einheit von Reginald Donaldson. Kai und Florian hatten sich freiwillig gemeldet und ihr Chef hatte es widerwillig gestattet. Bereits nach einigen Tagen war das Ziel klar. Die Erstürmung der Hauptfestung Tora-Bora. Weitere Einheiten verstärkten Donaldsons Truppe. Trotzdem wurde es für viele US-amerikanische Soldaten der letzte Einsatz. Kai und Florian waren nie so nah an der Front gewesen wie bei diesem Einsatz. Ihr Sender hatte deshalb die spektakulärsten Bilder, teilweise mitten aus Feuergefechten. Eines Nachts griffen afghanische Rebellen das Camp mit Raketenwerfern an. Danach stürmten sie es. Es war ein aussichtsloser Kampf für die Männer, aber die wollten sterben. Sie wollten als Märtyrer ihrem Gott gegenübertreten und dabei möglichst viele Feinde töten. Florian saß hinter einem Panzer und hielt sich den Kopf. Blut lief über seine rechte Gesichtshälfte. Ein Stein hatte ihn gestreift und einen großen Schnitt hinterlassen. Kai verband ihn notdürftig. Immer wieder warf er Reginald und Danny einen Blick zu, die weiter vor lagen und sich Feuergefechte mit den Afghanen lieferten. Plötzlich zuckte Donaldson zusammen, griff sich an die Brust und rutschte im Zeitlupentempo auf den kalten Boden. Schockiert starrte Kai auf seinen Freund. „Reg“, flüsterte er. Dann wollte er aufspringen, doch Florian hielt ihn gerade noch fest. „Spinnst du? Bleib unten.“ „Es hat Reg erwischt“, schrie Kai seinen Freund an. Tränen liefen über sein Gesicht. Florian schlug ihm mit der flachen Hand gegen die Wange. „Willst du auch draufgehen?“ Er schluchzte auf. Kai ließ sich gegen Florian fallen. Auf der Erde kauernd verfolgten sie die Niederlage der Afghanen. Danny räumte unter den Feinden auf wie ein Wirbelsturm. Er hatte natürlich mitbekommen, wie sein Vater zusammengebrochen war. Und er hatte in dessen gebrochenen Augen gesehen, dass ihm niemand mehr helfen konnte. Hass und unbändige Wut bemächtigten sich seiner. Als die Gegner ausgeschaltet waren, rannte Kai zu Reginald Donaldson. Danny lag über dem Leichnam seines Vater und weinte. Es war ihm egal, ob die anderen es sahen. „Reg“, flüsterte Kai leise. Danny hob den Blick. Sein Gesicht war nass und blutverschmiert. Kai ließ sich neben ihm auf den Boden fallen und nahm Danny in den Arm. „Ich glaube nicht, dass er tot ist“, schluchzte Danny herzzerreißend. „Er kann nicht tot sein.“ Florian stand hilflos hinter den beiden Männern. Nach einer ganzen Weile legte er seine Hand auf Kais Schulter. „Es tut mir so leid“, flüsterte er.
Bereits eine Woche später fand die Beerdigung von Reginald Donaldson in seiner Heimatstadt statt. Viele Menschen waren gekommen, um dem Soldaten die letzte Ehre zu erweisen. Daniell sah sehr schlecht aus. Der Tod ihres geliebten Mannes hatte ihr enorm zugesetzt. Auch Danny, Rokko und Melanie litten unter dem Verlust ihres Vaters. Kai und Florian befanden sich unter den Trauergästen. Florian stützte Kai leicht. Der litt unsagbar unter dem Verlust seines besten Freundes. Erst jetzt war ihm bewusst geworden, wieviel Donaldson ihm bedeutet hatte.
Der Teil ist wieder sehr emotional...erstsind die Gefühle weit oben und am Ende ganz unten.
Jetzt sind Beide verheiratet... Und Flo hat gleich noch Ansprüche, wie er gerne heiraten möchte. *kicher* Flo im Brautkleid, das wäre super. *lach* Reg ist tot?? Oh nein... Zum Glück hat Kai Flo, mit dem er über den Verlust reden kann.
*heul* Du hast es echt getan. Du hast ihn echt gekillt. *schnief* Hach, ich mochte Reg. Er war so ein toller Kerl und ich fürchte, er hätte gar nicht anders gehen wollen. Ein Soldat stirbt nunmal am liebsten im Kampf, ehrenvoll. *schnief* Tja, das hat er hingekriegt. Glückwunsch. Ist sicher ein toller Trost für seine Frau und die Kinder. Wie egoistisch! *seuftz*
Aber es gab ja auch Lichtblicke in dem Teil. Flo und Kai haben geheiratet. Endlich. *Freu* Das hat mich sehr gefreut für die beiden. Und dann auch noch kirchlich...hehe. Der Spruch mit der Feier war toll. "Ihr glaubt doch nicht, dass wir groß feiern, oder?" - "Ihr vielleicht nicht, aber wir." *schrottlach* Genial. Tja, wer hätte denn jetzt das Kleid angezogen? Ich vermute mal Flo, der scheint etwas schlanker zu sein und passt bestimmt besser rein....außerdem hat er die längeren Haare...*zwinker* Mach bitte bald weiter, ich liebe die Story. Absolut fantastisch, auch wenn sie schon so alt ist.
So, danke euch. Jaaa, ich habe Donaldson getötet. Hier noch der Rest der ersten größere Story von mir. Und ich sag gleich, ich bin am überlegen, ob ich die Story noch fortsetze, irgendwann mal.
12. Kapitel - Unverhofft kommt oft
Auch nach der Beerdigung blieben die beiden Männer in Orlando und halfen den Hinterbliebenen von Reginald. Vor allem Daniell war für die moralische Unterstützung dankbar. Sie und Kai redeten oft stundenlang. Florian war währenddessen für Rokko da. Der fühlte sich sehr allein, da nur sein Vater ihn in seiner Karriere immer bedingungslos unterstützt hatte. Danny und Melanie trösteten sich gegenseitig. Erst kurz vor dem ersten Rennen der neuen Saison flogen die beiden nach Deutschland zurück. „Ich werde nie wieder so einen Menschen kennen lernen wie ihn“, sagte Kai, als er im Flug saß. Florian nickte. „Er war einzigartig. So, wie jeder von uns.“ Kai nickte leicht und lehnte den Kopf gegen Florians Schulter. Der strich ihm sanft mit der Hand über die Wange. Florian spürte während der ersten Rennen sehr, wie Kai unter dem Verlust von seinem Freund litt. Nach und nach verarbeitete der den tragischen Verlust jedoch. Er fand zu seiner alten Lebensfreude und seinem Humor zurück. Einmal sagte Florian erleichtert: „Reg hätte es nicht gewollt, dass du so um ihn trauerst.“ Kai nickte leicht. „Ich weiß. Er hätte mir dafür in den Hintern getreten.“ Sie lachten erleichtert.
Beim Rennen am Nürburgring sah Florian eine junge Frau in der Garage von McLaren Mercedes verschwinden. Er hielt Norbert Haug an und fragte ihn nach der Unbekannten. „Sie ist ein Wahnsinnstalent, Florian. Sie wird im nächsten Jahr wahrscheinlich das Cockpit von David übernehmen.“ Damit verschwand er. Florian wand sich der Kamera zu. „Interessante Neuigkeit, liebe Zuschauer. Seit langer Zeit wäre das die erste Frau in der Formel 1.“ „Endlich“, sagte Niki. Er grinste Florian an. „Das ist aufregend.“ Kai hatte natürlich über Funk alles mitbekommen und ging hinter Norbert her zur Garage. Er wollte gern einmal mit der Neuen sprechen. „Kannst du gern versuchen“, sagte Norbert. „Aber sie spricht kaum Englisch. Wir verständigen uns zur Zeit fast nur über Zeichensprache mit ihr.“ „Woher stammt sie denn?“ Ein Mechaniker rief Haug, bevor der die Frage beantworten konnte. Dafür kam die Unbekannte aus der Garage. Sie warf Kai ein scheues Lächeln zu. Der winkte sie zu sich. Er bat sie auf Englisch um ein Interview, sie zuckte jedoch nur mit den Schultern. Stockend brachte sie hervor. „Ich spreche kaum Englisch.“ Kai grübelte. Den Akzent, den die junge Frau sprach, kannte er. Plötzlich ging ihm ein Licht auf. „Sind Sie Kroatin?“, fragte er sie auf Kroatisch. Überrascht sah sie ihn an. „Ja. Sie sprechen Kroatisch?“ „Nicht so schnell, bitte“, sagte er. „Ja, etwas. Wie heißen Sie?“ „Sophia Misow.“ „Kommen Sie bitte einmal mit mir mit?“ Zögernd nickte die junge Frau und lief hinter Kai her. Der ging geradewegs zu Florian. „Da kommt Kai. Mit der Neuen im Schlepptau.“ Niki deutete auf den Reporter und die junge Fahrerin. Florian drehte sich um und sah die beiden an. Als die junge Frau vor ihm stand, erstarrte er für einen Moment. ‘Diese Augen‘, dachte er. „Die junge Dame ist Kroatin und kann kaum ein Wort Englisch“, erklärte Kai. „Verstehe.“ Florian nickte leicht. Er schüttelte kurz den Kopf. „Woher kommen Sie?“ Kai übersetzt die Frage für die Zuschauer. „Ich bin in Split aufgewachsen.“ „Aufgewachsen?“ „Meine Pflegefamilie hat mir erzählt, ich käme viel weiter aus dem Osten Kroatiens. Aus der Nähe von Osijek“ Florian riss erstaunt die Augen auf. „Ich stamme auch von dort“, sagte er. Die Augen der jungen Frau leuchteten. „Wie heißen Sie eigentlich?“ „Sophia Misow.“ „Mein Gott", hauchte Florian. Ihm wurde schwindlig und er musste sich an dem Lastwagen abstützen, neben dem er stand. „Das ist unmöglich.“ Fragend sah Sophia Florian an. „Was ist mit Ihnen?“ „Nichts weiter. Geht schon.“ „Kennen Sie eine Familie Misow?" „Ich habe einen Onkel, der so heißt. Er lebt in Split.“ „Wie ist sein Name?“ „Sergej Andronow Misow. Er hatte eine eigene Werkstatt.“ „Papa“, hauchte die junge Frau. „So heißt mein Vater. Und Angela Michaela seine Frau.“ „Meine Tante.“ Die beiden Menschen sahen sich ungläubig an. Jetzt mischte Kai sich ein. „Wie sind Sie nach Split gekommen?“ „Meine Eltern haben mir erzählt, dass die Schwester meiner Mutter, also meine richtige Mutter, eines nachts völlig entkräftet vor der Tür stand. Mit mir im Arm. Sie sei geflohen, vor den Serben, sagte sie und brach zusammen. Sie starb wenige Tage später im Krankenhaus, so blieb ich bei meiner Tante und…" Die Frau stockte. Geschockt blickte sie Florian an. Der war kaum fähig, die Teile zusammen zu setzten. „Wie ist der Name Ihrer Mutter?“, fragte er. Als sie ihn sagte, schluchzte Florian auf. Tränen liefen über sein Gesicht. Erschrocken blickte ihn Sophia an. Sie legte ihre Hände auf seine. „Wer bin ich?“, fragte sie. „Ich habe immer nach einer Antwort auf diese Frage gesucht. Können Sie sie mir geben?“ Florian nickte. „Mascha König war meine Mutter.“ Langsam begriff das Mädchen. „Tante Angela hat immer gesagt, ich hätte einen Bruder, aber er wäre wohl tot.“ Sie schluchzte auf. „Sie... Du bist Florian?“ Der nickte und zog sie in seine Arme. Kai wand sich der Kamera und Niki zu. Fragend sah der Ex- Rennfahrer den Reporter an. „Was geht hier vor?“ Kai wischte sich die Tränen aus den Augen. „Sophia ist Florians Schwester. Kurz bevor die Serben Florians Vater töteten und ihn verschleppten, war dessen Mutter mit seiner Schwester geflüchtet. Sie wollte mit dem damals einjährigen Baby nach Split. Florian hat immer angenommen, die beiden wären gestorben, aber er hatte nie Gewissheit.“ „Du lieber Himmel.“ Florian hatte sich wieder etwas gefangen. Er blickte Sophia an, die schluchzend gegen ihn gelehnt dastand. „Du bist also Rennfahrerin?“ „Ja. Mutter hat mir immer von meinem großen Bruder vorgeschwärmt und dass er Rennfahrer werden wollte. Aber sie glaubte ja, er... ich meine, du wärst tot. Also habe ich das übernommen.“ „Aber die Formel 1 ist ziemlich gefährlich.“ Empört sah Sophia Florian an. „Siebzehn Jahre. Und er lässt den großen Bruder raushängen.“ Florian lachte befreit auf. Dann sagte er zuversichtlich: „Du wirst die beste Fahrerin aller Zeiten.“ Sie lächelte und umarmte ihn. „Danke, Florian. Ich bin so froh, dass du noch lebst.“ In ihren Augen blitzte es. „Dann kannst du mir nämlich meine Ausbildung finanzieren. Ich habe keinen Cent in der Tasche.“ „Das wird sich ändern“, sagte Florian grinsend. „Dir steht nämlich die Hälfte von unserem Erbe zu.“ „Reicht das für die Schule?“ Kai lachte. „Kommt drauf an, wieviel sie kostet.“ Florian lachte ebenfalls. Sophia starrte ihn fragend an. Dann ihren Bruder. „Waren unsere Eltern reich?“ „Könnte man so sagen.“ Nikis Ohren wurden immer größer. Kai trat neben Florian und lächelte ihn an. „Ich freue mich für dich.“ „Ich kann es gar nicht fassen.“ Sophia kniff die Augen zusammen. „Ihr beide?“, fragte sie dann. Florian nickte vorsichtig. „Ihr seid ein Paar?“ Erneutes Nicken. „Seid ihr verheiratet?“ „Seit fast einem Jahr“, antwortete Kai. „Na ein Glück. Dann ist ja alles okay.“ „Du kommst damit klar?“, fragte Florian vorsichtig. „Muss ich wohl. Das Erbe macht es ertragbar.“ Kai stöhnte auf. „Himmel. Sie hat den gleichen schwarzen Humor wie du.“ Niki blickte auf seine Uhr und dann in die Kamera. „Das war jetzt wirklich wieder sehr überraschend. Die Sendezeit ist damit leider rum und wir müssen uns von Ihnen, liebe Zuschauer, verabschieden. Auf Wiedersehen, bis morgen.“ Auch Florian und Kai verabschiedeten sich schnell von den Fernsehzuschauern. Dann schnappten sie sich Florians Schwester und gingen mit ihr Essen. Schließlich hatten sie etwas zu feiern.
Sophia löcherte Florian während der nächsten Wochen und Monate mit Fragen. Er musste ihr alles erzählen, was er noch wusste. Über sein damaliges Leben, ihre Eltern und natürlich auch über seine Zeit in Belgrad. Die beiden Geschwister waren von Anfang an sehr vertraut miteinander. Kai kam es oft so vor, als ob sie nie lange voneinander getrennt waren. Er gönnte Florian sein Familienglück und ließ ihn erst einmal in Ruhe. Der wusste das sehr zu schätzen. Da Sophia sehr oft mit Florian und Kai zusammen war, lernte sie auch deren Kollegen kennen. Sie verliebte sich ziemlich schnell in Jan Krebs und die beiden heirateten wenige Monate nachdem Sophia 18 geworden war. Florian hatte in der jungen Frau einen Teil seiner verloren geglaubten Familie wieder gefunden. Und das zu einer Zeit, als er nicht mehr damit gerechnet hatte. Aber wie das Sprichwort schon sagt: Unverhofft kommt oft.
Ach. Du. Lieber. Himmel!!!! *schock* Seine Schwester ist wieder da?! Und noch dazu als Rennfahrerin?! Meine Güte! Das ist wirklich unverhofft...wow. Unglaublich. Ich freu mich total für Flo, endlich hat er wenigstens Gewissheit über das Schicksal seiner Mutter ... und er hat seine Schwester zurück. Mein Lieblingssatz: Nikkis Ohren wurden immer größer. *schrottlach* lg, Isi =)
Flos Schwester in der F1. Wie geil ist das denn?! Ich find es schön das sie sich nach all den chrecklichen, traurigen Jahren weider gefunden haben. Und das es ausgerechnet in der F1 passiert...*Kicher*Und Niggi laucht gleich mit.
Rund zwei Jahre hat's gedauert....Aber nu komm ich endlich zum lesen...Und kommentieren.
Einfach eine geniale Story, sehr emotional. Ich hab richtig mitgefiebert und mitgelitten. Und mehr als einmal hab ich alles um mich rum vergessen.
Ich freu mich total für Flo, dass er jemanden wie Kai an seiner Seite hat, um das ganze furchtbare Leid zu verarbeiten. Und das seine Schwester wieder da ist, ist einfach bombastisch. Vorallem mit dem gleichen Humor wie Flo*kichert* Das kann ja heiter werden in der F1:D
Und eins muss ich mal an dieser Stelle loswerden: Ich. Mag. Marc. Surer. Nicht. Das ist ein ein widerlicher, bornierter Haufen Affendreck...Sorry...Mehr sag ich auch dazu nicht. Versprochen.
Aber dass Du Reg hast sterben lassen...Also ehrlich.... Mein Herz wäre fast stehen geblieben...*schnief*
Ich hoffe sehr, dass du diese Story fortsetzt:) Ich würd mich auf jeden fall freuen.