Das erfährst du jetzt . Hier der letzte Teil dieses Kapitels und der letzte Teil heute.
Der glatzköpfige Mann kam aus dem Laden und stieg in seinen Wagen. Er schaltete die Scheinwerfer ein und zwang den Beobachter, sich tiefer in die Schatten der Mülltonnen zurück zu ziehen. Der Wagen fuhr davon, verfolgt vom Blick der schattenhaften Gestalt, die sich an die Mauer presste. Mit einem Kopfschütteln konzentrierte er sich wieder auf seine Aufgabe. Sein Blick glitt zum Haupteingang des 'Red Tycoon', wo jetzt einer der Türsteher eine der Prostituierten die Straße entlang führte, während ein anderer seinen Platz an der Tür einnahm. Sein nächstes Opfer befand sich in dem Raum, leider war der Mann nicht allein. Die Gangster hatten Angst vor dem Killer, der auf der dunklen Straße lauerte, sie wurden vorsichtiger.
Er trat aus der Tür und sah sich vorsichtig um. Recht und links von ihm standen sofort seine Bodyguards. Sie begleiteten ihn zu seinem Wagen, ließen ihn einsteigen. Die Waffen in ihren Händen huschten durch die Dunkelheit, suchten ein Ziel, welches es vielleicht gar nicht gab. Grigori Baschnikow sah sich um, während er auf der Rückbank seines Wagens saß. Einer seiner Bodyguards ließ sich auf den Fahrersitz fallen, der andere stand weiterhin draußen. Langsam drehte er sich um und wollte in den Wagen steigen, als er plötzlich die Augen verdrehte und lautlos zu Boden sank. Vor dem Fenster stand eine schmale Gestalt und blickte in den Wagen. Er drehte sich um und verschwand hinter den Mülltonnen. "Schnapp ihn dir", fluchte Grigori. Er stieg aus dem Wagen, blieb aber vorsichtshalber dahinter stehen. Seine Bodyguard folgte dem Angreifer ins Halbdunkel der Gasse, in einer Hand die Waffe, in der anderen eine Taschenlampe. Vorsichtig leuchtete er die Ecken und Verstecke aus, die die hier stehenden Tonnen bildeten. Es stank bestialisch und überall raschelte Ungeziefer. Aber nirgends war die Person zu sehen, die seinen Kollegen gerade niedergeschlagen hatte. Bis plötzlich ein Schatten seitlich neben ihm entlang huschte, vollkommen lautlos und nahezu unsichtbar. Der Bodyguard hatte keine Chance, als die Handkante des Killers gegen seinen Hals drosch und ihn ins Reich der Träume schickte. Er ließ ihn einfach liegen und ging langsam auf das Auto zu. Baschnikow kniete davor und sah gerade nach seinem zweiten Mann, der langsam wieder zu Bewusstsein kam. Als er die Gefahr hinter sich spürte, riss er die Waffe des Mannes hoch und zielte auf sein Gegenüber, der im Schatten stehen geblieben war. "Waffe weg, Freundchen. Mich knallst du nicht so einfach ab." Sein Gegenüber senkte die Waffe ein Stück und drückte ab. Er traf genau den Punkt, den er treffen wollte, das Handgelenk des Unterweltbosses. Der ließ mit einem Aufschrei die Waffe fallen. "Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir´s wohl gehe und du lange lebest auf Erden." Damit hob er der Mann im Schatten die Waffe und drückte ab. Mit einem Aufseufzen sank der Baschnikow auf dem Gehweg zusammen. Der Killer ging zu seinem vierten Opfer und markierte ihn. Die Tür des 'Red Tycoon' öffnete sich. Einer der Türsteher und der neue Besitzer kamen heraus. Sie sahen zu dem Wagen hinüber, riefen nach Grigori Baschnikow. Der Besitzer zog eine Waffe und kam langsam auf das Auto zu. Vorsichtig schob er sich um den Wagen herum, hinter dem der Angreifer noch kauerte.
Ben, der drinnen an der Tür gestanden hatte, um die letzten Gäste noch zu verabschieden, hatte den Aufschrei von Grigori Baschnikow gehört und Gerrit umgehend informiert. Der schickte Nina hoch zu Michael und Alex, um die beiden zu wecken und ging dann mit Ben nach draußen, um nachzusehen, was los war. "Hast du einen Schuss gehört?", fragte Gerrit, als er die Tür öffnete und in die kalte Nacht hinaustrat. "Nein. Sicher nicht." Sie sahen den dunklen Wagen von Baschnikow auf der anderen Straßenseite stehen, riefen nach ihm. Die Fahrertür stand offen, aber kein Mensch war zu sehen und niemand antwortete auf ihre Rufe. Gerrit sah genauer hin. Ein Fuß ragte hinter dem rechten Hinterrad hervor. Er zog seine Waffe, wies Ben an, zu warten und ging langsam auf das Auto zu. Der Fuß steckte in einem Turnschuh, der so auffällig war, dass Gerrit sich an ihn erinnerte. Baschnikows Gorilla hatte so ein Paar getragen. Langsam umrundete er den Wagen, die Waffe nach vorn gestreckt. Als er am rechten Rücklicht war, sah er einen Mann neben zwei anderen hocken, die auf dem Boden lagen. Doch ehe er reagieren konnte, sprang ihn der Unbekannte an, stieß ihn nach hinten, sprang auf die Tonne hinter Gerrit und über eine Mauer. Weg war er. Gerrit lag am Boden, als Michael neben ihm auftauchte. Er sah müde aus und hatte seinen Pullover links herum an. "Gerrit, alles okay mit dir?" "Ja, er hat mich nicht verletzt." Mit einem Stöhnen erhob er sich. "Ich bin nur etwas blöd gefallen. Geht schon." Er ergriff Michaels Hand und ließ sich von ihm hochziehen. "Ben, hast du was gesehen?" "Eine Katze gefangen im Körper eines Menschen", murmelte der und starrte immer noch auf die fast 2 Meter hohe Mauer. "Der Typ ist gut trainiert." "Hast du ein Gesicht gesehen?" Alex zog ihre Jacke enger und trat auf die Straße raus. Sie hielt ein Handy in der Hand und rief die Spurensicherung. "Lebt er noch?" Michael hockte neben dem Zuhälter. "Er ist tot. Herzschuss und eine vier hat er auf der Stirn." Langsam half er dem Bodyguard hoch, der sich stöhnend aufrichtete. "Damit wissen wir, dass er einen Schalldämpfer benutzt." Er sah sich um, der zweite Bodyguard kam langsam aus der Gasse geschlichen und strich sich über den Hals. Gerrit sah die Männer an. "Er hat nur sein Opfer getötet. Nur ihn, alle anderen hat er nicht verletzten wollen. Was soll das?" "Er hat was gesagt, bevor er abgedrückt hat", stöhnte der Mann, den Michael noch stützen musste. "Er sagt… was von Eltern… wie war das doch gleich…" Er rieb sich die Stirn und überlegte. "Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dirs wohl gehe und du lange lebest auf Erden… ja, das hat er gesagt."
"Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dirs wohl gehe und du lange lebest auf Erden." Kirkitadse nickte leicht. "Die Zahlen der Opfer… er nummeriert sie nicht. Er ordnet sie den Geboten zu, die sie jeweils gebrochen haben." Er öffnete eine Akte und fasste den Inhalt zusammen. "Das letzte Opfer stand im Verdacht, seine eigenen Eltern mit einer Überdosis ermordet zu haben." "Das dritte Opfer hat seine Familie ermordet. An einem Feiertag. Damit hat er gegen das dritte Gebot verstoßen." Gerrit grübelte. "Was haben Opfer eins und zwei verbrochen?" Michael sah Alex an, die sich leicht am Kopf kratzte und dann im Internet suchte. "Ich hab die zehn Gebote nicht wirklich im Kopf", gestand der Kommissar. "Google aber", sagte Alex. "Erstes Gebot: Ich bin der Herr dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir." Michael zuckte mit den Schultern. "Klar. Baumann hat seinen Chef verarscht." "Zweites Gebot: Du sollst den Namen deines Herren nicht unnütz führen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht." Alex lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. "Ist jetzt auch klar. Markus Lehm hat zig Leute betrogen, indem er in ihrem Namen Geld von ihren Konten abgehoben hat." Kirkitadse schloss die Akte. "Okay, damit kennen wir die Zielgruppe und sein Muster. Wir wissen, wie er zuschlägt, wann er zuschlägt, das muss uns doch langsam reichen, um ihn zu kriegen." "Ich denke nicht." Gerrit stand am Fenster mit dem Rücken zum Büro. "Das fünfte Gebot lautet: Du sollst nicht töten. Was will unser Killer machen?" Er drehte sich um. "Selbstmord begehen? Er verstößt doch in einer Tour dagegen." "Stimmt schon", gab Michael zu. "Aber warum auch immer er mordet, er wird dieses Gebot nicht auf sich beziehen. Sondern morgen früh auf sein nächstes Opfer." "Das hilft uns in diesem Fall überhaupt nicht. Dass er anscheinend nur Menschen umbringt, die im Verdacht stehen, einen oder mehrere Morde begangen zu haben oder die aus diesem Grund sogar schon eingesessen haben, wussten wir auch vorher." Kirkitadse biss sich leicht auf die Unterlippe. "Den Mord morgen werden wir nicht verhindern können. Er schlägt überall in der Stadt zu. Wie lautet das sechste Gebot, Herr Grass?" "Du sollst nicht Ehebrechen." "Woher weißt du das?" Gerrit grinste Michael leicht an. "Mama meinte immer, eine umfassende Bildung sei gut für mich. Ich habe zwar nicht viel mit der Kirche am Hut, aber die zehn Gebote hat sie mir doch eingetrichtert." "Ehebrechen", murmelte Alex. "So viele Leute im Milieu sind nicht verheiratet." "Aber die, die es sind, gehen wahrscheinlich alle fremd." Michael tippte mit dem Kuli auf den Schreibtisch. "Schade, dass du und Ben ihn nicht erkannt habt." "Er hatte die Kapuze von seinem Sweatshirt so tief im Gesicht, da war nichts zu sehen. Ich kann dir nicht mal sagen, ob er schwarz oder weiß war. Aber es war ein Mann, da bin ich mir sicher." "Und die Sachen?" "Es war dunkel, Herr Staatsanwalt." Gerrit grübelte. "Er hatte Jeans an, blau, dunkelblau und Turnschuhe… ich glaube die waren schwarz, bin ich mir aber nicht sicher. Und dann eben das Sweatshirt. Schwarz mit Kapuze." "Das hilft uns auch nicht so viel weiter." "Er ist kleiner als ich, wesentlich kleiner. Vielleicht etwas größer als Alex und sehr schmal. Aber er hatte Kraft und war unglaublich schnell." "Vielleicht ein Soldat oder ein Personenschützer." Kirkitadse grübelte. "Oder ein Sportler oder einfach ein Killer, der sich fit hält." Alex schüttelte den Kopf. "Das hilft uns nicht weiter." "Mir fällt da noch was ein." Gerrit nahm sich ein Blatt und einen Stift. "Vorn auf dem Sweatshirt war ein Kreuz. Weiß oder silbern. Und ein Schriftzug. Über dem Kreuz stand 'Die'. In dem Kreuz stand 'Rache', also senkrecht geschrieben. Und unter dem Kreuz stand 'ist Mein'." "Die Rache ist Mein." Michael sah seine Kollegen an. "Er mordet aus Rache." "Toll. Rache. Wofür will er sich rächen? Wohl kaum an den Männern konkret, die er umbringt. Die hatten nichts miteinander zu tun, außer dass sie im selben Milieu tätig waren." Gerrit hielt sich den Kopf. "Mir dröhnt der Schädel." Alex strich ihm vorsichtig über den Arm. "Du hast auch eine ganz schöne Beule. Dabei bringt man uns bei den Selbstverteidigungskursen immer wieder bei, dass man sich abrollt, wenn man fällt." "Sehr witzig", knurrte der. "Mit ´nem Müllkübel im Rücken soll ich mich abrollen. Ich bin schon froh, dass der Typ mich nicht einfach abgeknallt hat. Der hatte die Waffe ja noch in der Hand." "Merkwürdiger Killer." Michael schüttelte den Kopf. "Wieso tötet er?" "Finden Sie lieber erst einmal heraus, wer der nächste sein soll." Kirkitadse legte Michael die Akte auf den Tisch und verschwand.
Oh man... jetzt hat er schon den 4. erwischt. Aber jetzt haben sie wenigstens einen klitze kleinen Anhaltspunkt. Worauf der Mörder hinaus will,wegen den Zahlen.
Letzte Nacht war es verdammt knapp gewesen. Doch heute Nacht würde es leicht werden, denn niemand würde vermuten, dass sein nächstes Opfer sein nächstes Opfer sein würde. Der Mann war lange raus aus dem Milieu, niemand ahnte, was er früher getan hatte. Nur die Polizei vermutete dies. Im strömenden Regen stand er vor dem Fenster des Wohnzimmers und blickte hinein. Der Mann saß am frühen Morgen noch vor dem Fernseher und sah sich eine Sportübertragung an. Dabei trank er Wein und strich hin und wieder über das Fell einer weißen Katze. Das Tier würde wahrscheinlich im Tierheim landen, das war bedauerlich. Aber sie war wunderschön, sie würde sicher eine neue Familie finden. Mit einem Draht öffnete er die Glastür, die vom Wohnzimmer direkt in den Garten führte. Das Tier zuckte hoch und sah ihn an, doch sein Herrchen nahm es nicht wahr. Zum Glück. Erst als die Katze von der Couch sprang und sich in eine Ecke flüchtete, stand der Mann eilig auf und sah den Eindringling an. "Hey, raus hier. Ich rufe die Polizei." Er griff zum Handy. Mit einer langsamen Bewegung hob der Killer die Waffe. Die Hand mit dem Handy sank langsam nach unten. "Ich bin raus aus dem Milieu", sagte der Mann. "Ich habe für meine Taten gebüßt, wirklich." Der Killer schüttelte den Kopf. "Du sollst nicht töten." "Ich habe nicht…" In dem Moment traf ihn die Kugel in die Brust. Der Killer markierte ihn und ging zur Tür, um zu verschwinden, während sich die Katze neben ihr Herrchen setzte und den Toten verwundert ansah. Er war bereits mit einem Fuß aus der Tür, als er stehen blieb und zurück ging. Langsam hockte er sich neben das Tier und streichelte es vorsichtig. "Du findest eine neue Familie, glaub mir." Hastig eilte er zur Tür hinaus und durch den Regen davon.
"Fußspuren. Turnschuhe, Größe 40. Und er ist zwei Mal ins Haus gelaufen." Michael nickte dem Mann der Spurensicherung zu. "Danke." Dann sah er Alex an. "Wieso ist er zurück gekommen, als er schon wieder halb raus war." "Halt mich für verrückt, aber…" Alex deutete auf die Katze. Sie lockte das Tier an und hob es hoch. "Fass sie mal an." Michael zog seine Handschuhe aus und strich ihr über das Fell. "Sie ist feucht. Als hätte jemand mit nassen Händen sie gestreichelt." "Jemand mit nassen Händen oder nassen Handschuhen." "Ein Killer, der versucht keine Unschuldigen zu verletzten und der die Haustiere seiner Opfer beruhigt? Der Typ ist merkwürdig." "Vielleicht hat er sich bei dem Tier entschuldigen wollen." Alex kraulte die Katze, die sich zitternd in ihre Arme drückte. "Ich nehme sie mit nach Hause. Die KTU wird sie sich eh ansehen wollen." "Was willst du mit einer Katze?" "Soll ich sie in ein Tierheim geben? Sie ist so anhänglich und ganz allein." Alex sah Michael treu von unten an. "Du hast doch nichts gegen Katzen, oder?" "Nein, nicht wirklich. Meinetwegen nimm sie mit, wenn die KTU sie freigibt. Noch ist sie ein Beweisstück." Er hörte ein leises Mauzen. "Kann ich doch nichts dafür, die Gesetze sind so, Miez." Alex sah Alsleben an. "Dasselbe wie immer?" "The same procedure as every day", murmelte der Gerichtsmediziner. "Ich wiederhole das jetzt mal nicht. Langsam wird es langweilig." "Okay. Komm, Micha, fahren wir ins Büro." Alex übergab die Katze einem Mitarbeiter der KTU, der auf dem Tier nach Spuren vom Täter suchen würde. "Ich will sie zurück, wenn ihr fertig seid." "Okay." Michael sah sie an. "Wir müssen erst einmal gucken, ob der Mann Verwandte hatte, die die Katze haben wollen."
"Er lebte allein, seit er aus dem Knast raus war. Er hat acht Jahre wegen Menschen- und Drogenhandels gesessen. Wir hatten ihn im Verdacht, dass er ein Serienkiller war, aber wir konnten es ihm nie nachweisen. Die Akten wurden vor fünf Jahren geschlossen oder so." "Und wo sind die Akten?", gähnte Gerrit. Er war auch in der letzten Nacht wieder in seinem Club gewesen, mittlerweile offiziell, da er so die Szene im Auge behalten konnte und sollte. Michael und Alex machten die Büroarbeit und Gerrit schaute nur kurz nach seiner Arbeit im Club vorbei, um zu sehen, was es neues gab. "Das ist eben das Problem. Die Akten sind nicht da. Die im Archiv suchen sie noch." "Okay, dann hau ich ab. Ich bin müde." Gähnend ging er zur Tür und wurde dort rüde angefaucht, als er mit einem Mann zusammen stieß. "Entschuldigung", murmelte er und verschwand. Alex lachte leise und nahm die Katze in Empfang. Sie sah Max an, der außer dem Tier noch eine Akte in der Hand hatte. "Nichts Neues von der KTU. An der Miez waren einige Lederpartikel. Stinknormales billiges Leder. Der Täter trägt schwarze Handschuhe. Mehr wissen wir leider auch nicht." Während Alex die Katze streichelte, die an ihr klebte wie ein Kaugummi, las Michael erneut die ganzen Akten durch. Aber auch er fand keine weiteren Hinweise, die verwertbar waren. "Ich habe hier eine Liste zusammen gestellt mit Zuhältern, Türstehern, einigen Milieugrößen, die verheiratet sind und im Verdacht stehen, über Leichen zu gehen. Wir werden versuchen, einige zu überwachen. Aber es sind über 250 Leute und damit ist das unmöglich zu kontrollieren." "Versuchen wir es", sagte Alex. "Irgendwann muss der Kerl doch mal einen Fehler machen." "Ich habe das Gefühl, dass er sehr genau weiß, wie wir arbeiten. Vielleicht ist es wirklich eine ehemaliger Polizist, dem es stinkt, dass wir Verbrecher immer wieder laufen lassen müssen, weil die Beweise die Richter nicht überzeugen." "Und was soll das mit den zehn Geboten?" Michael zuckte mit den Schultern und verabschiedete sich innerlich schon wieder von seiner Theorie. Alex hatte Recht. Die Art der Morde passte einfach nicht dazu. Sie war zu umständlich für einen solchen Rachefeldzug. Wer aus diesem Grund morden wollte, der suchte doch nicht jedes Mal nach Leuten, die die kirchlichen Gebote missachtete. Das war zu kompliziert und entsprach in keiner Weise dem typischen Verhalten eine Serienkillers.
'Die Ehe ist heilig', dachte er, als er die Akten durchblätterte, die vor ihm im Schein einer nackten Glühbirne auf dem Boden lagen. Ein Hustenanfall ließ ihn kurz in sich zusammensinken. Schmerzen zuckten durch seine Brust, Blut rann ihm den Mundwinkel hinab. Er wischte es mit dem Ärmel seines Sweatshirts weg, welches wie immer kalt und feucht war und an ihm klebte. Der kühle Stoff tat gut auf seiner vom Fieber erhitzten Stirn. Er nahm eine weitere Aspirin, die letzte, die er noch hatte. Sie hatten in einem Müllcontainer gelegen und er hatte sie mitgehen lassen. Mit etwas Wasser spülte er sie runter, dann ging er in das dreckige kleine Bad, welches nichts weiter hatte außer einer Toilette und einem halb kaputten Waschbecken. Er drehte den Wasserhahn auf, aus dem ein Schwall braunen, eiskalten Wassers schoss. Langsam zog er sich das Sweatshirt aus. Das Licht einer Straßenlampe, die direkt vor dem Fenster stand, beleuchtete seinen Oberkörper, der übersät war mit schlecht verheilten Narben. Langsam wusch er sich den gröbsten Schmutz vom Körper, rasierte sich und zog sich wieder seine alten Sachen an. Im Kühlschrank, der natürlich nicht funktionierte, lag eine offene Packung Zwieback. Dazu gab es Wasser, braunes, kaltes, abgestandenes Leitungswasser. Mit diesem Frühstück ließ er sich wieder vor die Akten sinken und blätterte sie durch, um sein nächstes Opfer zu finden. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Es war bereits nach Mitternacht.
"Ciao Bella." Luigi Milestro, Geschäftsmann und Zuhälter, verließ das Wohnhaus seiner Freundin und ging pfeifend auf seinen Wagen zu. Er schloss seinen Porsche auf und wollte sich auf den Sitz fallen lassen. Doch jemand hielt ihn an Kragen fest. Ein Arm schlang sich um seinen Hals und zog den Mann mit sich mit in den Garten des Hauses. Dort wurde er nach vorn gestoßen und blieb zitternd auf nassen Boden liegen. "Steh auf", fauchte der Angreifer. Langsam drehte der Mann sich um und blickte in das Gesicht des Angreifers, der jetzt eine Waffe auf ihn richtete. "Steh auf", forderte der erneut. Milestro schüttelte den Kopf und kroch rückwärts. Doch den Worten: "Du sollst nicht Ehebrechen" und auch der Kugel konnte er nicht entkommen.
"Luigi Milestro, Zuhälter, zwei ermordete Mädchen wo er im Verdacht stand, sie ermordet zu haben, konnte nicht bewiesen werden. Er war verheiratet, keine Kinder, zumindest nicht offiziell und eine Geliebte, in deren Garten er erschossen wurde." Michael klatschte den Hefter auf den Tisch. Er sah Kirkitadse an. "Wieso haben wir unseren Job eigentlich noch und warum steht in den Zeitungen nichts weiter über die Mordserie?" "Weil es sich nur um Schwerstkriminelle handelt, die da sterben. Für uns als Strafverfolgungsbehörde macht das keinen Unterschied, für die öffentliche Meinung schon. Und solange die Bevölkerung nur mit den Achseln zuckt und sich sicher fühlt, sind die Medien auch ruhig. Einige feiern unseren Killer schon als Retter der Menschheit." Der Staatsanwalt schüttelte den Kopf. "Der Mann ist ein kaltblütiger Mörder und wir müssen ihn fassen. Luigi Milestro war das sechste Opfer. Uns bleiben nur noch vier Tage, dann wird sich unser Mörder zurückziehen und wir finden ihn vielleicht nie, da er leider nicht eine brauchbare Spur hinterlässt." Michael und Alex nickten bedröppelt. Anders konnte man ihre Gesichter nicht beschreiben. Sie waren natürlich froh, dass sie kaum noch Druck von oben bekamen, aber überhaupt nicht weiter zu kommen und das nach sechs Leichen, das war eigentlich nicht ihre Art. Es drückte die Aufklärungsquote ganz schön in den Keller, wie Michael es am vergangenen Abend ausgedrückt hatte. Alex sprang plötzlich von ihrem Stuhl hoch und rannte aus dem Büro. Der Staatsanwalt sah ihr verblüfft nach. "Was ist los mit ihr?" "Der Stress schlägt ihr wohl etwas auf den Magen. Die ständigen Grübeleien verursachen nicht nur Kopfschmerzen." Er seufzte. "Wir schlafen nachts ja inzwischen auch nicht mehr zu Hause. Wir sind nach der Arbeit bei Gerrit im Club." "Sie machen sich Sorgen um ihn?" "Klar. Er lässt Prostituierte für sich arbeiten. Damit gilt er als Zuhälter, auch wenn ihm die Bezeichnung überhaupt nicht schmeckt." Die Tür ging auf und Alex betrat den Raum. Sie sah blass aus und ließ sich in Michaels Arme fallen, der aufgestanden war und sie an sich zog. "Ja, wir machen uns Sorgen um ihn, auch wenn wir ihn nicht wirklich für gefährdet halten." "Gerrit?", fragte Alex. "Ja." "Seine Leute würden sich alle vor ihn stellen, so dankbar sind sie ihm." Kirkitadse verließ das Büro, um zum Gericht zu fahren. "Alles klar mit dir, Kleine? Vielleicht solltest du dir den Tag frei nehmen." "Nein, ich komm schon klar", versichte Alex und ging zu ihrem Schreibtisch. "Meine Magen mag den Stress nur nicht ganz mit." Sie lächelte ihm etwas gezwungen zu und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit.
Wer ist der Mörder? Und woher hat er die Akte? Ist es doch ein Ex-Polizist? Vll. haben die Opfer i-was mit seiner Familie gemacht. Alex ist schlecht? *grübel* Ich hab da sone Ahnung. Gerrit steht doch weiter unten in der Liste, d.h. er müsste bald dran kommen. Bitte nicht!!!
"Herr Staatsanwalt, wir wollten gerade weg." Michael hatte den Arm um Alex Schulter gelegt. Sie standen vor dem K11 und warteten auf Gerrit, der sie abholen wollte. "Wir sind auf etwas gestoßen, was mich an die Decke gehen lassen würde, wenn wir in einem Raum wären." Der Mann schien wirklich aufgebracht. "Was denn?" "Dem Archiv sind mehrere Akten abhanden gekommen. Bei einem Einbruch. Um genau zu sein eine Kiste mit 54 Fällen. Darunter auch die Fälle, in denen es um unsere sechs Toten geht." "Das kann doch nicht sein? Wieso wussten wir davon nichts?" Alex sah ihn mit offenem Mund an. "Das frage ich mich auch. Deswegen bin ich ja so sauer. Wir fragen uns die ganze Zeit, woher der Serienkiller weiß, was die Leute, die tot sind, mal verbrochen haben sollen und die lassen sich die Akten unter dem Hintern wegnehmen und halten es nicht mal für nötig, das zu melden." Alex schüttelte den Kopf. "Aber… wer kommt denn auf die Idee, alte Polizeiakten zu klauen, um dort nach Opfern zu suchen?" "Mir fällt da schon wieder meine Vermutung ein. Ein ehemaliger Polizist." "Selbst wenn das stimmt, Micha, bringt es uns nichts. Wir haben nicht einen Hinweis um unseren Killer zu identifizieren." "Haben Sie denn zum siebten Gebot eine Idee, wen es treffen könnte?" Michael zuckte mit den Schultern. "Du sollst nicht stehlen. Wir haben sieben Leute, die relativ hochrangig sind, im Milieu arbeiten und wegen Diebstahls mal angeklagt waren. Und natürlich, die wegen Mordes mal vor Gericht gestanden haben. Sechs wurden frei gesprochen, aus Mangel an Beweisen. Wir lassen sie überwachen, aber…" Er stockte. "Haben Sie eine Liste der Fälle…" Kirkitadse gab ihm einen USB-Stick. "Danke, Herr Staatsanwalt. Wir schauen die Liste der gestohlenen Akten durch und gleichen sie mit dem ab, was wir ermittelt haben. Vielleicht finden wir bis morgen früh noch etwas." "Wo wollen Sie das machen? Im 'Red Tycoon'?" Alex nickte. "Wir gehören da ja schon zum Inventar. Außerdem haben wir ganz nebenbei einen Drogendealer überführen können, weil er sich bei ein paar Drinks verplappert hat." "Stimmt. Das war wirklich einsame Klasse. Den haben wir seit Monaten im Visier gehabt und Sie bringen ihn mit ein paar Drinks zum Singen. Der Polizeipräsident war hellauf begeistert." "Freut uns. Mal gucken, ob heute Abend trotzdem wieder so viel Unterweltler bei Gerrit rumhängen. Die sind zu uns immer extrem spendabel." Michael lachte, als ein schwarzer Sportwagen mit getönten Scheiben vorfuhr. Gerrit stieg aus dem Wagen. Er trug dunkle elegante Sachen, einen langen Mantel und eine Sonnenbrille. "Können wir?" Alex lachte. "Okay, jetzt siehst du wirklich aus wie ein Zuhälter. Fehlt nur noch die Goldkette." "Du bist zu liebenswürdig. Aber der Wagen ist echt cool, glaubt mir." Michael sah ihn sich an. "Ich denke, dein Laden läuft nicht so gut?" "Naja, mein Laden lief immer, aber seit der Serienkiller mir die Unterweltbosse in die Bar spült, habe ich Einnahmen, die sind schon unverschämt. Die trinken ja nicht nur das Beste vom Besten, sondern sind auch sehr spendabel bei meinen Mädchen. Und komischerweise sind sie total nett zu ihnen." "Klar, weil du sie sonst rausschmeißt." Alex schwang sich auf den Beifahrersitz. "Gemütlich." Michael lachte und scheuchte sie hoch. "Wenn du schon vorn sitzen willst, lass mich wenigstens mal durch. Ist leider nur ein Zweitürer." "Naja, für vier hat es noch nicht gereicht." Gerrit lachte leise. "Kommen Sie mit, Herr Staatsanwalt?" "Nein, danke, Herr Grass. Aber ich denken nicht, dass es meinem Ruf so förderlich ist, mich nach Dienstschluss in einem Bordell herumzutreiben. Auch wenn es einem Kommissar gehört." Damit verschwand er. "Der hat nur Angst vor seiner Freundin", sagte Gerrit, während er Alex Tür schloss und sich auf den Fahrersitz fallen ließ.