Das Jahr 2185 hatte die Wende gebracht – der Menschheit war es gelungen das erste Raumschiff zu konstruieren, das die Lichtgeschwindigkeit erreichte. Zahlreiche technische Revolutionen folgten, die das Leben auf der Erde und ihren Kolonien einfacher machte. Die kulturelle Vielfalt wurde durch die Kontaktaufnahme zu anderen Spezies um neue Eindrücke bereichert, sowie viele alte Moralvorstellungen auf den Prüfstand gestellt wurden, um dann als archaisch abgetan zu werden.
„Manchmal wünsche ich mir wirklich, ich könnte meinen Dienst in der Prärepublikanischen Zeit schieben. Damals waren die Gesetze wenigstens klar und deutlich, was den Besitz von Rauschmitteln betraf.“ brummte Michael wütend als er mit seinem Kollegen Gerrit das Büro des neu gebauten Gebäudes der Republikanischen Polizei Dienststelle betrat. Missmutig starrte er die Tür an, die sich mit einem leisen Geräusch schloss. Gerrit schmunzelte, es war nicht schwer zu erraten, was der Ältere gerne mit der Tür gemacht hätte, wenn es noch eine gute, alte „manuelle“ Tür gewesen wäre: Diese mit ordentlich Schwung hinter sich ins Schloss geschmissen. „Was gibt es da zu grinsen?“ fuhr Michael Gerrit an, „mir gehen diese „unterschiedlichen“ Handhabungen des Gesetzes auf den Geist.“ „Ich weiß doch, wie du dich fühlst. Aber jetzt reiß dich zusammen – es war ein Rhotorianer – und du weißt selbst, dass die das Zeug brauchen, um für ihrer Partnerinnen attraktiv zu werden.“ entgegnete Gerrit gelassen, und musste sich erneut ein Grinsen verkneifen, da dieses Exemplar besonders blau gewesen war.
Rothorianer gehörten zu einer Reptilienrasse und glichen den früher lebenden Iguanodons. Die weiblichen Vertreter dieser Rasse trugen meist ein rötlich bis rötlichgoldenes Schuppenkleid, während die männlichen Vertreter meist ein fahlgraues Schuppenkleid zierte. Um für die Damen interessant zu werden, benötigten Rothorianer eine kokainähnliche Substanz, die die Farbveränderung der Schuppen hervorrief. Je „higher“ der Rothorianer, desto farbenprächtiger glänzte sein Schuppenkleid in den Farbvariationen von grün bis blau. Nur das diese Substanz bei den Konsumenten keine schädliche Nebenwirkung hatte, im Gegensatz zu den Menschen.
Michael hatte sich inzwischen wieder beruhigt – dem Rothorianer war wohl aufgelauert worden, um an sein „Magic Blue“ heranzukommen. „Ohne Kriminalität wären wir arbeitslos.“ mit diesem bitterironisch ausgesprochenen Satz ließ sich Michael in seinen Sessel fallen. Mit kurzen, knappen Sätzen diktierte er den Einsatzbericht und überflog dann den Text auf dem Monitor. „Haben Sie noch etwas dazu zu ergänzen, Kommissar Grass?“ fragte er förmlich. „Nein, der Bericht entspricht den Angaben von Kommissar Naseband.“ erwiderte Gerrit ebenso förmlich. „RPD Bericht 2 Strich 8 Alpha 5 abgelegt.“ bestätigte der Computer. Michael sah Gerrit an, dieser sah zurück, und beide Männer brachen in schallendes Gelächter aus. „Weißt du, an diese Förmlichkeit werde ich mich nie gewöhnen!“ erklärte Michael nach einer Weile immer noch kichernd. Dann wurde er ernst: „Nein, dieser Bericht entspricht den Angaben von Kommissar Naseband.“ Diesem Satz folgte eine Salve neuen Gelächters, bis Michael japsend in seinem Sessel zurücksank: „Ich kann nicht mehr….aufhören…“ Gerrit schnappte ebenfalls nach Luft: „Mir geht es nicht besser.“ Fünf Minuten später hatten sich die beiden Kommissare soweit beruhigt, dass ihnen niemand mehr den spontanen Heiterkeitsausbruch ansah, bis auf das vergnügte Funkeln in den Augenwinkeln. Aber genau diese Momente waren es, die den Gesetzeshütern ihre Arbeit in den dunklen Abgründen der Halbwelt erleichterten. Kleine Diebstähle waren noch die harmlosesten Delikte, mit denen die Kommissare eher zufällig konfrontiert wurden. Körperverletzung, Raub, Mord, Gewalt und Drogen; das war das Tageshandwerk der beiden Männer ebenso wie vieler anderer Polizisten. „Ach du liebes bischen, schon wieder so spät?“ Michael fuhr aus seinem Sessel hoch. „Los beeil dich Gerrit – Mist – wir kommen wieder zu spät zum Training!“ „Die Echtler wird wenig begeistert sein!“ kommentierte Gerrit trocken und hätte beinahe einen neuen Lachanfall provoziert, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre. Ines Echtler, Ermittlerin des Innendienstes und Trainerin für alle Kollegen des Außendienstes. Die „eiserne Lady“ des RPD Münchens. Von den meisten gefürchtet, einigen wenigen gehasst, hatte sie sich doch den Respekt ihrer Kollegen verdient. So auch von Michael und Gerrit, und seit seinem schweren Unfall vor zwei Jahren hatte Michael die Frau schätzen gelernt, denn sie war die Einzige gewesen, die ihn nach seiner Rückkehr wie früher behandelt hatte. Alle anderen Kollegen, ja sogar Gerrit und der Staatsanwalt hatten ihn wie ein rohes Ei behandelt. Nun gut, er hatte eine Kollegin verloren, aber das war noch lange kein Grund ihn in Watte zu packen. Zusammen eilten die Männer den Korridor zur Trainingshalle entlang und betraten die Umkleidekabine der Männer. Ihre Spinde befanden sich zwar in derselben Reihe, aber nicht direkt nebeneinander, so dass Gerrit während des Umziehens ein paar Mal zu Michael hinüberschauen konnte. Es war wie ein Ritual, das jedes Mal vollzogen werden musste. Michael wandte ihm den Rücken, der von einem breiten Streifen narbigen Gewebes bedeckt war – genau an der Stelle, an der Michael vor zwei Jahren lichterloh gebrannt hatte, als er vor einem herabstürzenden Gleiter davongerannt war und von einem Teil der Napalmladung getroffen worden war. Der Tag an dem alles schief gelaufen war, und der Tag an dem Michael seine „Lieblingskollegin“ verloren hatte. „Ey, Junge, träumst du?“ wurde Gerrit unsanft von Michaels Stimme in die Wirklichkeit zurückgeholt, „wenn wir uns nicht beeilen brummt uns die Lady noch ein Extratraining auf – mir reichen 50 Extraliegestütze schon!“ Gerrit lächelte gequält: „Tut mir leid – ich bin heute nicht ganz bei der Sache.“ Michael grinste: „Du wirst doch wohl nicht eine Prise „Magic Blue“ abbekommen haben?“ „Ha, ha – sehr witzig!“ brummte Gerrit und beeilte sich hinter Michael herzukommen, der im lockeren Trab auf die Tür der großen Sporthalle zulief.
Ich kannte ja schon einen Teil der Story und hab dir ja bereits gesagt, wie ich sie finde: GEIL und noch besser. Herrlich die Sache mit der Tür... da sieht man es, Technik ist eben nicht alles. Und diese Förmlichkeiten für den Computer, zum Schieflachen. Dass Micha seine Lieblingskollegin verloren hat ist aber nicht zum Lachen *heul*. Arme Alex, was immer genau passiert ist. Hoffentlich schreibst du bald mehr.
Zitat von KittyThompsonIch kannte ja schon einen Teil der Story und hab dir ja bereits gesagt, wie ich sie finde: GEIL und noch besser. Herrlich die Sache mit der Tür... da sieht man es, Technik ist eben nicht alles. Und diese Förmlichkeiten für den Computer, zum Schieflachen. Dass Micha seine Lieblingskollegin verloren hat ist aber nicht zum Lachen *heul*. Arme Alex, was immer genau passiert ist. Hoffentlich schreibst du bald mehr.
LG Kitty
Da kann ich mich Kitty nur anschließen...Die Story ist echt super und mal was ganz anderes. Normalerweise mag ich SiFi nicht so, aber deine Story ändert das. Dein Stil ist super und Du hast eine ordentliche Prise Humor drin...
Auch wenn es eine Weile gedauert hat, aber gut Ding willl Weile haben. Hier eine kleine Fortsetzung:
Zwei Stunden und fünfzig Liegestütze später war das Training beendet. Da Gerrit sich entschlossen hatte, noch ein Bier mit Kollegen zu genießen, verließ Michael alleine das Gebäude. Er wusste genau, dass er eigentlich mit den anderen hätte mitgehen sollen, aber ihm lag nicht mehr soviel an solchen Treffen, weil er alleine war. Natürlich redete er mit den Kollegen und konnte immer noch die besten Witze erzählen, aber innerlich gehörte er nicht mehr dazu – dieser Michael Naseband war mit Alex gestorben. Er seufzte leise und eilte zu seinem Auto. Fast mechanisch öffnete er den Wagen und ließ sich in den Sitz sinken – Alex… Automatisch schloss sich die Wagentür, doch Michael machte keinen Versuch den Wagen zu starten. Es war doch viel angenehmer in dieser Dunkelheit zu sitzen, und die Sterne zu beobachten und seinen Gedanken nachzuhängen. Das waren die Momente, die er brauchte, um die Kraft zu sammeln, die er benötigte, um weiter zu leben, um seine Arbeit als Kommissar zu machen – denn ohne Alex war die Welt dunkel geworden. Er wusste ganz genau, dass dies der Gedankengang war, den er auf keinen Fall weiterverfolgen sollte, wie ihm seine Psychologen mehrmals und eindringlich geraten hatten. „Was wissen die schon?“ murmelte er leise; schließlich hatten die seine Partnerin nicht gekannt. Ein kurzes, spitzbübisches Grinsen, das seine Augen jedoch nicht erreichte, huschte über sein Gesicht, als er an ihr erstes Zusammentreffen dachte…
„Verfluchtes Mistding..“ knurrte Michael Naseband ärgerlich und musterte den Kaffeeautomaten, der in der Eingangshalle des RPD-Gebäudes stand, finster. Gerade hatte er dem „Mistding“ sein letztes Kleingeld geopfert, um an einen Becher Kaffee zu kommen. Und für seinen Kaffeekonsum war Michael berühmt berüchtigt: Viel Kaffee, tiefschwarz und stark – das war sein Leben. Die Kollegen machten schon Witze über seine Art, den Kaffee zu trinken, doch das störte den Kommissar kaum; im Gegenteil, wenn jemand aus Versehen seinen Becher erwischte und das Gesicht verzog, wurde er mit gutmütigem Spott bedacht. Michael drückte die Taste, um wenigstens sein Geld wieder zu bekommen, doch der Automat blieb störrisch und behielt das Geld in seinem Inneren, anstatt es brav in die dafür vorgesehene Öffnung zu spucken. „Das ist jetzt wohl nicht dein Ernst?“ genervt schlug Michael an die Seite des Automaten. Keine Reaktion. „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ er merkte, wie sich sein Geduldsfaden dem Ende näherte – auf dem Schreibtisch eine Menge Akten, eine defekte Kaffeemaschine im Büro, ein streikender Kaffeeautomat und demnächst noch eine neue, junge und wahrscheinlich unerfahrene Kollegin aus einer Kleinstadt. „Na das kann ja heiter werden, heute…und wenn du mir nicht sofort mein Geld rausrückst…“ Erneut hieb Michael gegen die Seite des Automaten, dass es in der Halle nur so schepperte. Prompt verstummten alle Gespräche und die gesamte Aufmerksamkeit wandte sich ihm zu. „Sorry Leute, das war keine Absicht“, erklärte er ruhig, wünschte sich aber gleichzeitig meilenweit woanders hin. „Kein Glück mit dem Kaffee heute, wie, Naseband?“ zog ihn ein Kollege auf, den Michael sowie nicht besonders gut leiden konnte. Er verkniff sich mühsam eine passende Antwort und wollte gerade gehen, als ihn eine sympathische Stimme von hinten ansprach: „Darf ich mal?“ Bevor er antworten konnte, war die Frau an den Automaten herangetreten und drückte eine Taste. Und siehe da – ein Becher fiel aus der Öffnung und wurde mit heißem Kaffee gefüllt. Die Frau nahm den Becher und reichte ihn Michael, wobei sie spitzbübisch grinste. „Danke.“ brummte Michael immer noch leicht verstimmt und nahm ihr den Becher aus der Hand. „Ah, Herr Naseband, das trifft sich gerade gut, “ erklang die Stimme von Staatsanwalt Kikitadse hinter ihm. „Gar nicht gut…“ dachte Michael bei sich, wandte sich aber mit einem neutralen Gesichtsausdruck dem Staatsanwalt zu, „Guten Morgen, Herr Staatsanwalt.“ „Schön, dass sie sich bereits mit Frau Rietz bekannt gemacht haben, das macht die ganze Sache leichter.“ entgegnete der Staatsanwalt gutgelaunt, und schenkte der jungen Frau ein freundliches Lächeln. Die wiederum musste sich ein Grinsen verkneifen, denn Michaels Gesicht war ein einziges Fragezeichen. „Das ist ihre neue Kollegin, Alexandra Rietz.“ half der Staatsanwalt Michael auf die Sprünge, „wir hatten doch darüber gesprochen.“ …
Ein Klopfen gegen die Scheibe schreckte Michael aus seinen Gedanken auf. Neben dem Wagen stand der Staatsanwalt und wartete. Michael öffnete die Tür: „Guten Abend, Herr Kirkitadse.“ „Guten Abend, Herr Naseband, hatten sie vor, eine Extraschicht einzulegen?“ Obwohl der Staatsanwalt lächelte, war der besorgte Unterton nicht zu überhören. „Als wäre ich ein Kleinkind…“dachte Michael leicht säuerlich, war jedoch bemüht, ein freundliches Gesicht zu machen. „Nein, dummerweise habe ich heute die Zeit vergessen und Frau Echtler erachtete mich für würdig einige Extraübungen zu absolvieren. Und schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste…“ Der Staatsanwalt lachte kurz auf: „Stimmt, Frau Echtler ist sehr auf die Kondition ihrer Kollegen bedacht. Ich sehe sie dann Morgen früh.“ Michael nickte, und verabschiedete sich mit einem kurzen Gruß. Dann schloss er die Tür und fuhr nach Hause. Staatsanwalt Kirkitadse sah dem Kommissar seufzend nach. Der Tod von Alexandra Rietz hatte sie alle tief getroffen, aber Michael Naseband hatte er verändert. Nur wie ihm geholfen werden konnte, das wusste niemand so genau. Nachdem Michael seine Verletzungen auskuriert hatte, war er bei mehreren Psychologen in Behandlung gewesen, und der Staatsanwalt wusste genau, wie es um den Kommissar aus deren Sicht stand. Nicht mehr diensttauglich – so war das einstimmige Urteil gewesen; das Urteil, von dem niemand außer ihm wusste. Wie hätte er auch auf Herrn Naseband verzichten können? Und schließlich war da ja noch Herr Grass – auch wenn der kein schlechter Kommissar war, aber er benötigte immer noch Führung von jemand wie Michael. Und der machte auch weiterhin seinen Job, und zwar genauso gut wie vorher – mit dem Unterschied, dass er sich von allen zurückzog. Auch ihr Verhältnis war nicht mehr das selbe, wie vorher.
Ich muss sagen, es ist sehr gut geschrieben... Der Rückblick, wie Michael Alex das erste Mal getroffen hat, fand ich gut!! Ich kann mir gerade vorstellen, wie er gegen diesen Kaffeeautomaten schlägt *grins* Micha tut mir echt leid .. Ich hoffe, du schreibst bald weiter Aber lass dir ruhig Zeit, ich habe Geduld !!!
Eine kleine Warnung an alle Gerritfans vorweg - der Gute kommt in diesem Teil nicht ganz so gut weg...
Gerrit verbrachte einen angenehmen Abend mit den Kollegen. Im Gegensatz zu Michael hatte er sich nach Alexandras Tod nicht so zurückgezogen. Allerdings aus einem anderen Grund - so konnte er dem Kommissariat glaubhaft vermitteln, mit ihm sei alles in Ordnung. Aber es war nichts mehr in Ordnung, sein Leben war wieder einmal vollkommen aus den Fugen geraten. Wieder einmal wegen den Drogen und seiner Schwäche. Damals, als er ins K11 gewechselt hatte, war er auf Entzug gewesen – doch das wussten nur der Staatsanwalt, Alex und Michael. Kirkitadse hatte ihm diese Möglichkeit gegeben, und Alex und Michael hatten ihn unterstützt, wenn es ihm schlecht ging. Und er hatte sich von Drogen fern gehalten – bis zu jenem schicksalhaften Tag, als er wegen einem gebrochenen Arm, den er sich bei einer Verfolgungsjagd zugezogen hatte, ins Krankenhaus musste. Normalerweise wäre das alles kein Problem gewesen, wenn sich bei der Routineuntersuchung nicht herausgestellt hatte, dass der Bruch sich verschoben hatte und gerichtet werden musste. Mit einem bitteren Lächeln dachte er an diesen Tag zurück, als er aus der „Narkose“ erwachte und er sich in einem Hinterhof wieder fand, mit einer Spritze neben sich und einem allzu bekannten Gefühl. Er hatte sich nach Hause geschleppt und seit dem…. Und noch etwas machte ihm zu schaffen – er hatte seine Kollegen verraten und war damit schuldig an Alexandras Tod. Er hatte diese Operation verraten, als die Entzugserscheinungen wieder einmal so heftig waren, und er für eine Portion Stoff alles getan hätte. Dafür hasste er sich selbst jeden Tag ein wenig mehr. Auf der anderen Seite war er ein Feigling, und dafür hasste er sich noch mehr. Jeder andere hätte dieses Problem in Angriff genommen, hätte etwas gesagt und sich nicht erpressbar gemacht. Im Gegensatz der große, heldenhafte Gerrit Grass, der wieder einmal alles im Alleingang in den Griff bekommen wollte und alles nur noch schlimmer gemacht hatte. Und bis heute hatte er sich nicht getraut, Michael die Wahrheit zu erzählen. Die Wahrheit über die Umstände, die zu Alexandras Tod und zu den Verletzungen Michaels geführt hatten. Und es war wieder soweit, dass er eine Portion Drogen brauchte, damit sein Körper ihn nicht verriet. Er eilte in eine dunkle Seitengasse und suchte in der Jackeninnentasche nach der Spritze. Einen Vorteil hatte der heutige Drogenkonsum schon, man musste die Drogen wenigstens nicht mehr selbst aufkochen, sondern bekam sie in unterschiedlichen Dosen in Einwegspritzen – auch die Drogenmafia hatte aus ihren Fehlern gelernt. „An deiner Stelle würde ich die Hand aus der Jacke nehmen“, eine allzu vertraute Stimme hinter ihm, ließ ihn in der Bewegung innehalten. „Micha…“ „Sag am besten nichts, Gerrit. Was hast du mit der Sache zu tun?“ ein eisiger, drohender Unterton schwang in der Stimme des Kommissars mit. „Michael, bitte….“ Gerrit wusste, dass er bettelte, aber wie sollte er die Kraft finden, Michael alles zu erzählen, wenn er sich noch nicht einmal mehr auf die Unterstützung der Drogen verlassen konnte. „Glaubst du wirklich, du hast mich täuschen können?“ Gerrit konnte Michaels Gesichtsausdruck nicht sehen, aber er hörte die Enttäuschung in dessen Stimme, „Menschenskind, Gerrit, ich bin dein Freund. Warum hast du mir nichts gesagt?“ „Ich, ich…konnte nicht….“ stammelte Gerrit leise. „Du konntest nicht – So! Und wie lange wolltest du dieses Spiel noch weitertreiben?“ jedes Wort war wie ein Schlag ins Gesicht. „Ich weiß… ich weiß, es nicht.“ Und Gerrit sagte in diesem Moment die Wahrheit. Michael kam langsam näher, Gerrit hörte dies an den energischen Schritten, bis er direkt hinter ihm stand. Dann wurde er am Arm herumgerissen und mit einer fließenden Bewegung fischte Michael die Spritzen aus der Innentasche der Jacken und warf sie auf den Boden. „Michael, bitte...nicht….“ „Damit ist jetzt Schluss, Gerrit! Hörst du? SCHLUSS!“ Mit diesen Worten zertrat Michael die Spritzen. Dann zerrte er Gerrit hinter sich aus der Gasse zu seinem Auto. Dort packte er ihn wortlos auf die Rückbank. Bevor er die Tür schloss warnte er Gerrit noch einmal: „Wenn ich wieder komme, sitzt du immer noch hier, verstanden?“ Gerrit nickte schwach und blickte Michael nach, wie er noch einmal in der Gasse verschwand. Er konnte sich durchaus vorstellen, was dieser dort tat – die Überreste der Spritzen entfernen, damit sich niemand verletzen konnte. Das war so typisch für Michael. Raue Schale, weicher Kern – diese Redensart beschrieb den Mann am besten. Und wenn man einmal einen Platz in dem weichen Kern gefunden hatte, dann würde Michael Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um diese Person aus dem Schlamassel zu helfen. Das war bei Alex so gewesen…und nun schien es ihn zu treffen. Gerrit ließ den Kopf müde zurücksinken – so war das nicht geplant gewesen.
Wahnsinn... irgendwie kann Gerrit einem leid tun, auch wenn man andererseits am liebsten zuschlagen möchte. *schüttel* Dass Michael noch so ruhig reagiert, zeigt, wie sehr er sich noch um Gerrit sorgt. Oh je, wenn der die ganze Wahrheit erfährt... Bei dem Teil mit den Einwegspritzen musste ich etwas grinsen, trotz der düsteren Situation.
Der Teil ist wie die anderen, einfach klasse geschrieben. Wahnsinn... Die ganze Story, die Idee ist GENIAL.
So nun bin ich auch zum lesen gekommen *phu* Ist wirklich wieder ein gelungener Teil und ich habe ihn mit Genuss gelesen, auch wenn es eher traurig ist, dass Gerrit so abhänging von den Drogen ist! Ich glaube, ich hätte ihn zuerst einmal geohrfeigt, aber das was Micha gemacht hat ist auch okay Ich freute mich schon auf einen weiteren Teil, denn diese Story ist einfach nur genial
Hmm, auch wenn es ein bischen länger dauert... hier eine kleine Fortsetzung
Die restliche Fahrt zu Michaels Wohnung verlief schweigsam. Gerrit, der sich immer wieder mühsam aus einer Art Halbschlaf wach kämpfte, und krampfhaft überlegte, wie er Michael die Wahrheit beichten konnte. Diese bittere Wahrheit, die er seit zwei Jahren mit sich herumschleppte; den Tod von Alex. Den Tod einer guten Freundin, ja, auch er vermisste sie; und tagtäglich wurde ihm diese Tatsache vor Augen geführt, wenn er in den Spiegel sah; in das Gesicht eines feigen Verräters. Michael dachte über ganz andere Probleme nach. Das Gerrit die nächsten Tage bei ihm verbringen würde, war für ihn selbstverständlich. Anders sah es mit dem Dienstplan aus. Wie sollte er dem Staatsanwalt erklären, dass er und Gerrit für die nächsten zwei bis drei Wochen nicht dienstlich zur Verfügung ständen. Vor allem, ohne Kirkitadse zu sehr anlügen zu müssen. Vielleicht war es besser, ihm die Wahrheit zu sagen. Michael hasste es, den Mann anlügen zu müssen. Natürlich, manchmal hatte er schon ein wenig geflunkert, um gewisse Situationen und Fälle besser lösen zu können, aber er hatte die Wahrheit immer nur ein wenig verbogen. Hier und da kleine Details vergessen oder Aussagen für die Polizei interpretiert; so wie es jeder Kollege hier und da manchmal tat, wenn der Fall eigentlich klar war. Michael wusste, dass auch hier der Fall klar war – Gerrit war drogenabhängig und damit nicht mehr diensttauglich. Er würde suspendiert werden und wahrscheinlich noch informative Gespräche mit netten Kollegen führen dürfen. „Michael?“ wurde er durch Gerrits leise Stimme aus seinen Überlegungen gerissen. „Ja?“ brummte dieser unwillig, denn er hatte sich immer noch nicht entschieden, was er genau tun würde. „Ich weiß, dass du mir helfen willst…“ „So“, Michaels Stimme nahm einen leicht amüsierten Ton an, „ weißt du das?“ „Ja!“ Gerrits Stimme klang fest, „aber du solltest mir erst zuhören.“ Er holte tief Luft: „ICH bin für Alex Tod verantwortlich. Es war meine Schuld!“ Glücklicherweise waren sie bereits vor dem Haus angekommen, in dem Michael in einer behaglichen, kleinen Wohnung lebte, und, dass er schon vor längerer Zeit den Autopilot für das Auto eingeschaltet hatte. „Was?“ in Michaels Stimme lag eine solche Vielfalt von Emotionen: Ungläubigkeit, Enttäuschung, Verzweiflung und Wut. „Du lügst!“ Michaels Stimme zitterte leicht. „Nein, das ist die reine Wahrheit. Ich habe die Operation verraten, für Drogen.“ auch wenn Gerrits Stimme immer noch entschlossen klang, hatte sich ein leichter Hauch von Unsicherheit eingeschlichen. Wie würde Michael letztendlich reagieren? Würde ihre Freundschaft weiter Bestand haben? „Du verdammter Bastard!“ Michael schlug mit der Hand gegen das Lenkrad, „du verdammter Mistkerl…!“ Gerrit schwieg, wusste er doch, dass Michael recht hatte. „Ich habe dir vertraut – Alex hat dir vertraut…. Und wofür? Das du sie umbringst? Für Drogen?“ wütete Michael weiter. „Es tut mir leid….“ „ES TUT DIR LEID?“ unterbrach Michael Gerrits Erklärungsversuch, „ es tut dir leid? Wenn ich gewusst hätte, das unsere Mühe so vergebens war… Ich hätte dich damals doch gleich…“ Er unterbrach sich im Satz – wenn er all das gewusst hätte, was hätte er damals getan? „Verdammt noch mal, Michael.“ brüllte Gerrit jetzt vom Rücksitz los, „Glaubst du etwa, du bist der einzige, der Alex vermisst? Glaubst du etwa, ich weiß nicht, was es heißt, sie verraten zu haben? Seit zwei Jahren, jeden Tag, wenn ich in den Spiegel sehe, weiß ich, was ich getan habe. Seit zwei Jahren, jeden Tag, wenn ich ins Büro komme und dich sehe, weiß ich was ich getan habe. Ich verfluche seit dem jeden Tag, aber dadurch wird es verdammt noch mal nicht besser. Ja, und ich verfluche seit jedem Tag meine Schwäche – meinen Rückfall. Aber ich bin nicht absichtlich wieder abhängig geworden, verdammt noch mal! Irgendjemand hat dafür gesorgt, und wenn ich wüsste wer…!“ Schwer atmend, wie nach einem schnellen Lauf, saßen die beiden Männer im Auto. Jeder emotional aufgewühlt – Michael, immer noch versuchend, das zu verarbeiten, was Gerrit ihm gerade offenbart hatte, und Gerrit, das erste Mal, das aussprechend, was ihn seit zwei Jahren quälte. Obwohl Michael wütend war, hatte der Kommissar in ihm Gerrits Worte analytisch wahrgenommen, vor allem den letzten Satz: Irgendjemand hat dafür gesorgt…. Und Michael glaubte Gerrit, auch wenn er ihn im Moment erwürgen könnte, ohne Reue dabei zu empfinden. Aber auch das war eine seiner guten Charaktereigenschaften – Kontrolle über seine Gefühle. Er stieg aus und öffnete die hintere Tür: „Steig aus!“ Dennoch vermied er es, Gerrit in diesem Moment anzusehen, aus Angst davor, seine Wut nicht kontrollieren zu können. „Du..“ „Halt die Klappe!“ fuhr Michael Gerrit grob an. Gerrit stieg vorsichtig aus dem Auto und stand unschlüssig ein paar Schritte seitlich neben Michael. Dieser verriegelte den Wagen und drehte sich zum Hauseingang um: „Willst du da Wurzeln schlagen?“ Seine Stimme hatte immer noch einen grollenden Ton, und Gerrit beeilte sich, ihm zu folgen: „Was hast du vor?“ Michael drehte sich zu ihm herum und lächelte diabolisch: „Dich erst mal von den Drogen wegbekommen!“