Was hat der Mörder erlebt/durchlebt? Das er 1. die anderen alle umbringt und so einen Hass auf sie hat. 2. so "zerbrechlich" ist? Es ist vll. doch besser, wenn er sich selber umbringt oder umgebracht wird.
Jaja, armer, armer Serienkiller Danke für die Kommis und weil ich so gute Laune habe, stell ich mal den zehnten Teil noch online, der eigentlich der letzte sein sollte. Der letzte dieser Geschichte. Den Rest wollte ich dann in einen eigenen dritten Teil der Gesamtstory packen. Da ich das wohl nicht überleben würde, habe ich noch zwei kurze Teile geschrieben, unter dem Motto: 'So ging es nach der Hauptstory weiter.' Und den dritten Teil schreib ich dann natürlich noch, aber in Ruhe.
10. Gebot
"Natürlich ist er nicht da", sagte Gerrit, als er um drei Uhr morgens zusammen mit Michael und Alex vor dem 'Red Tycoon' stand. "Ich habe es euch doch gesagt. Der Typ ist so stur, dass er lieber draufgeht, als mit mir zusammen zu arbeiten." Michael schüttelte den Kopf. "Der hat nicht nur mit dir Probleme, sondern mit der gesamten Polizei und das weißt du, Gerrit." Alex sah ihre Kollegen an. "Neun Opfer haben wir, jetzt fehlt nur noch eins. Es kann sein, dass unser Täter danach abtaucht oder was auch immer tut. Wenn wir ihn jetzt nicht kriegen, kriegen wir ihn vielleicht nie. Also müssen wir Schlösser dazu bekommen, mit uns zu kooperieren." "Da stimmen wir dir vollkommen zu." Michael ging in Richtung ihres Dienstautos, welches vor dem Bordell geparkt war. "Kommt, Leute, fahren wir zum 'Silent Rooms'." Er runzelte die Stirn und hielt inne. "Wieso haben die Puffs immer englische Namen?" "Haben sie doch gar nicht", sagte Gerrit und nahm ihm den Schlüssel ab. "Es gibt auch einige Bordelle mit französischen Namen. Ich fahre." Alex schüttelte den Kopf und schob ihn ins Auto. "Du hast Probleme. Wie würdest du denn einen Puff nennen, wenn du einen hättest?" "Ich weiß nicht", murmelte Michael und schnallte sich an, während Alex sich auf den Rücksitz setzte. "Irgendwas Anspruchsvolles. Vielleicht einen lateinischen Namen oder was griechisches." Gerrit und Alex lachten über Michaels Anwandlungen, während Gerrit den Wagen durch die ruhigen, nächtlichen Straßen Münchens lenkte. Es waren keine fünf Minuten bis zum Bordell von Dieter Schlösser, damit lag es praktisch im selben Einzugsgebiet wie das 'Red Tycoon', was Schlösser natürlich überhaupt nicht passte. Und weshalb er Gerrit seinen Laden abnehmen wollte. Außerdem wurde Schlösser immer wieder handgreiflich gegenüber den Mädchen, die in letzter Zeit immer wieder zu Gerrit geflüchtet waren. Und viele waren geblieben. "Da sind wir", sagte Michael und sprang aus dem Wagen, bevor Gerrit richtig angehalten hatte. Er stürmte in den Laden, kam aber wieder raus, bevor seine Kollegen überhaupt richtig ausgestiegen waren. "Er ist nicht da, sagen seine Mädels. Und warum sollen die ihn schützen?" "Verflucht", murmelte Gerrit. "Das SEK ist gleich hier. Wenn Schlösser nicht bald kommt, können wir ihn nicht beschützen." "Das wissen wir auch." Alex sah sich um, aber auf der relativ dunklen Straße war nichts zu erkennen. Es gab nur eine trübe Straßenlampe, ein paar Meter entfernt und die schwache Leuchtreklame, so dass mehr Schatten entstanden als beleuchtete Flecken. "Wo ist der nur?" "Bestimmt bei seinen Straßenmädchen." Gerrit lief vor dem Laden auf und ab. "Geht rein und schaut euch um, ob er vielleicht doch da ist. Ich warte hier draußen auf ihn oder das SEK, wer halt zuerst kommt." Besorgt sah Alex ihn an. "Allein? Hier draußen? Was ist, wenn der Killer kommt?" "Er stand ein Mal vor mir. Er hätte mich damals töten können, hat mich aber nicht einmal verletzt. Ich bin mir sicher, dass er mir nichts will. Geht schon rein."
Die Polizei war vor ihm da gewesen, sie wussten dieses Mal, wo er zuschlagen wollte. Ja, sie waren gut, hatten seine Struktur durchschaut. Und sie störten ihn. Denn so konnte er nicht an Schlösser rankommen, da sie ihn schützen würden. Und er wollte niemand Unschuldigen verletzen. Denn er wusste, was es bedeutete, unschuldig zu sein. Also musste er warten. Und er war sich sicher, dass er seine Chance bekommen würde. Denn dass Schlösser keine Hilfe der Polizei wollte, war deutlich zu merken. Der Zuhälter war vor nicht einmal fünf Minuten mit seinem Wagen vor seinem Bordell vorgefahren. Im Moment stritt er mit dem großen blonden Kommissar, der merkwürdigerweise nebenbei auch noch ein Bordell besaß. Die beiden standen vor Schlössers Puff und schrieen sich so laut an, dass es bis auf die andere Straßenseite drang. Bis in die Gasse, wo er im Schatten der Häuser stand und wartete.
"Verdammt, Schlösser, wir wollen dir nichts. Wir wollen nur diesen Killer fangen. Und höchstwahrscheinlich bist du sein letztes Opfer." "Ach komm, Gerrit. Das war ich gestern schon. Und? Bin ich tot? Nein." Er winkte ab. "Lasst mich endlich in Ruhe, Bullenpack." "Vorsicht", warnte der und trat einen Schritt auf den Mann zu. "Geh nicht zu weit." "Was dann? Mmm? Was machst du dann? Mich verhaften wegen Beamtenbeleidigung?" Schlösser stieß Gerrit hart an der Schulter. "Komm mir nicht zu nah, klar?" Es war nicht sehr leicht, den Kommissar auf die Palme zu bringen, aber Schlösser war auf dem besten Weg, es zu schaffen. "Meinetwegen lass dich doch abknallen. Es ist mir scheißegal. Bleib hier draußen und warte. Ich gehe jetzt rein." Er drehte sich um und ging auf die Tür zu. Darauf hatte Schlösser nur gewartet. Er war ja nicht dumm, hatte sich genau informiert, mit welcher Waffe der Killer seine Opfer umgebracht hatte und so eine Waffe hatte er sich jetzt gekauft. Gleiches Model, gleiches Kaliber. Und genau diese Waffe zog er jetzt und richtete sie auf den ungeschützten Rücken des Kommissars. Mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen entsicherte er die Waffe und krümmte langsam den Finger am Abzug.
Gerrit wirbelte herum, als er einen merkwürdigen Schuss hinter sich hörte und neben ihm in der Wand eine Kugel einschlug. Er sah Schlösser, der sich an die Schulter griff und zu Boden sank. Hinter ihm im Halbschatten stand der gesuchte Killer mit nach vorn gerichteter Waffe. Im selben Moment sprangen Michael und Alex aus der Tür und stießen ihn fast um. "Gerrit? Was ist passiert?" Der griff sich mit einem Aufstöhnen an den Arm. Schlösser musste im selben Moment abgedrückt haben wie der Killer. Aber warum hatte der den Zuhälter nicht erschossen? Ihm wurde schwindlig. "Er hat dir das Leben gerettet", sagte Alex, die neben Schlösser hockte. "Die Kugel ist durch seine Schulter durchgegangen. Hätte unser Killer ihn woanders getroffen und die Kugel hätte den Körper durchschlagen, hätte sie auch dich töten können." "Scheißegal", sagte Michael und visierte den Mann auf der anderen Straßenseite an. "Diesmal entkommt er uns nicht." Damit rannte er auf ihn zu. Der warf sich herum und hechtete in die Gasse zurück. Gefolgt von Gerrit, der sich zusammenriss und natürlich Michael. Sie jagten ihm über Mülltonnen und Unrat hinterher, der hier einfach herum stand und lag. Der Killer versuchte mit aller Macht zu entkommen, aber er war körperlich so angeschlagen, dass er immer wieder ins Straucheln geriet. Waren seine Schritte und Sprünge vor wenigen Tagen noch geschmeidig und stark gewesen, war er jetzt unsicher und keuchte bei jedem Schritt schmerzerfüllt auf. Er sah das Ende der Gasse vor sich, wo sie auf eine Straße hinausging. "Los, wir kriegen ihn", keuchte Michael und legte noch einen Zahn zu. Gerrit nickte hastig. Sein Arm schmerzte höllisch, aber er wollte nicht aufgeben. Er wollte Michael nicht allein und natürlich auf keinen Fall den Killer entkommen lassen. Viel zu lange waren sie hinter diesem Mann her gewesen. Eine alte Palette, quer auf dem Boden liegend und im Halbdunkel nicht zu erkennen. Der Killer stieß mit dem Fuß dagegen, konnte den Schlag nicht mehr abfangen und überschlug sich. Keuchend blieb er auf der nassen Straße liegen, das Gesicht auf den Boden gerichtet. Ein mühsamer Versuch, wieder hoch zu kommen, doch in dem Moment waren die beiden Kommissare bei ihm. Es war vorbei, er schob die Waffe langsam zur Seite, gut sichtbar, auch im schwachen Licht. Es war sein Zeichen der Kapitulation.
Michael kniete auf den Rücken des Killers, der sich allerdings nicht weiter wehrte. Genauso wenig reagierte er auf Fragen oder sagte von sich aus etwas. Die Handschellen klickten und Michael zog ihn auf die Beine. "Alles klar bei dir, Gerrit?" Der hielt sich den Arm. "Klar, kein Problem. Nur ein Streifschuss. Der Typ hier hat mir das Leben gerettet. Durch seinen Schuss wurde der von Schlösser abgelenkt." "Ja. Könnte sich gut machen vor Gericht. Neun Morde, ein Mordversuch, ein gerettetes Leben." Langsam gingen sie zurück zum 'Silent Rooms, wo das SEK inzwischen eingetroffen war. Als die Männer allerdings sahen, dass Michael und Gerrit alles im Griff hatten, fuhren sie wieder weg. Ein Krankenwagen war auch da, versorgte den angeschossenen und laut vor sich hin fluchenden Zuhälter. Alex wies zwei Kommissare an, den Mann gut im Auge zu behalten, da er sich ja wegen des Mordversuchs an Gerrit verantworten musste. Dann ging sie auf ihre beiden Kollegen zu, die jetzt mit dem Gefangenen Serienkiller direkt vor dem Fenster des Bordell im Licht standen. Neugierig sahen die drei ihren Gefangenen an. "Wollen doch mal schauen, wen wir hier haben." Langsam zog Michael dem Mann die Kapuze vom Kopf und hatte im selben Moment, als er ihn ansah, das Gefühl, als ob ihm jemand in den Magen getreten hätte. Alex, die inzwischen bei ihren Kollegen angekommen war, blieb wie angewurzelt stehen und schaute dem Serienkiller ins Gesicht. In ein Gesicht, was ein wenig älter und reifer geworden war seit ihrer letzten Begegnung. In zwei braune Augen, die sie sehr gut kannte. Ihr wurde bewusst, warum dieser Mann sie nicht hatte verletzen können, warum sie den Wunsch hatte, ihm helfen zu wollen, obwohl sie ihn beruflich jagte. Und ganz langsam wurde ihr auch bewusst, was diese Festnahme noch nach sich ziehen würde und dass dieser Fall noch lange nicht zu Ende war.
So, eigentlich wollte ich die Story hier enden lassen.
So, hier noch die nächsten beiden Teile, um euch nicht ganz dumm sterben zu lassen . Das will ich ja nicht verantworten.
Das Verhör
Im Vernehmungszimmer herrschte eine bedrückende Stille. Michael und Kirkitadse standen an der Tür, Alex saß am Tisch, dem Verdächtigen gegenüber. Der hatte den Kopf gesenkt, blickte auf seine mit Handschellen gefesselten Hände, die leicht zitterten. Alex sah ihn immer noch ungläubig an. Er sah aus wie damals, als er München verlassen hatte, nur seine Haare waren etwas länger und er war noch schmaler geworden. Als er den Kopf hob, sah sie eine lange Narbe, die unter seinem linken Auge verlief. Sie würde in einigen Jahren wahrscheinlich verblasst sein, aber noch entstellte sie den hübschen Mann ein wenig. Ihr trauriger Blick traf den seinen, fixierte seine braunen Augen, die immer so sanft geschimmert hatten. Jetzt wirkten sie dumpf und ausdruckslos. "Ich versuche, ein wenig herauszufinden", murmelte Kirkitadse und verließ den Raum sichtlich erleichtert. Michael zog sich den Stuhl neben Alex und setzte sich langsam. Unsicher öffnete er den Mund, schloss ihn wieder und atmete mehrfach tief durch. Er brachte einfach kein Wort heraus, obwohl er tausend Fragen hatte. Berufliche, aber vor allem private. Alex fasste sie sehr gut in einem kleinen Satz zusammen. "Wieso hast du das getan, Branco?" Ihre Unterlippe zitterte beim Sprechen. Der ehemalige Kommissar des K11 schien erst jetzt wahr zu nehmen, wo er war und wer ihm gegenüber saß. Alex Stimme schien ihn aus seinem tranceartigen Zustand zu reißen. "Alex", sagte er leise. Er drehte den Kopf ein wenig. "Michael." "Ja verdammt. Mensch Junge, was ist mit dir los? Bitte sag mir, dass du die Typen nicht umgebracht hast." Michael hatte die Hände gefaltet, sah ihn flehend an. "Doch", sagte er leise und tonlos. "Ich habe sie getötet. Alle neun." Sein Blick veränderte sich. "Ihr habt mich gestört." Seine Stimme klang vorwurfsvoll, ja fast enttäuscht, jedoch war keine Spur Wut darin. "Zum Glück." "Nein. Auch dieser Mann muss sterben. Er hat das zehnte Gebot missachtet." Michael schüttelte den Kopf. "Das ist doch Irrsinn. Das bist doch nicht du." "Sie haben die Gebote missachtet. Sie mussten sterben." Seine Miene blieb genauso ausdruckslos wie sein Gesicht, sein Blick ging jetzt durch Michael hindurch, schien unendlich weit weg. Alex lehnte sich etwas vor. "Das hast du auch getan, Branco. Du hast das fünfte Gebot missachtet. Du sollst nicht töten." Es war, als wäre ein Stromstoß durch den Körper des jungen Mannes gelaufen. Der sprang plötzlich auf und schrie seine ehemaligen Kollegen und Freunde an. Sein Gesicht war hassverzerrt und in seinen Augen glitzerten Tränen. "Ihr versteht das nicht. Ihr könnt das nicht verstehen. Sie sind alle tot. Sie haben sie umgebracht, aber sie waren unschuldig, versteht ihr? Sie sind alle tot, aber sie hätten nicht sterben dürfen. Die Täter müssen bestraft werden. Sie müssen sterben. Ich muss sie rächen." Michael war aufgestanden und drückte Branco sanft aber sehr bestimmt auf den Stuhl zurück. Der leistete keinen Widerstand und setzte sich wieder. "Branco… wovon redest du eigentlich?" Schweißperlen lagen auf dessen Gesicht, seine Augen sprühten vor Hass, aber das Feuer begann wieder zu erlöschen. Sein Atem wurde ruhiger und eine Minute später saß er wieder teilnahmslos und ruhig da. "Das versteht ihr nicht." "Erkläre es uns doch", bat Alex ihn verzweifelt. "Wir wollen dir helfen. Wir sind deine Freunde, verdammt noch mal." Brancos Blick traf den von Alex und dieses Mal sah er unendlich traurig aus. Tränen schimmerten in seinen Augen. "Das könnt ihr nicht. Ihr habt es nicht gesehen. Ihr musstet es nicht sehen." Er sah von einem zum anderen, dann klang wieder dieser Vorwurf in seiner Stimme. "Ihr wart nicht da." Dies war seine letzte Erklärung. Auf weitere Fragen antwortete er nicht und ließ so zwei hilflose und vor allem verständnislose Kommissare zurück. Denn die wurden aus den Worten ihres ehemaligen Kollegen nicht schlau.
"Herr Naseband, Frau Rietz, kommen Sie mal bitte raus." Immer noch fassungslos verließen die beiden Kommissare das Vernehmungszimmer und folgten dem Staatsanwalt ins Büro. Alex wischte sich über die Augen. "Was ist nur mit ihm geschehen? Das kann doch alles nicht wahr sein? Er redet nur wirres Zeug." "Er war in einer geschlossenen Anstalt in Frankfurt, nachdem er nach Deutschland zurück gekommen ist." Kirkitadse hielt ein Blatt in der Hand. "Aber nach wenigen Tagen ist er geflüchtet." "Wieso?" Michael ließ sich auf das Sofa nieder, sprang aber sofort wieder auf. "Wieso war er da?" Gerrit stand an die Heizung gelehnt. Er hatte die Vernehmung mitgehört, aber genauso wenig verstanden wie die anderen zwei. Sein verletzter Arm war von einem Arzt versorgt worden und hing in einer Schlinge. "Was ist im Kosovo geschehen, dass er… so krank geworden ist." "Krank ist das richtige Stichwort, Herr Grass. Rebellen hatten ihn verschleppt, vor fast zwei Jahren, im Kosovo. Ihn, seine Freundin Sonja und zwei Soldaten." "Freundin?" "Er muss die Frau dort kennen gelernt haben. Sie hat für das Rote Kreuz gearbeitet und stammte aus Österreich, Wien um genau zu sein." "Was ist passiert?" Aufmerksam hörten die Kommissare der Erklärung des Staatsanwaltes zu und mit einem Mal bekamen Brancos Worte und sein Ausbruch auch einen Sinn. "Als man ihn nach sechs Monaten retten konnte, war er seelisch vollkommen zerstört. Man hat die Frau langsam zu Tode gefoltert. Sie war bei der Geiselnahme hochschwanger von Herrn Vukovic. Die beiden wollten heiraten. Er hat alles mit ansehen müssen, auch wie man seinem Baby die Kehle durchgeschnitten hat, nachdem es zur Welt gekommen war. Auch die Soldaten hat man umgebracht, langsam und unglaublich qualvoll. Herr Vukovic selber ist brutal gefoltert worden. Es ist ein Wunder, dass er das überlebt hat. Monatelang hat er im Krankenhaus gelegen, viele Wochen sogar im Koma. Als er aufwachte, hat er ruhig und sehr offen über die Geschehnisse gesprochen. Da hat er auch erzählt, dass die Rebellen während der Folter immer wieder das fünfte Gebot wiederholt haben. Es war die Begründung, warum sie die Soldaten bestrafen wollten. Weil diese eben die Familien der Rebellen und deren Freunde getötet hatten." "Das ist doch Wahnsinn." Alex schmiegte sich gegen Michael. "Darum ist er gerade so ausgeflippt." "Er ist immer wütender geworden, haben seine Ärzte erzählt. Er hatte Alpträume, wollte Rache. Da die Geiselnehmer aber bei der Befreiungsaktion erschossen wurden, gab es nicht einmal eine Gerichtsverhandlung. Das Verbrechen an ihm, den Soldaten und an seiner Familie wurde in seinen Augen nie gesühnt. Daraus muss sich diese Psychose entwickelt haben, die ihn aus der Klinik abhauen ließ und zu dem führte, was er hier getan hat." "Mein Gott", hauchte Alex leise. "Armer Branco. Er hat versucht, Rache zu üben und hat stellvertretend für seine Peiniger Rotlichtgrößen ausgesucht." "Was wird jetzt aus ihm?", fragte Gerrit den Staatsanwalt, obwohl er und die anderen die Antwort kannten. "Er hat neun Morde begangen", sagte Kirkitadse. Für ihn war das Antwort genug. "Er ist krank. Was er durchgemacht hat, hätte kein Mensch unbeschadet überstanden." "Herr Naseband, ich bitte Sie. Er hat neun Morde begangen. Kaltblütig und sehr, sehr gut durchdacht." Die Kommissare senkten die Köpfe. Sie waren sich dessen bewusst, aber ihre Herzen sprachen eine andere Sprache. "Ich werde Anklage gegen ihn erheben. Ingo Lenssen wird die Verteidigung übernehmen. Darum habe ich ihn gebeten und er hat sofort zugesagt. Herr Vukovic wird sicher nicht ins Gefängnis kommen, das werde ich auch nicht fordern, aber ich denke, dass er für den Rest seines Lebens in einer geschlossenen Anstalt landet. Und das ist vielleicht auch besser so. Draußen ist er eine Gefahr und wenn er geheilt wird, müsste er natürlich die Haftstrafe noch absitzen. Und bei seinen Taten wären das lebenslang mit Sicherheitsverwahrung." "Aber er ist doch gar nicht zurechnungsfähig." Alex war verzweifelt. "Tut mir leid, Frau Rietz. Aber ich habe schon den Eindruck, dass er sehr genau wusste, was er tat." Der Staatsanwalt verließ das Büro. Gerrit schüttelte den Kopf. "Wäre er doch bloß hier geblieben." "Er hat dir das Leben gerettet", sagte Alex. "Schlösser hätte dich eiskalt erschossen." Der sah sie offen an. "Das werde ich auch vor Gericht aussagen. Lang und breit." "Mir hat er auch nichts getan, als er mich in der Hand hatte. Er ist kein gewissenloser Killer." "Wir werden uns um ihn kümmern. Selbst wenn er in einer Anstalt landet." Michael stand auf und nickte heftig. "Ich lass keine Freunde hängen." "Und wirklich leid tut mir keiner der Typen, die er umgelegt hat. Allen waren Menschenleben vollkommen egal. Alle hatten Morde begangen, teilweise waren sie nur frei, weil wir es ihnen nicht hundertprozentig nachweisen konnten." Gerrit lief im Büro hin und her. "Manchmal macht die Polizeiarbeit echt keinen Spaß." Plötzlich blieb er stehen und grinste leicht. "Ich habe da einen Kunden, einen Psychologen, dem ich mal den Hintern gerettet habe. Um was genau es ging, müsst ihr nicht wissen, aber der Typ schuldet mir einen Gefallen. Wir werden mal mit Ingo sprechen, was in so einem Gutachten drin stehen muss, damit Branco möglichst gut davon kommt." "Aber er ist gefährlich", sagte Alex leise. "So wie er jetzt im Moment drauf ist… Ich will nicht, dass er ins Gefängnis kommt, aber draußen möchte ich ihn auch nicht haben." Gerrit sah sie ernst an. "Ich möchte ihn auch in einer Einrichtung haben, bis er sich wieder erholt hat. Aber meiner Meinung nach sollte man ihn danach nicht noch für den Rest seines Lebens einsperren. Er würde vor die Hunde gehen." "Dann müsste er für unzurechnungsfähig erklärt werden. Und ob Kirkitadse da mitspielt. Ich meine, der hat schon Recht. Branco ist ein Mörder…" Sie zögerte. "Ein Serienkiller." Michael presste die Lippen zusammen. Er sah Gerrit an. "Wie gut ist dein Doktor?" "Fachlich? Ausgezeichnet. Er hat Bücher geschrieben, die als Lehrstoff verwendet werden. An seinem Fachwissen ist nicht zu rütteln." "Wenn er Branco betreuen würde, würde er uns wirklich sagen können, wann der wieder stabil genug ist, um allein zu leben. Hier draußen?" "Ganz sicher. Der Mann nimmt seinen Beruf sehr ernst. Er hat nur eben so viel zu tun, dass er sich so einen komplizierten Fall nicht antun würde. Aber wie gesagt, darum kümmere ich mich. Ich werde ihn schon überzeugen." Alex stand auf und lehnte sich gegen Michael. "Wie er uns angesehen hat. Ich könnte schwören, er war froh, dass wir ihn gestoppt haben. Irgendwo ganz tief in sich drin." "Den Eindruck hatte ich auch. Er scheint Hilfe zu suchen." Er legte die Arme um seine Freundin. "Wenn ich mir vorstelle, was er durchgemacht hat… Mir ist ganz schlecht." "Ich bin im 'Red Tycoon', wenn ihr mich sucht. Ich spreche mit Doktor Kreiler." Gerrit verschwand. Alex und Michael gingen schweren Herzens zu Branco zurück, der noch immer so dasaß, wie sie ihn verlassen hatten. Teilnahmslos hörte er zu, was die beiden Kommissare ihm erzählten. Auch als man ihn anschließend abführt, sagte er kein Wort, sah sie nur einmal kurz an, mit einem Blick, schwankend zwischen Dankbarkeit, Angst und Scham. "Da kommt viel auf uns zu in den nächsten Monaten", sagte Michael leise. Alex nickte nur und strich sich über den Bauch. 'Gerade jetzt', dachte sie. "Ist alles klar? Ist dir schlecht?" Besorgt streichelte Michael ihr über den Rücken. "Nein. Mir schlägt nur die ganze Sache etwas auf den Magen", log sie und hoffte, dass er die Lüge nicht bemerkte.
Doktor Kreiler beschäftigte sich sehr intensiv mit Branco Vukovic und erstellte nach bestem Wissen und Gewissen ein umfassendes Gutachten, was er dem Gericht vorlegte. Als Alex, Michael und Gerrit es hörten, mussten sie lächeln. Wenn der Staatsanwalt und die Richter es nicht vollkommen ignorierten, mussten sie Branco freisprechen. Kreiler hielt den nämlich für die Zeit der Morde für vollkommen schuldunfähig, da er sich wie in einem Rausch befand. "Er ist sehr gezielt und präzise vorgegangen, hat alles genau geplant." Kirkitadse herrschte den Mann laut an. "Er war nie im Leben schuldunfähig." "Dieser Mann war seelisch nicht in München, sondern immer noch in diesem Loch im Kosovo. Er hat nicht die Männer getötet, die er umgebracht hat, sondern nur die gesehen, die ihn misshandelt und gefoltert haben. Er mag gezielt vorgegangen sein, aber die Morde hat er binnen zehn Tagen begangen und diese Zeit kann ein Rausch anhalten. Das wissen Sie so gut wie ich. Herr Staatsanwalt, Herr Richter, dieser Mann ist eine Gefahr, aber nicht mehr für andere Menschen. Er hat sechs Mal versucht, sich umzubringen. Er will zu seiner Familie und wenn Sie mich fragen, dann lassen Sie ihn doch um Gottes Willen gehen. Er hätte einen strenge Therapie gebraucht nach dem Zwischenfall. Direkt als er aus dem Koma erwacht ist. Aber da hat man ihn für stabil gehalten, eine völlige Fehleinschätzung, die dazu beigetragen hat, dass sich seine Psychose erst entwickeln konnte. Man hat ihm Fragen gestellt und ihn damit gezwungen, das Erlebte immer und immer wieder durchzumachen, allerdings ohne ihn danach aufzufangen. Wenn jemand verurteilt werden muss, dann die stümperhaften Kollegen, die ihn falsch behandelt haben. Man kann diesen Mann nicht dafür verantwortlich machen, was er getan hat." "Er hat nur seine Opfer getötet, hat alle anderen Menschen, die ihm in die Quere kamen unverletzt gelassen. Er hatte Kommissarin Rietz als Geisel genommen, um zu fliehen, ohne ihr auch nur einen blauen Fleck zuzufügen, hat Kommissar Grass sogar das Leben gerettet, obwohl er damit seine Verhaftung selbst verursacht hat. Das klingt nicht nach Amokläufer." Der Arzt seufzte. "Ich kann nur das aussagen, was ich festgestellt habe. Und eines sollten wir uns alle fragen, meine Herren. Es mag sein, dass das typische Verhalten eines Amokläufers gewesen wäre, sich eine Waffe zu schnappen und ziellos so viele Menschen wie möglich zu töten, ohne vorher zu gucken, ob die schuldig oder unschuldig sind. So ein Mensch wäre ohne große Verhandlung in eine Anstalt gewandert, weil er schuldunfähig war. Herr Vukovic ist in genau demselben Zustand, nur ist er noch ein wenig Mensch geblieben und hat die Unschuldigen vor seiner eigene Rache beschützt. Wenn Sie diesen Punkt nehmen, um ihn zu verurteilen, wo sie andere Amokläufer laufen lassen; wenn Sie ihm diesen letzten Rest Menschlichkeit zum Vorwurf machen, schaffen Sie hier und heute eine erschreckende Grundlage." Er schwieg und presste hart die Lippen zusammen. Der Richter sah sich unbehaglich um, blickte zum Tisch von Kirkitadse, dann zu dem von Ingo Lenssen. Zuletzt fixierte sein Blick den des Angeklagten. "Herr Vukovic", sagte er leise. "Werden Sie wieder töten?" "Nein, Herr Richter", sagte der leise, hielt dem Blick aber stand. "Tut Ihnen leid, was Sie getan haben?" "Ich weiß es nicht genau. Irgendwie weiß ich gar nicht, was ich fühlen soll." "Warum wollen Sie sich umbringen?" Er blickte auf die Verbände an seinen Handgelenken und hob dann wieder den Blick. "Ich habe keinen Grund mehr zu leben. Alle Menschen, die ich liebte, sind mir genommen worden." "Sie haben Freunde, die sehr für Sie kämpfen." Branco sah zur Zeugenbank hinüber. "Ja. Die habe ich. Und ich bin ihnen vor allem dankbar, dass sie mich aufgehalten haben." Er senkte den Blick. "Aber ich habe kein Recht zu Leben." "Kein Recht?" "Ich habe gemordet und bin genauso schlecht wie diese… Monster." "Stellen Sie sich wirklich auf eine Stufe mit denen?" Branco zuckte müde mit den Schultern und sah dem Richter direkt in die Augen. "Ich kann gar nichts tun, Herr Richter. Sie werden es tun müssen. Sie werden mich mit Ihrem Urteil auf eine Stufe stellen. Und wenn Sie mich wegen Mordes verurteilen, dann stellen Sie mich auf eine Stufe mit den Männer, die meine Verlobte und mein Kind umgebracht haben. Und ich würde das an Ihrer Stelle auch tun." Der Richter zuckte unmerklich zusammen und wand den Blick vom Angeklagten ab. Er sah seine Kollegen an und beendete die Beweisaufnahme. Die Plädoyers fielen sehr kurz aus. Kirkitadse forderte einen Unterbringung in einer Anstalt und eine lebenslange Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung, wenn Branco jemals so weit sein würde, die Anstalt zu verlassen. Lenssen hielt sich an den Bericht von Kreiler und forderte eine Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt, bis Branco sich wieder erholt hatte und einen Freispruch wegen Schuldunfähigkeit. Zustimmendes Gemurmel aus dem Saal war zu hören. Obwohl hier ein Serienmörder vor Gericht saß, hatte Brancos Leidensgeschichte, die von den Medien breitgetreten worden war bis zum Gehtnichtmehr, dafür gesorgt, dass die Menschen ihn bedauerten und nicht wollten, dass er zu hart bestraft wurde. In den Augen vieler Menschen hatte er seine Strafe längst bekommen. Michael und Alex hielten sich an den Händen, Gerrit sah immer wieder zu Branco hinüber. Es hatte nur zwei Monate gedauert, den Prozess vorzubereiten, da Branco voll umfassend geständig war. Die zwei Monate hatte er in einer psychiatrischen Anstalt gesessen und durfte keinen Besuch empfangen, so dass er seine ehemaligen Kollegen erst im Gerichtssaal wieder gesehen hatte. Michael und Alex hatten sich verspätet, Gerrit stand auf dem Flur und wartete auf den Prozessbeginn, als zwei Polizisten Branco an ihm vorbei führten. Er hatte ihn kurz am Arm festgehalten und ihn angesehen. "Es geht immer weiter", hatte er geflüsterte, ohne genau zu wissen, warum er das sagte und was er eigentlich meinte. Branco hatte ihn eine Weile angesehen und genickt. "Herr Vukovic, wollen Sie noch etwas sagen, um sich zu verteidigen?" "Ich habe neun Menschen getötet. Schwerstverbrecher. Soll ich heucheln, dass es mir leid täte, dass sie nicht mehr auf der Welt sind? Das kann ich nicht." "Sie sollen nichts heucheln. Ich wollte Ihnen nur die Chance zu einem letzten Wort geben." Der Richter lächelte ihm aufmunternd zu. Branco nickte leicht. "Eine Entschuldigung ist von einem Angeklagten ist immer Willkommen, soweit ich weiß. Alex, Michael…" Sie sahen ihn erstaunt an. "Es tut mir leid, dass ich versucht habe, mich umzubringen. Ich wollte euch wirklich nicht noch mehr weh tun." "Das ist Ihr letztes Wort?" Branco nickte. "Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück." Die Richter gingen, viele der Zuschauer auch. Kirkitadse blieb an seinem Tisch sitzen und blickte zu Branco hinüber, der mit gesenktem Kopf neben seinem Verteidiger saß. Alex trat langsam auf ihn zu, wurde aber von einem Polizisten aufgehalten. Kirkitadse scheuchte ihn weg, mit der Begründung, dass Absprachen jetzt eh nicht mehr möglich seien. Alex nahm Brancos Hände in ihre. "Egal was die Richter entscheiden, wir werden dir beistehen." Er hob den Blick, der jetzt voller Scham war. "Ihr könnt nicht mit mir befreundet sein. Ich bin böse." "Das bist du nicht, Junge." Michael trat neben ihn und strich ihm über den Kopf. "Du bist einfach nur fertig. Lass dir helfen. Kreiler scheint dir gut zu tun." Mit tränennassem Gesicht nickte er. "Ja. Das Gefühl habe ich auch. Aber was soll ich machen? Ich will nicht aus dem Knast raus oder aus einer Anstalt. Wer gibt mir denn Arbeit? Oder soll ich vom Staat leben? Was soll nur aus mir werden." Alex strich ihm mit den Händen über das Gesicht. "Nicht weinen. Du bist nicht allein, auch wenn du dich immer noch so fühlst. Ich wünschte mir, du wärst gleich zu uns gekommen." Dass dieses Gefühl der Hilflosigkeit noch von der Gefangenschaft herrührte, konnte sie sich gut vorstellen. "Du wirst eine Therapie machen und zwar so lange, bis du merkst, dass es dir wirklich besser geht. Und dann…" "Und dann kommst du zu mir." Gerrit legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Du hast bei deinen… Observationen ja sicher mitbekommen, dass ich ein Bordell habe." "Ja", schniefte der ehemalige Kommissar. "Habe ich. Auch wenn ich das für sehr sonderbar halte." "Bei mir kannst du arbeiten. Es wird nichts Großartiges sein, aber du kannst Geld verdienen und dir wieder ein Leben aufbauen." Branco fasste sich in die Hosentasche und zog die Kugel hervor. "Die war für mich. Der Staatsanwalt hat mir erlaubt, sie zu behalten. Ich habe den Verlobungsring einschmelzen lassen und sie wurde daraus gefertigt. Sie war meine Zukunft. Die einzige, die ich noch hatte." Er reichte sie Gerrit. "Ich weiß nicht, wie das hier endet und ob ich jemals wieder einen Fuß in die Freiheit setze. Aber wenn das passiert, komme ich zu dir und hole sie mir zurück." Gerrit nahm sie. "Ich lasse sie einfassen, dann kannst du sie als Kette tragen. Als Erinnerung. Schau nach vorn." "Das kann ich im Moment noch nicht." Seine Stimme war schleppend und müde. Es machte ihn irgendwo glücklich, dass seine Freunde zu ihm hielten und sogar Gerrit, der ihn ja gar nicht weiter kannte. Aber er war nicht in der Lage, dieses Glück auch zu empfinden, er wusste nur, dass es da war. Irgendwo, tief in ihm. Wirklich fühlen konnte er nach dem Zorn, der Wut und dem Verlangen nach dem Tod, welches er zuletzt empfunden hatte, nur noch ein Gefühl: Leere. Eine graue, endlose Leere. Er zweifelte, dass Kreiler ihn da rausholen konnte, würde aber daran arbeiten. Nicht für sich, sein Leben war ihm egal. Aber er musste es für Alex und Michael tun. Sie waren so gute Freunde, dass er es ihnen schuldig war.
Die Beratung dauerte keine halbe Stunde, dann war das Gericht zurück. Der Richter sah die Prozessangehörigen an, zuletzt den Angeklagten. "Im Namen des Volkes spreche ich Branco Vukovic vom Vorwurf des neunfachen Mordes frei, da er sich während des gesamten Zeitraumes, in welchem die angeklagten Taten stattfanden, im Zustand vollständiger Schuldunfähigkeit befand. Er wird in die psychiatrische Klinik von Doktor Kreiler überstellt, bis dieser der Meinung ist, dass Herr Vukovic wieder soweit hergestellt ist, um am normalen Leben teilzunehmen. Die Verhandlung ist geschlossen."
Die Menschen im Saal waren zufrieden. Es war eine gewisse Gerechtigkeit, denn oft genug wurden wirkliche Schwerstverbrecher zu viel zu geringen Strafen verurteilt und freigelassen, obwohl man sicher sein konnte, dass sie wieder Verbrechen begehen würden. Bei diesem Angeklagten würde das nicht passieren, da waren sich alle einig. Kirkitadse ging zu Branco und sah ihn lange an, dann dessen Verteidiger. "Ich werde das Urteil nicht anfechten. Es entspricht nicht meinem Antrag, aber meinem Wunsch als Mensch." Branco sah ihn erstaunt an. "Ich wünsche Ihnen alles Gute." "Danke", murmelte er fassungslos. Ingo klopfte ihm auf die Schulter, während Alex und Michael ihn glücklich anlächelten. Er wünschte sich sehr, dieses Lächeln erwidern zu können, aber das war zuviel verlangt. Gerrit und Doktor Kreiler standen etwas abseits. "Du hast, was du wolltest. Ich habe viel riskiert, Gerrit." "Ich weiß." "Er ist nie im Leben schuldunfähig, das ist dir hoffentlich klar." Kreiler hatte den Satz nur geflüstert. "Und ich habe diesen Bericht nur geschrieben, weil ich ihn wirklich für absolut ungefährlich halte. Er wird nie wieder einem Menschen weh tun und er wird die Morde bitter bereuen, bis an sein Lebensende. Er gehört nicht in ein Gefängnis, deshalb habe ich ihn hier rausgeboxt." "Sie haben ihn rausgeboxt, weil ich sie mit meinem Wissen über Sie-wissen-schon-was erpresst habe." Der Arzt senkte den Blick. "Er ist wirklich ungefährlich?" "Ja. Und er ist auf dem besten Weg, einigermaßen gesund zu werden." "Wie lange wird es dauern?" "Bis er die Klinik verlassen kann? Gib mir acht Wochen, höchstens zwölf." Gerrit war erstaunt. "So schnell?" "Diese Stümper haben alles nur schlimmer gemacht. Mit ein paar Medikamenten und den richtigen Fragen ist er vollkommen stabil. Er hat angefangen zu trauern und er hasst nicht mehr. Zumindest nicht mehr so abgrundtief. In drei Monaten kann ich ihn rauslassen. Aber er braucht ein stabiles Umfeld, denn die Todessehnsucht wird ihn immer begleiten." "Er kann für mich arbeiten. Dann ist er in meiner Nähe und in der von Alex und Michael." Kreiler nickte. "Ich werde ihn weiter behandeln, wenn es sein muss, so lange ich lebe. Aber sei dir im Klaren darüber, dass er nie wieder so wird wie er einmal war. Das kannst du vergessen, klar?" Der Arzt verschwand. Gerrit ging zu Alex und Michael, die immer noch bei Branco standen und ihm versuchten, Mut zuzusprechen. Aber das schien an ihm abzuprallen. Er schien enttäuscht, so milde davon gekommen zu sein. "Branco." Der sah ihn an. "Deine Strafe ist deine Schuld. Du musst damit leben, getötet zu haben, dafür sind keine Gefängnisgitter nötig. Und ein Selbstmord wäre feige und unfair uns gegenüber. Stell dich deiner Schuld." "Gerrit." Alex und Michael sahen ihn empört an. Zwei Polizisten nahmen Branco in die Mitte, um ihn ins Krankenhaus zu bringen. Er sah sich kurz um, nickte seinen Freunden zu und sah Gerrit fest an. "Danke", sagte er. "Höre auf die Ärzte", bat Alex ihn. "Du auch", sagte er und ließ sich abführen. Michael sah sie fragend an. "Wie meint er denn das?" Gerrit lächelte. "Ach von dir war der Test. Ich hatte schon meine Mädchen im Verdacht." Alex nickte schuldbewusst. Kirkitadse trat hinter sie und grinste Michael breit an, dann Alex. "Er weiß es immer noch nicht?" Sie schüttelte den Kopf. "Was für eine Test? Sagt mal, wovon redet ihr eigentlich?" Verständnislos sah Michael den Staatsanwalt, Gerrit und Alex an. "Inzwischen weiß es ganz München", seufzte Alex und umarmte Michael. "Ich bin schwanger, du Blitzmerker. Deshalb ging es mir so schlecht während der Untersuchungen zu dem Fall. Ich bin jetzt im dritten Monat. Du wirst Vater." Fassungslos starrte Michael auf seine Freundin hinab, bevor er sie an sich drückte und innig küsste. Er hatte Tränen in den Augen. "Woher wusste Branco das?" "Weil er auch Vater geworden wäre. Er kannte die Anzeichen ja ganz frisch." Sie schmiegte sich gegen Michael. "Er tut mir so leid. Es zerreißt mir das Herz, wenn ich daran denke, was er hinter sich hat. Hoffentlich muss er nicht zu lange in dieser Anstalt hocken." "Kreiler meint, in drei Monaten wäre er so stabil, dass er raus kann." Gerrit blickte auf die Tür, durch die Branco verschwunden war. "Ich hoffe, er behält Recht." "Und du willst ihm dann wirklich Arbeit bei dir geben?" "Klar." Er sah Alex offen an, während seine Hand mit der Kugel spielte, die Branco ihm gegeben hatte. "Das habe ich ihm doch versprochen. Irgendwie fühle ich mich schuldig, weil ich ja sein Nachfolger bei euch war. Wäre er geblieben, hätte ich euch niemals kennen gelernt, aber dafür wäre er noch gesund." "Das ist Unsinn, Herr Grass." "Ich weiß, Herr Staatsanwalt. Aber das fühle ich nun mal. Ich will ihm helfen und sobald er raus ist, werde ich das auch tun." "Das werden wir alle", sagte Michael leise. "Das habe ich schon vor zwei Monaten gesagt, als wir ihn geschnappt haben."
Ach, jetzt weiß es auch Michael endlich! Ich finde diese Story einfach super, aber ein bisschen schade ist, dass du den angekündigten Heiratsantrag von Michael nicht mehr drin hast... oder kommt der in der nächsten Story? Lg