So, hier mal noch eine Story von mir. Ich warne euch vor, sie ist aus dem Jahr 2003 und damit sehr, sehr alt. Aber aus irgendeinem Grund gefällt sie mir und ich möchte sie euch nicht vorenthalten. Viel Spaß beim Lesen und bitte seid nicht zu hart mit der Kritik. Falls sonderbare Rechtschreibfehler auftauchen sollten, nicht wundern. Ich musste die Geschichte neu einscannen, da die Datei irgendwie verloren gegangen ist. Und mein Scanner ist nicht das Gelbe vom Ei.
Zwischen den Fronten
1. Kapitel - Willkommen im Leben
Ein heißer Steppenwind wehte über die ockerfarbene Ebene. Hier und da entstanden kleine Windhosen, die jedoch gleich wieder in sich zusammenfielen, wenn sie etwas berührten. Die Temperaturen lagen bei ungefähr 35 Grad Celsius. Kleine und größere Steine bedeckten den Boden zwischen den Bergen. Pflanzen wuchsen hier kaum. Ab und zu sah man ein paar Büschel Gras. Sie waren aufgrund des Wassermangels braun. Regen gab es in diesen Breiten nur im Frühling. Und auch da nur sehr wenig und unregelmäßig. Die Menschen, die hier von der Landwirtschaft lebten, hatten ständig zu kämpfen. Ein Mann galoppierte durch die triste Bergwelt Afghanistans. Hin und wieder hielt er sein Pferd an, sah sich um, blickte auf seine Karte und ritt dann weiter. Das Tier war nervös. Es hörte die fernen Geräusche stärker als sein Reiter. Geräusche, die seit Jahrhunderten zu diesem Land gehörten. Geräusche, die zeigten, dass hier gekämpft wurde. Jetzt zwar mit modernen Waffen, aber der Krieg hatte in Afghanistan eine lange Geschichte. Wenn man die alten Leute in diesem Land nach dem Krieg fragte, hörte man meist die Antwort: “Hier wurde schon immer gekämpft.“ Selbst hier, einige Kilometer hinter der Front, war das dumpfe Grollen von Geschützen zu hören. Die Menschen in diesem Land versuchten, mit Hilfe dieser Geschütze, die Russen zu vertreiben, die Afghanistan erobern wollten. Das Grollen wurde lauter, ein deutliches Zeichen, dass sich der Reiter der Front näherte. Es war lebensgefährlich, sich hier aufzuhalten, das wusste auch der Mann, aber er brauchte dieses Abenteuer. Aufgewachsen als Sohn reicher Eltern, suchte er jetzt etwas Abwechslung. Er arbeitete als freischaffender Reporter für deutsche Zeitungen. Und im Moment war hier in Afghanistan das meiste los. Er war bereits seit dem frühen Morgen unterwegs. Gestern erst war er in diesem Land angekommen. Auf Umwegen war er mit dem Flugzeug nach Kabul geflogen. Dort hatte er sich informiert, wo die Front verlief und sich dann entschieden, zu einem der Soldatencamps zu reiten. Man hatte ihm abgeraten, doch wenn dieser Mann sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er dies immer durch.
Hinter einem Felsen tauchte plötzlich ein Offizier der amerikanischen Streitkräfte auf und winkte den Fremden zu sich. Amerika unterstützte die Afghanen bei ihrem Versuch, unabhängig von den Russen zu bleiben. Und das mit Erfolg. Es zeichnete sich ab, dass Afghanistan diesen Krieg über kurz oder lang gewinnen würde. Der Reporter glitt etwas ungelenk von seinem Pferd und ging zu dem Offizier. “Wer sind Sie und was haben Sie hier zu suchen?“, fragte dieser wütend. “Ich heiße Kai Ebel“, sagte der junge Mann und nahm das Tuch ab, welches bis jetzt sein Gesicht verhüllt hatte. “Und ich bin Reporter.“ Ungläubig starrte der Offizier ihn an. “Und Sie sind Captain...?“ “Erik Biggs“, stellte dieser sich vor. “Sie kennen sich ja ganz gut aus.“ Das Gesicht des Offiziers wurde eine Spur freundlicher. “Natürlich, Sir. Ich habe mich informiert, bevor ich hier hergekommen bin.“ Captain Biggs schüttelte den Kopf. “Kann ja sein. Aber was suchen Sie hier an der Front?“ “Eine gute Story“, erwiderte Kai sofort. Der Captain lachte kurz. Seine Stimme klang tief und ruhig. Sie war respekteinflößend, genauso wie die gesamte Erscheinung des Mannes. Kai schätzte ihn auf ungefähr 55 Jahre. Er hatte graumelierte Haare und ein wettergegerbtes Gesicht, wie ein Seemann. Seine dunklen Augen musterten den jungen Reporter, den er vor sich hatte. “Sie waren noch nie in einem Kriegsgebiet.“ Das war keine Frage. Biggs sah es Kai an. “Ja, Sir“, sagte dieser. “Das stimmt. Sieht man es so deutlich?“ Biggs nickte. “Ja. Ich sehe die Angst und Neugier in Ihren Augen.“ Er wand sich zum Gehen, hielt jedoch kurz inne und sah Kai streng an. “Gehen Sie meinen Männern nicht auf den Geist, sonst spanne ich Sie vor einen Panzer. Dann kriegen Sie Ihre Story schneller, als Ihnen lieb ist. Umsehen dürfen Sie sich.“ Damit verschwand er in einem Unterstand. Normalerweise duldete er keine Zivilisten in seinem Camp. Aber dieser junge Reporter imponierte ihm. Kai grinste und nickte. “Aye, Captain“, murmelte er, obwohl dieser ihn nicht mehr hören konnte. 'Wo kriege ich hier eine Story her?', dachte Kai. Er hatte wirklich keine Ahnung, wie man sich in einem Kriegsgebiet verhielt. Hart presste er die Lippen zusammen. Das tat er immer, wenn er nachdachte. Kai war erst 20 Jahre alt. Er war ein optimistischer und lustiger Typ, dessen graue Augen fast immer blitzten, als hätte er gerade etwas angestellt. Seine braunen Haare hatte sich Kai superkurz geschnitten. Das war hier einfach praktisch. Und aufgrund seiner durchtrainierten Figur hätte man ihn glatt für einen Soldaten halten können. Er hatte das Abitur und den Wehrdienst hinter sich und war nun gespannt auf sein weiteres Leben. Während er darüber nachdachte, wie er jetzt vorgehen sollte, ließ Kai seinen Blick über die Gegend schweifen. Vor ihm, im Norden, lag die Grenze Afghanistans zu Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan. Von dort rückten die angreifenden Truppen der Russen an. Da der gesamte Norden Afghanistans ein einziges Gebirge war, gab es hier sowohl für die Angreifer als auch für die Verteidiger sehr gute Tarnmöglichkeiten. Die Afghanen hatten sich in den Nischen und Höhlen der Berge verschanzt. Das war auch der Grund, warum sie der russischen Übermacht bis jetzt hatten trotzen können. Und jetzt hatten sie die Unterstützung der Vereinigten Staaten, was den Truppen hier noch mal einen moralischen Auftrieb gab. So ganz konnte Kai trotzdem nicht daran glauben, dass hier Frieden herrschen würde, wenn die Russen erst einmal vertrieben waren. Das hatte noch nie funktioniert. Dafür war der Hass in den Menschen hier viel zu tief verankert. Es gab zu viele unabhängige Gruppen, die die Herrschaft in diesem Land für sich beanspruchten. Für Kai gab es nur eine einzige Möglichkeit, wie dieses Land inneren Frieden finden könnte. Nämlich, indem es einen gemeinsamen großen Feind fand. Er atmete ein paar Mal tief durch. Die Luft hier war staubig und trocken. Kai hustete und trank erst einmal einige Schlucke Wasser aus seiner Feldflasche. Danach nahm er seinen Fotoapparat, ritt in das Camp und sah sich hier ein wenig um. Es hatte ihn anfangs verwundert, dass man dieses so nah an der Front gebaut hatte, aber anscheinend waren die Amerikaner sicher, dass die Russen es nicht schaffen würden, diese Linie zu durchbrechen. Das eigentliche Lager, die Zelte der Männer und die Vorratszelte, befanden sich in einer Schlucht, welche nur einen Eingang hatte. Es war deshalb nur sehr schwer anzugreifen. Die Zelte waren in einem großen Halbkreis aufgebaut. Etwas abseits standen zwei große Zelte. Kai fand später heraus, dass es das Vorratszelt für Nahrung und das Feldlazarett waren. Es gab noch ein kleineres, in welchem Waffen und Munition gelagert waren. Vor diesem standen zwei schwer bewaffnete Soldaten. Langsam ging Kai zwischen den Zelten entlang, als plötzlich ein ziemlich großer Mann vor ihm stand und ihn grimmig ansah. “Weiß der Captain, dass Sie hier herumschleichen?“, fragte er. Seine Waffe lag locker in seinen Händen und zielte wenige Millimeter an Kai vorbei. Kai nickte langsam. “Ja Ich habe die Erlaubnis von Captain Biggs, mich hier aufzuhalten.“ “Dann ist ja gut“, sagte der Mann und ließ seine Waffe sinken. Er reichte Kai die Hand. “Ich bin Lieutenant Reginald Donaldson.“ “Kai Ebel“, stellte Kai sich vor und schüttelte die Hand des Soldaten. “Reporter.“ Donaldson zog die Augenbrauen hoch. “Und Sie sind so nah an der Front? Mutig." Kai zuckte mit den Schultern. “Oder dumm.“ "Vielleicht ein bisschen von beidem“, sagte Donaldson lachend. “Was mich wundert, ist, dass Biggs Sie nicht sofort weggeschickt hat. Er hasst Zivilisten im Lager. Seiner Meinung nach bringt das Unglück.“ “Muss wohl an meinem natürlichen Charme liegen.“ Kai und Donaldson sahen sich an und lachten. “Ist das nicht wahnsinnig deprimierend, jeden Morgen diese grauen Wände zu sehen, wenn man aufsteht?“, fragte er Donaldson dann. “Wir sehen das hier anders. Diese Wände schützen uns. Nicht nur vor Kugeln, sondern auch vor dem Wetter." Kai nickte, das leuchtete ein. Der Soldat verabschiedete sich vorerst von ihm. Er hatte Wachdienst und musste unbedingt seinen Rundgang fortsetzen. Kai tat es irgendwie leid. Donaldson war ihm sympathisch. “Wir sehen uns sicher noch öfter“, sagte der und verschwand grinsend. Kai nickte. Reginald Donaldson war für den Reporter das Idealbild eines amerikanischen Soldaten. Groß, Donaldson war ungefähr 1,95 Meter und überragte ihn um einiges, blond, blauäugig, durchtrainiert. Obwohl er noch sehr jung war, konnte er einem Feind schon Respekt einflößen.
Den Abend verbrachte Kai in der unmittelbaren Umgebung des Camps. Die Soldaten störten sich nicht an ihm und er versuchte, ihnen nicht im Weg zu stehen. Kai hatte so die Möglichkeit zu sehen, wie der Alltag in einem Armeecamp an der Front aussah. Zwei Filme hatte er bereits verknipst, denn er hatte auf jeden Fall vor, einen Bericht über das Camp zu schreiben. Kai war sich sicher, dass der Artikel irgendein Blatt interessieren würde. Im Moment lag der Reporter auf einem Felsvorsprung hoch über dem Camp. Die Steine hatten sich den ganzen Tag über aufgeheizt, weshalb es hier im Moment angenehm warm war. Die Lufttemperatur war in der letzen halben Stunde stark gesunken. Doch das war hier normal. Es gab Tage, da lag der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht bei fast 30 Grad Celsius. Die Sonne ging langsam unter, es wurde dunkel und deshalb sah Kai auch hin und wieder das Aufflammen von Geschützen in der Ferne. Es kam ihm so weit vor, aber die Schüsse waren hier erstaunlich gut zu hören. “Hallo Kai“, sagte plötzlich jemand hinter ihm. Kai schrak hoch und warf sich herum. Als er Donaldson erkannte, atmete er erleichtert aus. “Müssen Sie mich denn so erschrecken, Lieutenant Donaldson?“ Der lachte und ließ sich neben Kai nieder. “Ich wusste ja nicht, dass Reporter so schreckhaft sind. Außerdem... Reg reicht. Den Lieutenant und das Sie können wir uns sparen, denke ich. Irgendwie sitzen wir ja im selben Boot,“ Kai richtete sich auf und nickte. “Okay, Reg. Ich bin normalerweise gar nicht so schreckhaft, aber das, was ich hier so zu sehen bekommen habe, kann einem schon irgendwie Angst machen." Donaldson nickte zustimmend. “Willkommen im Leben, Kai.“ Er reichte Kai einen Blechflachmann. Der nickte dankbar und nahm einen Schluck. Er zog die Augenbrauen hoch. “Whiskey?“ “Ein bisschen Luxus muss auch hier sein. “ Kai lächelte leicht. Es wurde schnell dunkler. Donaldson war nur noch als schwarze Silhouette zu erkennen. Eine Weile saßen die beiden Männer schweigend da. Schließlich fragte Kai: “Hast du etwas dagegen, wenn ich dich in einem Artikel erwähne?“ Verwundert sah Donaldson ihn an. “Im Prinzip nicht. Aber warum ich?“ “Ganz einfach. Du verkörperst für mich den perfekten Soldaten.“ “Perfekt?“ Donaldson lachte leise. “Da denkt Biggs sicher anders. Aber mach ruhig, wenn‘s dir Spaß macht. Vielleicht werde ich ja berühmt.“ “Ich hätte noch einige Fragen an dich. Für den Artikel.“ “Frag schon.“ “Wie alt bist du?“ “27, seit gestern.“ “Herzlichen Glückwunsch noch“, sagte Kai. “Bist du verheiratet?“ “Ja. Meine Frau heißt Daniell. Sie kommt aus Lyon, Frankreich. Und ich habe drei Kinder. Zwei Jungs, Danny und Rokko und ein Mädchen Melanie.“ “Rokko ist italienisch, oder?“ Donaldson nickte zustimmend. “Mein Großvater hieß so. Er war Italiener.“ “27 und drei Kinder. Fleißig“, sagte Kai grinsend. “Du kennst meine Frau nicht“, erwiderte Donaldson lachend. “Wie alt bist du eigentlich?“ “20. Und solo.“ “Also ich würde es mir als Frau auch drei Mal überlegen, ob ich mich mit einem Reporter einlasse. Du bist wahrscheinlich noch weniger zu Hause als ich.“ Kai nickte zustimmend. “Sagt zumindest meine Mutter.“ Er rollte sich auf den Rücken und betrachtete die Sterne über sich. “Warum bist du Soldat geworden?“ Donaldson überlegte eine Weile, bevor er antwortete. “Es ist für mich die einzige Möglichkeit, eine gewisse innere Zufriedenheit zu erreichen. Ich kann meinem Land und meiner Familie dienen.“ “Hattest du jemals Zweifel daran, was du tust?“ “Nein. Wenn ich die bekomme, trete ich aus der Armee aus.“ Kai nickte, obwohl er wusste, dass Donaldson das nicht sah. Dazu war es viel zu dunkel. Der Reporter war sich in diesem Moment sicher, dass Reginald Donaldson die Armee niemals freiwillig verlassen würde. Er war ein geborener Soldat. Sicher würde er sehr schnell die Karriereleiter nach oben klettern. ‘Aber ein Schreibtischhengst wird der nie‘, dachte Kai. Die beiden Männer saßen noch einige Stunden dort oben und redeten. Man hätte meinen können, dass sie alte Freunde waren. Sie verstanden sich hervorragend und Donaldson gab Kai noch einige gute Tipps, wie er sich in solchen Gebieten verhalten sollte, beziehungsweise, was er unbedingt unterlassen musste. Als sie sich auf den Weg ins Camp machten, bot er Kai an, mit in seinem Zelt zu übernachten, da die Nächte hier doch sehr langweilig werden konnten. Kai nahm dieses Angebot dankend an. Er hatte wirklich keine Lust, jetzt noch sein eigenes Zelt aufzubauen.
Fast zwei Wochen blieb Kai bei der Truppe. Er freundete sich mit fast allen Soldaten an. Oft begleitete er Donaldson bei seinen Wachgängen. Nur bei den direkten Gefechten hielt er sich zurück. Er wollte zwar Abenteuer, aber lebensmüde war er nicht. Kai lernte hier auch einige Afghanen kennen, die von den Amerikanern eine spezielle Ausbildung erhielten. Er war sich nicht sicher, ob das so klug war. Vor allem bei einem Menschen hielt er es für einen riesengroßen Fehler. Es war ein Mann von ungefähr 40 Jahren. Er war hochintelligent und ein absoluter Fanatiker. Kai hatte ihn oft beobachtet und sich hin und wieder mit ihm unterhalten. Und er war beeindruckt gewesen, wie Osama bin Laden es schaffte, seine Landsleute zu motivieren und zu beeinflussen. Nachdem er Afghanistan verlassen hatte, vergaß Kai diesen Mann schnell wieder. Viele Jahre später brachte er sich jedoch bei dem Reporter wieder in Erinnerung. Kai erwähnte ihn in einem seiner Artikel kurz mit zwei Sätzen. ‘Osama bin Laden ist einer der Afghanen, die hier von amerikanischen Spezialisten geschult und ausgebildet werden. Hoffentlich rächt sich das nicht irgendwann einmal.‘
Eines Tages kam Captain Biggs zu Kai. Er bot ihm an, mit einem Krankentransport direkt nach Kabul zu fliegen. Dort war er zwar weit weg von der Front, aber näher dran an den politischen Entscheidungen. Und auf dem Papier wurde im Moment sowieso mehr entschieden, als auf dem Schlachtfeld. Der Flug war zwar etwas riskant, aber Kai hatte auch nicht vor, hier zu versauern. Er wollte unbedingt noch eine Story haben, neben der über das Camp. Also nahm er schweren Herzens das Angebot an. Der Captain verabschiedete Kai herzlich. “Vielleicht sehen wir uns mal wieder“, sagte er. “Wenn es dafür wieder Krieg geben muss, verzichte ich lieber.“ Biggs lachte und schlug Kai auf die Schulter. Von Donaldson wurde Kai zu dem Helikopter gefahren. Die beiden Männer verabschiedeten sich ohne Wort mit einem festen Handschlag. Und Kai war sich hundertprozentig sicher, den Soldaten nicht das letzte Mal gesehen zu haben.
In Kabul hielt sich Kai nur eine Woche auf. Dann waren die Verhandlungen mit den Russen abgeschlossen. Sie würden sich zurückziehen und Kai beschloss, nach Hause zu fliegen. Es dauerte allerdings noch bis September 1989, bis alle sowjetischen Soldaten das Land verlassen hatten. In Köln vergrub er sich erst einmal in seiner Mietwohnung und schrieb vier Artikel. Dann setzte er sich mit einigen führenden Leuten der größten deutschen Zeitungen und Magazine in Verbindung und bot ihnen die Artikel an. Sie wurden ihm förmlich aus der Hand gerissen. Dieser Einsatz hatte Kai besonders geprägt. Er war erwachsener geworden und wesentlich ernster als früher.
Hach, schon wieder so eine neue Story. Hab jetzt auf Anhieb gar keine Fehler gefunden, vermutlich, weil ich schonmal durchgeguckt hatte...hehe. Aber ich hab auch nicht sonderlich darauf geachtet. Dafür, dass die Story von 2003 ist, ist dein Stil schon ziemlich gut. Man merkt natürlich, wie sehr du dich gesteigert hast, wenn man deine jetzigen Stories liest...aber es ist doch schon besser als vieles, was andere abgeliefert hätten. Aber das weißt du ja alles schon, ich sag es ja nicht zum ersten Mal. *grins* Ich mag Donaldson sehr. Er ist ein wahnsinnig sympatischer Typ und das liegt nur an der Art, wie du ihn rüberbringst. Danke dafür. Dass ausgerechnet ObL in dem Camp ausgebildet wurde, ist natürlich der Hammer. Es zeugt von Kai`s Menschenkenntnis, dass er ihn sofort richtig einschätzt und in seinem Artikel entsprechend erwähnt. Ich wünschte wirklich, er würde sich irren. Mach bitte ganz schnell weiter, ich bin schon aufs nächste Kapitel gespannt. lg, Isi =)
Fast fünf Jahre war es nun her, dass Kai seinen ersten Auslandseinsatz erlebt hatte. 1989 fiel die Mauer und es kam zur Wiedervereinigung Deutschlands. Kai war während dieses wichtigen Ereignisses in Berlin und entschloss sich wenige Tage nach dem Mauerfall, einige Freunde im Osten Deutschlands zu besuchen. Früher hatte er dafür nie eine Gelegenheit gehabt. So kam es, dass Kai eine Weile durch die späteren neuen Bundesländer reiste und sich ansah, wie die Menschen in diesem Teil des Landes viele Jahre gelebt hatten. Erst kurz vor Weihnachten reiste der Reporter nach Köln zurück. Natürlich hatte er einige Stories im Gepäck. Seit dem letzten Einsatz in Afghanistan war nicht sehr viel in Kais beruflichen Leben passiert. Das einzig wichtige Ereignis war seine Festeinstellung beim Kölner Privatsender RTL. Hans Mahr, der damalige Direktor des Senders, hatte ihn angerufen und ihn gebeten, als Auslandskorrespondent und Kriegsberichterstatter für seinen Sender zu arbeiten. Kai hatte lange gezögert und nach fast zwei Jahren doch zugesagt. Er war zufrieden mit dieser Entscheidung.
Im Moment stand Kai vor dem Büro seines Chefs und wartete auf ihn. Mahr war noch in einer Besprechung. Kai konnte sich fast denken, was der von ihm wollte. Da es in Kuwait im Moment sehr kriselte, hätte er sicher gern einen Mann dort unten. Allerdings würde es schon an Mord grenzen, einen unerfahrenen Kollegen hinzuschicken. “Ah, Kai. Gut, dass du da bist.“ Mahr öffnete die Tür zu seinem Büro und winkte Kai herein. “Ich...“ Kai hob die Hand und unterbrach ihn damit. “Geht es um Kuwait?“, fragte er direkt. Sein Chef sah ihn erstaunt an, dann nickte er. “Ich hätte gern jemanden da unten. Aber du weißt, dass es diesmal wesentlich gefährlicher ist als deine bisherigen Einsätze. Hussein ist unberechenbar. Wenn der auf den falschen Knopf drückt…" “Ich habe mir bereits ein Ticket besorgt. Mein Flug geht in vier Stunden.“ Ein Lächeln huschte über das Gesicht seines Chefs. Er war wieder einmal in seiner Entscheidung bestätigt worden, die er getroffen hatte, als er Kai damals zum Sender geholt hatte. “Ich gebe dir unsere beste Digitalhandkamera mit. Sie ist nicht größer als ein Camcorder. Ich will die Bilder so aktuell wie möglich. Nimm also deinen Laptop mit.“ Er machte eine Pause, stand auf und reichte Kai die Hand. Der erhob sich ebenfalls und schüttelte sie. “Geh so dicht wie möglich ran. Und sei bitte vorsichtig.“ “Sicher doch“, sagte der Reporter. Dann verließ er das Büro und den Sender und fuhr zu seiner Wohnung. Er packte ein paar Sachen und fuhr anschließend weiter zum Flughafen. Ihm blieben fast noch drei Stunden bis zum Start der Maschine. Es war ein Charterflugzeug, speziell für Presseleute. Sie würden auf einen Militärstützpunkt nahe des Kriegsgebietes geflogen werden. Kai war nervös. Als er in der Halle des Flughafens noch einen Kaffee trank, zitterten seine Hände. Er hoffte, auf einige bekannte Gesichter zu treffen. Dabei dachte er vor allem an Donaldson. Seit Kai Afghanistan damals verlassen hatte, hatte er von dem Lieutenant nichts mehr gehört. Eine Weile beobachtete Kai die Menschen um sich herum. Er erkannte einige Journalisten, die wohl mit ihm nach Kuwait fliegen würden. Ein Mann fiel Kai besonders auf. Er war in seinem Alter, vielleicht etwas jünger, hatte dunkelblonde, fast braune Haare und sehr traurige Augen. Er ging gerade durch die elektronische Sperre und sah sich dabei noch einmal kurz um. Für Sekunden trafen seine Blicke die von Kai, dann war er verschwunden. Kai schüttelte den Kopf. Dann dachte er wieder an seine bevorstehende Aufgabe und schmiedete erste vage Pläne, wie er am Besten und Effektivsten vorgehen könnte. Als der Flug aufgerufen wurde, ging Kai zum Ausgang, passierte die Kontrollen und betrat das Flugzeug. Dort sah er erneut den Mann von vorhin. Er lächelte ihm kurz zu. Der lächelte zurück. Kai ging weiter und ließ sich auf seinen Sitz fallen.
In Kuwait erwartete die Journalisten die typische Hitze dieser Gegend. Sehr schnell teilte sich die Gruppe auf. Jeder ging jetzt seine eigenen Wege. Kai wand sich an den Kommandanten des Lagers, einen gewissen Admiral Scrooge. “Admiral, dürfte ich Sie mal kurz sprechen?“ Etwas unwirsch schaute der ihn an, dann nickte er. “Was wollen Sie?“ “Wissen Sie, ob ein Captain Erik Biggs eine der Einheiten kommandiert?“ Verwundert sah der Admiral Kai an. “Ja. Die Einheit an der Grenze im Nordwesten. Es ist unsere gefährlichste Stellung.“ “Dann sind dort wohl keine Zivilisten zugelassen, oder täusche ich mich?“ “Sie täuschen sich nicht, junger Mann. Dort können Sie auf keinen Fall hin. Woher kennen Sie den Captain überhaupt?“ “Aus Afghanistan.“ “Sie sehen noch ziemlich jung aus und Afghanistan ist schon fast fünf Jahre her.“ “Das war damals mein erster Einsatz.“ “Verstehe. Wenn Sie den Captain kennen, müssten Sie eigentlich auch Lieutenant Reginald Donaldson kennen. Er war damals Captain Biggs rechte Hand“ Kai nickte. “Und ob. Wir hatten uns damals ziemlich gut angefreundet.“ “Er ist inzwischen zum Commander befördert worden.“ Kai grinste. Damit hatte er irgendwie gerechnet. “Er hält im Moment im Norden die Stellung, aber nicht direkt an der Grenze. Besuchen Sie ihn doch mal. Da kriegen Sie sicher noch genug mit.“ Kai nickte begeistert und ließ sich von dem Admiral erklären, wo das Camp war. Scrooge bot ihm sogar an, mit dem Versorgungsflugzeug hinzufliegen, aber Kai lehnte ab. Er würde die Strecke mit einem Pferd locker in einem oder höchstens anderthalb Tagen schaffen. Das Flugzeug flog jedoch erst in vier Tagen. Und Kai wollte nicht solange sinnlos herumsitzen, da er befürchtete etwas zu verpassen. Also verabschiedete er sich, besorgte sich ein Pferd und ritt direkt zum Camp.
Dort kam er am Abend des nächsten Tages an. Eine Weile beobachtet er das Camp von Weitem. Er erblickte Commander Donaldson. Der stand mit einem jungen Soldaten vor dem Vorratszelt und gestikulierte wild herum. Kai näherte sich den beiden Männern. Er hörte die ziemlich strenge Stimme von Donaldson. “Mensch Johnson, was ist bloß in Sie gefahren?“ Der Angesprochene blickte zu Boden. “Ich weiß auch nicht“, sagte er leise. “Erstens, schauen Sie mich an, wenn ich mit Ihnen rede, Lieutenant“, der hob den Blick, “und zweitens, ich glaube kein Wort. Sie haben Lebensmittel geklaut. Wenn wir nicht genug hätten, würde ich Sie wegen Hochverrat an die Wand stellen.“ Donaldson war sehr aufgebracht und brüllte den jungen Lieutenant an. “Warum haben Sie das gemacht?“ Zitternd sah der junge Mann seinen Vorgesetzten an. “Ich kann es nicht sagen“, hauchte er. Donaldson ballte die Hände zu Fäusten. “Sie haben diese Woche doppelte Wachschichten. Wenn Sie bei einer einpennen, schmeiße ich Sie aus der Armee. Ich behalte Sie im Auge, das können Sie mir glauben.“ Damit wand er sich um und ging. Sein Gegenüber war nur noch ein Häufchen Elend. Donaldson marschierte verärgert durch das Lager und kam auch an dem Zelt vorbei, hinter dem Kai stand. Der trat hervor und dem Soldaten in den Weg. “Hallo Reg“, sagte er, hielt jedoch einen gewissen Abstand von ihm. Donaldson sah Kai an wie einen Geist, dann legte sich jedoch ein Lächeln auf sein Gesicht. Er ging auf Kai zu und gab ihm die Hand. “Kai, schön dich wieder zu sehen.“ Kai lachte. “Dito. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung, Commander.“ “Danke.“ Donaldson kratzte sich kurz am Kopf. “Komm mit in mein Zelt. Ich habe vorhin Kaffee gekocht. Der müsste noch wann sein." “Gern.“ Zusammen gingen die beiden durch das Lager und verschwanden im Zelt von Donaldson. Kai sah sich kurz um. Der Innenraum war größer, als es von außen aussah. Es gab zwei Liegen, von denen allerdings nur eine aufgebaut war. In der hinteren rechten Ecke stand ein Gaskocher. Daneben ein Tisch. Donaldsons Rucksack stand unter dem Tisch. “Setz dich“, sagte Donaldson und deutete auf seine Liege. Kai nickte und ließ sich drauffallen. Er zuckte zusammen. Donaldson sah es und blickte den Reporter fragend an. “Was ist?“ “Ich bin es nicht gewohnt, den ganzen Tag im Sattel zu sitzen“, sagte Kai und wurde leicht rot. Donaldson lachte. Er nahm zwei Tassen vom Tisch und goss aus einer Thermoskanne Kaffee hinein. Eine reichte er Kai. Dann zog er sich einen Stuhl an die Liege heran und setzte sich drauf. “Was machen deine Frau und die Kids?“ “Denen geht es hervorragend. Sie würden dich gern mal kennen lernen. Ich habe ihnen einiges von dir erzählt.“ Kai sah ihn erstaunt an. “Rokko hat jetzt übrigens mit dem Klavierspielen angefangen. Er ist richtig gut.“ “Dann hast du ja ein echtes Talent zu Hause.“ Donaldson nickte. “Daniell war sicher nicht begeistert, als du hierher gekommen bist, oder?“ “Nein, aber sie hat es akzeptiert. Und du, bist du immer noch solo?“ Kai nickte. “Ja. Bis auf einige flüchtige Bekanntschaften.“ Donaldson nickte verstehend. “Was dich hertreibt, brauche ich wohl nicht zu fragen, oder?“ “Nein. Allerdings, ich arbeite inzwischen für einen Fernsehsender und nicht mehr als freischaffender Reporter.“ “Da kann man wohl gratulieren?“ Kai nickte leicht. “Was war eigentlich vorhin los? Du hast diesen Lieutenant Johnson ja ganz schön zur Schnecke gemacht.“ Donaldson winkte ab. “Ach. Er hat Sachen geklaut. Nahrungsmittel. Völlig blöde Tat.“ “Zusätzlicher Wachdienst, ziemlich hart.“ “Nein, das ist eine ganz normale Bestrafung. Ich denke, dass es sich um eine Art Mutprobe gehandelt hat. Johnson ist noch nicht lange dabei. Irgend jemand wird ihn angestiftet haben.“ Kai ging ein Licht auf. “Jetzt verstehe ich. Du hättest ihn noch härter bestraft, wenn er denjenigen verraten hätte, der ihn angestiftet hat, oder?“ Grinsend sah Donaldson ihn an. “Richtig. Der Diebstahl war schlimm, aber in unserer derzeitigen Situation ein Kavaliersdelikt. Wenn er einen Kameraden verraten hätte, wäre er jetzt in einem Jeep auf dem Weg nach Hause. Der Zusammenhalt ist mir wichtiger. Außerdem wird er jetzt einen ganz guten Stand in der Gruppe haben. Er muss nur noch seine Strafe überstehen und dabei werden die anderen ihm helfen.“ “Interessante Sitten“, murmelte Kai. “Es schweißt zusammen. Und das ist hier am Wichtigsten.“ “Und damit auch alle mitbekommen, dass Johnson dichthält, hast du ihn mitten im Lager zur Rede gestellt.“ Kai schüttelte lachend den Kopf. “Ich kann mir langsam vorstellen, warum du es so schnell zum Commander geschafft hast.“ Donaldson lachte ihn an. Sie saßen den ganzen Abend und die halbe Nacht zusammen und redeten. Kai schrieb sich auch die Telefonnummer von Donaldson auf und der seine. Sie beschlossen, Kontakt zu halten, auch nach diesem Einsatz. Und Donaldson versprach, Kai sofort zu informieren, falls er mal bei einem Einsatz war, der Kai interessieren könnte.
Kai blieb natürlich im Camp. Nach einigen Tagen erhielt Donaldson eine Nachricht vom Oberkommando. Er wurde beim Lesen zusehends blasser. Fragend sah Kai ihn an. “Captain Biggs ist tot“, sagte der Commander mit leiser zitternder Stimme. Geschockt schaute Kai ihn an. “Wie ist es passiert?“ “Das Camp, wo er war, wurde bombardiert. Er erlitt schwere Verletzungen und ist gestern im Lazarett gestorben.“ Ungläubig schüttelte Donaldson den Kopf. Er hatte Tränen in den Augen, als er Kai ansah. “Alles was ich weiß, habe ich von Captain Biggs gelernt. Er hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Ich habe ihm so viel zu verdanken.“ Kai legte seine Hand tröstend auf Donaldsons Schulter. “Erledige einfach deinen Job gut. So kannst du ihm am besten danken. Er wird es sehen“, sagte Kai und deutete nach oben. Donaldson wischte sich mit seinem Ärmel übers Gesicht und nickte. “Du hast recht. Danke, Kai.“ Der lächelte traurig. “Dafür hat man schließlich Freunde.“ Kai spürte während der nächsten Tage deutlich, wie sehr Donaldson unter dem Verlust seines Ausbilders litt. Und ihm wurde zum ersten Mal wirklich bewusst, wie gefährlich es hier war. Er fing an, sich zu fragen, ob es richtig war, freiwillig hier zu sein.
Doch er blieb. Und das führte dazu, dass er eine der spannendsten Stories bekam, die zu dieser Zeit über die Bildschirme der Welt flackerten. Donaldsons Truppe war es nämlich gelungen, vier Iraker festzunehmen. Die Männer wurden im Lager gefangengehalten und verhört. Kai war einmal bei einem Verhör dabei. Er empfand es als ziemlich brutal, doch er schrieb jedes Wort mit, welches die Männer ausspuckten. Und er entschloss sich in diesem Moment, Arabisch zu lernen. Da er bei den weiteren Verhören nicht dabei war, erzählte Donaldson ihm jeden Abend, was die Männer gesagt hatten. Die Gefangenen sprachen oft von einem großen Führer, der der westlichen Welt die Einmischung in diesen und andere Kriege zurückzahlen würde. Sie redeten vom Untergang der westlichen Zivilisation. Und von einer islamistischen Organisation, die so gut organisiert sein würde, dass niemand sie jemals zerstören könne. “Wen könnten sie meinen?“, fragte Donaldson Kai eines Abends. “Ich glaube nicht, dass es Hussein ist. Er hat zwar Macht über die Menschen, aber er ist nicht so ein Fanatiker.“ “Ich habe in Afghanistan einen Mann kennen gelernt, der hatte dieselben Sprüche drauf, wie die Gefangenen.“ Interessiert schaute Donaldson seinen Freund an. “Wie hieß der Typ?“ “Osama bin Laden. Er hat schon vor fünf Jahren von einer von Islamisten geleiteten Tenororganisation gesprochen. Er hat Amerika gehasst. Nicht das Land, sondern die Ideale, die es verkörpert. Ich habe es damals für einen großen Fehler gehalten, dass er von euren Soldaten ausgebildet wurde.“ “Mmm“, machte Donaldson nachdenklich. “Ich erinnere mich an den Typen. Mir war der irgendwie suspekt.“ “Ich bin mir sicher, der Mann ist brandgefährlich.“ “Wie kommst du darauf?“ “Hast du dir mal eine seiner Ansprachen angehört? Er hat es immer geschafft, seine Landsleute zu motivieren. Egal, wie schlecht es stand.“ “Er hat Arabisch gesprochen“, merkte Donaldson an. “Woher willst du wissen, was er ihnen erzählt hat?“ “Ich weiß es eben nicht. Das ist es ja, was mich nervös macht. Niemand wusste es. Aber es hat auf mich nicht den Eindruck gemacht, als hätte er übers Wetter geredet.“ “Ist anzunehmen.“ “Er hatte auch ständig den Koran dabei, hat auf bestimmte Passagen gedeutet und sie anscheinend für sich ausgelegt. Die anderen hingen geradezu an seinen Lippen. Du hättest mal dieses fanatische Feuer in ihren Augen sehen sollen. Es war... beängstigend.“ “So genau habe ich mich nicht um den Mann gekümmert. Ich habe auch nicht so eine Menschenkenntnis wie du. Mir ist allerdings auch aufgefallen, dass er uns anscheinend nicht gemocht hat.“ Kai nickte zustimmend. “Ich bin mir sicher, dass er lieber untergegangen wäre, als eure Hilfe zu akzeptieren. Er hat die USA für diese Einmischung gehasst.“ Skeptisch sah Donaldson Kai an. “Aber wir haben sein Land gerettet.“ Kai verzog das Gesicht. “Aber doch nicht aus reiner Höflichkeit. Du weißt das, ich weiß es und bin Laden wusste es auch.“ “Du hast ja Recht“, stimmte Donaldson ergeben zu. “Und weißt du, was ich noch vermute. Ich bin mir sicher, dass bin Laden und Saddam Hussein sich kennen.“ “Mal nicht den Teufel an die Wand. Das wäre eine Katastrophe.“ Sie redeten viele Nächte über die Verhöre und Kais Vermutungen. Donaldson fing an, Kai mehr und mehr zu glauben. Es klang alles logisch und wurde durch die Aussagen der Gefangenen bekräftigt. Aber zu einem echten Ergebnis kamen sie nie. Die Gefangenen wurden irgendwann abgeholt und im Lager kehrt wieder etwas mehr Ruhe ein. Kai blieb einige Monate in Kuwait. Als die Amerikaner es Anfang ‘91 geschafft hatten, die Iraker immer weiter zurückzudrängen, entschied er sich dafür, der Front zu folgen. Er wollte dranbleiben. Im April verließ er das Camp. Er versprach, Donaldson zu informieren, falls er etwas Wichtiges mitbekam. Und der Soldat wollte Kai, so gut es ging, über seine Aufgaben auf dem Laufenden halten. Er schenkte Kai außerdem eine komplette Uniform. “Die ist strapazierfähiger als deine Klamotten“, sagte Donaldson grinsend. “Und bequemer.“
Nach einer beschwerlichen Reise, die ihn zwei Wochen kostete, landete Kai in Hillah, einer Stadt östlich des Euphrat, circa 100 km südwestlich von Bagdad. Hier nistete er sich in einem zerstörten Haus ein. Er schlief im Keller, da ihm dies am Sichersten erschien. Er wollte nicht, dass die Iraker wussten, dass er hier war. Sein Chef rief ihn einmal an, kurz nachdem er in Hillah angekommen war. Er fragte ihn, nach dessen zukünftigen Plänen. Kai teilte ihm mit, dass er noch vor Ort bleiben wolle und erhielt die Erlaubnis dafür. Fast vier Monate lebte Kai allein in seinem Keller. Den Tag über schlich er durch die Straßen und versuchte hier und da etwas aufzuschnappen. Dabei merkte er auch, dass es ihm unglaublich leicht fiel, Arabisch zu lernen. Er konnte sich inzwischen sogar mit den Einheimischen unterhalten. Einkaufen ging Kai in den Basaren der Stadt. Das Leben ging hier trotz des Krieges seinen gewohnten Gang. Man hatte den Eindruck, die Bevölkerung versuche mit aller Kraft, den Schein der Normalität aufrecht zu erhalten. Für Kai war die Lage Iraks ziemlich klar. Er war sich sicher, dass die Iraker diesen Krieg verlieren würden. Für sie ging es nur noch darum, Bagdad zu halten. Deshalb kam es für ihn auch sehr überraschend, als diese plötzlich wieder einen Vorstoß wagten und fast bis nach Hillah kamen. Es wurde für Kai mit einem Mal wahnsinnig gefährlich. Er dachte darüber nach, aus der Stadt zu verschwinden, doch er schob es Tag für Tag vor sich her. Eines Nachts wachte er von einem lauten Knall auf. Er hörte Stimmen und Schüsse. ‘Verdammt‘, dachte er. ‘Die Iraker sind in der Stadt.‘ Damit meinte er natürlich die irakische Armee. Er richtete sich auf und zündete seine kleine Petroleumlampe an. Verschlafen sah er sich in seinem Keller um. Es sah alles aus, wie vorher. Der alte Tisch mit dem Stuhl, den er oben im Haus gefunden hatte, stand an der linken Wand, genau gegenüber der Tür. Fenster gab es nicht. Sein Rucksack lag neben seinem Schlafsack. Kai griff in den Rucksack und zog sich schnell an. Er trug jetzt die Armeeuniform, die Donaldson ihm geschenkt hatte. Sie war für ihn zwar gefährlich, wenn man ihn erwischen würde, aber sie war in Tarnfarben gehalten und damit unauffälliger als alle anderen Sachen, die er bei sich hatte. Mit seiner Kamera in der Hand ging Kai zur Tür. Er löschte das Licht und verließ seinen Unterschlupf. Die Nacht war schwül. Ein heißer Wind wehte von der Wüste in die Stadt Er trieb Staub und Sand über die Hauptstraße. Hier konnte man überall die Schäden sehen, die der Krieg hinterlassen hatte. Müll und die Steine der zerstörten Häuser lagen herum und bildeten im Dunkeln gefährliche Stolperfallen. Außerdem konnten sich Heckenschützen hinter den Schutthügeln verstecken. Kai stand an einer Ecke und spähte vorsichtig über die Straße. Er hörte das Rattern von Schneilfeuerwaffen, wahrscheinlich Kalaschnikows. Als neben dem Reporter einige Kugeln in die Hauswand einschlugen, warf der sich auf den Boden und robbte so schnell er konnte aus der Schusslinie. ‘Das war Glück‘, dachte Kai und atmete erleichtert auf. Plötzlich stutzte er. Er hatte ein leises Stöhnen vernommen. Vorsichtig schob sich Kai vorwärts. Er lugte um eine Ecke und sah eine dunkle Gestalt auf dem Boden liegen. Am leisen Fluchen des Menschen hörte Kai, dass es ein Mann war. Aber er verstand nicht, was der sagte. ‘Ich habe diese Sprache schon mal gehört.‘ Dann fiel es ihm ein. Der Mann hatte Kroatisch gesprochen. Kai staunte. Er war zwei Mal in Jugoslawien gewesen bis es dort zu heiß geworden war. Kai schob sich, dicht an die Hauswand gepresst, auf den Mann zu. Am Himmel stand ein bleicher Vollmond. Es war so hell, dass Kai das Gesicht seines Gegenübers erkennen konnte, als er nah genug an ihn herangeschlichen war. Ungläubig schaute er den Mann an, der mit geschlossenen Augen auf dem Boden lag. Er kannte ihn. Es war der junge Journalist, der ihm schon am Flughafen in Köln aufgefallen war. Dieser öffnete die Augen und schaute Kai ängstlich an. Dann sah er die Uniform. Verwirrung stahl sich in sein Gesicht. “Sprechen Sie Deutsch?“, fragte Kai. “Ja. Ich wohne zeitweise in Köln“, sagte er mit einem leichten Akzent. Kai zog die Augenbrauen hoch, “Köln? Da komme ich auch her“, sagte er. Dann sah er sein Gegenüber prüfend an. “Sind Sie verletzt?“ “Ja“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. “Mein Bein.“ Kai zog seine Taschenlampe aus seiner Tasche. “Ich heiße übrigens Kai Ebel“, stellte er sich vor. “Florian König.“ “Sie sind Kroate?“, fragte Kai. “Woher wissen Sie das?“ “Sie haben ziemlich laut geflucht.“ Florian lächelte trotz der Schmerzen, die er hatte. Kai erwiderte das Lächeln und sah sich dann Florians Verletzung an. “Sieht böse aus“, murmelte er. “Glatter Durchschuss im Oberschenkel.“ Kai nahm seine Taschenlampe und schaltete sie aus. Dann zog er sich seine Uniform über den Kopf und zerriss das Hemd, welches er trug in handliche Streifen. Er band mit Hilfe der Lampe Florians Bein ab. Dann sah er sich um. “Bis zum Krankenhaus ist es zwar nicht weit, aber im Dunkeln ist das glatter Selbstmord. Das schaffen wir nie.“ Er sah Florian an. “Sie müssen bis morgen durchhalten, Herr...“ “Florian“, unterbrach der Kai. Kai nickte. “Ich wohne hier in einem Keller. Es sind nur ein paar Meter.“ Florian verstand. Er seufzte leise. Dann biss er die Zähne zusammen und ließ sich von Kai auf die Beine ziehen. Kai sah, dass sein Kollege wahnsinnige Schmerzen hatte. Ihm tat er leid. Langsam gingen sie zu Kais Versteck. Es dauerte fast 20 Minuten, da Florian sich immer wieder hinsetzen musste. Außerdem mussten sie sich vorsehen, um nicht entdeckt zu werden. Kai sah, dass Florians Hosenbein blutdurchtränkt war. Er machte sich ernsthafte Sorgen, dass dieser es nicht schaffen könnte. Als sie Kais Unterschlupf erreicht hatten, ließ dieser Florian auf seinen Schlafsack sinken. Müde schloss der die Augen. “Hey, hey, hey“, sagte Kai aufgeregt und schlug Florian einige Male leicht mit der flachen Hand auf die Wange. “Nicht einschlafen, verstanden?“ Florian öffnete die Augen und sah seinen Retter mit glasigem Blick an. “Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, den Rest der Nacht wach zu bleiben.“ “Sie müssen es schaffen, verstanden?“ Florian nickte schwach. Kai machte die Lampe an. Er hockte sich vor Florian hin und presste seine Hand gegen dessen Stirn. “Fieber“, murmelte er. Er sah, wie der junge Mann zitterte. Kai zog seine Zusatzdecke aus dem Rucksack und wickelte Florian darin ein. Dann holte er einige Packungen mit Tabletten aus seinem Schlafsack. Er hielt zwei Schachteln in der Hand. Unsicher schaute er von einer zur anderen. Dann packte er eine wieder weg. Er reichte Florian zwei Tabletten und eine Wasserflasche. Der nickte dankbar und nahm sie. Kai wartete eine Weile bis die Tabletten wirkten. Dann zog er ein Taschenmesser aus seiner Uniformtasche und ein kleines Fläschen aus dem Rucksack. “Was ist das?“, fragte Florian skeptisch. “Ein Desinfektionsmittel.“ Kai sah ihn an. “Tut mir leid, aber das muss sein.“ Florian schluckte schwer. Er nickte. “Machen Sie schon.“ Seine Stimme zitterte. Er hatte wahnsinnige Schmerzen und Angst. Vorsichtig schnitt Kai mit dem Messer Florians Hosenbein auf. Die Wunde sah nicht sehr appetitlich aus. Er schluckte. Dann holte er aus seinem Rucksack eine Wurzel, die er in eine Tüte gepackt hatte. Er holte sie aus der Tüte und schob sie Florian zwischen die Zähne. “Versuchen Sie, nicht zu schreien. Ich weiß, dass das weh tut, aber wenn die Iraker uns hier finden, tut das noch mehr weh.“ Ernst schaute er seinen Kollegen an. Der nickte schwach und biss auf die Wurzel. Kai öffnete die Flasche und kippte deren Inhalt in die Wunde. Als das Mittel die Wunde berührte, stöhnte Florian laut auf und warf den Kopf nach hinten. “Tut mir leid, das muss sein“, murmelte Kai. Er nahm ein steriles Tuch aus einem Sanikasten und verband die Wunde. Dann deckte er dessen Beine zu. Als er diese Arbeit beendet hatte, kniete er sich vor ihn und schaute ihn an. “Florian?“, fragte er vorsichtig. Auf den Wangen des Mannes glitzerten Tränen. Er öffnete langsam die Augen und sah Kai an. Dieser nahm ihm die Wurzel aus dem Mund und wickelte sie wieder ein. Sorgfältig packte er seine Sachen weg. “Woher haben Sie soviel Ahnung von der Behandlung solcher Verletzungen?“, fragte Florian leise. Seine Stimme war rau und kratzig. Kai sah ihn an. “Commander Donaldson, ein amerikanischer Offizier und guter Freund von mir, hat es mir bei meinem ersten Einsatz beigebracht. Von ihm habe ich auch die Wurzel. Sie ist aus Afghanistan und sondert ein betäubendes Mittel ab, wenn man draufbeißt.“ Florian zog interessiert die Augenbrauen hoch. “Die Uniform ist auch von dem Commander, oder?“ "Ja“, sagte Kai nickend. “Er hat sie mir geschenkt, als ich Kuwait verlassen habe.“ “Seit wann sind Sie hier?“ “Seit April.“ “Ich bin seit Juni hier." “Wo wohnen Sie?“ “Circa einen Kilometer von hier. Auch in einem Keller.“ Florian gähnte. Kai ließ sich neben ihn nieder und sah ihn von der Seite an. Florian erwiderte den Blick kurz. “Fragen Sie schon“, sagte er. “Sie sind Kroate, haben einen leicht britischen Akzent und wohnen in Köln. Wie kommt das?“ Florian lachte freudlos. “Sie haben es gerade geschafft, mein Leben in einem Satz zusammenzufassen.“ Er schüttelte den Kopf. “Wird das ein Verhör?“ “Ich muss es irgendwie schaffen, Sie noch drei Stunden wach zu halten und da wir uns wahrscheinlich sowieso nie wieder sehen, wenn Sie erst mal im Krankenhaus sind, ist es doch egal, was Sie mir erzählen. Ich will nur, dass Sie reden und nicht einschlafen. Bei dem Blutverlust würden Sie vielleicht nicht wieder aufwachen.“ Kais Blick war sehr ernst. Dann fügte er grinsend hinzu. “Ich prüfe die Fakten auch nicht nach, versprochen.“ Diesmal war Florians Lachen echt. Er atmete tief durch. “Wenn mein Name irgendwo in einer Zeitung oder im Fernsehen auftaucht, werden Sie einen schlimmen Unfall erleiden.“ Kai zuckte unschuldig mit den Schultern. “Ich bin bloß ein neugieriger Mensch. Reporterkrankheit.“ Florian nickte. “Das kenne ich“, gab er zu. “Wie alt sind Sie?“, fragte er dann. "23." "Mein Bruder ist genauso alt. Er heißt übrigens Gerd.“ “Und Sie?“ “Ich bin 25.“ “Und dann schon Afghanistan?“ “Mein erster Einsatz.“ “Verstehe.“ Florian schluckte. “Das hier ist mein erster richtiger Einsatz.“ “Na das nenne ich Feuertaufe. Woher kommen Sie eigentlich?“ Florian zögerte kurz. Kai spürte deutlich, dass er nicht gern über seine Vergangenheit redete. “Wie Sie ja schon festgestellt haben, bin ich Kroate. Ich wurde in Zslavid bei Osijek in Kroatien geboren.“ “Wo liegt das genau?“ “100 km westlich von Novi Sad, Serbien. Fast am Zusammenfluss von Drau und Donau.“ Kai nickte. “Da in der Nähe war ich schon mal.“ “Wann?“ “Vor zwei Jahren Aber es wurde mir schnell zu heiß.“ “Ja, es ist dort sehr gefährlich. Man kommt leicht unter die Räder.“ Florian blickte Kai kurz an. “Könnten wir bitte von etwas anderem reden.“ Kai nickte. “Für wen arbeiten Sie?“ “Anfangs war ich bei Zeitungen und für diverse Radiostationen in London und Umgebung tätig. Dann hat man mir einen Vollzeitjob bei CNN angeboten.“ “Wow“, meinte Kai anerkennend. “Dann müssen Sie verdammt gut sein.“ “Ich weiß, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, die in einem Krisen- beziehungsweise Kriegsgebiet leben. Vielleicht kann ich es deshalb anders rüberbringen“ “Das wäre möglich“, gab Kai zu. “Das erklärt auch den englischen Akzent.“ “Ja. Ich war einige Jahre auf der Insel, bevor es mich nach Deutschland zog. Dort habe ich dann in verschiedenen Städten für diverse Zeitungen gearbeitet. Aber irgendwie zog es mich immer wieder nach Köln.“ “Wieso sind Sie ausgerechnet nach Deutschland gekommen?“ “Meine Vorfahren stammen von dort.“ Zu einer weiteren Erklärung war Florian im Moment nicht bereit und Kai akzeptierte das. “Haben Sie eine eigene Wohnung in Köln?“ “Nein, so oft bin ich nicht dort. Ich wohne immer in Hotels oder Pensionen.“ Kai nickt. “Stimmt es eigentlich, dass die meisten Nachrichten in England in Pubs geschrieben werden?“ Florian lächelte leicht. “Irgendwie schon Das erste, was ich in London gelernt habe, war Bier holen und schlucken.“ Kai lachte auf. “Erzählen Sie doch etwas mehr über Ihre Zeit dort. Das interessiert mich nämlich brennend.“ “Okay“, sagte Florian. Er machte es sich bequem und fing an, über seine Erlebnisse mit der englischen Presse zu reden. Kai hörte ihm aufmerksam zu und achtete darauf, dass sein Patient nicht müde wurde oder sich zu sehr bewegte. Zwei Mal schaute er noch nach Florians Verletzung. Die blutete jedoch nicht mehr und Kai hoffte, dass das so bleiben würde. Das Einzigste, was ihm Sorgen bereitete, war Florians ständig steigende Körpertemperatur. Kai sah ihm das Fieber inzwischen sehr deutlich an. Er zwang ihn immer wieder, etwas zu trinken und hoffte, dass er durchhalten würde.
Am nächsten Morgen zog Kai seinen verletzten Kollegen hoch und sie gingen zusammen zum Krankenhaus. Der Weg war zwar nicht sehr weit, aber sie brauchten über eine Stunde. Zum Glück hatten sich die Iraker verzogen. Als sie endlich das Krankenhaus erreicht hatten, war Kai schweißgebadet. Die letzten paar Meter hatte er Florian mehr getragen, als dass dieser gelaufen war. Florian war durch die Schmerzen fast bewusstlos geworden. Er schaute seinen Helfer aus leicht glasigen Augen an. Ein Arzt kam ihnen entgegen, als sie das Krankenhaus betraten. Kai kratzte seine selbsterworbenen Arabisch-Kenntnisse zusammen und erklärte dem Mann, was mit Florian los war und wie er ihn behandelt hatte. Der rief einige Pfleger zu sich, die Florian auf eine Trage verfrachteten und ihn in einen Untersuchungsraum brachten. Bevor die Tür hinter ihm zufiel, sagte Florian leise: “Danke für alles.“ Kai nickte und setzte sich auf einen Stuhl. Er wollte wenigstens noch wissen, wie es um Florian stand. Nach einer halben Stunde kam der Arzt wieder und teilte Kai mit, dass die Verletzung zwar ziemlich schwer war, aber doch zu 100 Prozent heilen würde. Florian hatte die ganze Sache hervorragend überstanden. Aber er würde für mindestens zwei Wochen hier im Krankenhaus bleiben müssen. Über diese Informationen war Kai sehr erleichtert. Er verließ das Krankenhaus und hoffte, dass Florian alles so gut überstehen würde, wie der Arzt es sagte. Eigentlich hatte er nicht vor, noch einmal hierher zurück zu kehren, allerdings kommt es bekanntlich oft anders, als man denkt.
Es war fast eine Woche her, dass Kai und Florian sich begegnet waren. Kai war fleißig auf der Suche nach neuen Stories, als er eines Abends einen Anruf erhielt. Fragend sah er die Nummer auf seinem Handydisplay an. Dann ging er ran. “Ja?“, fragte er vorsichtig. “Hallo Kai“, erklang eine ihm sehr wohlbekannte Stimme. “Reg, schön von dir zu hören.“ Der Offizier lachte. “Wo steckst du?“ “Hillah.“ “Was? Und du hast den Sturm der Iraker überlebt? Hast du ein Schwein. Ich bin jetzt mit einem Marschkommando auf dem Weg nach Bagdad. Wir werden die Stadt sicher noch in diesem Monat einnehmen.“ “Viel Glück dafür.“ “Danke. Langweilst du dich nicht in der Provinz?“ “Nein “, sagte Kai grinsend. “Ich habe hier genug zu tun. Der Angriff der Iraker war spannend. Dann gibt es hier auch immer wieder kleine Gefechte zwischen den einzelnen Gruppen. Und ich habe einen Kollegen aufgesammelt, der angeschossen wurde.“ “Da hat er ja ziemliches Glück gehabt, dass du ihn vor den Irakern gefunden hast. Die hätten höchstens noch eine Kugel hinterhergeschickt. Wie geht es ihm denn?“ “Ich weiß es gar nicht so genau“, gab Kai ein wenig verlegen zu. “Ich war in der letzten Woche bei einer Familie, etwas außerhalb der Stadt. Daher hatte ich noch keine Gelegenheit, ihn zu besuchen.“ “Verstehe. Ich muss Schluss machen. Wachdienst, du weißt schon.“ “Jaja, schon klar. Viel Glück bei eurem Unternehmen.“ “Danke. Und pass auf dich auf, Kai. Sei nicht zu neugierig.“ Das Gespräch wurde unterbrochen und Kai steckte sein Handy weg. Er grübelte eine Weile, stand dann auf und lief im Schatten der hereinbrechenden Nacht zum Krankenhaus. Er wollte jetzt doch wissen, was aus Florian geworden war. Bereits am Eingang traf er den Arzt, der Florian damals behandelt hatte. Er begrüßte Kai freundlich und brachte ihn zum Zimmer des Reporters. Kai klopfte vorsichtig. Ein leises ‘Herein‘ war zu hören. Kai öffnete die Tür und betrat das Zimmer. Es war ziemlich dunkel, nur eine kleine Lampe brannte. In dem Zimmer standen drei Betten, doch im Moment war nur eins belegt. Kai ging zu Florian und stellte sich neben das Bett. Eine Weile blickte er ihn schweigend an. Florian sah etwas blass aus, aber ansonsten gesund. Sein verletztes Bein lag auf der Decke. Es war dick mit einem Verband umwickelt. Langsam öffnete der die Augen, um zu sehen, wer da war. Ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht. “Hallo, Kai. Schön Sie zu sehen.“ Er reichte ihm die Hand. Kai schüttelte sie. “Wie geht es Ihnen?“ “Viel besser. Dank Ihrer Hilfe.“ Verlegen winkte Kai ab. “Blumen habe ich leider keine mehr gekriegt“, sagte er grinsend. Florian lächelte breit. “Um diese Zeit haben die Geschäfte nun mal geschlossen.“ Kai zog sich einen Stuhl an Florians Bett und setzte sich. “Tut mir leid, dass ich noch nicht früher hier war“, meinte er entschuldigend. “Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, Sie überhaupt noch mal wieder zu sehen.“ “Na ja. Einer muss Sie doch auf dem Laufenden halten, was so passiert.“ Florian wurde neugierig. “Was passiert denn so?“ Kai beugte sich zu Florian hinab, damit er nicht so laut sprechen musste. “Donaldson hat mich vor ungefähr einer halben Stunde angerufen. Sie sind im Moment dabei, Bagdad einzunehmen.“ “Und? Rechnet er damit, es zu schaffen?“ “Er meint, dass die Stadt spätestens Ende des Monats fällt.“ Florian grübelte eine Weile. “Dann lohnt es sich ja kaum noch, hier zu bleiben. Wenn ich hier raus bin, werde ich den Irak verlassen.“ “Ich werde auch verschwinden“, sagte Kai. “Bagdad direkt ist zu gefährlich und hier ist nichts mehr los. Ich war die ganze letzte Woche auf dem Land und habe mir einige alte Geschichten der Menschen dort angehört. Das reicht für einige Hintergrundinformationen für meinen Sender.“ Florian zog die Augenbrauen hoch. “So gut sprechen Sie Arabisch?“ “Ja“, sagte Kai stolz. “Ich habe es durchs Zuhören gelernt. Inzwischen kann ich mich recht gut verständigen.“ “Sie haben anscheinend ein Talent für Sprachen. Wie viele sprechen Sie jetzt?“ “Englisch und Französisch von der Schule her, Spanisch und Italienisch ein wenig, durch die Bekanntschaften meiner Eltern und durch den Job jetzt Arabisch.“ “Also mir reichen Kroatisch, Englisch und Deutsch vollkommen. Sprachen sind nicht so mein Ding.“ Sie saßen noch eine ganze Weile und unterhielten sich. Es war weit nach Mitternacht, als Kai sich von Florian verabschiedete. “Vielleicht sehen wir uns irgendwo mal wieder“, sagte er leise. Irgendwie fiel ihm der Abschied schwer. “Ja, vielleicht sogar in Köln. Ich habe nämlich vor, dorthin zu ziehen.“ “Bewerben Sie sich doch mal bei RTL. Die sind noch auf der Suche nach guten Reportern.“ “RTL... das ist dieser private Fernsehsender, nicht wahr?“ Kai nickte. “Da arbeiten Sie doch.“ “Richtig. Ich kann ja mal ein gutes Wort beim Chef einlegen.“ Florian lachte. “Ich werde es mir überlegen.“ Kai nahm einen Zettel und schrieb seine Handynummer auf. “Rufen Sie mich an, wenn Sie Hilfe brauchen.“ Mit einem dankbaren Nicken nahm Florian den Zettel an sich. Dann verabschiedete er sich von Kai mit einem festen Händedruck. Leise verließ dieser das Krankenhaus und schlich zu seinem Unterschlupf zurück. Er hoffte irgendwie, dass Florian sich bei ihm melden würde, aber er glaubte nicht daran. Kai hätte ihn zu gern noch ein bisschen über sein früheres Leben ausgequetscht. Florian war ein Kriegsflüchtling und als solcher hatte er sicher schon einiges erlebt. Florian hatte noch ziemlich lange wach gelegen. Den Zettel mit der Nummer hatte er zerrissen, nachdem er sich die Nummer in sein Handy eingespeichert hatte. Vielleicht würde er Kai irgendwann anrufen, aber im Moment wollte er nur arbeiten und seine Vergangenheit vergessen.
Bereits drei Tage später verließ Kai die Stadt mit einem gemieteten Jeep. Er fuhr mit diesem bis nach Kuwait zum Stützpunkt der Army. Hier schaffte er es, einen Platz in einer Maschine zu ergattern, die ihn mit nach Frankreich nahm. Von dort war es nur noch ein Katzensprung bis zu sich nach Hause. Sein Chef äußerte sich sehr wohlwollend über den ganzen Stoff, den Kai ihm besorgt hatte. Deshalb gestattete er es ihm auch, dass Kai erst mal einige Wochen Urlaub nahm, um sich von den Strapazen und Eindrücken der letzen Monate zu erholen.
Ich kenn die Story zwar schon, aber es macht immer noch Spaß sie zu lesen.
- Kai als junger Reporter und auch noch im Kriegsgebiet...wenn Kai mit Osama nicht mal Recht behält. - Mit solch guten Berichten, kann er ja nur bei RTL landen. - Was passiert in Kuwait? - Der unbekannte Journalist kommt mir i-wie bekannt vor. *flöt* - In den 5 Jahren hat sich ja einiges geändert - Lieutenant Reginald Donaldson wurde zum Commander und Kai arbeitet nun bei RTL - Auch wenn es gefährlich ist/war, zum Glück ist Kai dort geblieben und hat gute Artikel/Berichte gemacht - Da hat ja Kai nochmal Glück gehabt, das er nciht entedeckt wurde. Umso mehr hat es Flo erwischt, der Arme. - Was hat Flo alles erlebt, das er nicht daürber reden will? - allerdings kommt es bekanntlich oft anders, als man denkt. - Ich hoffe es, das Flo noch einmal seinen "Lebensretter" sieht. - Kai ist doch nochmal zu ihm gefahren ins KH. Na dann, man sieht sich in Köln bei RTL wieder.
Ich hoffe du kannst mit den par Kommisätzen was anfangen.
Na, da hat Kai ja ordentlich was erlebt. Seinen alten Freund wiedergetroffen, vom Tod von dessen Ausbilder erfahren (*schnief*), in einem Krisengebiet "Urlaub" gemacht, nebenbei noch einen kroatischen Journalisten aus England mit Wohnsitz in Köln gerettet (was ne Staatsangehörigkeit!), und sich monatelang den Hintern abgerackert. Und was kriegt er dafür? Einen feuchten Händedruck und ein paar Wochen Urlaub...was für ein Job! Du hast mir nen schönen Schrecken eingejagt, als da stand, Flo hätte den Zettel mit der Nummer zerrissen....sowas von fies!!! Mach bitte ganz schnell weiter. Lg, Isi =) PS: Mir ist aufgefallen, dass wir einen Fehler übersehen haben. Ich glaube nicht, dass ObL eine "Tenororganisation" gründen würde...obwohl Gesang manchmal wesentlich schrecklicher ist als alles, was ne Waffe uns antun kann....wie DSDS stets beweist. *grins*
@Nic: Da ich meine Story kenne, kann ich damit was anfangen. Danke dir *knuddel*
@Isi: Das war mal wieder einer der vielen Fehler beim Scannen, wo aus zwei R auf dem Papier plötzlich ein N auf dem Rechner wurden *seufz*. Aber mit DSDS war gut .
LG Kitty
P.S.: Ich stell den nächsten Teil sicher in ein paar Tagen online.
Danke noch mal für das Interesse an der doch recht alten Story.
3. Kapitel - Endlich zu Hause
Die Zeit verging. Die Amerikaner siegten über Hussein, konnten gegen den Diktator selbst aber nichts ausrichten. Der zog sich vorerst aus der Öffentlichkeit zurück. Das Weihnachtsfest verbrachte Kai im Jahr ‘91 in Orlando, Florida bei Reginald Donaldson und seiner Familie. Er hatte eine Menge Spaß. Mit Rokko saß er oft zusammen und spielte Gitarre, während der Junge auf dem Klavier rumklimperte. Und Kai musste Donaldson zustimmen, Rokko hatte eine Menge Talent. Daniell, Donaldsons Frau, freute sich sehr, dass Kai da war. Ihr Mann hatte ihr nämlich eine Menge über seinen neuen Freund erzählt und sie war neugierig gewesen, was davon stimmte. Kai genoss die Festtage. Er schaffte es, endlich mal wieder abzuschalten und den Irak zu vergessen. Nur hin und wieder ertappte er sich dabei, dass er sich fragte, was Florian wohl gerade tat.
Kai blieb auch nach dem Weihnachtsfest in Orlando und kam erst Mitte Mai wieder zurück nach Deutschland. Seinem Chef gefiel dies zwar nicht besonders, aber er verstand es. Als Kai wieder zurück war, ging er als erstes zu Mahr. Er klopfte höflich und öffnete die Tür, als man ihn hereinbat. “Guten Morgen“, sagte er fröhlich. Dann erblickte er die zwei Männer, die um den kleinen Konferenztisch im Zimmer herumsaßen. Er grinste sie an. “Morgen.“ Man antwortete ihm. Kai wand sich an seinen Chef. “Soll ich später noch einmal wiederkommen?“, fragte er. “Nein, nein, komm mal rein, Kai.“ Der nickte und trat ein. “Setz dich.“ Als Kai am Tisch Platz genommen hatte, stellte sein Chef ihm die anderen vor. "Das ist Heiko Wasser. Er macht seit diesem Jahr die Kommentation zu den Formel 1 - Rennen. Und das...“ “... ist Christian Danner, ehemaliger Fahrer“, vervollständigte Kai den Satz. Er gab den beiden die Hand. “Kai Ebel, Reporter.“ “Richtig. Er ist sozusagen der Experte im Kommentationsteam.“ Kais Chef sah ziemlich zufrieden aus. “Du kennst dich ja ganz gut aus“, sagte er. “Ja, aber mir gefiel der Unterton eben überhaupt nicht. Was soll ich machen?“ Heiko und Christian lachten leise. Ihnen gefiel Kais freche Art. Mahr setzte sich nun ebenfalls. Er sah Kai ernst an. Der erwiderte den Blick. “Ich möchte, dass du zum nächsten Rennen nach Barcelona mitfährst und zusiehst, ob du dich da nützlich machen kannst.“ Erstaunt sah Kai ihn an. “Ich??? Wieso ausgerechnet ich? Ich habe doch kaum Ahnung von diesem Sport.“ “Soso, jetzt plötzlich. Christian und Heiko werden dir das Wichtigste mitteilen. Du lernst doch sonst so schnell. Versuch es wenigstens.“ “Meinetwegen“, seufzte Kai. “Aber ich übernehme keine Garantie.“ “Ihr kriegt das schon zusammen hin. Du übernimmst die Stelle als Chefreporter, dass heißt, dass ab jetzt alles über dich läuft.“ “Wer ist noch dort?“ “Im Moment Mike Thelen und Frank Memmler.“ Kai grinste. “Das wird Frank aber gar nicht passen, dass ich ihm plötzlich vor die Nase gesetzt werde. Er hat von diesem Job schließlich mehr Ahnung.“ “Vielleicht. Aber du kommst besser an die Leute ran.“ “Okay, ich wollte mir so ein Rennen schon immer mal live ansehen.“ Damit war die Sache erledigt. Kai rechnete fest damit, diesen Job höchstens bis zum Ende der Saison zu machen. Er hatte nie geahnt, dass die Formel 1 irgendwann einmal sein Lebensinhalt werden könnte.
Sie flogen bereits am Dienstag Mittag nach Barcelona, damit Kai noch etwas Zeit hatte, sich an seinen neuen Arbeitsplatz zu gewöhnen. Auf dem Flug nach Barcelona ließ Kai sich erst einmal von den anderen in die Geheimnisse der Königsklasse des Motorsports einweisen. Von den Regeln verstand er knapp die Hälfte. “Du wirst unser größtes deutsches Talent kennen lernen“, sagte Christian begeistert. “Michael Schumacher.“ Kai, der gerade an einem Sandwich knabberte, verschluckte sich fast. “Michael? Talent? Seit wann?“ Die anderen starrten ihn entsetzt an. "Du kennst ihn?“ “Klar, von den Cart-Rennen. Und damals hat er immer gegen Heinz-Harald verloren.“ “Stimmt, du hast ja Heinz-Harald Frentzen unterstützt. Ihr kommt beide aus Mönchengladbach?“ Kai nickte. "Genau. Damals war Michael jedenfalls nicht so gut. Er hatte kein Durchhaltevermögen.“ “Er ist besser geworden.“ Christian sah ihn ernst an. “Sogar Senna hat Respekt vor ihm.“ “Oh. Nicht schlecht.“ Kai grinste breit. “Michael wird begeistert sein, wenn ich dort auftauche, das kann ich euch jetzt schon versprechen.“ “Ihr werdet schon miteinander klar kommen.“ “Gibt‘s sonst noch was, was ich unbedingt beachten sollte.“ “Eigentlich nicht“, sagte Heiko. “Nur Bernie Ecclestone darfst du nicht ärgern. Er ist der Meister, ohne ihn gäbe es die Formel in ihrer jetzigen Form gar nicht. Egal was er macht und sagt, er hat immer Recht.“ Kai zog eine Augenbraue hoch. “Ich werde es versuchen. Aber ich garantiere für nichts.“
Als er das erste Mal mit den anderen durch die Boxengasse schlenderte, war Kai doch ziemlich beeindruckt. Vor allem von den Menschenmassen. “Wie viele Mechaniker braucht man, um einen Reifen aufzuziehen“, murmelte er und grinste. Heiko und Christian stellten Kai einige wichtige Personen vor. Vor einer Garage entdeckte Kai zwei sich streitende Fahrer. Er grinste breit und schaute dem Disput eine Weile zu. Michael Schumacher musste sich eine ziemlich laute Rüge von Ayrton Senna gefallen lassen. Kai war verblüfft, dass er sich nicht wehrte. So kannte er den jungen Rennfahrer gar nicht. Irgendwann hatte sich Senna abgeregt und verzog sich. Schumacher stand ziemlich bedröppelt vor der Box und starrte wütend auf seine Schuhspitzen. Kai ging grinsend auf ihn zu. “Na Michael, der war wohl noch ‘ne Nummer zu groß für dich?“ Schumacher riss die Augen auf und starrte Kai an, wie einen Geist. “K… Kai? Was machst du denn hier?“ “Arbeiten. Ich bin von RTL als Reporter hergeschickt worden.“ Sein Grinsen wurde breiter. “Um Himmels Willen“, jammerte der Rennfahrer. “Als hätte ich nicht schon genug Probleme.“ Verzweifelt schaute er Kai an. Der legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. “Wir werden uns schon irgendwie einigen. Mit ein bisschen Kompromissbereitschaft von deiner Seite natürlich.“ Offen sah er ihn an. “Wie meinst du das?“ “Das erkläre ich dir bei einem Bier. Heute Abend gegen acht Uhr?“ “Okay. Treffen wir uns wieder hier.“ Kai nickte und verabschiedete sich von dem Rennfahrer. Er ging zurück zu seinem Team und lächelte siegessicher. “Nicht schlecht“, gab Frank Memmler zu. “Ich kenne Michael seit einem Jahr und schaffe es nicht, an ihn ranzukommen.“ “Ich kenne ihn seit über zehn Jahren. Mal sehen, wie es mit den anderen Fahrern klappt.“ Heiko zwinkerte Christian zu. “Er hat Lunte gerochen. Langsam verstehen ich, warum Mahr unbedingt ihn hierher schicken wollte.“ Kai sah die beiden Kommentatoren erstaunt an und grinste dann breit.
Er schaffte es wunderbar, sich in diesen großen Zirkus einzufügen. Bereits nach zwei Rennen wusste er genau, wie hier der Hase lief. Er kannte die wichtigsten Leute und war mit fast allen Fahrern per Du. Die Fahrer hatten nämlich zwei Dinge sehr schnell begriffen. Erstens hatte Kai so eine gute Menschenkenntnis, dass es unmöglich war, ihm etwas vorzumachen. Er bekam immer raus, was er wissen wollte. Und zweitens, Kai konnte den Mund halten. Er hatte einige Male eine gute Story sausen lassen, weil er wusste, er hätte damit einem von ihnen geschadet. Diese Arbeitsauffassung hatte Kai den Respekt und das Vertrauen der Menschen der Formel 1 - Szene eingebracht. Und Kai war sich dessen durchaus bewusst. Er half gern mal jemandem, aber er vergaß niemals, wer ihm noch einen Gefallen schuldig war. Nach den Rennen gab es oft kleinere Partys. Kai war bereits nach kurzer Zeit ständiger Gast. Und damit war er der einzige Journalist, der an diesen Feiern teilnehmen durfte. Der Reporter fühlte sich wohl in seinem neuen Job. Er hatte viele nette Leute kennen gelernt, verdiente eine Menge Geld und braucht offiziell nur ein halbes Jahr zu arbeiten. Allerdings vergaß er nie ganz, was er früher getan hatte. Er hielt sich ständig auf dem Laufenden, was die allgemeine Weltpolitik anging und er war auch durchaus bereit, zwischen den Rennen mal ins Ausland zu fahren. Mit Donaldson hielt er per Telefon und Briefen ständigen Kontakt.
So verging Kais erstes Jahr bei der Formel 1. Sein Chef äußerte sich lobend über Kais Arbeit und gab ihm den Rest des Jahres frei. Kai nahm das natürlich dankend an. Kurz vor Weihnachten entschloss er sich, seine Eltern zu besuchen. Er hatte sie seit einigen Monaten nicht mehr gesprochen und war fast drei Jahre nicht mehr zu Hause gewesen. Da sie viel reisten, hatten sie und Kai sich ab und zu unterwegs irgendwo getroffen. Er konnte aber nicht mit leeren Händen vor ihnen stehen, also zog er eine Woche vor den Feiertagen los, um ein paar Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Ganz Köln war geschmückt. An jeder Ecke standen Weihnachtsmänner oder irgendwelche Stände mit Leckereien und Glühwein. Kai liebte dieses weihnachtliche Gesicht seiner Stadt. Er ging in einige Läden und besorgte eine ziemlich teure Flasche Whiskey für seinen Vater und ein Buch für seine Mutter, welches die schon seit einiger Zeit suchte. Bei seinem Bruder war er etwas unschlüssig. Dann jedoch kam ihm ein glänzender Gedanke. Er würde ihm eine VIP-Karte für ein Formel 1 - Rennen schenken. ‘Gerd macht Luftsprünge', dachte Kai. Er kannte seinen Bruder. Der war ein riesiger Rennsportfanatiker. Gut gerüstet schwang sich Kai in seinen neuen Wagen und fuhr los. Erst vor zwei Wochen hatte er sich schweren Herzens von seinem alten BMW getrennt und sich einen metallic dunkelgrün lackierten Audi A6 geholt. Er war zufrieden mit seinem Tausch. In den BMW hatte er mittlerweile so viel Geld rein gesteckt, dass es für zwei Neuwagen gereicht hätte. Nach knapp drei Stunden kam er zu Hause an. Die Villa von Kais Eltern sah aus wie früher. Es hatte sich so gut wie nichts verändert. Vor der Treppe, die zur Eingangstür hoch führte, stand Gerds metallicschwarzer Porsche. Kai parkte hinter dem Wagen und stieg lächelnd aus. Die Tür wurde geöffnet und Gerd trat nach draußen, um zu sehen, wer da kam. Als er Kai erkannte, legte sich ein Grinsen auf sein Gesicht. Er lief Kai entgegen und umarmte ihn stürmisch. “Hey, großer Bruder, wie geht es dir?“ “Du brauchst dich gar nicht einzuschleimen“, sagte Kai grinsend. “Ich bin nur Reporter und habe keine Sonderkarten für die Rennen.“ Enttäuscht sah Gerd ihn an. Dann jedoch lachte er. Er half Kai mit seiner Tasche. Im Haus kam Kai seine Mutter entgegen. Sie umarmte ihn herzlich. “Schön, dass du dich mal wieder hier sehen lässt.“ Sie sah ihn an. “Es ist schön, mal wieder hier zu sein. Du siehst klasse aus, Mama.“ “Ach.“ Sie lächelte. “Alter Charmeur.“ Dann deutete sie auf die Bibliothek. "Dein Vater wartet schon.“ Kai zog seine Jacke aus und betrat das große Zimmer, welches mit Büchern vollgestopft war. Als Jugendlicher hatte er hier viel Zeit verbracht. Ein kleiner runder Tisch stand vor dem Kamin, der gegenüber der Tür in die Mauer eingelassen war. Auf einem der Stühle, die um den Tisch herum standen, saß Kais Vater und las. Er blickte auf, als er hörte, dass jemand das Zimmer betrat. “Hallo, Pa“, sagte Kai und ging zu ihm. “Kai“, sagte der erfreut. Er schloss seinen Sohn in die Arme. Dann zog er ihn zu dem Tisch hinüber und deutete auf ein Buch. “Kannst du mir mal erklären, wie man bei einem 150-seitigen Regelwerk den Durchblick behalten soll?“ Kai sah sich den Einband des Buches an und lachte auf. Es war ein Regelwerk über die Formel 1. “Nein, kann ich nicht, Pa. Ich bin auch noch beim Lernen. Frag doch mal Gerd" “Um Himmels Willen. Der hält mir einen Vortrag, der nach Weihnachten immer noch läuft.“ Die beiden lachten. “Ich gehe erst einmal hoch.“ Kais Vater nickte. “Tu das.“ Kai ging zur Tür. “Kai“, rief ihm sein Vater hinterher. Er drehte sich um und sah ihn fragend an. “Schön, dass du gekommen bist.“ Kai lächelte und verschwand. Es fühlte sich gut an, zu Hause willkommen zu sein. Er schnappte sich seine Tasche und ging langsam die Treppe hoch. Sie war aus kostbarem Holz und mit einem breiten Läufer ausgelegt. Kai spürte wieder diesen Hauch von Luxus, in welchem er aufgewachsen war. Er konnte darauf verzichten, dass hatte er sich bewiesen. Aber irgendwie war es auch schön, ihn zu genießen. Eine gewisse Nervosität beschlich Kai, als er vor der Tür zu seinem alten Zimmer stand. Er legte die Hand auf die Klinke und öffnete die Tür zu seiner Vergangenheit. Da hörte er ein Geräusch, welches nicht zu seinem Zimmer gehörte. Das leise Knauen einer Katze. Verwundert sah Kai nach unten. Vor ihm saß die Miniausgabe einer grau gestreiften Katze und schaute ihn aus großen Augen an. “Wer bist du denn?", fragte Kai. Er erhielt sogar eine Antwort in Form eines lang gezogenen Knauens. Kai lächelte. Früher hatte er mal einen großen pechschwarzen Kater gehabt. Aber der war vor vielen Jahren gestorben. Und eigentlich war seine Mutter immer gegen Tiere im Haus gewesen. Kai ging zu seinem Bett und stellte seinen Rucksack daneben. Erschöpft ließ er sich auf das Bett fallen. Die kleine Katze knaute kurz und sprang dann mit einem Satz auf Kais Bauch. Eine Weile stand sie dort und schaute ihn an. Er grinste und fing an sie zu streicheln. Sie legte sich hin und schnurrte. Eine Weile kümmerte sich Kai um das Tier. Dann ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Auf einem Regal über seinem Schreibtisch standen einige Pokale und Gürtel. Es waren Siegprämien, die er für seine hervorragenden Leistungen im Boxen bekommen hatte. Kai überlegte, ob er es heute noch mit seinen damaligen Gegnern aufnehmen könnte. Er bezweifelte es. In letzter Zeit hatte sich der Reporter mehr um seine Selbstverteidigung gekümmert. Er trainierte regelmäßig Karate und Judo in einem Club in Köln. Und Donaldson hatte ihn in Kuwait noch ein bisschen in die Kunst des Shuh-Wang eingewiesen. Dies war eine Kampfsportart, die vor allem von Spezialagenten und KSK-Soldaten benutzt wurde. Und Donaldson war sehr zufrieden mit Kais Techniken. Unter dem Regal mit den Trophäen standen Bilder, die Kai mit einigen seiner Freunde zeigten. Im Gegensatz zu Gerd hatte Kai echte Freunde gehabt. Er hatte sie nicht für sich gewonnen, indem er mit seinem Geld rumgeprotzt hat, sondern mit seiner sympathischen und natürlichen Art. Er hatte es immer geschafft, an die Menschen ranzukommen. Das war seine wichtigste Waffe in seinem Job als Reporter. Und es war auch der Grund, warum sein Vater eigentlich gewollt hatte, dass Kai seine Geschäfte übernimmt. Er hatte es zwar akzeptiert, als Kai sich für den Journalismus entschieden hatte, aber das nur sehr ungern. Zum Glück hatte sich Gerd als sehr interessiert und lernfähig gezeigt, so dass er die Geschäfte ihres Vaters übernehmen konnte. Kais Vater war ein weltweit anerkannter Bankier. Seine Mutter eine Schmuckdesignerin. Kai war mit viel Geld groß geworden und er war stolz darauf, dass es ihn nicht verdorben hatte. “Kai, kommst du essen?“, rief sein Bruder von unten. “Ja“, antwortete Kai. Er stand auf, dabei rutschte allerdings die Katze runter. Verwirrt sah sie ihn an. “Komm mit essen“, sagte Kai und verließ sein Zimmer. Die Katze knaute kurz und folgte ihm tatsächlich. Er genoss die Zeit zu Hause und blieb bis Mitte Januar bei seinen Eltern. Danach reiste er zurück nach Köln.
In der nächsten Saison war Kai von Anfang an bei den Rennen dabei. Und er musste zugeben, dass er sich im letzten Jahr geirrt hatte. Michael Schumacher war ein Talent ohne Gleichen. Und Kai war sich sicher, dass er irgendwann größer und berühmter sein würde als jeder andere Fahrer vor ihm. Die Rennen waren mehr als spannend. Es war bis zum Ende nicht ersichtlich, wer Weltmeister werden würde. Aber letztendlich setzte sich Alain Prost gegen Ayrton Senna durch. Nach dem letzten Rennen wurde Kai von Michael Schumacher zur Seite genommen. “Kai, ich muss mal mit dir reden.“ “Sicher“, sagte der und legte sein Mikro weg. Er ging mit Michael in die Garage. “Was ist?“ Michael grinste ihn an. “Hier, eine Einladung“, sagte er und überreichte Kai feierlich eine kleine Karte. “Es geht um eine Weihnachtsfeier, die die Fahrer und Teamchefs jedes Jahr feiern.“ “Weihnachtsfeier? Davon wusste ich ja noch gar nichts“, sagte Kai empört. Es kam nur sehr selten vor, dass ihm etwas entging. “Das soll wohl so sein. Kein Journalist weiß das. Du bist der erste, der dazu eingeladen ist.“ “Cool“, sagte Kai. Er las die Karte. “In München? Wieso München?“ Schumacher zuckte mit den Schultern. “Keine Ahnung, Tradition.“ Er grinste Kai an. “Kannst dir was drauf einbilden.“ “Das tu ich“, sagte Kai grinsend. “Garantiert.“ “Aber, halt den Mund, okay?“ “Selbstverständlich.“ Schumacher verabschiedete sich und ging. Kai war stolz auf dieses Privileg. Und er nahm sich vor, auf jeden Fall zu der Feier zu gehen.
Die Weihnachtsfeier fand am 22. Dezember in einem Münchener Fünf-Sterne-Hotel statt. Kai hatte sich ein Zimmer in dem Hotel gebucht. Er reiste am Nachmittag an. Als er den Saal betrat, wo die Feier stattfand, waren schon einige Leute versammelt und unterhielten sich angeregt. Im Hintergrund spielte leise Musik. Kai wurde von allen freundlich begrüßt. Er schlenderte mit einem Glas Champagner in der Hand zu Michael hinüber. “Hey“, sagte er kurz. “Hallo, Kai.“ Der Rennfahrer deutete auf eine blonde Frau, die neben ihm stand. “Corinna brauche ich dir ja nicht vorstellen, oder?“ “Natürlich nicht“, sagte Kai. “Hallo, Corinna Wir haben uns ja lange nicht gesehen. Seid ihr...?“ Schumacher nickte und legte den Arm um die Hüfte der Frau. “Ja. Sind wir.“ Kai zog die Augenbrauen hoch. “Was sollte der Blick eben bedeuten?“, fragte Michael skeptisch. “Das sag ich dir lieber noch nicht, sonst verderbe ich dir die Laune.“ “Spuck es aus, Kai“, sagte Michael. Einige andere Fahrer standen inzwischen um die drei herum. Kai wusste oft interessante Dinge, von denen sie noch keine Ahnung hatten. Der Reporter grinste leicht. “Mercedes kriegt doch einen neuen Fahrer.“ Schumacher nickte. “Es ist ein Deutscher. Du kennst ihn.“ Verstehen leuchtete in den Augen des Rennfahrers. “Heinz?“ Kai nickte langsam. “Er hat mich heute morgen aus dem Bett geklingelt und mir erzählt, dass er gerade den Vertrag unterschrieben hat.“ Michael Schumacher ließ sich auf einen Stuhl fallen. “Geht das schon wieder los.“ Kai nickte. “Genau wie in den alten Zeiten.“ Michael und Heinz waren immer Rivalen gewesen, in allen Bereichen. Sowohl im Sport als auch wenn es um Frauen ging, hatten die beiden sich ständig bekämpft. Heinz hatte im Sport meistens gewonnen. Aber eins hatte er verloren. Und Kai war sich sicher, dass er das immer noch nicht überwunden hatte und nur auf eine Gelegenheit wartete, um mit Michael abrechnen zu können. Der hatte ihm nämlich Corinna ausgespannt. Nicht, weil er sich in sie verliebt hatte, sondern nur um Heinz zu ärgern. Deshalb war Kai auch etwas verwundert gewesen, dass Michael jetzt wieder mit Corinna zusammen war. Heinz-Harald Frentzen war nach einer ziemlich heftigen Auseinandersetzung mit Michael Schumacher nach Japan gegangen. Dort war er in der Formel Nippon ziemlich erfolgreich. Als ihm Mercedes jedoch ein Cockpit in der Formel 1 angeboten hatte, hatte er natürlich zugesagt. So eine Chance ließ sich kein Rennfahrer entgehen. Der Reporter war gespannt auf die nächste Saison. Da würde sicher Feuer drin sein. Auch neben den Rennen.
Kai fuhr am 23. Dezember wieder nach Köln. Seine Eltern waren in Kanada. Ein Geschäftstermin. Sie hatten Kai angeboten mitzukommen, doch er hatte abgelehnt. Also würde er diese Weihnachten wohl allein feiern. Es kam nicht ganz so schlimm. Kai traf sich mit einigen Freunden und verbrachte den 24. Dezember in einer netten ruhigen Bar. Es war weit nach zwei Uhr morgens, als er sich auf den Weg nach Hause machte. Um diese Zeit war selbst eine Stadt wie Köln ruhig. Kai lief relativ schnell, da es sehr kalt war. Als er fast auf einer zugefrorenen Pfütze ausrutschte, bewegte sich vorsichtiger. Er lief über den Platz vor dem Dom. In der Dunkelheit sah er vor der Kirche eine Person stehen. Sie schien in Gedanken und schaute die ganze Zeit nach oben. Kai schüttelte den Kopf und wollte schon weitergehen. Dann jedoch blieb er stehen. Er sah, wie die unbekannte Person den Kopf senkte und ihn anschaute. Es war jemand, den Kai sehr gut kannte. “Ich glaube es nicht“, hauchte Kai leise. Er ging auf den Mann zu. “Hallo Florian“, sagte er, als er vor ihm stand. Der lächelte ihm zu. “Das nenne ich Zufall. Frohe Weihnachten, Kai.“ “Frohe Weihnachten.“ Die beiden umarmten sich kurz. “Ich freue mich, Sie hier zu sehen. Was macht das Bein?“ “Dem geht es hervorragend. Ich bin übrigens weg aus England. Habe sogar schon eine Wohnung hier in Köln. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause, als ich hier vorbeikam. Und Sie?“ “Ich wollte auch Heim. Ich komme gerade von einer Party. Weihnachtsparty mit ein paar Freunden.“ Florian nickte traurig. “Wo wohnen Sie eigentlich?“, fragte Kai, um ihn abzulenken. “Templerstraße fünf.“ Kai riss die Augen auf. “Welcher Stock?“ “Elfter. Ganz oben.“ “Lassen Sie mich raten. Linke Seite von der Treppe aus.“ Florian nickte verblüfft. “Gut geraten.“ “War nicht schwer. Es gibt in dem Haus nur zwei Wohnungen pro Etage und in der rechten wohne ich.“ Jetzt war es Florian, der staunte. “Kein Scherz?“ Kai schüttelte den Kopf und lachte. Florian stimmte mit ein. Zusammen gingen sie zu ihrem Mietshaus. Als sie im Flur standen, fragte Kai: “Wollen Sie noch ein bisschen mit reinkommen? Sie haben doch sicher noch nicht ausgepackt, oder?“ “Nein, habe ich tatsächlich nicht.“ Florian überlegte kurz. “Warum nicht. Ich nehme die Einladung gern an.“ “Toll“, sagte Kai und schloss die Tür zu seiner Wohnung auf. Er überließ Florian den Vortritt. Der sah sich kurz um. “Sieht genauso aus wie bei mir. Nur gemütlicher.“ Kai lachte kurz. Die Wohnungen in dem Haus hatten alle dieselbe Grundstruktur. Wenn man zur Haustür hereinkam, stand man in einem kleinen Flur, der an einer Tür endete. Dahinter befand sich eine Abstellkammer. Auf der rechten Seite des Flures lag ein Bad, eine kleine Küche und ganz hinten ein Schlafzimmer. Auf der linken Seite hatte Kai sich ein Arbeitszimmer eingerichtet. Es hatte sogar einen kleinen Balkon. Außerdem führte eine Tür zum Wohnzimmer hinüber, welches noch eine weitere Tür zum Flur besaß. Florian hatte seine Jacke ausgezogen und an den Haken gehängt. Er folgte Kai ins Wohnzimmer. Dort ließ er sich auf einen Sessel fallen. Eigentlich war er müde, aber er hatte keine Lust, jetzt allein zu sein. Irgendwie freute er sich, dass Kai genau gegenüber wohnte. Kai war ebenfalls begeistert von diesem Zufall. Er zog seine Jacke aus, warf sie im Schlafzimmer auf das Bett und ging in sein Arbeitszimmer. Dort standen in einem kleinen Schrank in der Ecke einige Whiskeyflaschen für besondere Anlässe. Und Kai fand, dass dieser Anlass schon besonders war. Er nahm eine halbvolle Flasche und zwei Gläser heraus und brachte sie ins Wohnzimmer. Er schenkte sich und Florian etwas ein und schob seinem Gast ein Glas zu. “Danke“, sagte Florian. “Worauf trinken wir?“ “Auf die Zufälle, die das Leben so überraschend machen.“ Florian nickte und stieß mit Kai an. “Auf die Zufälle.“ Sie tranken und stellten die Gläser weg. Entspannt schloss Florian die Augen. “Hier ist es so gemütlich. Bei mir drüben,.. ach seufz.“ Kai lächelte. “Wenn Sie wollen, können Sie heute Nacht hier schlafen. Die Couch ist sehr gemütlich. Und morgen richten wir zusammen Ihre Wohnung ein. Ich helfe Ihnen dabei, wenn Sie möchten.“ Florian überlegte kurz. “Das kann ich nicht annehmen.“ “Doch“, sagte Kai entschieden. Florian nahm den Whiskey und schenkte Kai und sich noch mal etwas ein. “Dann sollten wir aber endlich mit dem Sie aufhören.“ Kai nickte zustimmend. “Auf gute Nachbarschaft, Florian. Der lächelte und trank das Glas auf einen Zug leer. “Ich habe seit zehn Jahren das erste Mal das Gefühl, zu Hause zu sein“, gestand er. Dann gähnte er. "Entschuldigung.“ “Kein Problem. Willkommen zu Hause“, sagte Kai lächelnd. Er sah in Florians müdes Gesicht. “Wir sollten uns hinlegen. Es ist inzwischen halb vier. Wir können morgen noch genug reden.“ Florian nickte. “Einverstanden.“ Er setzte sich auf die Couch und fiel einfach zur Seite. “Ist die bequem“, seufzte er. “Ich weiß“, sagte Kai. “Ich hole dir noch eine Decke.“ Florian war inzwischen wieder aufgestanden und verschwand noch kurz im Bad. Er lachte ziemlich laut. Als er zurückkam, grinste er Kai breit an. “Der Spruch ist gut.“ Kai grinste zurück. “Ich weiß. Habe ich mal bei einem Trödler entdeckt.“ Er hatte in seinem Bad nämlich eine kleine Holztafel über der Toilette hängen. Darauf stand: ‘Such keine Witze an der Wand, den größten hältst du in der Hand.‘ Im Wohnzimmer hatte Kai ein provisorisches Bett für seinen Gast hergerichtet. Florian zog seinen Pullover aus und kroch dann mit seiner Jeans und einem T-Shirt bekleidet unter die Decke. Kai konnte nachvollziehen, dass der heute nicht allein in einer fremden kahlen Wohnung sein wollte. Nicht ausgerechnet Heilig Abend. Florian war fast augenblicklich eingeschlafen. Kai lächelte leicht. Als er das Zimmer verließ, nahm er sein schmutziges Glas mit. Die Flasche und Florians Glas ließ er auf dem Tisch stehen. Vielleicht bekam der ja noch einmal Durst. Dann ging auch er ins Bett.
Als Kai am nächsten Vormittag aufwachte, schlief sein Gast noch fest. Also ging er erst mal Duschen. Er war gerade dabei, Frühstück zu machen, als Florian in der Tür stand. “Morgen“, nuschelte der verschlafen. “Morgen. Na, geht‘s dir besser?“ Florian nickte. “Ja. Danke, dass ich hier schlafen durfte. Ich hatte echt nicht die Kraft, in meine leere Wohnung...“ Kai winkte ab. “Schon okay.“ Nach dem Frühstück gingen die beiden Männer rüber zu Florian. Kai beschrieb sie kurz mit den Worten: ‘Man ist das kahl hier, da kriegt man ja Depressionen‘ und half Florian dann beim Auspacken von dessen Sachen. Allzu viele hatte der nicht mitgebracht. Sie arbeiteten bis zum frühen Nachmittag. Erschöpft setzten sie sich auf Florians Couch. “Schon besser“, sagte Florian. Kai nickte zustimmend. Er grübelte kurz und sprang dann auf. Eilig lief er in seine Wohnung und kam wenige Minuten später mit einem Gummibaum zurück. “Damit es nicht so kahl aussieht, überlasse ich dir für eine Weile meinen Benjamin“, sagte Kai in einem feierlichen Tonfall und stellte die Pflanze auf die Fensterbank. Florian lachte. Dann sah er Kai mit leuchtenden Augen an. “Danke, Kai. Danke für alles.“ “Jetzt hör endlich auf, dich für alles zu bedanken. Denk lieber daran, den Ben jeden Tag zu gießen.“ “Selbstverständlich.“ Eine Weile saßen sie auf dem Sofa von Florian und begutachteten ihr Werk. Kai sah Florian an. “Du hast sicher nichts zu essen hier, also sollten wir zu mir rüber gehen.“ “Gute Idee.“ “Was willst du essen?“, fragte Kai. “Egal“, sagte der. Kai grübelte. “Ich weiß nicht, ob ich die Zutaten dafür im Kühlschrank habe, aber ich kann ja mal nachsehen.“ Er grinste Florian breit an. Der lachte. “Du hast einen herrlich trockenen Humor. Soviel wie heute habe ich die letzten Jahre nicht gelacht.“ “Dann wurde es aber Zeit.“ Zusammen gingen sie wieder in Kais Wohnung. Da aber dessen Kühlschrank auch nicht gerade auf Besuch eingestellt war und außerdem der erste Weihnachtsfeiertag war, entschlossen sie sich, Essen zu gehen. Eine Weile liefen sie durch die heute doch sehr ruhige Stadt und suchten nach einem Restaurant. Sie entschieden sich schließlich für einen Italiener. Kai bestellte sich eine Pizza, während Florian sich an Spaghetti hielt. Nicht das typische Weihnachtsessen, aber es schmeckte ihnen. Als sie mit dem Essen fertig waren, standen sie eine Weile unschlüssig auf der Straße rum. Nach Hause wollten sie eigentlich nicht, aber was sie jetzt unternehmen sollten, wussten sie auch nicht. Plötzlich klingelte Kais Handy. Er ging ran. Nach einer Weile beendete er das Gespräch. "Das war Frank Memmler. Er ist mein Co-Reporter bei den Formel 1-Übertragungen. Hast du sie schon mal gesehen?“ “Ja“ Kai nickte zufrieden. “Frank versucht gerade noch ein paar andere Kollegen von uns zusammen zu trommeln. Er will eine kleine Party feiern. Gehen wir hin?“ “Wir? Ich gehöre aber nicht zu eurem Team,“ “Noch nicht“, sagte Kai grinsend. “Wenn es klappt, schaut mein Chef auch vorbei.“ Florian wurde hellhörig. “Hey, da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden.“ “Natürlich“, sagte Kai. “Gehen wir, oder nehmen wir den Bus?“ “Ich wäre für Laufen“, sagte Florian. Kai hatte eben eine sehr überzeugende Art. “Das sind fast fünf Kilometer.“ “Egal“, sagte Florian. Leise fügte er hinzu: “Ich bin schon weiter gelaufen.“ “Was hast du gesagt?“ “Ach nichts weiter.“ Florian blickte auf den Boden und ging etwas schneller. Kai zuckte mit den Schultern und folgte ihm.
Es war fast 17.00 Uhr, als Kai und Florian die Wohnung von Frank Memmler erreicht hatten. Der Reporter öffnete ihnen. Am Lärm, der aus der Wohnung kam, war zu hören, dass die Party bereits in vollem Gange war. Florian zögerte kurz, doch Kai fasste ihn einfach am Ärmel seiner Jacke und zog ihn mit in die Wohnung. “Hallo Kai“, wurde er von allen Seiten begrüßt. Kai nickte zurück. “Seid mal kurz still“, sagte er und deutete auf Florian. “Das ist Florian König. Er ist Reporter und wohnt seit gestern hier in Köln.“ “Hi“, sagten die anderen. “Du hast halt schon immer schnell Freundschaften geschlossen“, stichelte Frank Memmler. “Wir kennen uns bereits seit zwei Jahren. Wir sind uns im Irak über den Weg gelaufen.“ “Sehr witzig“, sagte Florian und funkelte Kai verärgert an. Kai grinste. “Entschuldige. Ich bin gelaufen, Florian saß mit ‘ner Schussverletzung im Bein in einer Seitengasse rum.“ “Das klingt spannend“, sagte Heiko. “Erzählt doch mal der Reihe nach.“ Die beiden Neuankömmlinge setzten sich und erzählten noch einmal, bei einem Glas Bier und mit einigen Übertreibungen, wie sie sich kennen gelernt hatten. Kai gelang es, die ganze Geschichte noch dramatischer zu machen, als sie sowieso schon war. “So schlimm hatte ich es gar nicht in Erinnerung“, sagte Florian am Ende. Kai und die anderen lachten. Gegen Mitternacht kam dann tatsächlich Hans Mahr vorbei. Kai stellte ihm Florian vor und erwähnte, ganz nebenbei natürlich, dass der ein hervorragender Journalist war und viele Vorzüge hatte. Mahr grinste. Er winkte Kai zur Seite und redete kurz mit ihm. Mahr nickte und wand sich wieder an Florian. „Interessieren Sie sich für den Rennsport?“ Der nickte. “Sehr sogar.“ “Prima. Ich plane nämlich eine Art Vor-. und Nachbericht zu den einzelnen Formel 1 - Rennen. Ich war bis jetzt nur noch auf der Suche nach einem geeigneten Moderator.“ Fragend sah er Florian an. “Trauen Sie sich das zu?“ Der zuckte mit den Schultern. “Ich habe noch nie vor der Kamera gestanden.“ “Das lernen Sie ganz schnell. Also?‘ Eine Weile überlegte Florian, dann nickte er. “Okay. Ich mach es.“ “Yessss“, sagte Kai leise. Unschuldig grinsend sah er die anderen an. “Ich erwarte sie am siebten Januar in meinem Büro. Kai kennt den Weg.“ Er gab seinem neuen Mitarbeiter die Hand. Damit war die Sache erledigt und Florian hatte einen guten Job. Auch die anderen waren begeistert. Sie mochten Florians ruhige Art und seinen ziemlich schwarzen Humor. “Wo wohnst du eigentlich?“, frage Christian Danner ihn. “Bei Kai gegenüber“, sagte Florian grinsend. “Praktisch“, meinte Mahr. Es war bereits früh am Morgen, als Florian und Kai sich von den anderen verabschiedeten. Sie hatten sich ein Taxi bestellt und fuhren zurück zu ihren Wohnungen. Während der nächsten Tage trafen sie sich jeden Tag. Kai zeigte Florian die wichtigsten Locations und die Gegenden, die er unbedingt meiden sollte. Florian war ihm dafür sehr dankbar. Er fühlte sich richtig wohl hier in Köln.
Am Abend des 28. Dezember saßen Kai und Florian in Kais Wohnung und schauten gerade die Nachrichten, als Kais Telefon klingelte. “Ja“, meldete der sich. “Hallo Kai“, kam die schwache Stimme von Donaldson aus dem Hörer. Kai schaltete den Lautsprecher an, so dass Florian mithören konnte. “Von dir hat man ja ewig nichts gehört, Reg. Wo hast du dich rumgetrieben?“ “In der Hölle“, murmelte er. “Somalia“, fügte er dann hinzu. Florian sah Kai geschockt an. “Ach du Sch... wie geht es dir? Warst du bei der Einheit in Mogadischu?“ “Ja“, sagte Donaldson. “Ich war mittendrin. Erinnerst du dich an Lieutenant Johnson?“ “Der junge Soldat, den du in Kuwait so zusammengeschissen hast? Sicher.“ “Er ist einer der 18 Toten.“ Kai schwieg eine Weile betroffen. “Wie geht es dir?“, fragte er schließlich. “Ich hatte vier Kugeln im Körper und habe eine ganze Weile im Koma gelegen.“ “Was? Wieso hat mich Daniell nicht informiert?“ “Sie wollte dich nicht beunruhigen, Kai. Nimm es ihr nicht übel.“ Kai schüttelte den Kopf. “Natürlich nicht. Aber ich hätte ihr helfen können. Bist du jetzt zu Hause oder noch im Krankenhaus?“ “Ich werde morgen entlassen. Wenn du Sylvester noch nichts vorhast, komm doch nach Florida.“ Kai zögerte kurz und sah zu Florian hinüber. “Was ist los, Kai?“, fragte Donaldson. Seine Stimme klang leicht belustigt. “Erinnerst du dich an den Reporter, den ich im Irak getroffen habe. Ich habe dir doch davon erzählt.“ “Der mit der Beinverletzung?“ “Genau der. Er wohnt jetzt hier in Köln.“ “Schau an“, sagte Donaldson leise. “Bring ihn doch mit“, schlug er vor. “Die Kinder freuen sich immer, wenn sie jemanden zum Spielen haben.“ Fragend sah Kai Florian an. Der überlegte kurz und nickte dann. “Ich wollte schon immer mal nach Florida“, sagte er leise. “Okay, Reg, wir kommen so bald wie möglich. Morgen oder übermorgen, je nachdem wann ein Flieger zu euch fliegt.“ “Super. Ich freue mich dich wieder zu sehen und deinen mysteriösen Freund mal kennen zu lernen.“ Er legte auf. “Mysteriös?“, fragte Florian. “Ich habe ihm erzählt, wie wir uns kennen gelernt haben und er mag die Story.“ Florian grinste und widmete sich wieder seinem Whiskey und dem Fernsehprogramm. Kai rief währenddessen beim Flughafen an und reservierte für sich und Florian Plätze in einer Maschine in die USA. Als er aufgelegt hatte, nahm er sein Glas und trank einen Schluck. “Wir fliegen morgen Nachmittag um 17.55 Uhr nach New York. Von dort können wir mit dem Auto weiter.“ “Wo genau wohnt Donaldson eigentlich?“ “Orlando,“ “Cool.“ Florian freute sich auf die Reise. Kai ebenfalls. Obwohl bei ihm die Sorge um seinen Freund siegte. Er wollte unbedingt sehen, wie es ihm ging.
Am nächsten Tag flogen die beiden nach Amerika. Aufgrund der Zeitverschiebung kamen sie dort um neun Uhr Ortszeit am 30. Dezember an. Sie mieteten sich einen Wagen und fuhren die Strecke bis Orlando. Da Kai im Flugzeug geschlafen hatte, übernahm er den ersten Teil der Strecke. Florian schaute sich eine Weile die Gegend an und schlief irgendwann ein. Von einer Tankstelle aus telefonierte Kai mit Donaldson und unterrichtete den kurz davon, wo er war und wie lange er ungefähr brauchen wurde. Sie erreichten das Haus von Donaldsons Familie am frühen Abend. Florian hatte die ganze Zeit geschlafen und stieg ziemlich ungelenk aus dem Auto. “Guten Morgen“, sagte Kai grinsend. Florian wollte etwas erwidern, ließ es aber bleiben. Statt dessen streckte er sich erst einmal ausgiebig. Er blickte die Straße hinauf und hinunter. Es war eine ruhige Wohngegend, in der Donaldson mit seiner Familie lebte. Ein Haus ähnelte dem nächsten. Alles wirkte sauber und friedlich. Die Häuser waren weiß gestrichen und hatten kleine Vorgärten. Hier und da sahen die beiden Neuankömmlinge Kinder spielen. Sie besahen sich scheu und neugierig die Fremden. Zwei Jungs winkten Kai zu, er nickte zurück. Er hatte sie bei seinem letzten Besuch kennen gelernt. Sie waren Freunde von Danny. Die Haustür wurde geöffnet und ein Junge kam heraus. Er blickte die beiden Männer an und grinste breit. “Mom, Dad, sie sind da“, brüllte er ins Haus. Dann rannte er auf die Straße zu und umarmte Kai stürmisch. “Hallo, Onkel Kai.“ Kai zog eine Augenbraue hoch und sah Florian streng an, als der ihn angrinste. Daniell kam auf die Besucher zu. Sie umarmte Kai ebenfalls. “Schön, dass du mal wieder hier bist, Kai“, sagte sie. Dann reichte sie Florian die Hand. “Daniell Donaldson.“ “Florian König“, stellte der sich vor. Auch Danny stellte sich bei ihm vor. Er sah an Florian hoch. “Mann sind Sie groß. Spielen Sie Fußball?“ Kai lachte und holte ihre Koffer aus dem Auto. Florian hockte sich vor den Jungen hin. “In deinem Alter war ich tatsächlich in einem Club.“ “Cool. Welche Position?“ “Abwehr.“ “Verstehe“, sagte Danny professionell. “Die Größe.“ Florian konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. “Ich spiele Baseball in der Schule, aber mein Dad kann im Moment nicht mit mir trainieren. Können Sie Baseball, Sir?“ “Ja, kann ich. Aber lass mal das Sir weg, okay?“ “Klar, Florian. Spielen wir morgen ein bisschen?“ “Sicher doch.“ Freudestrahlend lief der Junge zu seiner Mutter, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und rannte dann zu den anderen Jungs. Daniell stellte sich neben Florian. “Ich hoffe, Sie wissen, worauf Sie sich da eingelassen haben, Florian. Danny hat viele Freunde und die suchen nur jemanden, mit dem sie trainieren können." “Kein Problem." Zusammen gingen sie ins Haus. Daniell zeigte ihnen die Gästezimmer. Kai und Florian stellten ihre Sachen ab und folgten Daniell dann nach oben. Im Schlafzimmer lag Reginald Donaldson auf dem Bett und studierte eine Akte. Er blickte auf und sah die Besucher an. Er erhob sich ein wenig und streckte Kai die Hand entgegen. “Kai, Florian, herzlich Willkommen.“ Kai schüttelte sie. “Du siehst besser aus, als ich dachte“, sagte er. “Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, Reg.“ “War ziemlich knapp diesmal“, gab Donaldson zu. Er sah zu Florian hinüber, der unschlüssig in der Tür stand. Florian erwiderte den Blick, ging zu dem Soldaten und reichte ihm die Hand. “Kai hat mir eine Menge über Sie erzählt, Reginald. Freut mich, Sie endlich persönlich kennen zu lernen.“ “Reg“, verbesserte der. “Ich habe auch eine Menge über Sie gehört.“ Er grinste. Daniell betrat das Zimmer und rief die Männer zum Essen. Mit einem Stöhnen stemmte sich Donaldson von seinem Bett hoch. Kai stand sofort neben ihm und half ihm. Dankbar sah der seinen Freund an. Als er stand, schwankte er leicht. Florian sah sich genötigt, ihn ebenfalls zu stützen. Langsam gingen die drei die breite Treppe runter und in das Esszimmer. Dort warteten schon Rokko und Melanie. Sie freuten sich ebenso wie Danny, Kai mal wieder zu sehen. Vor allem Rokko war begeistert und er nahm Kai das Versprechen ab, dass der sich die neuen Stück anhören sollte, die er inzwischen beherrschte. Kai willigte natürlich ein. An diesem Abend saßen Reginald, Daniell, Kai und Florian noch lange zusammen und redeten. Donaldson erzählte von seinem Einsatz in Somalia. Kai berichtete von seinem neuen Job als Formel 1 - Reporter. Daniell und Florian hörten den beiden zu. Es war weit nach Mitternacht, als Kai und Florian sich in ihre Zimmer zurückzogen.
Am nächsten Tag stand Danny gleich nach dem Frühstück neben Florian und sah ihn bittend an. “Die Jungs und ich wollen zum Baseballplatz. Kommst du mit?“ Der sah die anderen kurz an und nickte dann. “Okay. Ich komme mit. Mal sehen, was ihr so zu bieten habt.“ Zusammen gingen sie nach draußen, wo die anderen Jungs bereits warteten. Sie begrüßten Florian fröhlich und löcherten ihn mit allerlei Fragen. Er beantwortete jedoch nur sehr wenige von ihnen. Kai und Donaldson waren Florian gefolgt und liefen einige Meter hinter ihm und den Jungs her. “Er ist ein sehr ruhiger Typ.“ Donaldson sah Kai offen an. Der nickte leicht. “Er hat viel hinter sich, da bin ich mir sicher.“ “Hat er mit dir mal über seine Vergangenheit geredet?“ “Nein. Wenn es darum geht, blockt er jedes Mal ab. Er scheint es unbedingt verdrängen zu wollen.“ Donaldson zog eine Packung Zigaretten aus der Tasche und bot Kai eine an. Der nickte und ließ sich von seinem Freund Feuer geben. Nicht weit vom Haus der Donaldsons entfernt, gab es einen kleinen Park. Und hier hatte man ein Baseballfeld angelegt. Florian warf den Jungen einige Bälle zu. Danny traf alle. Florian nickte anerkennend. “Nicht übel.“ Stolz lächelte der Junge ihn an. “Zeig du doch mal, ob du treffen kannst.“ Die anderen stimmten lautstark zu. Florian nickte und ließ sich einen Schläger geben. “Na los, Danny. Wirf so hart du kannst.“ Der Junge holte aus und warf. Florian ließ sich Zeit, bevor er schlug. Er traf den Ball, der jetzt in die Richtung flog, wo Kai und Donaldson auf einer Bank saßen und sich unterhielten. Kai sah den Ball kommen, streckte den Arm aus und fing ihn auf. “Nicht übel“, sagte er anerkennend. Er war den Ball zurück zu Florian. Der grinste breit. “Gute Reaktion, Kai. Nicht schlecht für einen alten Mann.“ Empört sah Kai Florian an. Dann lachte er. Florian drehte sich um und widmete sich wieder den Kids. Donaldson hatte die kurze Unterhaltung zwischen den beiden beobachtet. Er zog eine Augenbraue hoch, sagte jedoch nichts. Allerdings nahm er sich vor, heute Abend noch mit Kai zu reden. Kurz vor dem Mittagessen gingen sie zurück. Florian war ziemlich erledigt. Sein Gesicht war gerötet. “Ich brauche unbedingt eine Dusche“, sagte er. “Die Jungs sind ganz gut in Form,“ “Du anscheinend nicht mehr“, stichelte Kai. Florian quittierte den Spruch mit einem Lächeln. Bei den Donaldsons angekommen, verschwand er erst einmal im Bad.
Kai löste am Nachmittag sein Versprechen ein und setzte sich mit Rokko ans Klavier. Auch Florian und Donaldson setzten sich mit ins Wohnzimmer. Irgendwann holte Donaldson seine Gitarre von oben und reichte sie Kai. Der nickte und fing an, Rokko zu begleiten. Florian sah ihm eine Weile erstaunt zu. “Ich wusste ja gar nicht, dass du Gitarre spielst.“ “Nicht nur Gitarre. Auch Klavier und Keyboard.“ “Vielseitig begabt. Da kann ich nicht ganz mithalten“, sagte er leise. Donaldson sah ihn fragend an. “Spielst du auch ein Instrument?“ “Schlagzeug“, sagte Florian nickend. “Habe ich zumindest früher mal gemacht. Ich weiß nicht, ob ich es noch kann.“ Kai grinste. “Das ist wie Radfahren. Das verlernt man doch nicht.“ Er sah Florian grinsend an. “Das sollten wir irgendwann mal ausprobieren.“ Florian nickte zustimmend. Melanie kam in den Raum und setzte sich neben ihren Bruder. Der spielte ein Lied, welches sie kannte. Leise sang sie mit. “Du hast eine richtig musikalische Familie“, sagte Florian zu Donaldson. Der nickte stolz.
Am Abend saßen Kai und Donaldson im Garten zusammen. Vor ihnen auf dem Tisch stand ein Tisch, auf welchem die Gläser der beiden Männer standen. Die Nacht war kühl, aber nicht kalt. Man konnte es durchaus draußen aushalten. Florian hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen. Das Spiel mit den Kindern hatte ihn mehr angestrengt, als er zugeben wollte. Er würde morgen sicher ziemlichen Muskelkater haben. “Ich bin froh, dass ich Flo mit hergebracht habe. Ich habe ihn noch nie so viel lachen sehen, wie hier mit den Kindern“, sagte Kai leise. Donaldson nickte. “Er kann gut mit Kindern. Sie mögen ihn. Er ist wie ein großer Bruder für sie.“ Kai nickte lächelnd. Eine Weile starrte er auf sein Whiskeyglas. Dann sah er zu Donaldson hoch. “Was ist?“, fragte er. “Warum starrst du mich so an?“ “Entschuldige.“ “Kein Problem. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Was ist los?“ “Du hast dich verändert, Kai. Sehr sogar.“ “Inwiefern?“ “Du bist softer geworden. Woran liegt das? An ihm?“ Kai schluckte und konnte nicht verhindern, dass er rot wurde. “Wie meinst du das?“ Donaldson sah ihn ernst an. “Du weißt sehr genau, was ich meine, Kai.“ “Ja“, gab der leise zu. “Aber ich möchte im Moment nicht darüber reden.“ Flehend sah er Donaldson an. “Bitte versteh mich, es ist... verdammt kompliziert.“ Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen nickte Donaldson. “Schon okay. Vielleicht irgendwann mal.“ Kai zuckte mit den Schultern. Eine Weile saßen sie noch im Garten, bevor Kai sich verabschiedete und in seinem Zimmer verschwand. Er war sehr nachdenklich geworden. Bisher hatte er immer sorgsam darauf geachtet, dass seine Gefühlswelt ein Geheimnis blieb. Kai selbst wusste seit langer Zeit, dass er schwul war. Und er wusste genauso gut, dass diese ‘Veranlagung‘ ihm richtige Probleme bereiten könnte, wenn jemand davon erfuhr. Niemand wusste davon. Und dass Donaldson es jetzt erkannt hatte, passte ihm überhaupt nicht. Er war besorgt, dass der sah, wie sehr Florian ihm bedeutete. Dabei war er sich selber noch nicht einmal sicher, was er für ihn empfand. ‘Eigentlich bin ich mir schon sicher‘, dachte er ärgerlich ‘Ich bin nur zu feige, es zuzugeben.‘ Mit diesen Gedanken ging er ins Bett. Schlafen konnte er lange nicht. Am nächsten Morgen verhielt Donaldson sich ihm gegenüber auch nicht anders als vorher, was Kai sehr beruhigte. Anscheinend hatte der Soldat mit seiner Entdeckung keine Probleme.
Kai und Florian blieben fast zwei Monate bei Donaldson. Dann wurde es langsam Zeit, nach Deutschland zurück zu fahren. Hans Mahr hatte nichts dagegen gehabt, dass die beiden so lange geblieben waren. Und Kai war wieder einmal froh, einen Chef wie ihn zu haben. Der Flug der beiden Männer ging, wie beim letzten Mal von New York nach Köln/Bonn. Allerdings hatten sie Plätze in einer Maschine, die bereits am Mittag flog. Also fuhren sie einen Tag früher hin. “Und was machen wir jetzt?“, fragte Florian, während er mit Kai durch einen kleinen Park im Herzen New Yorks schlenderte. Die beiden kamen gerade vom Essen und wollten sich noch etwas die Beine vertreten, bevor sie sich auf ihre Zimmer zurück zogen. Kai grübelte eine Weile. “Ich wollte mir gern mal das World Trade Centre anschauen. Was hältst du davon?“ “Klasse Idee“, stimmte Florian zu. “Die Aussicht von oben soll ja phänomenal sein.“ Sie gingen zu einem Taxi und fuhren zu den Zwillingstürmen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich zu einem der Fahrstühle durchgekämpft hatten. Hunderte von Touristen hatten dieselbe Idee gehabt. Doch die Aussicht von der Plattform des Turmes entschädigte sie für alles. “Atemberaubend“, murmelte Florian. Kai nickte. Sie blieben eine Weile und genossen die Aussicht. Dann fuhren sie wieder nach unten und gingen zu ihrem Hotel zurück, wo sie gemütlich zu Abend aßen und danach in ihre Zimmer zurückkehrten. Am nächsten Morgen flogen sie nach Hause.
Da sie am Samstag in Köln ankamen, hatten sie noch einen Tag frei. Florian war nervös, da sein erster Arbeitstag kurz bevorstand. Aber es wurde alles halb so schlimm. Mahr war nicht einmal sauer, dass Kai und Florian so lange in Amerika geblieben waren, da die Formel 1 - Saison sowieso erst im März anfangen würde. Florian bekam gleich an seinem ersten Arbeitstag ein eigenes Büro im Sender. Es lag praktischerweise genau neben dem von Kai. Mahr hielt das für angebracht, da er von den beiden eine perfekte Zusammenarbeit erwartete. “Seht zu, dass ihr besprecht, wie die Sendungen laufen sollen.“ Die beiden Journalisten nickten. Sie überlegten sich drei verschiedene Konzepte. Den Rest musste Florian improvisieren, je nachdem wie er mit allem klar kam. “Ich verstehe immer noch nicht, warum er unbedingt mich haben wollte. Es gibt zig Menschen, die das besser können als ich.“ Kai saß auf der Kante von seinem Schreibtisch und schaute Florian an, der auf einem Stuhl davor saß. “Glaube mir, der Mann hat eine verdammt gute Menschenkenntnis. Er denkt sich schon was dabei. Er ist sich sicher, dass du der Beste für den Job bist.“ “Hoffentlich hat er Recht“, sagte Florian skeptisch. Florian hatte sich sehr schnell an sein neues Leben und an die Menschen gewöhnt, mit denen er hier umzugehen pflegte. Und er genoss alles in vollen Zügen, was einige seiner neuen Kollegen und Freunde nicht ganz verstanden. Er freute sich über Dinge, die den anderen gar nicht mehr auffielen. Sie wussten allerdings auch nicht, dass Florian aus Kroatien stammte und in einer ganz anderen Welt aufgewachsen war als sie. Und dass er aufgrund der Verhältnisse, die dort geherrscht hatten, auf vieles hatte verzichten müssen.
Es wurde Frühling, Anfang März und der Beginn der Rennsaison rückte in greifbare Nähe. Es waren noch zwei Wochen bis zum ersten Rennen in Brasilien. Dieses Rennen würde zu Florians Feuertaufe werden, da es in Deutschland zur besten Sendezeit lief. Und dementsprechend nervös war der auch. Kai hatte ihm deshalb angeboten, noch einmal die wichtigsten Sachen mit ihm durchzugehen. Sie hatten sich für den Sonntag zwei Wochen vor Rennbeginn verabredet. Kai wartete in seiner Wohnung, aber Florian kam nicht. Nach einer halben Stunde nahm Kai sich den Ersatzschlüssel von Florian und ging zu ihm rüber. Die beiden Männer besaßen jeweils den Schlüssel der anderen Wohnung, falls mal irgend etwas sein sollte. Nachdem sich auf Kais Klopfen nichts in Florians Wohnung tat, schloss er die Tür auf und trat ein. “Florian?“, rief er. “Hier", kam die kratzige Stimme seines Kollegen aus dessen Wohnzimmer. Kai ging zu ihm und blickte ihn geschockt an. Florian bot einen ziemlich bedauernswerten Anblick. Er hatte sich in eine Decke gewickelt und saß zitternd und mit hochrotem Kopf auf seinem Sofa. Kai ging zu ihm und hielt seine Hand gegen Florians Stirn. "Meine Güte hast du Fieber“, sagte er. “Wo hast du denn die Erkältung her?“ “Keine Ahnung“, murmelte Florian. Kai brachte Florian in dessen Bett und rief einen Arzt an. Der kam auch sehr schnell, untersuchte Florian und stellte eine böse Sommergrippe fest. “Sie werden die nächste Woche schön im Bett bleiben.“ Er schrieb ein Rezept aus und packte dann wieder seine Sachen zusammen. “Das wird Mahr gar nicht gefallen.“ Kai nahm das Rezept und steckte es ein. Nachdem der Arzt gegangen war, kochte Kai eine Kanne Tee für Florian und ging dann in die Stadt zur Apotheke. Als er die Wohnung betrat, hörte er Florians heiseres Husten. Kai ging in das Schlafzimmer seines Kollegen. Der lag, umwickelt mit einer Decke, im Bett. Er zitterte, wie Espenlaub. “Hier“, sagte er und stellte die Tabletten auf den Tisch neben dem Bett. “Alles für dich.“ Florian lächelte schwach. “Danke“, krächzte er. “Keine Ursache. Ich habe übrigens mit Mahr gesprochen. Du sollst dich schnell wieder erholen. Das ist ein Befehl.“ “Jawohl“, sagte Florian leise. Müde schloss er die Augen.
Die nächsten Tage kümmerte sich Kai rührend um Florian. Der war die ersten zwei Tage kaum ansprechbar, da er sehr hohes Fieber hatte. Danach ging es aufwärts. Eine Woche nach dem letzten Besuch, kam der Arzt wieder und bescheinigte Florian, dass dieser fast wieder gesund war. Er sollte sich noch zwei, drei Tage schonen. Kai hatte an dem Abend einen Topf Suppe gekocht und brachte diese am Abend rüber zu Florian. Er deckte den Tisch im Wohnzimmer und die beiden Männer setzten sich. “Riecht lecker“, meinte Florian grinsend. “Wenn sie nur halb so gut schmeckt...“ “Hoffen wir‘s“, sagte Kai. Normalerweise hielt er nicht viel vom Kochen. Florian nahm sich einen Teller und setzte sich auf die Couch. Er deckte seine Beine mit einer Decke zu und stellte den Teller auf seine Knie. Langsam löffelte er die heiße Suppe. Kai beobachtete ihn eine Weile dabei. Florian fiel dessen forschender Blick auf. Er sah ihn an. “Was ist?“, fragte er schließlich. “Ich... also...“ “Nun hör auf hier rumzustottern“, sagte Florian leicht gereizt. “Was ist?“ “Es ist nur... Als du so hohes Fieber hattest, hast du manchmal etwas gesagt. Allerdings auf Kroatisch.“ Kai schob ein Wörterbuch über den Tisch. Florian zog die Augenbrauen hoch. “Und du hast einige interessante Dinge gehört und willst jetzt alles wissen.“ Er starrte auf seine Suppe. Kai nickte leicht. “Entschuldige meine Neugier“, sagte er verlegen. “Wenn du nicht darüber sprechen möchtest, ist das okay. Aber... du scheinst deine Vergangenheit nicht loslassen zu können. Vielleicht hilft es, wenn du mal drüber redest.“ “Du bist verdammt neugierig und hartnäckig.“ Florian sah Kai ärgerlich an. Dann jedoch wurde sein Gesicht weicher. “Ich habe eine ganze Menge erlebt, Kai. Das könnte verdammt lange dauern.“ “Egal“, sagte der und zuckte mit den Schultern. Eine Weile zögerte Florian. “Versprich mir, dass es unter uns bleibt, was ich dir erzähle.“ “Selbstverständlich. “Okay“, sagte Florian und atmete tief durch. “Vielleicht hilft es ja wirklich, damit ich es endlich vergessen kann.“ Während er hin und wieder einen Löffel Suppe aß, fing er an, Kai sein Lebensgeschichte zu erzählen.
- Wie süß er denkt an Flo. - Kai hat keinen Bock auf die F1? So kennen wir ihn gar nicht. *rofl* - Kai rechnete fest damit, diesen Job höchstens bis zum Ende der Saison zu machen. -> Wenn ér sich da mal nicht täuscht. - Shumi verliert gegen HHF *lach* Sonst ist es doch immer umgekehrt. - Bernie Ecclestone = Möge die Macht mit dir sein. - Tja jetzt muss Schumi, wohl oder übel Kai ertragen. Und Kai ist endlich bei der F1 angekommen und denkt trotzallem an Donaldson. - Flo & Kai wohnen nebeneinander, DAS nenn ich Zufall - So schnell kommt man zu einem Job, einfach mit auf eine Party gehen. *lach* - Hat sich da etwa jemand verliebt? Schön, das man Freunde hat die sich um einen kümmern, wenn man krank ist.
Ich freu mich auf den nächsten LANGEN Teil, von dir Kitty.
Man, was für ein langes Kapitel! *grins* Schau an...da ist Flo ja wieder. Ich LIEBE die Szene, wo Kai praktisch "errät" wo Flo wohnt. *lach* Und natürlich seine absolut unauffällige Art, wie er Flo nen Job besorgt hat. *grins* Wirklich, total subtil....hat garantiert keiner gemerkt. *kicher* Da hat Donaldson ja wahnsinnig Glück gehabt. *erleichtertschau* Es geht ihm ja schon viel besser. Gut so. Schau an...Kai hat sich also in Flo verliebt. Warum überrascht mich das jetzt nicht? Bin ja mal gespannt, wann er es ihm sagt. Und jetzt natürlich das wichtigste: was wird Flo ihm erzählen? Muss ja was ziemlich hartes sein, so viel wissen wir ja schon. Da bin ich ja mal gespannt. Mach bitte ganz schnell weiter Große. Und Happy Birthday *knuddel* lg, Isi =)
Vielen Dank euch beiden und danke Isi für die B-Day-Grüße im Kommi . Hier das vierte Kapitel der Story.
4. Kapitel - Grausame Erinnerungen
“Meine Großmutter war eine deutsche Diplomatentochter, die einen kroatischen Abgeordneten geheiratet hat. Sie ging mit ihm nach Kroatien, da sie in Deutschland keine Familie mehr hatte. Aus dieser Ehe entstanden drei Kinder. Wladimir, mein Vater, Onkel Alexander und Serjoscha. Serjoscha starb im Alter von zwei Jahren an Typhus. Mein Vater war der Älteste und studierte Wirtschaft und Politik, wie sein Vater es von ihm erwartete. Er baute sich im Laufe der Jahre ein riesiges Imperium auf. Außerdem engagierte er sich in der Politik. Er war Abgeordneter. Onkel Alexander war Künstler. Er lebte vom Verkauf seiner Bilder. Wenn es mal nicht lief, kam er zu einem Familienfest und borgte sich Geld. Auf einem dieser Feste lernte mein Vater Mascha kennen, seine spätere Frau und meine Mutter. Die beiden verliebten sich ineinander und heirateten ungefähr ein Jahr später. Leider starb mein Großvater kurze Zeit darauf. Großmutter hat das nie ganz verkraftet. Ich wurde im selben Jahr geboren. Meine Jugend war eigentlich sehr behütet. Ich hatte meine Freunde in der oberen Schicht unseres Landes. Mein Eltern waren reich und erfüllten mir jeden Wunsch. Als ich 14 wurde, fing ich langsam an zu verstehen, dass meine Heimat gar nicht so sicher war, wie ich immer gedacht habe. Es gab immer wieder Schreckensmeldungen über die Untaten einiger serbischer Milizen.“ “Ich dachte, dein Land hatte Probleme mit Bosnien-Herzegowina gehabt.“ “Sicher, aber bloß, weil beide Seiten von den Serben unterstützt wurden und die den Konflikt, gerade im Kosovo, ständig schürten. Sie hatten eigene Ziele. Wie du ja sicher weißt, hatte sich Bosnien von Jugoslawien losgesagt. Und jetzt hofften die Serben, dass sie es mit der Hilfe unserer Leute schaffen könnten, Bosnien wieder in den Staat Jugoslawien einzugliedern. Sie haben unser Volk eiskalt ausgenutzt. Und als Kroatien sich ebenfalls losgesagt hat, hat man einfach einen Krieg angefangen.“ Florians Stimme war hasserfüllt. Er hatte die Nachrichten über seine Heimat natürlich auch im Ausland ständig verfolgt. “Ich kenne die ungefähren Hintergründe“, sagte Kai. “Erzähl weiter.“ “Die Serben brauchten natürlich Geld, um beide Seiten mit Waffen beliefern zu können Und dieses Geld stammte hauptsächlich aus den Kassen inhaftierter kroatischer Aristokraten. Man warf ihnen vor, dass sie mit dem Feind gemeinsame Sache machten, verhaftete sie, übernahm ihre Konten und verschleppte sie. Ich spürte die Angst der Menschen, konnte sie mir aber nicht wirklich erklären. Ich verstand damals die Zusammenhänge noch nicht. Und wenn ich jemanden fragte, wich derjenige mir aus. Man wollte mich nicht beunruhigen. Nur meine Großmutter nahm mich einmal zur Seite. Ihre Worte habe ich nie vergessen. Sie sagte: ‘Florian, du musst in Zukunft sehr stark sein. Unsere Heimat wird sterben. Es wird Krieg geben. Nicht heute oder morgen, aber sicher in wenigen Jahren. Du solltest dann nicht mehr hier sein. Geh nach Deutschland. Geh in meine Heimat. Dort wirst du deinen Weg gehen können und dein Glück finden.‘ Ich habe ihr nicht geglaubt, habe gedacht, was weiß so eine alte Frau schon. Ich war gerade 17 geworden, als meine Mutter ein zweites Kind zur Welt brachte. Ein kleines Mädchen. Sie hieß Sophia. Mutter und Großmutter verließen uns. Sie hatten Angst um das Baby und wollten zu Bekannten nach Split an die dalmatinische Küste.“ Florian schluckte die Tränen runter, die sich in seinen Augen gebildet hatten. “Ich habe nie wieder etwas von ihnen gehört. Von meiner Schwester auch nicht. Ich habe keine Ahnung, wie weit sie damals gekommen sind, ob sie überhaupt noch leben.“ Er machte eine kurze Pause und stellte den Teller weg. Seine Hände zitterten als er weitersprach. “Mein Vater und ich blieben in unserem Haus zurück. Ungefähr zwei Monate später kamen die Soldaten. Es waren serbische Milizen. Sie drangen in unser Haus ein, warfen alles durcheinander und bedrohten uns mit ihren Waffen. Sie wollten alles Geld, was mein Vater auftreiben konnte. Er war nicht bereit, es ihnen zu geben. Im Gegenteil, er wehrte sich. Einer der Soldaten drehte durch und erschoss ihn.“ “Mein Gott“, hauchte Kai. Florian hörte es nicht. Er war wieder in seinem Haus und saß neben seinem sterbenden Vater. “Ich habe meinen Vater angeschrieen, dass er bei mir bleiben soll. Ich hatte Angst, allein mit diesen Soldaten zu sein. Er starb in meinen Armen. Hass und der Wunsch nach Rache trieben mich zu einer Tat, die ich fast mit dem Leben bezahlt hätte. Wutentbrannt ließ ich die Leiche meines Vaters auf den Boden gleiten, sprang auf und griff den Soldaten an, der ihn erschossen hatte. Ich hatte natürlich keine Chance. Er schlug mit seinem Gewehr nach mir und erwischte mich an der Schläfe. Ich wurde ohnmächtig.“ Florian drehte den Kopf etwas zur Seite und schob seine Haare zur Seite. Eine kleine Narbe wurde sichtbar. Kai nickte. “Irgendwann wachte ich in einem Militärjeep wieder auf. Man hatte mich mit Handschellen gefesselt und brachte mich nach Belgrad ins Staatsgefängnis.“ “Ich habe davon gehört“, sagte Kai leise. “Es war das härteste Gefängnis in Jugoslawien. Dort waren nur politische Häftlinge inhaftiert.“ Florian nickte. “Es war die Hölle. Ich hatte in meiner Kindheit viel darüber gehört. Es kursierten die wildesten Gerüchte über diese Strafanstalt. Man hat gescherzt, aber die meisten Leute hatten Angst davor. Genauso wie ich. Als sich die Tore hinter mir schlossen, war ich mir sicher, in diesem Gebäude zu sterben. Meine Angst war begründet. Schließlich war ich erst 17 und konnte den Soldaten nicht geben, was sie wollten. Ich hatte keinen Zugang zu den Konten meines Vaters. Zwei meiner Freunde waren mit mir in das Gefängnis gekommen. Einer wurde später von Mitgefangenen ermordet, der andere hat sich in seiner Zelle erhängt. Ich war ein Jahr dort. Fast genau ein Jahr habe ich die Hölle erlebt. Anfangs war es die Folter durch die Wächter. Aber das war nicht mal das Schlimmste, wie ich später feststellen sollte. Es waren Schläge, Elektroschocks und psychologische Sachen, wie Licht bei Nacht und ständiges Wecken. Einer der Wachmänner, es war der Vizekommandant, tat sich dabei besonders hervor. Ihm fielen immer wieder neu Methoden ein, um die Gefangenen zu quälen. Er liebte seinen Job. Sein Name war Miro Kosic. Er hat mich gehasst, weil ich ihm nichts sagen konnte und natürlich, weil ich kein Serbe war. Die Verhöre dauerten circa drei Monate. Irgendwann merkte man, dass man aus mir nichts rausholen konnte, also wurde ich von einer Einzelzelle in die normale Haftanstalt verlegt. Laufen lassen konnten sie mich nicht, da ich wusste, wie die Gefangenen hier behandelt wurden. Von da an teilte ich mir eine Zelle mit fünf anderen. Es waren Männer ohne Hoffnungen. Das einzige Gefühl, welches sie noch kannten, war Hass. Und dieses Gefühl ließen sie gnadenlos an ihren Mitgefangenen aus. Neun Monate war ich in dieser Zelle.“ Florian schluckte schwer. Er zitterte. Seine Stimme war leise und kratzig. “Am Anfang dachte ich noch, ich hätte es geschafft und wäre jetzt unter Gleichgestellten. Aber das war ein Irrtum. Es herrschte eine strenge Hierarchie im Gefängnis. Jede Zelle hatte einen Anführer, auf den alle anderen zu hören hatten. Es war meist ein besonders brutaler Mann, der sich seine Gegner vom Hals schaffte, indem er sie umbrachte. Zloc, so hieß der Boss in meiner Zelle, war ein Monster. Selbst die Wachen hatten Angst vor ihm. Er hat seine Wutausbrüche immer an den anderen ausgelassen. Einmal hat er mich so zusammengeschlagen, dass ich drei Wochen im Lazarett lag.“ Kai war schockiert über das Gehörte. Er setzte sich neben Florian. Er wollte ihm zeigen, dass der nicht allein war. Dass er in Sicherheit war und sich nicht mehr zu fürchten brauchte. Er spürte, dass Florian noch etwas erzählen wollte, aber es kaum konnte. “Was war noch?“, hakte Kai sanft nach Seine Neugier war längst dem Mitgefühl gewichen, welches er für Florian empfand. Er spürte, dass dieser unbedingt jemanden brauchte, bei dem er seine ganzen Erlebnisse mal rauslassen konnte. “Erzähle es mir, Florian.“ "Als ich aus dem Lazarett kam, nahm Zloc mich einmal zur Seite. Die anderen waren bei einem Verhör, da irgendwer einen Wächter erstochen hatte. Zloc kam an meine Liege und setzte sich neben mich. Ich bekam Angst, wollte aufstehen, doch er drückte mich zurück. Er fragte mich, ob es mir wieder besser ginge. Ich nickte. Er hat sich scheinheilig dafür entschuldigt, dass er so ausgerastet war und sagte, er würde es wieder gut machen. Ich spürte seine Hände auf meinem Körper. Langsam öffnete er meine Hose. Ein letztes Mal unternahm ich den Versuch, mich zu wehren. Ich wusste, was er vorhatte. Und ich hatte schreckliche Angst davor. Plötzlich verhärtete sich sein Gesicht. Seine Augen wurden eiskalt. Ich spürte eine Klinge an meinem Hals. Zloc sagte, er würde mich abstechen, wenn ich versuchen sollte, mich zu wehren. Ich habe mich so oft gefragt, warum ich ihm nicht einfach ins Gesicht gespuckt habe. Er hatte mich dafür sofort getötet Ich hätte mir viel damit erspart. Aber ich schätze, mein Selbsterhaltungstrieb war zu stark. Also gab ich meinen Widerstand auf. Ich lag nur noch da und habe alles über mich ergehen lassen. Danach habe ich die ganze Nacht geheult. Es war das erste Mal, dass er mich vergewaltigte. Von da an kam er mehrmals die Woche. Er war jedes Mal unglaublich brutal. Die anderen in unserer Zelle bekamen es ziemlich schnell mit, aber keiner wagte es, mir zu helfen. Ab und zu warf mir jemand einen mitleidigen Blick zu, das war‘s. Sie waren froh, dass Zloc sie in Ruhe ließ.“ Florian schluckte schwer. Tränen liefen seine Wangen hinab. “Ich war völlig allein und hilflos. Von den Wachen konnte ich auch keine Hilfe erwarten. Im Gegenteil. Einmal kam Miro rein. Er versprach Zloc Hafterleichterung, wenn der mal kurz wegschauen würde. Zloc lachte und fing an, eine Zeitung zu lesen... Ich habe sogar jetzt noch Alpträume, höre ihr widerliches Stöhnen...“ Florian konnte nicht mehr. Er schluchzte auf, als die Erinnerung ihn übermannte. Kai zog ihn in seine Arme und hielt ihn einfach fest. Er spürte, wie sehr Florian zitterte. Wenn er sich vorstellte, was der alles erlitten hatte, hatte er vor Wut Tranen in den Augen. Er konnte durchaus nachfühlen, wie hoffnungslos die Lage für ihn gewesen sein musste. Und er fragte sich ernsthaft, woher der die Kraft gehabt hatte, das zu überstehen. Es dauerte sehr lange, bis Florian sich wieder unter Kontrolle hatte. “Entschuldige“, sagte er leise. “Blödsinn. Lass es raus, Florian.“ Kai sah ihn an. “Hast du überhaupt schon einmal mit jemandem darüber geredet?“ Florian hatte sich auf der Couch zusammengerollt. Er lag mit dem Kopf halb auf Kais Schoß. Der hatte die Arme um ihn gelegt und versuchte, ihm so etwas Kraft und Trost zu spenden. “Noch nie. Du... du bist der erste Mensch, mit dem ich darüber rede. Ich wollte es einfach nur vergessen. Aber es ging nicht.“ Florian wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Sanft strich Kai ihm mit der Hand über die Haare. “Danke für dein Vertrauen.“ Er lächelte leicht. “Wie bist du da eigentlich raus gekommen?“ “Ich habe alles auf eine Karte gesetzt. Einmal im Monat hatten wir die Chance, unsere Schmutzwäsche abzugeben. Wir schoben sie in eine Röhre. Sie fiel in eine große Box, die verschlossen und auf einen Lastwagen geladen wurde. Ich wartete einen unbeobachteten Moment ab und rutschte die Röhre hinunter. Den Wachen war es im Grunde relativ egal, ob jemand floh. Sie passten nicht besonders gut auf. Ich wusste, dass die Wäschebox luftdicht verschlossen wurde, trotzdem versteckte ich mich in ihr. Ich wäre fast erstickt. In der Wäscherei fand man mich ohnmächtig zwischen der Wäsche. Zum Glück hatten die Leute Mitleid mit mir und ließen mich laufen, ohne mich zu verraten. Ich rannte in den Wald, der im Westen von Belgrad begann. Er zog sich bis weit nach Kroatien hinein. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Das Einzige, was ich wusste war, dass ich auf keinen Fall nach Hause zurück konnte. Es war Sommer. Und mir war klar, dass ich verhungern und erfrieren würde, wenn ich mich im Winter noch in diesen Wäldern befinden würde. Also befolgte ich den Rat meiner Großmutter und machte mich auf den Weg nach Deutschland.“ “Wie?“, fragte Kai. “Zu Fuß. Nachts habe ich im Wald geschlafen. Gegessen habe ich Pilze, Beeren, Wurzeln und teilweise auch Insekten. Ich hatte immer Angst, dass die Serben mich kriegen könnten, also lief ich anfangs Tag und Nacht, ohne Pause. Aber das hielt ich nicht lange durch. Eins meiner größten Probleme war, dass ich immer noch meine Anstaltskleidung trug. Jeder, der mich in diesen Sachen gesehen hätte, hätte mich sofort verraten, da alle Angst vor den Milizen hatten. Also umging ich Siedlungen und Städte. Zweieinhalb Monate brauchte ich, dann hatte ich die Grenze von Österreich erreicht.“ Ungläubig schaute Kai ihn an. “Das sind Hunderte von Kilometern.“ Florian nickte leicht. Nach wie vor lag er in Kais Armen. “Hunderte von Kilometern Hunger, Einsamkeit und die ständige Angst, dass sie mich doch noch erwischen könnten. Ich hatte auf meiner Flucht eine Waffe gefunden. Ich schwor mir, mich zu erschießen, wenn mich die Serben kriegen wurden. In das Gefängnis wollte ich auf keinen Fall zurück. Lieber wollte ich sterben.“ Florian spürte, dass es ihm gut tat, alles einmal rauszulassen. “In Österreich klaute ich mir ein paar vernünftige Sachen und suchte mir einen Job. Durch Großmutter konnte ich Deutsch. Ich bekam einen Job in einer Spedition. Als wir einmal eine Ladung nach Frankfurt am Main brachten, ließ ich mich auszahlen und blieb dort. Eine Weile arbeitete ich für eine dortige Zeitung als Botenjunge. Ab und zu war ich auch in anderen Städten tätig. Damals lernte ich Köln lieben.“ Kai nickte. “Kann ich verstehen.“ “Ein ausländischer Journalist erkannte meine Begabung fürs Schreiben und bot mir an, mich nach England mitzunehmen. Ich sagte zu und ging nach London. Einige Jahre arbeitete ich in seiner Agentur mit, als freischaffender Reporter. Ich war gut und verdiente dementsprechend. Nebenbei studierte ich in England noch Sport. Das war seit frühester Kindheit mein Steckenpferd. Ich hatte zwar ein paar Probleme, da ich ein Flüchtling war und natürlich weder einen Ausweis noch sonst irgend etwas bei mir hatte, aber das ließ sich relativ schnell lösen. Ich wurde britischer Staatsbürger, zumindest für eine Weile. Inzwischen bin ich Deutscher. Seit ‘91 war ich fest bei CNN angestellt, als Kriegsberichterstatter. Im Auftrag des Senders war ich ja auch im Irak. Und den Rest kennst du ja. Nachdem ich aus dem Irak zurück war, war die Sehnsucht nach Deutschland noch stärker. Vielleicht auch durch die Bekanntschaft mit dir.“ Florian lächelte Kai an. “Irgendwann bin ich halt hier gelandet.“ Kai nickte leicht. Er sagte nichts. Diese ganzen Informationen musste er erst einmal verarbeiten. “Ich habe genug erzählt“, sagte Florian nach einer Weile. Er richtete sich ein wenig auf. Kai rutschte ein Stück von ihm weg und sah ihm in die Augen. “Wie geht es dir jetzt?“ “Viel besser. Danke fürs Zuhören. Ich hatte nie gedacht, dass ich das so nötig hätte." Florian griff sich die Whiskeyflasche und trank einen großen Schluck. Dann reichte er sie an Kai weiter. Er nahm sie mit einem Nicken und trank ebenfalls einen großen Schluck. “Was du in den letzten Jahren erlebt hast, war mehr als viele Menschen in einem ganzen Leben durchmachen.“ Aus Kais Worten sprach grenzenlose Anerkennung. “Es ist bewundernswert, wie gut du das alles überstanden hast.“ Florian zog die Beine an und legte nachdenklich den Kopf auf seine Knie. "Manchmal habe ich das Gefühl, ich würde noch mittendrin stecken. Ich hatte immer Angst, darüber zu reden.“ Er sah Kai an. “Du bist ein guter Zuhörer.“ Kai grinste leicht. “War ich schon immer.“ Florian rutschte von der Couch runter und ging Richtung Tür. “Ich mache mich etwas frisch.“ “Sicher“, sagte Kai leise. Er war immer noch ziemlich erschlagen von dem, was Florian ihm erzählt hatte. Nachdenklich starrte er auf die weinrote Couch, die er und Florian vor einigen Tagen gekauft hatten. Florian kam wenige Minuten später wieder zurück. Er sah jetzt wieder einigermaßen normal aus. Nur seine Augen waren leicht gerötet. Kai sah ihn fragend an, nachdem der sich wieder auf seinen Platz gesetzt hatte. “Was ist eigentlich aus dem Geld deiner Familie geworden? Falls die Frage gestattet ist.“ Florian zuckte mit den Schultern. “Sie ist. Aber ich kann sie dir nicht beantworten. Ich habe nämlich nicht die geringste Ahnung. Wenn ich Glück habe, liegt es irgendwo auf einer Bank in Belgrad. Ich weiß es nicht. Für mich gibt es auch keine Möglichkeit es rauszufinden. Denn dafür müsste ich zurück nach Belgrad. Und das habe ich nicht vor.“ “Wer weiß, vielleicht...“ ‘Was vielleicht?“ “Vielleicht ergibt sich mal eine Möglichkeit an dein Erbe ranzukommen. Meine Familie hat ziemlich viel Einfluss. Ich muss mal die Bekanntschaften von meinem Vater durchforschen.“ “Deine Familie ist ziemlich wohlhabend, oder?“ Verlegen grinsend nickte Kai. “Stinkreich trifft es wohl eher. Ich hatte meinen ersten BMW vier Jahre vor meinem Führerschein.“ Florian lachte. “Ich habe mit zwölf Jahren den Jaguar meines Vaters auf der Autobahn gegen die Leitplanke gesetzt. Na ja, eigentlich ist mein Freund gefahren, aber ich habe es auf mich genommen.“ “Oh oh. Wie hat dein Vater reagiert?“ “Was glaubst du wohl. Damals habe ich das erste und letzte Mal in meinem Leben Prügel bezogen. Der Wagen hat neu mehr als 260 000 Dollar gekostet.“ Kai grinste. “Also sowas habe ich in meiner Jugend nicht hinbekommen. Ich war immer ruhig und brav.“ “Und um endlich mal anders sein zu können, bist du Reporter geworden, oder was?“ “So ungefähr. Die einzige Art und Weise, wie ich als Jugendlicher meinen Frust losgeworden bin, war das Boxen und meine Musik. Ich hatte sogar einige Jahre eine eigene Band.“ “Ich habe auch jahrelang in einer Band gespielt. Die Nächte in den Clubs waren genial...“ “.. das Aufstehen am Morgen danach grauenhaft.“ Kai lachte. Florian stimmte mit ein. “Unsere Jugend scheint sehr ähnlich verlaufen zu sein.“ Kai nickte und wurde ernst. “Nur dass es in meinem Leben nie etwas gegeben hat, was meine Pläne durcheinander geworfen hat. Alles ist immer planbar gewesen und geradlinig verlaufen.“ “Grauenvoll“, sagte Florian leise. Er hatte sich während des Gespräches in eine Decke gewickelt und lag jetzt neben Kai auf der Couch. Kai blickte ihn von oben an. “Willst du schlafen?“ “Eigentlich nicht.“ Florian zögerte kurz. “Ich weiß, das klingt jetzt ziemlich blöd für einen erwachsenen Mann, aber ich habe Angst, allein aufzuwachen.“ “Es klingt nicht blöd“, sagte Kai ernst. Dann lächelte er Florian aufmunternd zu. “Schlaf ruhig. Ich werde hier sein, wenn du wieder wach wirst. Versprochen.“ Erleichtert nickte Florian und schloss die Augen. Er war sofort eingeschlafen. Kai saß eine ganze Weile unschlüssig auf dem Sofa und beobachtete ihn. Schließlich stand er auf und setzte sich auf den Sessel. Er hatte sich vorher einen von Florians Romanen aus dem Regal genommen und fing an, ihn zu lesen. Irgendwann schlief er ein.
Florian wachte am nächsten Morgen ziemlich früh auf. Er blickte sich verwirrt im Wohnzimmer um. Dann sah er Kai auf dem Sessel hängen. Ein Buch lag aufgeschlagen auf dem Boden vor seinen Füßen. Auf dem Tisch lag ein kroatisch-deutsches Wörterbuch. Florian lächelte. Den Roman, den Kai sich ausgesucht hatte, hatte er zu seinem 15. Geburtstag von seiner Großmutter geschenkt bekommen. Es war die Geschichte Kroatiens und Kai versucht nun, damit Kroatisch zu lernen. Vorsichtig wickelte sich Florian aus der Decke und stand auf. Er trat neben Kai und legte ihm eine Hand auf den Arm. “Kai“, sagte er leise. “Wach auf.“ “Noch fünf Minuten“, murmelte der und schlug die Augen auf. Er bewegte sich ein wenig und verzog das Gesicht. “Mein Nacken“, stöhnte er. “So war das mit dem allein aufwachen auch nicht gemeint. Du hättest ruhig im Schlafzimmer schlafen können.“ “Es ist deine Wohnung.“ Florian lachte leise und legte seine Hände auf Kais Schultern. Eine Weile strich er ihm die Verspannungen weg. Dann trat er wieder neben ihn. “Danke, dass du wirklich geblieben bist, Kai. Es bedeutet mir eine Menge.“ “Ich hatte es doch versprochen. Und im Allgemeinen pflege ich, meine Versprechen zu halten, wenn es irgendwie möglich ist.“ Mit einem knappen Nicken verschwand Florian im Bad. Kai saß im Sessel und atmete tief durch. Mit einer fahrigen Bewegung nahm er die Flasche, die noch von gestern Abend auf dem Tisch stand und kippte den Rest in einem Zug hinter. Florian hatte keine Ahnung, was er mit seinen Berührungen bei Kai ausgelöst hatte. Er grinste, als er das Zimmer wieder betrat. “Ich habe inzwischen auch Tee und Kaffee. Du musst nicht mit Whiskey am Morgen anfangen.“ “Ich war zu faul, um aufzustehen,“ Florian ging zu seinem Fenster, wo nach wie vor Kais Gummibaum stand und goss ihn. “Sieht er nicht gut aus?“ “Sehr gut“, lobte Kai. Er sah auf seine Uhr. “Ach du Scheiße“, murmelte er. Florian sah ihn fragend an. “Es ist bereits kurz nach neun. Du bist vielleicht noch krank geschrieben, aber ich muss zur Arbeit.“ Florian verzog das Gesicht. “Oje. Das hatte ich ganz vergessen.“ “Egal“, sagte Kai nach kurzem Nachdenken. “Ich...“ Plötzlich stutze er, sprang auf und lief zur Wohnungstür. Vor seiner Tür stand ein Besucher, den Kai eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte. “Da drüben ist keiner“, sagte er grinsend. Heinz-Harald Frentzen drehte sich verblüfft um. “Bist du umgezogen?“ “Nein. Erkläre ich dir gleich“ Er ging raus und umarmte seinen Freund zur Begrüßung. “Schön, dich auch mal wieder zu sehen.“ Florian war inzwischen ebenfalls an der Tür und sah die beiden Männer neugierig an. Heinz bemerkte den Mann. “Willst du mir deinen neuen Nachbarn nicht mal vorstellen?“, fragt Heinz und trat einen Schritt auf Florian zu. “Klar“, sagte Kai. “Heinz, das ist Florian König. Ich hatte dir ja von ihm erzählt.“ Heinz nickte leicht. Kai sah Florian an. “Flo, das Heinz-Harald Frentzen. Einer meiner engsten und besten Freunde. Und nebenbei noch Rennfahrer.“ Die beiden Männer gaben sich die Hand. Heinz musterte seinen Freund prüfend. Ernst meinte er: “Du siehst nicht besonders frisch aus.“ Florian grinste. Kai wurde rot. “Ich habe bei Flo im Sessel geschlafen.“ Verwirrung stahl sich auf das Gesicht des Rennfahrers. “Verstehen muss ich das aber nicht, oder?“ “Ich erkläre es dir später, aber nicht hier im Flur.“ “Okay. Ihr beiden seht aus, als seid ihr noch nicht lange wach. Wenn ihr noch nicht gefrühstückt habt, können wir doch zusammen was Essen gehen.“ Kai sah Florian fragend an. Der nickte zustimmend. “Ich ziehe mich nur noch um.“ Damit schloss er die Tür. Heinz folgte Kai in dessen Wohnung. “Das ist er also“, murmelte er und schloss die Tür hinter sich. Kai verschwand erst mal im Bad, während Heinz sich eine Flasche Wasser aus Kais Kühlschrank holte. Er setzte sich an den Küchentisch und wartete. Nach einer Weile kam Kai ebenfalls in die Küche. “Wieso hast du bei ihm übernachtet?“, fragte Heinz sofort. Er grinste Kai an. “Sollte ich da irgendwas wissen?“ “Nein“, sagte Kai und setzte sich zu ihm. Heinz war der einzigste Mensch, der wusste, dass Kai schwul war und er hatte dieses Geheimnis stets für sich behalten. “Ach verdammt“, fluchte Kai und schlug mit der Faust auf den Tisch. “Meine Güte“, sagte Heinz erschrocken. Er sah Kai lange an. Der starrte auf den Tisch. “Dich hat es diesmal richtig erwischt, oder?“ “Ich weiß nicht...“ Heinz lachte. “Oh doch, alter Freund. Du weißt es sehr genau. Du liebst ihn.“ Kai nickte leicht. “Ja“, hauchte er. “Irgendwie schon.“ Verzweifelt schaute er den Rennfahrer an. “Verdammt, weißt du, was das für eine Qual ist? Er wohnt direkt neben mir. Wir beide werden ständig zusammenarbeiten, selbst wenn ich im Ausland bin und er hier in Köln.“ Tränen bildeten sich in seinen Augen. Heinz legte seine Hand beruhigend auf die von Kai. “Wie lange kannst du das durchhalten? Du musst mit ihm reden.“ Kai schüttelte den Kopf. “Nein. Auf keinen Fall. Ich würde alles zerstören.“ “Gibt es denn schon so viel, was du zerstören könntest?“ Der Reporter nickte. “Flo pflegt meinen Benjamin.“ Ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Heinz grinste. “Wart‘s ab. Irgendwann kommt der richtige Zeitpunkt..“ Es klopfte an der Tür. Dann hörte man einen Schlüssel, der die Tür von außen öffnete. Heinz sah Kai fragend an. “Er hat einen Schlüssel zu deiner Wohnung?“ Kai nickte. “Falls mal was ist.“ Florian betrat die Küche und grinste die beiden an. “Können wir? Ich bin soweit und habe Hunger.“ “Wir können“, sagte Kai und stand auf. Heinz nickte.
Die drei Männer gingen in ein kleines französisches Restaurant und aßen dort. Heinz erfuhr von Kai, wie es im Moment in der Formel 1 stand. Wobei der es tunlichst vermied, Michael Schumacher zu erwähnen. Florian grinste leicht. Er wusste von den Problemen, die Heinz und Michael miteinander hatten. Sie saßen einige Stunden zusammen. Heinz beobachtete Florian schon seit einige Zeit. Der sah ihn fragend an. “Entschuldige, dass ich dich so anstarre, Florian. Aber ich habe von Kai zuhören gelernt. Du bist kein Deutscher, oder?“ Florian schüttelte den Kopf. “Ich bin gebürtiger Kroate.“ Erstaunt sah er Kai an. Es fiel ihm plötzlich leichter, darüber zu sprechen. Kai lächelte. “Ich bin von Zuhause geflohen, als es zu gefährlich wurde.“ “Verständlich. Tut mir leid.“ Ärgerlich sah er Kai an. “Diese Neugier habe ich von dir. Du bist schuld.“ Kai nickte. “Wie immer.“ Florian grinste. “Seid ihr immer so?“ Heinz sah ihn erst erstaunt an, dann lachte er. “Ja, immer.“ Auch Kai und Florian lachten jetzt. Die drei hatten an diesem Nachmittag noch eine Menge Spaß. Und sie waren alle gespannt, was die nächste Saison bringen würde.
Das war wieder ein sehr trauriger Teil, Kitty. Die Lebensgeschichte von Flo = Ohne Worte! Zum Glück hat Flo jetzt jemanden gefunden, der ihm zuhört und für ihn da ist. Und der auch noch in ihn verliebt ist...das sind gleich 3 Dinge auf einmal. Ob der Benjamin in ein paar Monaten immer noch so gesund aussieht?
Ich muss Nic zustimmen...Flo`s Lebensgeschichte ist tatsächlich ohne Worte...ich bin wirklich froh, dass er das alles überlebt hat...wäre dämlich, wenn seine Erzählung damit geendet hätte, dass er irgendwo im Wald erschossen wurde....*zwinker* Dass Kai in ihn verliebt ist, wird er bestimmt früher oder später bemerken...Kai kann ja auch nicht ewig lautlos leiden....das packt der nie. Und gehen lassen kann er Flo auch nicht...also gibts ja nur eine Lösung. Ich hoffe außerdem, dass Flo irgendwann mal rausfindet, was mit seiner Mutter und seiner Schwester passiert ist...bei seiner Oma kann ich`s mir denken.... Mach bitte ganz schnell weiter, lg, Isi =)
Das erste Rennen kam und ging auch wieder. Kai freute sich, seine Freunde aus der Branche wieder zu sehen und Florian schaffte seine erste Sendung mit Bravour. Zumindest meinte sein Chef das. Der hielt ihn nämlich gleich nach der Sendung an und beglückwünschte ihn. “Hervorragend, Florian“, lobte Mahr überschwänglich. “Ich wusste doch, dass du das packst. Hatte Kai doch mal wieder Recht.“ Verwundert zog Florian eine Augenbraue hoch. “Kai? Was hat Kai damit zu tun?“ “Nun ja..., er hatte die Idee mit den Vor- und Nachberichten. Und er war auch der Meinung, dass du genau der Richtige wärst, um diese Berichte zu moderieren.“ Ein wenig verlegen sah Mahr seinen Angestellten an. Florian grinste. “Und ab wann übernimmt Kai den Sender?“ Mahr grinste jetzt ebenfalls. “Wenn das so weitergeht noch vor meiner Pensionierung. Verschwinde jetzt nach Hause. Du warst klasse.“ “Danke“, sagte Florian, griff sich seine Jacke und verließ das Gebäude. Er war gespannt auf die Reaktionen der Zeitungen in den nächsten Tagen. Doch im Moment war er vorrangig müde.
Florian hatte gerade seine Wohnungstür aufgeschlossen, als sein Telefon klingelte. Er ging ran. “Wer stört so spät am Abend?“ “Na wer schon“, kam eine fröhliche Stimme vom anderen Ende der Leitung. “Irgendwie hatte ich es doch geahnt“, murmelte Florian. “Was gibt‘s denn, Kai?“ “Ich wollte nur mal hören, was der Chef zu deinem Auftritt gesagt hat.“ Florian lächelte. “Er hat vor allem gesagt, dass die ganze Idee von dir stammt. Inklusive meiner Einstellung. Ist das wahr?“ Kai räusperte sich ein wenig verlegen. “Irgendwie schon. Ich dachte, du wärst der Beste für den Job. Du hast so eine gewinnende Art. Das bringt Zuschauer." “Ist ja schon gut, ich bin nicht sauer. Mahr meinte übrigens, ich wäre klasse gewesen.“ “Wusste ich es doch“, sagte Kai triumphierend. “Wie läuft es sonst so an der Rennstrecke?“ Florian ließ sich auf seinen Sessel fallen und goss sich etwas Whiskey in ein Glas. “Heinz und Michael knurren sich die ganze Zeit nur an, wenn sie sich über den Weg laufen. Ich plane, die beiden mal gemeinsam vor die Kamera zu holen. Vielleicht in Deutschland.“ “Das packst du nie.“ “So wenig Vertrauen?“, stichelte Kai. “Du solltest mich aber besser kennen. Ich kriege sie.“ Florian trank einen Schluck und nickte leicht. “Wahrscheinlich hast du Recht. Und sonst?“ “Mika Häkkinen fehlt irgendwie. Seine coole Art hat doch ziemliche Spuren hinterlassen.“ “Meinst du, er kommt zurück?“ “Auf jeden Fall“, sagte Kai. “Er wird sicher einer der ganz Großen.“ Florian gähnte. “Na wenn du das sagst, wird es schon stimmen.“ “Du klingst so müde, Flo. Ich bin gerade dabei mich für die Party nachher umzuziehen.“ “Hier ist es 23.00 Uhr und ja, ich bin müde. Genieß deine Party.“ “Werde ich.“ Kai schwieg kurz. “Ich hatte mit Mahr mal etwas besprochen, aber ich weiß nicht, ob es so schnell klappt.“ Florian wurde hellhörig. “Was denn?“ “Es ging darum, deine Show eventuell von den Rennstrecken aus zu senden. Zumindest in der näheren Umgebung von Köln.“ “Na so wahnsinnig viele Formel 1 - Strecken gibt es in Köln und Umgebung auch wieder nicht.“ “Sicher, aber du wärst zumindest hin und wieder mal mit dabei.“ “Im Moment bin ich mit meinem Studio sehr zufrieden. Lass uns ein anderes Mal darüber reden, okay? Ich bin jetzt zu erschöpft dafür.“ “Okay. Ach, Florian... Morgen kommt bei mir der Heizungsmonteur. Kannst du ihn mal reinlassen? Er wollte noch vor dem Mittag da sein und ich wollte eigentlich nicht nach Hause kommen, sondern gleich zur nächsten Strecke weiter.“ “Kein Problem. Ich habe morgen sowieso meinen Haushaltstag.“ Kai lachte. “Das klingt gut. Gute Nacht dann. Erhole dich von deiner Sendung,“ “Mach ich. Viel Spaß auf der Party.“ “Werde ich haben“, sagte Kai und unterbrach die Verbindung. Florian legte auf, trank sein Glas leer und ging dann ins Bett. Er war froh, dass Kai angerufen hatte. Irgendwie merkte er erst jetzt, wie viel Zeit sie zusammen verbracht hatten, seit er hier in Köln lebte. Kai war inzwischen sein bester Freund und engster Vertrauter geworden und Florian vermisste ihre gemeinsamen Gesprächsabende.
Auch das zweite Rennen verlief normal. Es war nicht sonderlich spannend aber doch sehenswert. Und Florian gefiel seine Arbeit mehr und mehr. Vor allem nach den durchweg guten Kritiken der Zeitungen. Man gab den Berichten eine lange Lebensdauer und beschrieb Florian als einfühlsamen und humorvollen Menschen, der viel Ahnung von seiner Arbeit hatte. Damit konnte der Moderator durchaus leben. Er hatte Schlimmeres erwartet. Und Florian war vor allem froh, dass es anscheinend niemandem aufgefallen war, dass er keine Deutscher war. Kai hatte ihm sehr geholfen, sein Deutsch zu perfektionieren. Inzwischen sprach er es akzentfrei und niemand bekam es mit, dass Florian aus Osteuropa stammte. Außer Kai wussten das nur Hans Mahr und Heinz-Harald Frentzen. Und Florian wollte, dass das im Moment auch so blieb.
Am Montag nach dem zweiten Rennen wurde Florian am frühen Morgen durch ein nerviges Klopfen geweckt. Er hörte den Schlüssel im Schloss seiner Wohnung. Es war Kai. Sekunden später stand der neben Florians Bett und schaute ihn auffordernd an. “Mann, du schläfst ja wie ein Murmeltier“, beschwerte sich der Reporter. Florian schaltete seine Nachttischlampe ein und warf einen vorwurfsvollen Blick auf seine Uhr. “Es ist drei Uhr dreißig, Kai. Was, zum Teufel, soll der Überfall?“ “Komm ins Wohnzimmer.“ Damit verschwand Kai aus dem Schlafzimmer und ging über den Flur in Florians Wohnzimmer. Er schaltete den Fernseher ein und wartet auf seinen Freund. Der erhob sich stöhnend aus dem Bett und zog sich einen Bademantel über Er musste sich erst einmal an Kais überraschende Art gewöhnen. Allerdings wusste er auch, dass dieser ihn nicht umsonst um diese unchristliche Zeit aus dem Bett geholt hatte. Irgend etwas war vorgefallen. Gähnend schlurfte er ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch fallen. “Also was...“ Weiter kam er nicht. Sein Blick fiel auf den Bildschirm, wo gerade CNN lief. Ein lächelnder Saddam Hussein begrüßte sein Volk von einem Balkon. Am unteren Bildschinnrand stand Bagdad. Verwirrt schaute Florian Kai an. Der wand sich seinem Freund zu. “Saddam Hussein hat heute morgen die Macht in Bagdad wieder übernommen. Er will seinen Kampf gegen die westliche Welt fortsetzen.“ “Dann geht der Golfkrieg also weiter?“ Kai schüttelte den Kopf. “Glaube ich nicht mal, Flo. Sein Land und er selbst sind viel zu geschwächt. Ich denke nicht, dass er gleich wieder anfängt, die USA zu ärgern.“ “Das sind ja überhaupt keine guten Neuigkeiten“, murmelte Florian. “Danke, dass du es mir gesagt hast.“ Er blickte Kai an. “Wie wäre es mit Frühstück?“ “Du willst dich nicht wieder hinlegen?“ “Nein. Jetzt bin ich wach.“ Florian stand auf. Er holte einige Sachen aus der Küche und stellte sie auf den Tisch. “Kaffee kommt gleich.“ “Super. Kann ich dir noch irgendwie helfen?“ “Nein, nein. Bleib ruhig sitzen. Du siehst aus, als ob du seit Tagen nicht geschlafen hast.“ Kai nickte dankbar und sank wieder in den Sessel zurück. “Wir haben Samstag Abend noch ziemlich lange gefeiert. Während des Rennens gestern habe ich dann von Saddam erfahren. Es war anfangs nur ein Gerücht. Aber ich habe mich dahinter geklemmt und erfahren, dass es wahr ist. Und dann bin ich in den nächsten Flieger gestiegen und hierher gekommen.“ Florian nickte. “Sowas in der Art dachte ich mir.“ Er ging in die Küche und holte den Kaffee. Die beiden Männer saßen noch einige Stunden vor dem Fernseher und verfolgten die Nachrichten. Allerdings ergab sich nicht viel Neues. Gegen Mittag verschwand Kai in seiner Wohnung und legte sich erst einmal hin.
Während der nächsten anderthalb Wochen beobachteten die beiden Journalisten sehr genau, was im Irak vor sich ging, aber Kai schien Recht zu behalten. Saddam Hussein hielt sich merklich zurück und versuchte vorrangig, seine eigene Machtposition zu sichern und auszubauen. Kai flog dann am Mittwoch vor dem Rennen nach San Marino und Florian bereitete seine Sendung am Sonntag vor. Den Vorbericht teilten sich die beiden, genau wie bei den vorherigen Rennen. Florian unterhielt die Zuschauer mit Hintergrundinformationen, während Kai ihm die Interviews besorgte. Dabei fiel Florian auf, dass Kai sonderbar nervös wirkte. Am Vorabend hatte Kai ihn noch angerufen und stolz von seinem Interview mit Ayrton Senna berichtet. An diesen Fahrer ranzukommen war für jeden Journalisten eine Herausforderung. Kai hatte hin und wieder einige kleine Fragen an ihn stellen können, zu mehr hatte es nie gereicht. Gestern war es Kai endlich gelungen, ein komplettes Interview mit diesem Mann zu führen und Kai war dementsprechend stolz. Doch heute wirkte er ziemlich fahrig und teilweise sehr unkonzentriert. So kannte Florian ihn gar nicht. Deshalb rief er ihn auch nach der Sendung sofort an. Kai war gerade in der Boxengasse unterwegs, als sein Handy klingelte. Er ging ran. “Was ist mit dir los?“, fragte Florian sofort. Kai hielt kurz inne und atmete tief durch. “Ich weiß es nicht. Ich habe verdammt schlecht geschlafen und seit heute morgen habe ich so ein komisches Gefühl." “Komisches Gefühl?“ “So eine Ahnung, als ob etwas passieren würde. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Aber ich habe jetzt auch keine Zeit darüber nachzudenken, ich muss weiter, Flo. Ich komme heute Abend noch nach Hause, wir können dann reden.“ “Okay. Mach dir nicht so einen Kopf. Wird schon nichts passieren.“ “Tschau, Flo. Ich hoffe, du hast Recht.“ “Ich auch“, murmelte Florian, was Kai jedoch nicht mehr hörte, da er sein Handy bereits ausgestellt hatte.
Eine Stunde später, zur Mitte des Rennens, saß Florian mit seinen Gästen im Studio und beobachtete das Rennen. Die Kameras waren bei Senna, dem zu dieser Zeit führenden Fahrer. Dessen Auto fing plötzlich an zu schlingern, geriet auf den Grasstreifen und krachte mit einer unheimlichen Geschwindigkeit in die Leitplanken. Mit Schrecken sah Florian, wie Senna aus dem Wagen geschleudert wurde. Das Rennen wurde unterbrochen, die Helfer und der Rennarzt versuchten verzweifelt, das Leben des verunglückten Rennfahrers zu retten. Heiko Wasser und Christian Danner kommentierten die Rettungsaktion. Sie waren beide sehr geschockt über den Unfall. Senna war ein besonderer Fahrer. Erfolgreich und egoistisch. Er war für Millionen von Rennsportfans ein Idol und Superstar. Nach einigen Minuten hatte man Senna mit einem Hubschrauber weggebracht und das Rennen wurde neu gestartet. Am Ende fuhr Michael Schumacher seinen ersten Sieg ein. Die Siegerehrung war jedoch alles andere als fröhlich. Alle wollten wissen, wie es um Senna stand, doch aus dem Krankenhaus war nichts zu erfahren. Gleich nach dem Rennen setzte sich Florian mit Kai in Verbindung. In Kais Augen lag ein wissender Blick. “Ich habe es geahnt“, murmelte er leise. “Es gibt bis jetzt noch keine neuen Informationen“, wand er sich an Florian. “Ayrton Senna wurde sehr schwer verletzt. Doktor Sid Watkins, der Rennarzt, hat gesagt, dass er eine sehr schwere Kopf- und Wirbelsäulenverletzung hat. Es ist tragisch.“ Florian spürte deutlich, wie nah es Kai ging. Er sah Tränen in den Augen seines Freundes glitzern. “Danke erstmal, Kai. Wir sprechen uns später noch.“ Mit gespielter Ruhe versuchte Florian, den Rest des Rennens noch einmal Revue passieren zu lassen. Es fiel ihm schwer. Er konnte sich vorstellen, wie schwer es für Kai sein musste. Der kannte die Fahrer schließlich persönlich, war mit vielen von ihnen befreundet. Gegen Ende der Sendung setzte er sich noch einmal mit dem Reporter in Verbindung. “Weißt du inzwischen etwas Neues?“ Kai schüttelte langsam den Kopf. “Nein, nichts. Hier kursieren eine Menge Gerüchte, aber bis jetzt ist noch nichts bestätigt. Und ich möchte mit nicht am Verbreiten dieser Gerüchte beteiligen. Das überlasse ich anderen.“ Florian nickte. Die Verbindung wurde getrennt. “Liebe Zuschauer, für diese Woche beenden wir die Sendung. Wir hoffen natürlich, dass Ayrton Senna es schaffen wird und wünschen ihm alles Gute.“
Als Florian seine Wohnung erreicht hatte, schaltete er den Fernseher an und hoffte auf positive Neuigkeiten aus San Marino. Als sein Handy sich meldete, zuckte er erschrocken zusammen. “Ja?“ “Ich bin‘s“, klang Kais Stimme aus dem Telefon. Florian ahnte Schlimmes, denn Kai klang unendlich traurig und deprimiert. “Ist er...“ “Senna ist vor einigen Minuten im Krankenhaus gestorben“, wisperte Kai. Er hatte kaum die Kraft zu sprechen. “Er hatte eine schwere Schädelfraktur. Er lag im Koma und ist nicht wieder aufgewacht.“ Er schluchzte leise. Kai hatte immer gewusst, dass so ein Unfall jederzeit vorkommen konnte. Aber es jetzt so hautnah zu erleben, war für ihn unglaublich hart. Florian hatte Tränen in den Augen. “Es tut mir schrecklich leid, Kai.“ “Ich fliege jetzt nach Hause“, sagte Kai leise. “Ich wollte dich nur informieren, bevor du es durchs Fernsehen erfährst.“ “Danke.“ Florian legte auf.
Kai kam mitten in der Nacht an und ging sofort in seine Wohnung. Florian hatte es gehört und ging zu ihm rüber. Er klopfte gar nicht erst, sondern ging sofort in die Wohnung. Kai hatte damit gerechnet und die Tür nicht abgeschlossen. Florian schloss hinter sich ab. Die Wohnung war dunkel. Doch er hörte leise Geräusche aus dem Wohnzimmer. Langsam ging er hinein. Kai saß auf einem Sessel. Seine Silhouette war nur durch das Licht zu erkennen, welches von einer Lampe kam, die direkt vor dem Wohnzimmerfenster stand. Florian trat hinter Kai und legte ihm sanft die Hände auf die Schultern. Er spürte, dass der zitterte. Langsam ging er um den Sessel herum und setzte sich auf die Lehne. Kai schlang die Arme um die Hüfte seines Freundes und ließ den Kopf in dessen Schoß sinken. Florian legte seine Hände auf Kais Rücken. Er hörte dessen leises Schluchzen.
Wie sehr Kai die ganze Angelegenheit mitgenommen hatte, zeigte sich erst beim nächsten Rennen. Kai weigerte sich, die Fahrer während der Interviews zu duzen. Ab diesem Rennen redete er sie vor der Kamera nur noch mit Sie an. Für ihn war es eine emotionale Trennung zwischen dem Fahrer und dem Menschen, der dahinter stand. Es dauerte nicht sehr lange bis es sich herumgesprochen hatte und die meisten verstanden Kais Beweggründe und akzeptierten sie.
Die Formel 1 ging auch nach diesem tragischen Ereignis weiter. Beim Rennen in Italien kam es zu einem Unfall, bei welchem aber zum Glück niemand verletzt wurde. Jos Verstappens Wagen fing beim Betanken Feuer und brannte völlig ab. Der Fahrer kam zum Glück mit dem Schrecken davon. Allerdings wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Wer sich ständig in der Boxengasse aufhielt, musste von diesem Rennen an feuerfeste Rennanzüge tragen. Dies galt auch für Journalisten. Kai passte das zwar überhaupt nicht, aber er fügte sich. Florian hatte Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen, als er Kai zum ersten Mal in der Rennkombi sah. Es gelang ihm jedoch nicht wirklich und er erntete von ihm dafür einen bitterbösen Blick.
Kurz vor dem Rennen in Deutschland kam es zu einem internationalen politischen Ereignis, welches Kai und Florian dazu brachte, nach Russland zu fahren. Es handelte sich um den Einmarsch russischer Truppen in die kaukasische Provinz Tschetschenien. Worum es bei diesem Krieg ging, war am Anfang ziemlich undurchsichtig. Erst bei direkten Gesprächen mit Tschetschenen im Kriegsgebiet fand Kai heraus, dass das kleine Land seine Eigenständigkeit wollte, was ja schon länger bekannt war. Russland verweigerte dies jedoch, da auf dem tschetschenischen Gebiet wichtige Ölvorkommen lagerten, die sich Moskau auf keinen Fall entgehen lassen wollten. Also kämpfte man mit allen Kräften, die den Russen zur Verfügung standen gegen ein kleines Land mit gerade einmal einer Millionen Einwohner. “Es ist eine Schweinerei, dass die anderen Länder Russland nicht stoppen. Wenn das so weitergeht, gibt es die Tschetschenen bald nicht mehr. Das ist doch glatter Völkermord.“ Kai war sehr verärgert über diese von Geld bestimmte Aktion und über die Feigheit und Gleichgültigkeit der anderen europäischen Länder. “Da kannst du auch nichts ändern“, sagte Florian, obwohl ihn die Ereignisse hier sehr mitnahmen. Er kannte das Gefühl der Hilflosigkeit, wenn man einer Übermacht gegenüber stand. Kroatien hatte es auch erleben müssen. Zum Glück hatten da aber die Amerikaner eingegriffen und Serbien gestoppt. Allein hätte Kroatien damals verloren und wäre untergegangen. Sehr lange hielten sich die beiden Reporter nicht in Tschetschenien auf. Es war viel zu gefährlich und außerdem rückte das nächste Rennen immer näher. Das Rennen in Deutschland war vor allem für die deutschen Fans etwas Besonderes. Kai schaffte nämlich etwas, was vorher noch keinem Reporter gelungen war. Er bekam die beiden deutschen Kampfhähne Schumacher und Frentzen vor die Kamera. Als Florian dies sah, musste er grinsen. Er hatte geahnt, dass Kai es schaffen würde. Das Gespräch knisterte geradezu vor Spannung und Kai konnte es nicht lassen hin und wieder mitzusticheln. Er schafft es jedoch, dass die beiden nach fast einem halben Jahr endlich mal miteinander sprachen. Und man merkte, dass nach dem Gespräch ihr Umgang miteinander lockerer war. Kai war mit sich selbst sehr zufrieden und gab grinsend an Florian zurück. “Glückwunsch, Kai“, sagte der und fuhr dann mit seiner Berichterstattung fort.
Während der folgenden Rennen zeigte sich immer deutlicher, dass Michael Schumacher dieses Jahr einen hervorragenden Job erledigte und die Früchte dafür erntete er im letzten Rennen, welches er mit einem hervorragenden zweiten Platz beendete und sich damit die Fahrerweltmeisterschaft 1994 sicherte. Der junge Fahrer war bei seinem letzten Interview komplett aus dem Häuschen. Er selber konnte es gar nicht fassen, dass er so schnell sein eigentliches Ziel erreicht hatte. “Du wolltest Weltmeister werden. Jetzt bist du es. Was für Ziele hast du jetzt noch?“, fragte Kai ihn am Abend auf der Abschlussparty. “Ich will Rekorde knacken. Mal sehen, ob ich welche schaffe.“ “Alle, die du willst“, sagte Kai. Er wusste damals noch nicht, dass er damit Recht behalten sollte.
“Darf ich dich in ein Geheimnis einweihen?“ Kai streckte sich in seinem Sessel. Florian, der auf der Couch saß, nickte begeistert. “Ich liebe Geheimnisse.“ “Am 22. Dezember findet in München ein Weihnachtsfest statt. Du bist auch eingeladen.“ Erstaunt sah Florian Kai an. Dann wurde er skeptisch. “Hast du damit irgend etwas zu tun?“ “Ich?“, fragte Kai unschuldig. Dann grinste er. “Okay, ich habe ein gutes Wort für dich eingelegt. Aber es ist nur zu deinem Besten. Ich halte es für wichtig, dass du die ganzen Leute mal persönlich kennen lernst.“ “Könntest du Recht mit haben“, gab Florian zu. “Okay, ich komme mit.“ Die beiden Männer saßen in Kais Wohnung und sahen sich einen Spielfilm im Fernsehen an. Es war ein Samstag Nachmittag Mitte November. Sie waren einige Stunden in der Stadt unterwegs gewesen, da Florian sich ein Auto kaufen wollte. Allerdings hatte er nichts passendes gefunden. Nach der Tour hatten sie noch zu Mittag gegessen und waren dann nach Hause zurückgekehrt. Und hier saßen sie jetzt und planten ihre Freizeit Mahr hatte ihnen einen ziemlich langen Urlaub zugestanden. Er hatte sie nur gebeten, für eventuelle Auslandseinsätze zur Verfügung zu stehen. Wenn nichts Weltbewegendes geschah, hatten sie bis nach Sylvester frei. “Hast du eigentlich schon etwas für Weihnachten und Sylvester geplant?“, fragte Florian, während er seine Hände an einem Glas Glühwein aufwärmte. Kai schüttelte den Kopf. “Nein, nicht wirklich. Mit den anderen vom Sender feiern wird nichts, da kaum einer von denen da ist. Wir könnten ja hier feiern, oder willst du irgendwo hin?“ “Nein, bis jetzt noch nicht. Ich habe nichts dagegen, hier zu feiern.“ “Am 22. sind wir in München. Da kommen wir sicher erst am nächsten Nachmittag weg. Also müssen wir das Schmücken der Wohnungen und das Kochen am 24. machen. So ein Stress.“ Florian grinste. “Willst du kochen oder schmücken?“ “Meine Kochkünste sind ziemlich begrenzt. Was machen wir überhaupt?“ Kai überlegte. “Gans?“ “Klar. Aber erst am 25. Am 24. reicht eine einfache Nudelsuppe. Und die kochst du.“ Kai nickte ergeben. “Aber das Federvieh machst du.“ “Okay. Mal sehen, ob ich es noch hinkriege.“ Florian überlegte kurz. “Einkaufen sollten wir schon etwas früher gehen.“ “Auf jeden Fall.“ Kai strahlte Florian an. “Die Vorfreude und die Planung ist doch das Schönste.“ Florian nickte zustimmend. “Ja. In welcher Wohnung feiern wir eigentlich?“ Kai zuckte mit den Schultern. Dann zog er eine Münze aus der Tasche. “Kopf oder Zahl?“ “Kopf.“ “Zahl“, sagte Kai, als er sie in die Luft geworfen und wieder aufgefangen hatte. “Also bei mir.“ “Puh, ein Glück. Dann spare ich mir das Aufräumen. Es ist ja immer so hektisch, wenn man Gäste kriegt.“ Er lachte. Kai grinste ebenfalls. “Ich will aber irgendwann mal noch auf einen Weihnachtsmarkt.“ “Ich will auf alle“, sagte Florian. “Ich war noch nie auf einem Weihnachtsmarkt.“ Erstaunt sah Kai ihn an. “Noch nie?“ Florian schüttelte den Kopf. “Na dann wird es aber Zeit.“
Am 20. zogen sie den ganzen Tag durch Köln und klapperten einen Weihnachtsmarkt nach dem anderen ab. Florian war begeistert von dem Treiben und erstaunt, wie viele verschiedene Arten dieser Märkte es gab. Den größten hatten sie sich für den Abend aufgehoben. Kai war der Meinung, dass es dunkel sein musste, damit man ihn richtig genießen konnte. Und Florian gab ihm Recht. All die bunten Lichter wirkten auf ihn regelrecht hypnotisierend. “Morgen ist mir garantiert schlecht“, beklagte er sich bei Kai. Der lachte. “Egal, das muss so sein.“ Florian lachte und knabberte weiter seine gebrannten Mandeln. Soviel Süßkram wie heute hatte er noch nie gegessen. Erst recht nicht an einem Tag. Und die Karussells, auf die Kai ihn immer wieder schleppte, taten ihr übriges. Florian genoss den Tag in vollen Zügen. Und Kai war zufrieden, dass sein Freund so viel Spaß hatte. Es war weit nach Mitternacht, als Kai und Florian wieder in ihrem Mietshaus waren. Florian stützte sich gegen seine Haustür und grinste Kai an. Er hatte dem Glühwein ein wenig zu sehr zugesprochen. “Gute Nacht, Kai. Weck mich übermorgen, wenn unser Flugzeug nach München fliegt.“ Kai lachte. “Mach ich. Angenehme Träume.“ Florian lächelte ihm kurz zu und verschwand dann in seiner Wohnung. Es polterte und Florian fluchte ziemlich laut. Kai lachte und schloss seine Tür auf.
Am 22. trafen sie gegen Mittag in München ein. Sie bezogen ihre Zimmer im Hotel und Kai zeigte Florian dann noch einen kleinen Teil der Stadt. Am frühen Abend begaben sie sich zu der Feier. Kai stellte Florian erst einmal den wichtigsten Leuten vor. “Schau mal“, sagte Florian plötzlich und deutete mit dem Finger auf zwei Männer, die in einer Ecke des Saals standen und sich unterhielten. Es waren Michael und Heinz. Kai sah hinüber und grinste. “Sieht aus, als schließen sie Frieden.“ “Und das freut dich?“, fragte Florian mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. “Als Reporter, nein. Als Mensch und Freund der beiden, ja. Der Streit hat sie sehr belastet.“ Florian nickte verständnisvoll. Nach ungefähr einer halben Stunde hatte die Fahrer alles geklärt. Michael gab Heinz die Hand und umarmte ihn kurz. Kai lächelte zufrieden. Heinz sah zu ihm hinüber und zwinkerte ihm zu. “Wie lange stehst du hier schon?“ “Seit ungefähr einer halben Stunde.“ “Tja. Deine Stories über die deutschen Kampfhähne haben wir dir damit wohl kaputt gemacht.“ Heinz grinste. Kai erwiderte es. “Ich finde schon wieder etwas, worüber ich berichten kann.“ “Daran zweifelt niemand“, mischte sich Michael ein. Einige lachten. Florian und Kai gingen zum Buffet und aßen erst einmal etwas. Nach und nach füllte sich der Saal. Einige der Anwesenden kannte Florian nur von Bildern und Aufzeichnungen alter Rennen. Ältere Fahrer, Teamchefs und Mechaniker, die jetzt nicht mehr am aktiven Rennsport teilnahmen. Einer dieser Männer war Niki Lauda. Er ging auf Kai zu und begrüßte ihn kurz. “Schön dich zu sehen, Niki“, erwiderte der fröhlich. Dann stellte er Florian vor. Niki musterte ihn ernst. “Über was reden Sie eigentlich während Ihrer Vor- und Nachberichte?“, fragte er nach einer Weile. “In den Vorberichten über die Chancen der besten Teams auf einen Sieg und in den Nachberichten über die Realität." Grinsend nickte der Österreicher. “Und Sie haben genug Wissen, um die Zuschauer eine ganze Stunde bei der Stange zu halten?“ “Wenn ich nicht mehr weiß, worüber ich reden soll, funke ich Kai an und der besorgt sich einen Interviewpartner.“ Kai nickte bestätigend. “So machen wir das. Obwohl Flo sowieso nur eine halbe Stunde vor den Rennen auf Sendung ist.“ “Genau, die andere halbe Stunde übernehmen Heiko und Christian.“ Niki überlegte kurz. “Ach ja“, meinte er dann. “Eure Kommentatoren.“ Er wand sich wieder Florian zu, während Kai sich dem Buffet widmete. “Seit wann arbeiten Sie bei RTL? Erst seit diesem Jahr?“ “Ja." “Sie und Kai scheinen sich ja ganz gut zu verstehen? Kannten Sie sich vorher schon?“ Florian sah Kai fragend an, der schüttelte fast unmerklich den Kopf. “Wir sind uns schon mal begegnet.“ Niki war, wie die meisten anderen Anwesenden auch, nur im Groben über Kais Tätigkeit als Auslandskorrespondent informiert. Er ahnte mehr, als dass er wusste. “Wo, wollen Sie mir sicher nicht verraten, oder?“ Florian schüttelte den Kopf. “Himmel hilf. Noch so ein Geheimniskrämer wie Kai.“ Florian nickte grinsend. “Die gleiche Wellenlänge“, murmelte er, während er sich seinen Essen widmete. Kai lachte leise über den Scherz. Michael und Heinz amüsierten sich ebenfalls köstlich. Nur Niki schaute etwas verdattert drein. Die meisten Menschen hier begegneten ihm mit Respekt, besonders, wenn sie neu waren. Bei Florian war das anders. Er war ziemlich frech. Und das imponierte ihm in gewisser Weise. “Wir sehen uns noch“, sagte er und wand sich um. Im Weggehen murmelte er leise: “Auch noch den gleichen Humor haben sie, furchtbar.“ Florian sah Kai vorwurfsvoll an. “Diese Art von Humor habe ich mir bei dir abgeschaut.“ Heinz mischte sich ein. “Wie ich immer zu sagen pflege. Er ist an allem schuld.“ Er deutete mit dem Daumen auf Kai, der schuldbewusst den Kopf hängen ließ. Sekunden später sah er auf und lachte. Der ganze Abend wurde noch recht vergnüglich. Obwohl man schon merkte, dass jemand fehlte. Es war fast fünf Uhr morgens, als Kai und Florian sich von den anderen verabschiedeten und in ihren Zimmern verschwanden. Am Nachmittag flogen sie von München nach Köln. Dort bereiteten sie ihr gemeinsames Weihnachtsfest vor. Zuerst räumten sie Kais Wohnung auf. Dabei wurde ziemlich deutlich, dass Kai einige wichtige Sachen bei Florian hatte, anstatt in seiner eigenen Wohnung. “Dein Versicherungshefter liegt auch noch bei mir, Kai“, rief Florian aus seinem Arbeitszimmer, wo einige lose Blätter auf dem Schreibtisch lagen. Kai steckte den Kopf zur Tür herein. Er hielt einen Staublappen in der Hand, mit dem er bis jetzt den Wohnzimmerschrank gereinigt hatte. “Egal. Ich hole meine Sachen nach Weihnachten mal wieder rüber.“ “Okay“, sagte Florian und grinste ihn an. “Faultier. Du hast nur keine Lust, die paar Meter bis in meine Wohnung zu laufen.“ Kai grinste zurück und verschwand wieder im Wohnzimmer. Am Abend waren sie mit beiden Wohnungen fertig und saßen erschöpft in Kais Wohnzimmer. Vor ihnen auf dem Tisch standen zwei Flaschen Bier und im Fernsehen lief ein Spielfilm, den sie jedoch kaum beachteten. “Wir müssen noch einkaufen Uns fehlt noch die Hälfte.“ Florian sah Kai grinsend an. “Eigentlich hätten wir das auch schon vor einigen Tagen erledigen können.“ Kai nickte ernst. “Sicher doch. Aber dann wäre uns doch der ganze Rummel entgangen.“ Mit einer müden Geste wischte sich Florian über die Augen. Er stand auf und ging zur Tür. “Ich verschwinde nach drüben. Sonst schlafe ich hier noch ein. Wir sehen uns ja morgen früh.“ Er trat nach draußen auf den Flur, blieb jedoch noch einmal kurz stehen. “Ein Glück, dass manche Läden an Nachzügler wie uns gedacht haben und auch am 24sten geöffnet haben.“ Kai nickte und trank seine Flasche leer. Danach ging auch er ins Bett.
Nachdem sie am nächsten Morgen noch durch die halbe Stadt gelaufen waren und ihre restlichen Einkäufe erledigt hatten, gingen sie zurück zu ihrem Mietshaus. Dort bereitete Florian schon einmal die Gans für den nächsten Tag vor, während Kai damit beschäftigt war, seine Wohnung zu schmücken. Er hatte vor einigen Tagen einen hübschen kleinen Weihnachtsbaum gekauft, welcher jetzt in seinem Wohnzimmer stand und darauf wartete, angeputzt zu werden. Gegen Mittag war Kai mit seiner Arbeit fertig. Er ging in die Küche, um nachzusehen, wie weit Florian war. Als er die Tür öffnete, saß sein Freund mit einem Glas Wein auf dem Boden und starrte in den Ofen. “Wie ist der Film?“, fragte Kai. “Verdammt lecker.“ Florian stand auf “Das Essen für morgen ist fertig.“ Er holte die Gans aus dem Ofen und stellte sie auf den Tisch. Kai goss sich ebenfalls ein Glas von dem Rotwein ein, den Florian eigentlich für die Soße gebraucht hatte. “Ich mache dann mal das Essen für heute Mittag. Es ist fast zwölf.“ “Tu das. Ich schau mir mal an, was du während der letzten zwei Stunden gemacht hast.“ Damit verließ er das Zimmer und ging ins Wohnzimmer. Erstaunt blieb er im Rahmen der Tür stehen und starrte auf das völlig veränderte Zimmer. Kai hatte wirklich einiges geschafft. In der kleinen Ausbuchtung vor dem Fenster stand der Weihnachtsbaum, welchen er liebevoll geschmückt hatte. Auf der Schrankwand standen kleine Engel, ein Nussknacker und andere Figuren. Im Fenster hingen Sterne und anderer Schmuck. Auf dem Tisch und dem Schrank lagen Weihnachtsdecken. Außerdem standen dort kleine Schüsseln mit Plätzchen. Auf dem niedrigen Schrank in der Ecke stand eine Pyramide. Da Kai von Florian einen Kommentar zu seiner Arbeit erwartet hatte, dieser aber nicht kam, steckte er den Kopf zur Tür hinaus. Er sah ihn auf der Schwelle zum Wohnzimmer stehen. “Na so schlimm ist es nun auch nicht“, murmelte er und trat hinter ihn. Als Florian sich zu Kai umdrehte, hatte er Tränen in den Augen. “Es ist wunderschön, Kai“, hauchte er leise. Seit er seine Heimat und seine Familie verloren hatte, hatte er Weihnachten immer nur vergessen wollen. Erst jetzt spürte er wieder diesen Zauber, den dieses Fest ausstrahlte. Kai legte ihm eine Hand auf die Schulter. “Setz dich ein bisschen rein. Ich mache schnell das Essen.“ “Essen wir hier im Wohnzimmer?“ “Sicher doch“, sagte Kai lächelnd und ging wieder. Florian machte es sich währenddessen im Wohnzimmer bequem. Als Kai nach einer halben Stunde mit einem Tablett zurück kam, saß Florian auf dem Sofa und knabberte ein Plätzchen. “Süßes vor dem Essen? Keine Erziehung, der Mann“, brummte er. Florian grinste entschuldigend. “Nur ein kleiner Appetitsanreger.“ Kai grinste breit und stellte die Teller und die Suppe auf den Tisch. Er tat sich und seinem Freund etwas auf und wünschte ihm einen guten Appetit. Florian aß schweigend. Seine Augen schwirrten immer wieder von einem Weihnachtszeugnis zum nächsten. Lange starrte er den Baum an. Vor dem Fenster war die Nacht bereits hereingebrochen. Es war zwar erst früher Nachmittag, aber aufgrund der dicken Schneewolken, die die Sonne verdeckten, war es den ganzen Tag nicht richtig hell geworden. Kai stand auf und ging zum Lichtschalter. Er schaltete ihn aus und die Lichter im Fenster und am Weihnachtsbaum an. Dann entzündete er die Kerzen der Pyramide. Die Lichter im Raum spiegelten sich in Florians großen Augen wieder. Sie sahen jetzt richtig dunkel aus, während sie sonst eher blau wirkten. Kai beobachtete ihn eine Weile. Irgendwann wand Florian den Kopf und sah Kai direkt in die Augen. Der senkte ertappt den Blick und wurde leicht rot, was man aufgrund der Lichtverhältnisse jedoch nicht sah. Er räusperte sich und murmelte: “Ich räume das Geschirr raus.“ Er stand auf und räumte den Tisch ab. Mit dem Tablett verschwand er in der Küche. Florian sah ihm eine Weile nachdenklich nach. Mit zitternden Händen stellte Kai das Tablett ab und räumte das dreckige Geschirr in die Spülmaschine. “Verflucht“, murmelte er leise. Er hätte sich fast verraten. Kai war sich nicht einmal sicher, ob Florian nicht doch etwas gemerkt hatte. Normalerweise hatte der Mann sich besser unter Kontrolle. Aber irgendwie versagte seine Selbstbeherrschung ziemlich kläglich, wenn es um Florian ging. ‘Ich komm noch in Teufels Küche, wenn ich nicht aufpasse‘, dachte Kai ärgerlich. ‘Oder ich verliere Florian als Freund.‘ Hinter sich hörte Kai Schritte. Er drehte sich um und sah Florian neben dem Kühlschrank stehen. Der sah ihn an. “Ich mache etwas Glühwein warm.“ “Okay.“ Kai stellte die Spülmaschine an und grinste. “Ein Hoch auf die moderne Technik.“ Florian nickte zustimmend. Er kippte den Glühwein in einen Topf und stellte die Herdplatte an. “Hast du eigentlich Räucherkerzen?“ “Oh“, sagte Kai und ging in das Wohnzimmer. “Ich schau mal nach.“ Eine Weile wühlte er in seinem Schrank herum. “Ich habe welche gefunden.“ Florian kam mit zwei Gläsern und dem Topf herein und stellte alles auf den Tisch. Kai hielt ihm die Räucherkerzen hin. Es gab welche in schwarz, gelb, rot und grün. Florian nahm eine grüne, roch kurz daran und nickte dann. “Die hier.“ Kai zündete sie an und stellte sie in ein Räuchermännchen. Kleine Rauchschwaden zogen durch das Zimmer und verbreiteten einen leichten Geruch nach Tannenbäumen. “Wahnsinn“, sagte Florian begeistert. “Es ist perfekt.“ “Nicht ganz“, sagte Kai und ging zu einem kleinen Schrank in seinem Schlafzimmer. Florian war ihm neugierig gefolgt und stand mit einem Glas in der Hand in der Tür. “Was ist da drin?“, fragte er neugierig. Normalerweise kannte er sich bei Kai so gut aus, wie in seiner eigenen Wohnung. “Besondere Schallplatten.“ Kai zog einige raus. “Zum Beispiel Weihnachtsmusik.“ Er reichte sie Florian. Der sah sie sich langsam an. “Schöne Sammlung. Hast du die ausländischen von den Fahrern?“ “Richtig geraten. Ich habe hin und wieder eine von den Fahrern bekommen. Sie haben sie mir auf Wunsch mitgebracht.“ Die Männer gingen in das Wohnzimmer zurück. “Vor allem die finnischen Lieder finde ich ganz klasse. Welche soll ich anstellen?“ Florian legte den Stapel auf die Couch und sortierte sie nach Ländern. Er reichte Kai eine aus Finnland. “Lass mal hören, wie es klingt.“ Kai nickte und stellte den Plattenspieler an. Leise erklangen finnische Lieder. Florian lauschte eine ganze Weile. Dann nickte er. “Hört sich richtig gut an.“ “Sag ich doch.“ Kai ließ sich in seinen Sessel fallen und zog die Beine an. “Verstehst du eigentlich die Texte?“ “Einigermaßen. Während der letzten zwei Jahre habe ich ziemlich viel Zeit mit Mika Häkkinen verbracht und ihm ein wenig Deutsch beigebracht. Er hat mir dafür die Grundzüge der finnischen Sprache erklärt. Die Vokabeln lerne ich immer noch.“ “Die Aussprache finde ich grausam. Das sind doch Zungenbrecher.“ Kai grinste. “Und das sagst ausgerechnet du? Als Kroate? Das ist doch ein und dieselbe Sprachfamilie.“ “Mmm“, murmelte Florian. “Irgendwie hast du Recht“, gab er zu. Sie saßen einige Stunden zusammen und lauschten den musikalischen Zeugnissen der verschiedenen Kulturen, mit denen sie von Arbeitswegen her zu tun hatten. Dabei knabberten sie Weihnachtsplätzchen und tranken Glühwein. Die deutschen Weihnachtslieder hörten sie ganz am Schluss. Kai sah, dass Florian die Texte beherrschte und leise mitsang. Er fragte ihn, woher er sie kannte. “Von meiner Großmutter. Sie hat mir alles beigebracht. Ich mag diese ruhigen, alten Lieder.“ Er senkte traurig den Kopf. “Ich vermisse unsere kroatischen Lieder. Sie klingen viel schöner als alle anderen und sie haben mehr Inhalt.“ Als er Kai ansah, glitzerten Tränen in seinen Augen. Kai nickte. “Kann ich mir annähernd vorstellen. Eure Sprache ist sehr aussagekräftig.“ Florian lächelte traurig. “Wie weit bist du eigentlich mit deinem Selbststudium?“ “Es geht voran.“ Mit etwas unsicheren Schritten verschwand Florian kurz in seine Wohnung und kam mit einem alten Buch wieder. Er legte es vor Kai auf den Tisch. “Das ist ein Buch, welches ich von meinem Vater zu meinem zehnten Geburtstag geschenkt bekommen habe. Es sind kroatische Weihnachtsgeschichten. Man hat mir zum Glück nicht weggenommen, weil es eben nur ein Märchenbuch war. “ Kai schlug es auf. “Unglaublich“, sagte er verblüfft. “Das ist ja handschriftlich.“ Florian nickte langsam. “Es ist weit mehr als 450 Jahre alt und ein mittleres Vermögen wert. Gut, dass die Idioten im Gefängnis das nicht bemerkt haben. Und es ist in einem sehr alten Kroatisch geschrieben." “Merke ich“, stöhnte Kai auf, nachdem er einige Zeilen gelesen hatte. Florian nahm das Buch und legte es auf seine Knie. Langsam und deutlich las er Zeile für Zeile. “Was habe ich gerade gelesen?“, fragte er Kai, als er die erste Geschichte beendet hatte. Kai fasste den Inhalt kurz mit seinen eigenen Worten zusammen. Anerkennung spiegelte sich in Florians Gesicht. “Hervorragend.“ Die zweite Geschichte las er in einem normalen Tempo. Auch hier verstand Kai alles. "Lies du die nächste“, forderte er ihn auf. Der nahm das schwere Buch und fing an, sich durch die ersten Absätze zu arbeiten. Nach und nach fiel es ihm leichter, die fremden Worte auszusprechen. Die nächste Geschichte las er nahezu akzentfrei. Als er fertig war, sah er Florian stolz an. “Unfassbar, wie schnell du Sprachen lernst. Du scheinst eine natürliche Begabung dafür zu haben.“ Zusammen arbeiteten sie noch einige Geschichten durch. Sie waren alle nicht sehr lang, meist nur ein paar Seiten. Und alle berichteten über die Entstehung und die kulturellen Besonderheiten des kroatischen Volkes. Kai lernte nicht nur die Sprache, sondern auch die Denkweise der Kroaten. Und er glaubte, einige Dinge zu verstehen, die Florian manchmal sagte und tat. Es war weit nach Mitternacht, als sie das Buch zuklappten. Florian gähnte herzhaft. "Ich gehe nach drüben, sonst kippe ich hier gleich um.“ Dankbar sah er Kai an. “Es war ein wunderschöner Heiliger Abend. Wir sollten das unbedingt wiederholen.“ Kai nickte zustimmend und stand auf, um Florian bis zur Tür zu bringen. “Es war anders, als die Partys, auf denen ich sonst immer war. Ich ziehe diese Art eindeutig vor.“ Er lächelte Florian offen an. “Wir sollten das wirklich wiederholen.“ Und sie wiederholten diesen Abend von diesem Tag an fast jedes Jahr. Für die beiden Männer wurde der 24. Dezember so zu einem Tag der Besinnung und inneren Ruhe.
Nach einigen Stunden Schlaf stand Kai auf und bereitete den Frühstückstisch für sich und Florian vor. Auf dem kleinen Schrank im Flur lag ein eingewickeltes Geschenk. Als es klopfte, öffnete Kai die Tür. Es war natürlich Florian. Kai reichte ihm das Päckchen. “Frohe Weihnachten, Flo.“ Florian nahm es grinsend und zog hinter seinem Rücken ebenfalls ein Päckchen hervor. “Frohe Weihnachten, Kai.“ Zusammen gingen sie ins Wohnzimmer und setzten sich. Kai griff nach der Kaffeekanne, ließ sie jedoch wieder sinken und nahm das Geschenk. Er grinste Florian an. “Ich bin einfach zu neugierig.“ Der lachte und fing an, seines ebenfalls auszupacken. “Ich auch“, gab er zu. Kai war zuerst fertig. Er legte das Papier und die Schleife neben seinen Sessel und starrte auf den Hefter in seinen Händen. Er schlug die erste Seite auf. “Ich habe eine Weile für die Boulevardpresse gearbeitet, als ich in London war. Wir haben damals eine Reihe mit Falschmeldungen rausgebracht. Das sind die gesammelten Werke.“ Kai nickte und fing an zu lesen. Plötzlich lachte er und suchte den Autor. “Das hast du dir ausgedacht?“ Florian nickte bestätigend. “Wahnsinn. Du solltest Schriftsteller werden. Die Teile sind ja zum Brüllen.“ Er las weiter. “Und manche Leute haben tatsächlich geglaubt, was sie da gelesen haben.“ Ungläubig schaute Kai ihn an. Dann zuckte er mit den Schultern und las weiter. Florian hatte sein Päckchen inzwischen auch ausgepackt. Ungläubig schaute er auf die Schallplatten, die er in den Händen hielt. Es waren alte kroatische Weihnachtslieder Kai blickte auf. “Gefällt sie dir?“, fragte er vorsichtig. “Ja“, hauchte Florian. Er sah Kai mit Tränen in den Augen an. “Wo hast du die her?“ “Die Geschichte würde den Rahmen sprengen. Es war ziemlich schwer, sie zu besorgen.“ “Kann ich mir vorstellen.“ Mit zitternden Fingern strich Florian über die Hülle. “Diese Schallplatte wurde nur ein paar Mal hergestellt. Es war eine limitierte Sonderausgabe für kroatische Staatsangestellte. Mein Vater hatte genau dieselbe. Die Soldaten zerstörten sie, als sie unser Haus verwüsteten. Es war immer meine Lieblingsplatte gewesen.“ Vorsichtig legte er sie auf den Tisch. Kai war erstaunt. Er hatte gehört, dass es etwas besonderes mit dieser Platte auf sich hatte, aber dass sie so wertvoll war, hätte er nicht gedacht. Und dass sie Florian so viel bedeutete, machte ihn glücklich. Er hatte nämlich Angst gehabt, dass es seinem Freund weh tun würde, wieder an seine Heimat erinnert zu werden. Doch als er jetzt in Florians Gesicht schaute, wusste er, dass er das perfekte Geschenk für ihn gefunden hatte. Florian wischte sich übers Gesicht und stand dann auf. Er fiel Kai um den Hals. “Danke, Kai. Du ahnst gar nicht, wie wertvoll dein Geschenk für mich ist.“ Kai war anfangs etwas überrascht von Florians plötzlichem Gefühlsausbruch. Sonst war er immer ruhig und beherrscht. Er hielt ihn kurz fest. Als Florian sich wieder von Kai löste, schimmerten seine Wangen in einem leichten Rot. “Danke noch mal. Können wir sie uns mal anhören?“ “Auf jeden Fall.“ Kai nahm sie vorsichtig und legte sie auf den Plattenteller. Florian hielt die Hülle in seinen Händen und lauschte den Liedern. Plötzlich lachte Kai auf. “Jetzt verstehe ich, warum du sie so genial findest. Die Lieder sind ja ziemlich ironisch.“ Begeistert nickte Florian. “Richtig. Aber ich finde sie wunderschön."
Gegen Mittag machte Florian die Gans warm. Dazu kochte er Kartoffeln und Grünkohl. Es war bereits weit nach zwei Uhr nachmittags, als sich die beiden Männer in Kais Wohnung niederließen und zu essen anfingen. Minuten später klingelte das Telefon. Kai griff mit zwei Fingern danach und nuschelte etwas in den Hörer. Gleichzeitig drückte er die Lautsprechertaste. “Guten Appetit, Kai.“ Kai schluckte hastig. “Reg? Lässt du auch mal wieder was von dir hören.“ “Aber sicher. Ich wünsche dir frohe Weihnachten. Die Familie auch.“ “Danke. Wünsche ich dir auch.“ “Ich auch“, rief Florian von seinem Platz aus. Ein Lachen war zu hören. “Danke, Florian.“ “Was machst du so? Bist du zu Hause?“ Bei Kai erwachte eine gewisse berufliche Neugier. “Noch. Nicht mehr lange. Wir sollen die Russen im Kampf gegen Tschetschenien unterstützen.“ Kais Blick verfinsterte sich. “Und du bist der Meinung, dass Russland es nicht allein schafft, dieses kleine Land platt zu machen?“ “Oh oh. Ich verstehe, dass du gegen diesen Krieg bist. Ich bin es ja auch. Wir sollen die Kämpfer in Tschetschenien nicht unterstützen, sondern Objekte und Menschen in Russland schützen. Man hat dort wohl Angst vor arabischen Islamisten.“ “Araber? Du glaubst, diese geheimnisvolle Organisation steckt dahinter?“ “Ja. Die Geheimdienste hier in den USA sind sehr besorgt. Man glaubt, dass sich in der islamischen Welt etwas sehr Großes zusammenbraut.“ Kai war nachdenklich geworden. Besorgt schaute er Florian an. “Hört sich nach Arbeit für uns an.“ “Wahrscheinlich“, sagte der. “Dann sehen wir uns sicher demnächst einmal wieder.“ “Würde mich freuen. Wenn die Anlässe nicht so unangenehm wären.“ Donaldson schwieg kurz. “Ihr zwei seid übrigens richtig gut in eurem Job. Ich habe es im letzten Jahr geschafft, fast jede Formel 1 - Übertragung zu sehen. Ihr seid witzig.“ “Danke“, sagten die beiden wie aus einem Mund. Kai grinste. “Ein Fan“, sagte er und deutete auf das Telefon. “Bilde dir ja nichts drauf ein.“ Jemand sprach im Hintergrund. “Ich muss Schluss machen. Daniell drängelt. Wir müssen in die Kirche.“ “Dann geht mal schön. Bin ich froh, dass ich ein Ungläubiger bin.“ Donaldson lachte. “Glückspilz. Tschau, Kai. Tschüss, Florian.“ “Bis irgendwann“, sagte Kai. “Wiedersehen“, rief Florian. Kai legte auf. Er grinste breit “Arme Daniell. Die wird ziemlich sauer sein, dass Reg schon wieder ins Ausland will.“ “Ja, wahrscheinlich. Sie wird es schon verkraften.“ Florian blickte nachdenklich auf sein Essen. Kai fiel die veränderte Stimmung seines Freundes auf. “Was ist los, Florian.“ Der zog eine Kette unter seinem Pullover hervor. Ein kleines goldenes Kreuz baumelte daran. “Ich habe während der letzten Jahre etwas ziemlich vernachlässigt.“ Erstaunt schaute Kai ihn an. “Du bist Katholik?“ “Ja“, sagte Florian. “Nach dem, was ich alles erlebt habe, habe ich einfach nicht mehr daran glauben können, dass es einen Gott gibt. Ich habe mich selbst bemitleidet, da ich mir nicht vorstellen konnte, was ich getan habe, um so eine Bestrafung zu verdienen.“ “Vielleicht solltest du es nicht ganz so starr sehen. Sieh es mal von einer anderen Seite. Du bist dieser Hölle entkommen. Mit sehr viel Glück, wenn ich das mal sagen darf. Vielleicht hat dir ja doch jemand geholfen.“ Florian lächelte. “Danke für dein Verständnis. Vielleicht hast du Recht. Ich schätze mal, da schulde ich jemandem ein Dankeschön, wenn es dafür nicht schon zu spät ist.“ “Es ist nie zu spät, sich zu bedanken.“ Nachdenklich saß Florian auf der Couch und stach mit der Gabel immer wieder in seine Gans. “Sie ist bereits tot, Florian“, sagte Kai, woraufhin der leise lachte. Der legte die Gabel weg und lachte ebenfalls. Er wollte etwas sagen, wurde jedoch von einem Klingeln unterbrochen. Kai nahm den Telefonhörer ab und schaltete den Lautsprecher ein. “Ja?“ “Frohe Weihnachten, Kai“, erklang die Stimme von Heinz-Harald aus dem Hörer. “Ebenfalls“, sagte Kai. “Ist Florian auch bei dir?“ “Ja“, antwortete der aus dem Hintergrund. “Frohe Weihnachten, Heinz.“ “Frohe Weihnachten. Was macht ihr gerade?“ “Wir versuchen zu Essen“, sagte Kai. “Aber man lässt uns nicht.“ “Wer hat denn noch angerufen?“ “Reginald Donaldson.“ “Was macht der so?“ “Im Moment ist er zu Hause. Aber sage einmal, was ist eigentlich mit dir los?“ “Mit mir? Was soll mit mir sein?“ Der Rennfahrer klang zu unschuldig um wahr zu sein. “Ach tu doch nicht so“, sagte Kai grinsend. “Erstens, ich kenne dich zu lange, um nicht zu merken, dass mit dir etwas nicht stimmt. Und zweitens, ich bin Reporter.“ “Okay, okay. Ich habe gestern Abend auf einer Party eine alte Schulfreundin von uns getroffen.“ “Wen?“ “Tanja.“ “Die kleine Brünette? Schau an. Und?“ “Nichts und. Ich war ganz brav und habe sie kurz nach Mitternacht nach Hause gebracht.“ Kai zog die Augenbrauen hoch. “Heinz, du klingst so... verliebt.“ “Na ja, irgendwie gefunkt hat‘s schon. Ich hatte ja früher schon ein Auge auf sie geworfen.“ “Ich weiß. Aber du warst immer zu feige, ihr etwas zu sagen.“ Kai grinste breit. “Wann triffst du sie wieder?“ “Heute Abend. Wir wollen essen gehen.“ “Das klingt ja ziemlich ernst. Viel Glück, Heinz.“ “Danke.“ Heinz klang erleichtert. “Wir sehen uns sicher noch vor dem nächsten Rennen.“ “Sicher doch. Mach‘s gut.“ “Tschau ihr beiden.“ Heinz legte auf. Florian sah Kai fragend an. “Wer ist diese Tanja?" “Eine alte Schulfreundin von Heinz. Sie hat ihn schon immer angehimmelt, aber er war hinter Corinna her. Ziemlich kompliziert die ganze Sache." “Ja, es hört sich tatsächlich kompliziert an.“ “Themawechsel. Um den Faden von vorhin wieder aufzunehmen, willst du mal wieder in die Kirche?“ Florian nickte langsam. “Ja, irgendwie schon.“ “Soll ich mitkommen?“ “Bitte.“ “Okay. Bevorzugst du große Kirchen oder lieber eine kleine?“ "Es muss nicht gleich der Kölner Dom sein." Nach einigen Sekunden sagte Florian: “Ich will Ruhe. Lieber eine kleine.“
Sie zogen sich ihre Wintersachen an und gingen durch die winterlichen ruhigen Straßen Kölns. Es hatte die ganze Nacht geschneit. Die Gehwege waren geräumt. Die Bäume am Straßenrand hatten weiße Kappen. Hinter den Fenstern der Häuser sah man Tannenbäume und Familien, die das Weihnachtsfest genossen. “Es ist herrlich“, seufzte Florian. “Alles ist so friedlich.“ Kai nickte schweigend. Er führte Florian zu einer kleinen Kirche. Florian war ziemlich nervös, das sah Kai deutlich. Zusammen betraten sie das Gotteshaus. Es war gemütlich. Auf dem Altar stand ein großes bronzenes Kreuz. Eine dicke Bibel lag aufgeschlagen darunter. Während Kai sich auf eine der Bänke fallen ließ, ging Florian bis an den Altar. Er bekreuzigte sich. Eine Weile schaute er schweigend die Christusfigur an. “Es tut mir leid, dass ich so lange nicht da war“, murmelte er leise. Er hatte nicht gemerkt, dass ein Pfarrer hinter ihn getreten war. Der legte jetzt sanft eine Hand auf Florians Schulter. “Es ist ihm egal, ob Sie eine Weile nicht hier waren, mein Sohn. Hauptsache, Sie haben zu ihm zurück gefunden. Gott wird nie eines seiner Kinder verstoßen, welches zu ihm zurück will.“ Florian drehte sich zu dem Mann um. Er trug eine schlichte Kutte, wie ein Mönch und hatte gütige graue Augen. “Hätten Sie eventuell einige Minuten Zeit, Vater. Ich muss dringend einige Sachen loswerden.“ “Aber natürlich. Kommen Sie mit.“ Zusammen mit Florian ging er zum Beichtstuhl. Der redete sich erst einmal ein paar Dinge von der Seele. Es tat ihm sehr gut, sich mal wieder mit einem Geistlichen zu unterhalten. Als er wieder heraustrat, fühlte er sich wie ein Kind, welches nach langer Zeit mal wieder zu Hause vorbeigeschaut hatte. Der Pfarrer trat neben ihn. Er deutete auf Kai. “Was ist mit Ihrem Freund?“ “Er hat mit der Kirche nicht viel am Hut. Er hat mich nur begleitet.“ “Das ist eine nette Geste von ihm. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, mit Gott an Ihrer Seite sind Sie nie allein. Und mit einem Freund wie ihm erst recht nicht.“ “Ich danke Ihnen.“ “Kommen Sie jederzeit wieder, mein Sohn.“ Damit drehte der Mann sich um und verschwand wieder. Florian ging zu Kai. Der erhob sich und ging neben ihm her nach draußen. Hier war es inzwischen sehr dunkel geworden und sehr kalt Florian zitterte leicht. “Ich sollte mir unbedingt eine dickere Jacke kaufen.“ Er zog seine enger um die Schultern. Kai warf ihm einen kurzen Blick zu und zog seine eigene aus. Er hängte sie Florian um. “Hier, nimm meine. Mir ist nicht kalt.“ “Danke“, murmelte Florian. Er sah deutlich, wie sehr Kai zitterte. Jetzt verstand er die Worte des Pfarrers. “Hast du vielleicht ein breites Kreuz“, sagte er. “Da passe ich ja zwei Mal rein.“ Kai grinste. “Kommt alles vom Boxen“, sagte er zitternd. Er ging ein bisschen schneller. Als sie wieder in Kais Wohnung waren, machte Florian etwas Glühwein heiß, damit Kai sich wieder aufwärmen konnte. Den Rest des Abends verbrachten sie mit Plätzchen essen, reden und Musik hören. Am nächsten Morgen frühstückten sie bei Kai im Wohnzimmer und sahen sich Märchenfilme an. Kai hatte für den Abend noch eine Überraschung auf Lager. Er hatte Theaterkarten besorgt. Als er Florian davon erzählte, war der sofort begeistert. Das Stück, welches Kai ausgewählt hatte, war eine neue, moderne Version von Dr. Faust. Die beiden hatten eine Menge Spaß, da man bei der Inszenierung vor allem auf Humor gesetzt hatte. Abends gingen sie noch in auf ein Glas Wein in eine kleine französische Gaststätte. Als sie gerade wieder gehen wollten, betrat Frank Mernmler den Raum. Er setzt sich zu den beiden Männern und sie unterhielten sich noch eine Weile. Frank schlug ihnen vor, Sylvester auf dem Gelände des Senders zu verbringen. Das Haus war eines der höchsten und der Festsaal lag im obersten Stock. Man hatte also einen hervorragenden Ausblick auf die Feuerwerke, die in der Stadt verpulvert werden würden. Florian und Kai willigten ein.
Es wurde eine ziemlich große Feier, da eine Menge Angestellte des Senders kamen. Es wurde viel getrunken und gelacht. Nach zwei Uhr waren die meisten verschwunden. Nur die Formel 1 - Crew war noch da. Sie saßen an einem kleinen Tisch und diskutierten noch etwas über die letzte Saison und die Erwartungen für die nächste. Und alle waren sich einig, dass es wahrscheinlich sehr spannend werden würde.
Hui...was für ein Kapitel. Mal sehen, ob ich es passend zusammenfassen kann. Die Sache mit Senna war wirklich sehr sehr traurig und ich bin beinahe froh, dass ich das nicht mitgekriegt habe...das hätte sogar mich deprimiert. Kai`s Reaktion darauf war auch sehr gut beschrieben und nachvollziehbar. Wie üblich. Die komplette Weihnachts-Sache war herrlich. So schön festlich und weihnachtlich und ich hatte Lust auf Spekulatius...und ich wüsste nur zu gerne, ob Flo Kais Gefühle teilt...die sind ja inzwischen schmerzhaft offensichtlich. Schmerzhaft deshalb, weil jeder, der es nicht merkt, einen Schlag auf den Kopf verdient. Donaldson zieht also mal wieder in den Krieg? Hach, was wär ich froh, wenn er endlich in den Ruhestand gehen würde. Der arme Mann soll sich seiner verbliebenen Gliedmaßen erfreuen und mehr Zeit mit seiner Frau verbringen, statt durch die Weltgeschichte zu ballern. *schimpf* Mach bitte ganz schnell weiter, ich bin schon gespannt auf die Sylvesterfeier...und warum hat Kai in seiner Wohnung keine Mistelzweige aufgehängt? Das wäre DIE Gelegenheit gewesen, Flo zu küssen...*kopfschüttel* lg, Isi =)