Wir hatten noch lange zusammen gesessen und geredet. Vom Inhalt her war es immer wieder dasselbe. Wir alle versuchten zu verstehen, was passiert war. Und keinem von uns gelang es. Dazu war der ganze Sachverhalt viel zu erschreckend und schockierend. Irgendwann trennten wir uns wortlos. Wir wollten uns am nächsten Tag wieder treffen, aber ich wusste jetzt schon, dass auch da nichts geschehen würde. Wir mussten auf Gerrits nächsten Schritt warten und ich behielt mein Handy immer in der Hand. Meine ganze Hoffnung ruhte auf Pater Ignatius, der mir schon so oft geholfen hatte und den ich jetzt mehr brauchte als je zuvor. Als wir vor dem Kommissariat standen, wusste ich nicht, ob ich mit Alex gehen sollte oder lieber mit meinen Freunden ins Hotel, aber sie nahm mir die Entscheidung ab. Sie bat mich, im Hotel zu schlafen, da sie nachdenken wollte. Und ich konnte das nur zu gut nachvollziehen und war irgendwie auch erleichtert. Wir hätten eh nur über Gerrit gesprochen und dieses Thema brachte im Moment nichts. Es würde keine neuen Erkenntnisse geben, egal wie oft wir es noch durchdiskutierten. So konnte ich mit Bill und Suko wenigstens noch einmal reden. Denn mit den beiden widmete ich mich der Aufgabe, die mir noch bevorstehen würde, über die ich aber mit Michael und Alex nur sehr schwer reden konnte; mein bevorstehender Kampf gegen Gerrit. "Du brauchst eine Strategie", sagte Suko dann auch sofort. "Du kannst nicht einfach nur mit den üblichen Waffen kämpfen. Klar, ich überlass dir die Dämonenpeitsche gern, aber ich fürchte, dass sie bei Gerrit nicht viel ausrichten kann." "Das weiß ich. Aber sag mir nicht, was ich nicht kann, sondern lieber, was ich machen soll?" Aufgebracht lief ich vor meinem Bett auf und ab, setzte mich kurz, nur um dann mit Schwung aufzuspringen und weiter zu laufen. Suko lehnte an der Tür, nach außen hin die Ruhe selbst, aber ich kannte meinen Freund. Auch er hatte Angst, Angst um mich und um das Schicksal unserer Welt. Ich sah es deutlich in seine Augen. Sie flackerten und die Ruhe, die dort immer zu finden war, war verschwunden. Bill stand am Fenster. Seine Hände lagen auf dem Fensterbrett, ihr Zittern war deutlich zu sehen. Wie immer in solchen Situationen fühlte er sich ohnmächtig, hilflos und überflüssig. Natürlich war er das für mich nicht, im Gegenteil. Er hatte mich so oft daran erinnert, warum es sich lohnte, weiter zu kämpfen, auch wenn das Aufgeben manchmal so schön gewesen wäre. Endlich kein Schmerzen mehr, keine Angst, nur Ruhe und Frieden. Wie oft hatte er mir diesen Irrglauben ausgetrieben. "Deine mächtigste Waffe ist dein Kreuz. Sicher hat es so stark reagiert, als wir damals in London die Vampire gejagt haben, weil das andere Kreuz in der Nähe war. Bedenke, welche Kräfte du damals hattest." Ich nickte. "Kräfte, ja. Aber ich konnte sie nicht kontrollieren. Sie haben mich kontrolliert." Suko sah mich unzufrieden an. Er war ein Kämpfer und Kontrolle war ihm schon immer wichtig gewesen.
Der nächste Tag verlief ruhig. Wir saßen alle im Büro, Michael und Alex versuchten ein wenig zu arbeiten, Bill, Suko und ich saßen eigentlich nur blöd herum. Wir wussten nicht, was wir tun sollten und wir wussten nur, dass wir eigentlich nichts tun konnten. Und diese Einsicht war verdammt frustrierend. Gegen Nachmittag wurde es draußen immer schwüler. Es war drückend und heiß, die Menschen fühlten sich schlapp und waren gereizt und uns ging es nicht anders. Michael und Alex hatten keine Lust mehr zu arbeiten, seit wir vom Mittagessen zurück waren. Umso mehr freuten wir uns, als es an der Tür klopfte. Wir hofften alle auf einen Fall und damit auf Ablenkung. Ein Mann betrat den Raum, mittlere Größe, graue Haare, graue Augen. Er trug eine Mönchskutte und lächelte offen die Kommissare an. "Miss Rietz, Mister Naseband." Er reichte ihnen die Hand und wand sich dann um. "Suko, Bill, John, ich muss mit euch sprechen." Verblüfft sah ich ihn an. Diesen Mann hatte ich noch nie außerhalb von Klostermauern getroffen. "Pater Ignatius? Was treibt dich nach München?"
Alex horchte auf. "Ignatius? Der Pater Ignatius?", fragte sie ungläubig. "Johns persönlicher Bücherwurm", stellte der Mann sich vor. Auf seinen Lippen immer noch ein Lächeln. "Setz dich, bitte." Der Mann nahm neben mir auf der Couch Platz. "Bitte, sag mir, dass du gute Nachrichten hast." "Du weißt inzwischen, wer dein Gegner ist?" "Ja." Unbehaglich sah ich zu Michael hinüber, der wieder sehr finster aussah. "Wir wissen, wer er ist. Und er hat seine Waffe." "Das war vorherbestimmt." Der alte Mönch schien, wie so oft in solchen Fällen, nicht im Mindesten beunruhigt. "Finde dich damit ab, dass auch du das Schicksal nicht ändern kannst, John. Du bist nur ein Mensch." "Ich werde verlieren", murmelte ich. "Und damit ist die Welt dem Untergang geweiht." Alex schüttelte heftig den Kopf. Sie setzte sich neben mich und legte mir einen Arm um die Schulter. "Nein, du wirst nicht verlieren, John." Ich sah sie von der Seite an. "Weißt du, was du da sagst? Um zu siegen, muss ich Gerrit schlagen, ihn… was auch immer." Mein Blick glitt rüber zu Ignatius. "Kann man ihn bannen?" "Ich finde keine Möglichkeit, John. Er ist unglaublich mächtig, beherrscht Zauber, Materie…" "Jaja, ist ja gut." Ich winkte ab. "So genau wollte ich es gar nicht wissen." "Es tut mir leid, John. Aber ich habe einige neue Informationen, da ich noch weitere Textpassagen übersetzen konnte. Es heißt in den Texten, dass beide Kämpfer von ihren geweihten Verbündeten unterstützt werden. Von den mächtigen Wesen, die ihnen ihre Waffen schenkten." "Jetzt komme ich nicht mehr ganz mit?", fragte Suko verwirrt. "Ihr habt mir doch von Johns Kampf gegen die Vampire erzählt, wo er plötzlich Kräfte entwickelt hat, die übermenschlich waren." "Ja, sein Kreuz hat so gestrahlt und er hat sich bewegt, als würde er fliegen. Es sah aus, als hätte er den Boden überhaupt nicht berührt, während er einen Vampir nach dem anderen fertig gemacht hat." Suko war immer noch beeindruckt von dem, was er damals in der Kanalisation Londons gesehen hatte. "Das meine ich. Dein Kreuz wurde von den Erzengeln geweiht, John. Es hat Kräfte, die du nur erahnst. Und diese Kräfte werden beim Zusammentreffen mit der Waffe deines Gegners entfesselt." "Er hat auch ein Kreuz, geweiht von den Reitern der Apokalypse." Ignatius nickte bedächtig mit dem Kopf. "Ja, das passt. Das unterstreicht meine Vermutung. Alle Kämpfer des Guten und des Bösen werden durch euch sozusagen dargestellt und an diesem Kampf teilnehmen. Mit all ihren Stärken und Schwächen." "Die Erzengel helfen ihm?", fragte Alex, etwas ungläubig dem Klang ihrer eigenen Worte nachhörend. "So könnte man es sagen, Miss. Aber genauer trifft es wohl die Formulierung, dass sie ihn durch das Kreuz und die Aura, die es und ihn umhüllt, zu einem der Ihren machen. John wird als Erzengel in diesen Kampf gehen und er wird die Macht eines Erzengels haben."
'Er wird die Macht eines Erzengels haben.' Diese Worte von Ignatius hallten in meinem Kopf nach. "Und er hat die Macht der Apokalypse", murmelte ich leise, während meine Freunde noch beeindruckt waren von dem, was Ignatius eben gesagt hatte. Ich zuckte leicht zusammen. "Aber das ist doch gut", sagte Alex plötzlich. "Was ist gut?" Ich war zu sehr in meinen eigenen Gedanken versunken, um das mitzubekommen, was um mich herum geschah. Verwirrt sah ich sie an. "Na, wenn du ein Erzengel bist. Engel können doch nicht sterben, oder." Ihre Stimme klang sehr begeistert. "Aber sie können fallen", erklärte ich ihr. "Damit sind wir beim nächsten Punkt. Eure Seelen. Es stimmt, John, Engel können fallen. Wenn er dich besiegt, wird deine gute Seele zerstört und du bist nichts als eine Hülle, ein Schatten dessen, was du als Mensch einmal warst." Er schwieg kurz und sah mich dann traurig an. "Vor dem Tod solltest du dich nicht fürchten, sondern vor dem, was sonst aus dir würde." Diese Worte verstand ich nur zu gut. "Also soll ich den dunklen Teil seiner Seele vernichten, sobald ich die Gelegenheit bekomme?" Michael schüttelte den Kopf. "Ich verstehe gar nichts mehr." "Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie es dem Sohn der Finsternis gelingen soll, die Linie der Söhne des Lichts zu unterbrechen. Denn wenn John stirbt, wird automatisch der nächste Sohn des Lichts erwählt. Und damit wäre die Prophezeiung falsch. Wenn der Sohn der Finsternis Johns Seele vernichtet, dann lebt sein Körper auf ewig weiter, als Sklave des Bösen. Damit wäre die Prophezeiung erfüllt. Da wir gerade festgestellt haben, dass Engel nicht sterben können, ist die erste Möglichkeit unmöglich, könnte man denken." "Ignatius?", warnte ich ihn, uns noch mehr zu verwirren. "Engel können sterben. Genauso wie auch der Sohn der Finsternis. Und zwar durch eine selbstlose, selbstaufopfernde Tat." "Wenn John seine dann unsterbliche Seele selbst vernichtet, um Gerrits bösen Seelenteil zu zerstören, wäre Gerrit ein Mensch, hätte keine Macht mehr und John wäre tot." "Genau so ist es, Bill." "Klingt ja alles toll", murmelte Michael mit einem Seitenblick in meine Richtung. "Bis auf den Teil mit seinem Tod. Das verkraftet nämlich Alex nicht." Empört sah sie ihn an, aber ihre Hände, die meine verkrampfte Rechte umklammert hielten, gaben Michael Recht. "Gibt es keine Möglichkeit, dass John das Ganze überlebt?" "Nur eine. Wenn die Kreuze ihre volle Macht entfalten, wird ein Raum geschaffen, in dem sich Johns Seele wieder mit dem dunklen Teil vereinigt. Er muss den dunklen Seelenteil vernichten, nachdem der den Körper seines Gegners verlassen hat und bevor der sich mit seiner eigenen Seele vereinigt. Das kann Sekunden dauern, vielleicht auch nur den Bruchteil von einer Sekunde oder Stunden. Noch nie ist das geschehen." "Mir schwirrt der Kopf", murmelte ich leise und mir ging es damit nicht anders, als den anderen Menschen im Raum. Es war schon klar, was ich tun musste und was auf mich zukam, aber es klang zu phantastisch, selbst für meine Verhältnisse. Und ich hatte wirklich schon eine Menge erlebt. "Sonst noch etwas, was ich wissen müsste?" Ignatius sah mich ruhig und sehr traurig an. "Ich kann mich nur wiederholen. Fürchte nicht den Tod in diesem Kampf, sondern die Niederlage und dem, was aus dir werden würde, wenn er dich besiegt." "Wieso ist Gerrit unsterblich?" Michael sah den Mann immer noch sehr verwirrt an. "Gerrit?" "Der Kollege von Michael und Alex. Er ist der Sohn der Finsternis." Ignatius zog erstaunt eine Augenbraue hoch. "Er ist nicht unsterblich. Das Böse in ihm ist es, was ihn am Leben erhält. Wird es vernichtet, ist er sterblich." "Aber Johns Seele, was schützt sie?" "Die Macht der Erzengel." Michael schüttelte den Kopf. "Aber dann ist auch er unsterblich, wie wir festgestellt haben." "Richtig." "Wieso kann Gerrit ihn dann stürzen? Wie?" "Indem er mit seiner Waffe die vereinigten Seelen zerstört und deren Splitter in sich aufnimmt. Dann muss er Johns Blut trinken, um diese Splitter wieder zusammen zu fügen. Er hat die Macht, Materie in jeder Form zu beherrschen, aber ich hoffe, dass er nicht weiß, warum." Suko blickte auf. "Also kommt es nicht auf die Kräfte der beiden an, sondern nur darauf, dass John den bösen Teil und damit auch seine Seele zerstört, bevor Gerrit es gelingt, ihn zu schlagen. John würde mit der Zerstörung der Seelen auch sein eigenes Ende besiegeln oder Gerrit wird zum Herrscher." Der Chinese schüttelte den Kopf. "Das ist unfair. Wo bleibt da die Sache mit dem Gleichgewicht. Johns Los ist in jedem Fall das schlechtere." "Es heißt nicht umsonst: 'Der Dunkelheit verfallen' und 'Für das Gute kämpfen'." Langsam erhob er sich und ging zur Tür. "Leicht und verführerisch die dunkle Seite der Macht ist", sagte er mit einem Lächeln, bevor er das Büro verließ. Während die anderen unfreiwillig lachten, schüttelte ich nur verblüfft mit dem Kopf. Mit offenem Mund sah ich Ignatius an. Der alte Mönch machte hier tatsächlich einen auf Joda. Die Welt ist verloren, eindeutig.
Ignatius war verschwunden, keine Ahnung ob er noch in München war oder schon wieder in London. Er war da, wenn er helfen konnte und hielt sich sonst zurück. Deshalb war er auch noch nicht sehr häufig Ziel von Angriffen meiner Gegner geworden und wenn, dann meist zufällig. Die Dämonen wussten nicht, wie viel mir der alte Mönch bedeutete, dass er für mich wie ein Ersatzvater war. Ich hoffte, dass sich Alex auch so weit von mir fernhalten würde, um nicht ins Visier der Gegner zu geraten. Aber das war im Moment wirklich schwierig. Es war ein harter Tag gewesen und ich hatte eigentlich vor gehabt, ins Hotel zu fahren, nachdem Ignatius verschwunden war. Wir brauchten alle etwas Zeit, um zu verdauen, was der uns mitgeteilt hatte. Und dass Alex jetzt nicht unbedingt mit mir zusammen sein wollte, hätte ich gut verstehen können. Es war wirklich viel, was von ihr erwartet wurde. Doch das Gegenteil war der Fall. Sie bat mich, mit ihr zu gehen, erklärte leise, dass sie nicht allein sein konnte. Nicht jetzt. Also ging ich mit. Wir aßen gemeinsam, sahen ein wenig fern und gingen gegen Mitternacht ins Bett. Der Nachmittag war überirdisch gewesen durch das Auftauchen von Ignatius und seinen Erklärungen. Es war ein Blick in die Zukunft gewesen, der ich nicht entkommen konnte. Einmal, weil es nicht in meiner Macht lag und sie mich einholen würde, wenn ich es versuchte. Und zum anderen, weil ich die Welt nicht im Stich lassen konnte. Auch wenn sie es nicht wusste, die Menschheit brauchte mich und das war kein gutes Gefühl und hatte auch nichts Erhabenes. Die letzte Barriere zwischen dem normalen Leben und dem totalen Chaos zu sein, war nichts Schönes, nichts was einem ein gutes Gefühl vermittelte. Noch nie war ich nach einem Kampf erleichtert gewesen. Meist nur erschöpft, oft traurig. Ob es dieses Mal ein 'nach dem Kampf' geben würde? Irgendwie wünschte ich mir, nach diesem Kampf erschöpft den Schauplatz des Geschehens verlassen zu können. Auf meinen eigenen Beinen. Ich schlief mit Alex im Arm zufrieden ein. Es war ein schöner Abend gewesen. Unsere Stimmung war nicht ausgelassen gewesen, aber seit Ewigkeiten hatte ich keinen Abend mehr so normal verbracht. Und seit Ewigkeiten war ich nicht mehr mit einer Frau an meiner Seite eingeschlafen, die ich so sehr liebte wie Alex. Obwohl wir beide nicht wirklich in der Stimmung waren, hatten wir miteinander geschlafen. Es war ein fast verzweifelter Akt, der Wunsch, den anderen nie mehr loszulassen. Nie mehr loslassen zu müssen.
Das scheint ja doch was Festes zwischen den Beiden zu werden. Oder doch nur ein Abenteuer? Wer weiß wielange John noch da ist. Und ober was gegen Gerrit unternehmen kann.
Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie das bläulich schimmernde Band sah, welches aus Gerrits Finger zu kommen schien und sich um Johns Hals wickelte, ohne dass der es merkte. Sie sah, dass er in einen weißen Kokon gehüllt war, ausgehend von seinem Kreuz. Blitze züngelten an dem Band empor, versuchten es zu zerstören. John atmete schwerer, wachte aber nicht auf. Alex sah Gerrit flehend an, als der sich seinen rechten Zeigefinger auf die Lippen legte. Er winkte sie mit sich mit, löste sogar das Energieband von Johns Hals. Unsicher folgte Alex ihm nach unten. Sie fühlte sich von ihm zwar nicht direkt bedroht, aber richtig wohl war ihr auch nicht. Was wollte er von ihr? Sollte sie ihm wirklich als Schutzschild dienen? Würde er so weit gehen? Er setzte sich auf das Sofa und streckte die Beine aus. Alex ließ sich auf ihrem Sessel nieder und musste ein Zittern unterdrücken. Sie schaltete eine kleine Stehlampe ein und musterte ihn erstaunt. Gerrit trug eine schwarze Kutte mit Kapuze, die er allerdings nicht aufgesetzt hatte. Seine Beine steckten in hautengen Lederhosen, an den Füßen trug er Stiefel, ebenfalls schwarz. Es stand ihm, er sah richtig gut aus. Wenn er nur nicht so einen merkwürdige Aura verbreiten würde. "Was willst du von mir?", fragte sie mit zitternder Stimme. "Mit dir sprechen." Er sah sie eine Weile an. "Du weißt, dass ich ihn hätte töten können. Einfach so. Im Büro, bei unserem Geburtstag. Er wäre viel zu geschockt gewesen, um sich zu wehren. Oder gerade eben. Er hätte es nicht einmal bemerkt." "Warum hast du es dann nicht getan? Wieso spielst du mit ihm? Und mit mir?" "Weil es mir Spaß macht, Alex. Es tut mir zwar leid, dass du darunter leidest, aber er ist mein Erzfeind. Glaubst du wirklich, ich habe ihn gemocht? Es war ein glücklicher Zufall, dass Grimes ihn nach München gelockt hat. So konnte ich ihn schon vor dem Kampf kennen lernen und studieren." "Wieso willst du ihn töten?" Er stand auf und ging langsam auf sie zu. Von oben sah er sie an, bevor er sich über sie beugte. "Weil ich böse bin. Weil es meine Berufung ist. Alex, es hat nichts mit dir zu tun. Es tut mir ja sehr leid, dass ich dir weh tun werde, indem ich ihn töte." "Wieso bist du hier, Gerrit?" Tränen liefen über ihr Gesicht. Wieso quälte er sie mit seinen Worten, die so vertraut klangen, so sehr nach dem Freund, den sie verloren hatte. Wut stieg in ihr hoch. "Macht es dir solchen Spaß, mich leiden zu sehen? Dann nutze deine Macht! Los quäle mich, wenn du das brauchst!" Wütend funkelte Gerrit sie an und drückte ihr seine Hand gegen den Hals. Sie war heiß, schien förmlich zu glühen. "Willst du das wirklich? Fordere mich nicht heraus, Alex." "Mach schon. Quäl lieber mich als ihn." Lachend löste er seinen Griff ein wenig. "Mitleid, Aufopferung. Ja, ich kenne die Stärke menschlicher Gefühle. Darum habe ich um sie gekämpft. Sie machen mich stärker. Das kannst du ihm sagen." Er deutete nach oben zum Schlafzimmer. "Michael und du, ihr wart immer gut zu mir. Ich will euch da nicht mit reinziehen. Das ist ein Ding zwischen John und mir. Ihr könnt den Kampf nicht verhindern, aber ihr könnt euch raushalten. Bestell das Michael und auch John. Suko und Bill sind mir egal, aber auch sie werde ich nicht angreifen oder als Schutzschild benutzen. Ich will, dass John sich mir offen stellt, wann entscheide ich. Wenn er euch da mit reinzieht, kann ich auch nichts für. Und dann werde ich auch für nichts garantieren." Er trat einen Schritt zurück und sah Alex an. In seinen rötlich schimmernden Augen erschien ein Funkeln, was fast traurig wirkte. Als er sich umdrehte, sprang Alex auf. "Gerrit…" Er hielt inne und sah sie fragend an. "Ich…" Kopfschüttelnd hob er die Hand und erzeugte einen Zugang zur Welt der Dämonen. "Lass es, Alex. Wir beide haben uns nichts mehr zu sagen." Er setzte einen Fuß in den grauen Wirbel. "Das kann ich nicht glauben. Wir sind… waren doch so gute Freunde." Ihre Stimme versagte, sie streckte flehend die Hand nach ihm aus, um ihn zurück zu halten. "Glaub es oder lass es", sagte er, ohne sich umzudrehen. "Wenn du deinen Träumen nachhängen willst, musst du das tun. Aber die Zeiten, in denen wir Freunde waren, sind vorbei." Damit trat er durch das Portal und verschwand. Alex hatte das Gefühl, er hätte einen Teil ihres Herzens aus ihrer Brust gerissen und mit sich genommen. Sie sank schluchzend auf dem Sessel zusammen.
"Wieso warst du bei ihr?" "Um ihr zu sagen, dass sie vor mir sicher ist." "Lass sie uns töten. Sie und die anderen Freunde dieses Geisterjägers. Es wird ihn schwächen." Asmodinas Augen funkelten vor Mordlust. Gerrit richtete sich zu voller Größe auf und sah sie aus roten Augen ernst an. "Sollte irgendjemand auf die Idee kommen, ihr oder Michael oder Sinclairs Freunden etwas zu tun, dann nehme ich denjenigen persönlich auseinander. Und ich sorge dafür, dass es schmerzhaft wird." "Du bist ein Dämon und denkst wie ein Mensch." "Das verstehst du nicht, Asmodina. Wenn jemand ihn vor unserem großen Kampf schwächt und ich ihn dann besiege, wird dieser Sieg nie mir allein gehören. Ich will, dass er vorbereitete ist, dass er stark ist und dass er den Kopf frei von Sorgen hat. Er soll sich nur auf mich konzentrieren. Dann gibt es keine Ausreden, wenn er vor seinem Tod seine Niederlage eingestehen muss." Die Teufelstochter grübelte und lächelte dann zufrieden. Sie ging langsam auf Gerrit zu und lehnte sich gegen ihn. "Du bist wirklich mutig. Entschuldige, dass ich dir reinreden wollte. Aber solchen Mut sieht man bei den wenigsten Dämonen, daher konnte ich deine Aktion nicht ganz einordnen." Er strich ihr über die rote Mähne. "Es hat dich nicht zu interessieren, was ich warum tue, klar? Es freut mich natürlich, dass du mich verstehen willst, aber ich bin niemandem Rechenschaft schuldig. Was den Mut von Dämonen angeht, da habe ich schon bemerkt, dass sie gern feige aus dem Hinterhalt angreifen und einen fairen Kampf fürchten. Ich habe 39 Jahre darauf gewartet zu kämpfen und ich werde nicht mit unfairen Mitteln arbeiten." "Du bist ein Dämon." "Nur zur Hälfte. Ich werde ihn fair schlagen, so dass mein Sieg unermesslich groß ist und niemand meine Macht anzweifeln kann." Er küsste sie. "Verstehst du das, meine rothaariges Teufelchen?" Sie nickte und ihre grünen Augen funkelten vor Stolz, weil sich dieser Mann herabließ, ihr seine Gedanken und Gefühle so zu offenbaren.
Dadurch das Gerrit halb Mensch, halb Dämon ist, macht es ihn umso gefährlicher. Aber zum Glück sind Alex & Micha nicht in Gefahr. *hoff* Diese Asmodina macht mir etwas Angst.
Danke danke Ja, mir gefällt die Idee auch und ja, Gerrit ist sehr gefährlich.
Als ich am Morgen aufwachte, glitt meine Hand über Alex Seite vom Bett, aber diese war leer. Ich spürte, dass das Laken kalt war, Alex musste also schon seit einiger Zeit auf sein. Langsam erhob ich mich, zog mir eine Hose und ein T-Shirt über und verließ das Schlafzimmer. Als ich die Treppe zum Wohnzimmer runter ging, sah ich Alex auf dem Sessel hängen. Wirklich hängen. Sie hatte die Beine angezogen, lag halb auf der linken Armlehne und hatte die Arme um ihren Körper geschlungen. Irritiert stellte ich fest, dass sie sich nur eine leichte Decke um die Schultern gehängt hatte. "Alex?" Sie hob langsam den Kopf. Ihr Gesicht war kalkweiß, tiefe Ringe lagen unter ihren Augen, die vom Weinen gerötet waren. "Was ist passiert? Alex, Schatz, was hast du denn?" Erschrocken zog ich sie in meine Arme. Sie schluchzte leise auf und klammerte sich verzweifelt an mir fest. "John", wisperte sie. "Gerrit war hier." "Was?" Ich schob sie ein Stück von mir weg und sah sie genau an. "Hat er dir etwas getan?" Als sie hektisch mit dem Kopf schüttelte, war ich ein wenig beruhigter. "Was wollte er von dir?" "Ich soll dir etwas ausrichten, hat er gesagt. Er hat kein Interesse an mir, Micha, Suko oder Bill. Er will nur dich und du sollst uns da raus halten." Das war eine Überraschung. Aber eine angenehme. Gerrit wollte also einen fairen Kampf, ohne Hinterhältigkeiten. Und ich konnte mir sicher sein, dass Alex nichts passieren würde. Erleichtert zog ich sie an mich. "Das ist eine gute Nachricht." "Traust du ihm denn? Vielleicht ist es ein Trick. Vielleicht will er dich in Sicherheit wiegen?" "Nein, Alex. Das glaube ich nicht. Wäre er ein vollständiger Dämon, hätte er dich mitgenommen oder umgebracht. Solche Spiele sind untypisch für Dämonen. Er handelt und denkt immer noch wie ein Mensch. Und er ist verdammt egoistisch." "Egoistisch?" "Ja. Er will, dass ich mich voll und ganz auf ihn konzentriere und auf unseren Kampf. Sein Sieg ist nur vollkommen, wenn er ihn fair erringt. Dann ist er der uneingeschränkte Herrscher. Dann gibt es keine Zweifel, dass er der mächtigste unter den Menschen und Dämonen ist." "Er ist kein Mensch mehr", sagte Alex mit harter Stimme. "Er war so eiskalt. Das kannst du dir nicht vorstellen, John. Seine Worte haben mir so weh getan." Ich schlang die Arme fester um sie. "Das beweist umso mehr, dass er ein Mensch mit dämonischen Kräften ist und kein Dämon. Dämonen verletzen nicht mit Worten, sie töten gleich." Gerrit war noch mehr Mensch als Dämon, auch wenn er sich das selber wohl nicht eingestehen wollte. Vielleicht lag darin wirklich eine Chance, ihn zu schlagen. Leider konnte ich mich nicht darauf verlassen.
Im Büro teilte ich den anderen mit, dass Gerrit bei uns gewesen war und was er gesagt hatte. Während Bill und Suko wussten, was das für sie hieß, nämlich vollständige Zurückhaltung, war Michael aufgebracht. Er kümmerte sich rührend um Alex, schimpfte mit mir, weil ich einfach weiter gepennt hatte, wie er es nannte und regte sich über Gerrits Spielchen auf. Der Mann war so hilflos wie wir alle und schoss seine Wut in alle Richtungen ab. Deshalb wurde er mir mit jeder Minute, die ich ihn mehr kannte, sympathischer. Suko sorgte schließlich mit seiner ruhigen Art dafür, dass Michael wieder runter kam. Dankbar sah ich Suko an. "Ihr haltet euch zurück. Ich bin froh, dass Gerrit an euch kein Interesse hat und werde seinen Forderungen gern Folge leisten und euch da rauslassen. Es ist sein Kampf und meiner." "Aber John…" "Bill. Ihr haltet euch raus." Ich sah hauptsächlich Alex an. "Du auch." Sie nickte traurig. Gerrits Verhalten ihr gegenüber hatte sie doch sehr mitgenommen. Langsam schien auch sie zu verstehen, dass ihr ehemaliger Kollege und guter Freund weg war. Ich hoffte, dass sie nicht anfangen würde, mir die Schuld dafür zu geben, so wie Michael es direkt oder indirekt immer wieder tat. "Dann müssen wir nur noch auf Gerrit warten, dass er mir mitteilt, wo und wie wir uns duellieren."
Ein Energieband legte sich um den Hals des Vampirs und trennte dessen Kopf vom Rumpf. Der Blutsauger explodierte in einer Aschewolke. Gerrit lachte zufrieden und sah sich nach dem nächsten Gegner um, mit dem er trainieren konnte. "Sag mal, Asmodina, glaubst du wirklich, dass er auf unserer Seite steht? Ich meine, er dezimiert mit seinen Übungen unsere Reihen ganz schön? Wieso nimmt er keine Menschen, um seine Kraft zu testen." Die Teufelstochter sah Lady X genervt an. "Weil John Sinclair nicht mit der Kraft eines Menschen gegen ihn kämpfen wird." Die blonde Massenmörderin schüttelte ihre Mähne. "Es gibt trotzdem einige Leute, die ihn sehr skeptisch beäugen." "Geh zu ihm", sagte Asmodina leise und deutete mit dem Finger auf Gerrit, der gerade mit einer Energiekugel einen weiteren Vampir in seine Einzelteile zerlegte. "Geh zu ihm und teile ihm deine Zweifel mit." "Ich habe an ihm keine Zweifel", sagte sie schnell und hantierte mit ihrer MPi herum, die ihr Markenzeichen war. Gerrit kam langsam auf sie zu und deutete auf die Waffe. "Schieß auf mich." "Aber… Herr, ich kann nicht…" "Schieß auf mich." Gerrits Stimme war leise und drohend geworden. "Los." Mit einem Schulterzucken hob Lady X ihre Waffe und legte an. "Seid Ihr Euch sicher?" Er breitete die Arme aus und nickte auffordernd. Denn schloss er die Augen. Er hörte, wie Lady X den Abzug durchzog und spürte die Kugeln, die sich ihm näherten. Konzentriert erfühlte er die Luft um sich herum, zog sie zusammen, immer dichter und dichter, bis sie wie ein Schild wirkte und die Kugeln einfach daran abprallten und als Querschläger davonflogen. Zufrieden lachte er auf. Alles verlief nach Plan. Er konnte sich schützen und er konnte angreifen. Er war bereit.