Na gucken wir doch mal, wem der gehört. (Ich weiß es, ich weiß es)
"Alex, Vorsicht." Michael riss die Waffe hoch, doch es war zu spät. Ihr gesuchter Killer war aus dem Schatten aufgetaucht, den der Baum neben Alex warf und hatte sie jetzt in seinem Griff. Sein Unterarm lag um ihre Kehle geschlungen, seine Waffe drückte leicht auf ihre Schläfe. "Geh von ihr weg, du Dreckskerl", fluchte Michael leise. Doch seine Stimme zitterte vor Angst um die Frau, die er liebte. Dieser Mann war ein Serienkiller. Gut, er hatte bisher noch keine unschuldigen Leute getötet, die ihm in die Quere gekommen waren, sondern immer nur denjenigen, den er sich ausgesucht hatte. Michael hoffte, dass der Mann dabei blieb. Er versuchte, das Gesicht seines Gegenübers zu erkennen, aber dessen Kapuze verhinderte dies vollkommen. Alex Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie spürte den leichten Druck der Waffe gegen ihren Kopf und auch den Arm, der auf ihrem Hals lag. Aber sie spürte noch etwas anderes. Die Angst und Schwäche des Mannes hinter sich. Er zitterte. Sein Sweatshirt war durchnässt, der Arm wirkte abgemagert und eine Dusche würde ihm auch gut tun. Und der Mann tat ihr nicht weh. Sein Druck auf ihren Hals war so leicht, dass sie sich vielleicht sogar hätte befreien können, aber sie wollte ihn nicht provozieren. Er hatte noch niemanden umgebracht oder auch nur verletzt, der nicht auf seiner Liste stand und sie hatte gelernt, in solchen Situationen ruhig zu bleiben. Also verließ sie sich auf ihr Bauchgefühl. "Michael, nimm die Waffe runter", bat sie ihren Freund. "Was?" Er sah sie ungläubig an. "Bitte, Micha. Wir kriegen ihn noch, aber nicht heute." Der schüttelte den Kopf, aber er konnte nicht anders. Er senkte die Waffe langsam. Wie immer hörte er auf sie und sah zu, wie der Killer seine Freundin mit sich zog. Sie verschwanden im Dunkeln. Der Leiter des SEK kam zu Michael gerannt. "Wir wollten nicht schießen, der Baum war im Weg. Ein Querschläger hätte mehr Schaden als helfen können. Sollen wir ihm folgen?" "Nein. Er hat Alex." "Eben deswegen ja." "Ich glaube nicht, dass er ihr was tut." Er sah den Mann an, der den Blick ungläubig erwiderte. "Wenn Sie meinen." 'Das hoffe ich', dachte Michael besorgt. Voller Sorge spähte er in den Park und lauschte auf irgendein Geräusch, was ihm zeigte, was dort im Park vor sich ging.
Der Killer zog Alex mit sich, bis er sich sicher fühlte, dann löste er den Griff von ihrem Hals und ging langsam einige Schritte zurück. Alex drehte sich vorsichtig um, die Hände leicht erhoben, um ihm zu zeigen, dass sie ihm nichts tun wollte und auch nicht vorhatte, sich irgendwie zu widersetzen. "Bitte, erschießen Sie mich nicht", bat sie mit zitternder Stimme. Als er hastig, fast empört den Kopf schüttelte, sah sie ihn verwundert an. Er deutete zu ihrer Hand und sie merkte erst jetzt, dass sie ihre Waffe immer noch fest hielt. Ganz langsam reichte sie sie ihm. Er entnahm nur das Magazin und gab sie ihr wortlos zurück. Dann zog er sich langsam in die Dunkelheit zurück. Alex konnte es sich nicht erklären, aber sie empfand tiefes Mitleid mit diesem Mann. Er war so dünn und krank. Sie hatte den rasselnden Atem gehört. Anscheinend hatte er nur diese Sachen, die er am Körper trug. Sie konnte nicht sagen wieso, aber sie zog ihren Mantel aus. "Warten Sie." Er blieb unsicher stehen. Langsam ging sie auf ihn zu, den Mantel weit von sich gestreckt. Als er aufmerksam den Kopf zur Seite neigte, hielt sie inne. "Nehmen Sie den." Unsicher streckte er den Arm aus, zog ihn aber wieder zurück. Er vermutete wohl eine Falle in ihrem Tun. Also hängte sie ihn an den Ast eines Baumes und zog sich zurück. Als er sich den Mantel nahm und dann eilig verschwand, lächelte sie ihm nach. Sie drehte sich um und ging zu Michael zurück, der sie sichtlich erleichtert in die Arme schloss. "Wo ist deine Jacke?" "Ich… ich habe sie ihm gegeben." Alex senkte den Blick. "Du hast was?" Verständnislos sah er sie an. "Er hat mir so leid getan. Er ist krank, hat kaum Luft bekommen und sein Sweatshirt war ganz nass." "Alex, das ist ein Serienkiller", erinnerte Michael sie unnötigerweise. Sie schüttelte den Kopf. "Dann wäre ich jetzt tot. Warum auch immer er die Morde begeht, er ist nicht böse." "Er tötet Menschen." "Menschen, die ich für viel gefährlicher halte als ihn." Sie sah ihren Freund an und schüttelte mit dem Kopf. "Michael, ich weiß, es ist Irrsinn, aber der Typ hat mir leid getan." "Hat er dir weh getan?" Sein Blick war immer noch voller Skepsis. "Nein, er hat mich kaum angefasst. Er hätte mir nichts getan, selbst wenn ihr eingegriffen hättet, da bin ich mir sicher." "Wieso?" "Ich weiß es nicht. Ich kann es dir nicht erklären. Ich habe keine Ahnung." Sie seufzte leise und schmiegte sich gegen ihn. "Aber ich glaube, der Typ ist einfach ein ganz armes Schwein." "Weibliche Intuition", stöhnte Michael. "Und wie soll ich das im Bericht schreiben?" "Er hat mich als Geisel genommen, meine Jacke gefordert und mich wieder laufen lassen, weil ihr ihm nicht gefolgt seid. Alles ist gut gegangen." "Nur leider ist er wieder entwischt. Bleiben nur noch zwei Tage." Sie kuschelte sich gegen ihn, als er seine Jacke auszog und sie über ihre Schultern hängte. "Es tut mir leid." "Du musst dir keine Vorwürfe machen. Du lebst und bist unverletzt, also hast du alles richtig gemacht. Aber wenn ich den Typen in die Finger kriege, nagle ich ihn für den Schrecken, den er mir eingejagt hat, an die Wand." Sie lächelte und sah in die Dunkelheit, in der der Mann verschwunden war. "Ich halte die Nägel. Ich hatte nämlich irgendwie auch ganz schön Angst", gestand sie.
"Ich bin natürlich froh, dass Sie unverletzt sind", sagte Kirkitadse. "Aber Sie hatten ihn fast. Das ist… ärgerlich." "Denken Sie, uns gefällt das? Er stand direkt vor uns, aber ich kann keine Beschreibung abgeben, die über die von Gerrit hinausgeht. Diese scheiß Kapuze hat sein Gesicht so verdeckt, dass man nicht einmal sehen konnte, welche Hautfarbe der Mann hat." Alex grübelte. "Er hat den Kopf aber auch wirklich immer so gehalten, dass kein Lichtstrahl auf sein Gesicht gefallen ist. Mir schien, dass er sehr genau wusste, wie wir vorgehen würden. Und dass er auch sehr genau wusste, was er tut." "Er hat Polizeiakten geklaut, entkommt zwei Mal direkt vom Tatort ohne jemanden zu verletzen. Natürlich weiß der Mann, was er tut. Und er spielt mit uns." "Das denke ich nicht." Michael schüttelte den Kopf. "Wir stören ihn. Trotzdem ignoriert er uns vollkommen. Er will einfach nur seine Aufgabe erfüllen." Alex stand am Fenster. "Und dann? Er war völlig am Ende, körperlich. Was, wenn er fertig ist, wenn er sein zehntes Opfer umgebracht hat? Was wird er dann tun? Er hat dann keine Aufgabe mehr. Keinen Grund mehr, weiter zu leben." Kirkitadse sah sie verständnislos an. "Na und? Das ist doch nicht unser Problem. Finden Sie lieber raus, wer das nächste Opfer sein könnte. Ihr Riecher, was Maiwald angeht, war verdammt gut, Frau Rietz." Damit ging er. Michael sah ihm nach. "Du sollst nicht begehren deines nächsten Haus. So lautet das neunte Gebot. Wenn wir das ins Rotlichtmilieu übertragen, ist klar, wer das nächste Opfer ist. Ein Zuhälter Schrägstrich Bordellbesitzer, der das Bordell eines anderen Zuhälters übernehmen möchte." "Oh ja, super. Klar, dann wissen wir sofort, wer das nächste Opfer ist." "Sei nicht so sarkastisch. Denk mal an Gerrit." "Gerrit will keine anderen…" Sie stockte. "Klar, dieser Typ, der ihm unbedingt das 'Red Tycoon' abnehmen will. Wie hieß der doch gleich?" "Dieter Schlösser." "Wir sollten uns mit Herrn Schlösser unterhalten und mit Gerrit."
Am Abend saß Schlösser bei Gerrit im Büro. Michael und Alex waren ebenfalls anwesend. Der Zuhälter, dem Gerrits Laden ein Dorn im Auge war, blickte unzufrieden von einem zum anderen. "Was willst du von mir, Bulle?", fragte er Gerrit schließlich genervt. "Deinen Arsch retten, auch wenn es mir persönlich scheißegal ist, ob der Killer dich abknallt oder nicht. Aber wir wollen ihn haben und wenn du den Lockvogel spielen kannst, arbeite ich gern mit dir zusammen." "Ich aber nicht mit dir." Schlösser sprang von seinem Stuhl auf. "Lieber stell ich mich diesem Killer allein gegenüber als mit den Bullen zusammenzuarbeiten." Gerrit zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück. "Ich habe es euch ja gesagt. Naja, dann sehen wir dich morgen früh, Schlösser. In der Gerichtsmedizin." Der Mann war an der Tür stehen geblieben und drehte sich zögernd um. "Wie kommt ihr eigentlich auf die bescheuerte Idee, dass ich das nächste Opfer bin?" "Interne Sachen. Aber du willst Gerrits Laden übernehmen." Der Mann hob die Hände. "Moment. Ich will nicht nur seinen Puff. Ich will seine Mädchen und ich will, dass er aus der Szene verschwindet. Ich will sein Leben." Michael und Alex sahen sich eine Weile an. "Vielleicht haben wir uns geirrt", murmelte Alex leise. Sie sah Schlösser an. "Ich denke, Sie sind erst übermorgen früh dran. Verschwinden Sie." "Aber…" "Raus, Schlösser und wenn dir dein Leben lieb ist, arbeite morgen Abend mit uns zusammen." Gerrit sah ihm nach, bis er aus dem Raum war. "Er will alles, das passt besser zum zehnten Gebot, da hast du Recht, Alex. Aber leider haben wir damit keine Ahnung, wer heute dran ist." "Nein", seufzte die Kommissarin. "Leider nicht." Sie lehnte sich gegen Michael. "Ich gehe schlafen, Leute. Mir geht es irgendwie nicht gut." "Okay, leg dich hin." Er hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen und blickte ihr besorgt nach. "Irgendwas ist mit ihr." "Vielleicht schlägt ihr der Fall einfach auf den Magen. Wir haben seit Beginn der Mordserien nicht eine Nacht richtig durchgeschlafen." Gerrit zog an seiner Zigarette. "Ich hoffe wir kriegen den Typen. Oder er hört wirklich nach dem zehnten Mord auf. Egal wie, es sollte einfach besser bald vorbei sein." Michael nahm sich eine von Gerrits Zigaretten und zündete sie an. "Das ist mir auch langsam egal. Aber wir müssen ihn kriegen, sonst macht uns Kirkitadse einen Kopf kürzer." "Seit wann rauchst du wieder?" "Seit wann rauchst du überhaupt?" "Seit ich hier arbeite. Schlechte Angewohnheit, ich weiß. Ich werde auch wieder aufhören, sobald der Fall vorbei ist." Gerrit grinste leicht verlegen. "Also, seit wann rauchst du wieder?" "Ich brauch das jetzt einfach, aber keine Sorge, ich fang nicht wieder richtig an. Alex mag das nämlich überhaupt nicht." "Was hat sie eigentlich in letzter Zeit? Ich meine, irgendwie verhält sie sich komisch. Mal abgesehen von dem Stress, den wir im Moment haben." Michael seufzte leise. "Das ist mir auch schon aufgefallen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich mich vor einer Hochzeit drücke. Ich habe das einmal hinter mir und bin mir nicht sicher, ob ich das noch einmal will." "Aber du liebst Alex doch." "Sicher liebe ich sie. Aber… ach Scheiße." Er hob unsicher einen Arm und ließ ihn wieder auf die Lehne fallen. Gerrit lehnte sich weiter vor und senkte die Stimme. "Du willst dich nicht anketten lassen, mm?" Michael zuckte mit den Schultern. "Vielleicht. Ich liebe sie. Ich will mit ihr zusammen sein, gern auch für den Rest meines Lebens. Aber warum muss Frau dann unbedingt heiraten? Was ändert denn so ein Papier und ein Ring?" "Naja, ihr war eine Familie schon immer wichtig. Du kennst sie. So modern wie sie sonst ist, so konservativ ist sie eben in diesem Punkt." Er grinste. "Wenn du sie halten willst, heirate sie. Du weißt, wie Alex sein kann, wenn sie glücklich ist und zufrieden." Michael grinste verträumt. "Ja, da kann sie sehr lieb sein." Er lehnte sich in dem Sessel zurück, auf dem er saß und dachte an die letzte Nacht. "Ich werde ihr einen Antrag machen, sobald wir diesen verdammten Killer haben." "Cool. Ich freue mich jetzt schon auf die Feier." "Moment, Moment. Alex hat noch nicht ja gesagt." Er lachte auf. "Als würde sie einen Heiratsantrag von dir ablehnen."
Musst dich ja net mit auskennen, ich erwähne sie ja deshalb immer vorher
9. Gebot
"Du sollst nicht begehren deines nächsten Haus", wisperte er mit rauer Stimme, als er sich seinem nächsten Ziel näherte. Erkan Özdemir, Türke, Zuhälter, vierfacher Mörder, allerdings nur wegen eines Totschlags verurteilt. Und er hatte in den letzten zwei Monaten ein Bordell nach dem anderen übernommen, besaß im Moment acht Stück in München, Nürnberg und Stuttgart. Um die Konkurrenten zum Verkauf zu überreden, hatte er sie bedroht, zusammenschlagen lassen, unter Drogen gesetzt, entführt. Von einem der Zuhälter hatte er sogar den Bruder anschießen lassen. Er war ein Mann ohne Skrupel, legte aber keinen Wert darauf, seine Konkurrenten aus dem Geschäft zu drängen, sondern sammelte nur die Bordelle, die richtig gut liefen. Und jetzt stand der Mann telefonierend neben seinem Wagen, prahlte mit seiner neusten Errungenschaft und lachte gehässig über das Betteln seines letzten Opfers. Das Lachen verklang erst, als er sich umdrehte und in den Lauf einer Waffe blickte. "Was soll der Scheiß, Mann? Nimm die Waffe runter." Der hämmerte ihm die Waffe auf die Schulter und zog ihn wortlos in eine der Gassen. Dort stieß er ihn gegen eine Wand und trat einen Schritt zurück. Dann noch einen weiteren. Langsam hob er die Waffe und richtete sie auf das Herz seines nächsten Opfers. Ein Hustenanfall schüttelte ihn, doch er hielt die Waffe so gerichtet, dass der Zuhälter nicht einmal auf die Idee kam, einen Fluchtversuch zu unternehmen. "Du sollst nicht begehren deines nächsten Haus", hielt er ihm vor. Mit einem gezielten Schuss tötete er den Mann und markierte ihn. Als er sich aufrichten wollte, zuckten die bekannten Schmerzen durch seinen Oberkörper. Er blieb neben seinem Opfer hocken bis er sich erholt hatte und verschwand dann. Gerade noch zeitig genug, um nicht von den Bodyguards des Türken erwischt zu werden. Im Weglaufen hörte er deren Flüche und gestattete sich ein kleines triumphierendes Lächeln. Ihn hielt man nicht auf. Ihn nicht.
"Guten Morgen, Ben." "Herr Staatsanwalt. Was verschafft unserem Haus die Ehre Ihres Besuches?" Der Mann winkte ab und betrat das Bordell. "Ich bin auf der Suche nach meinen Kommissaren, die mittlerweile ja hier wohnen." "Frau Rietz sitzt an der Bar und trinkt einen Tee, der Chef und Michael schlafen noch. Gerrit in seinem Büro, Michael oben." Ben schloss die Tür, zögerte und wand sich an Kirkitadse. "Es gibt einen weiteren Mord, nicht wahr?" "Ja. Özdemir." "Haben Sie keine Ahnung, warum der Typ Zuhälter und Rotlichtgrößen killt?" Der Staatsanwalt sah den Mann an. Besorgnis stand in dessen Gesicht. Er selber war keine Rotlichtgröße, also musste er um sich keine Angst haben. "Wir kennen sein System und Sie gehören da nicht rein." "Ich fühle mich auch keineswegs bedroht. Es geht um den Boss." Kirkitadse sah sich um. Niemand war in dem kleinen Vorraum. "Hören Sie, Ben. Gerrit ist nicht in Gefahr. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen." "Sind Sie sich ganz sicher?" "Einhundertprozentig." Ben nickte zufrieden. "Gut." Er öffnete die Tür und führte den Staatsanwalt zu Alex. Die saß in Gedanken versunken am Tresen und schlürfte einen Tee. Als sich jemand neben sie setzte, blickte sie auf. "Der nächste?" "Ja. Unser Bordelle-sammelnder Türke." "Özdemir?" "Richtig." Alex fluchte leise. "Scheiße. Das hätten wir erraten können." "Frau Rietz, beruhigen Sie sich. Wir hätten es erraten können, haben es aber nicht erraten. Wir sind alle müde und erschöpft. Selbst der Polizeipräsident hat gesagt, er will nur noch, dass diese Mordserie aufhört, egal wie." Kirkitadse lächelte ihr müde zu. Er sah aus, als hätte er die letzten Nächte auch nur sehr wenig geschlafen. "Schmeckt der Tee?" "Scheußlich." Ein jungenhaftes Grinsen huschte über sein Gesicht. Er neigte den Kopf etwas näher zu ihrem Ohr. "In Ihrem Zustand ist Tee aber besser als Kaffee." Ein Zwinkern später war er in Gerrits Büro verschwunden und ließ eine Kommissarin mit offenem Mund zurück.
Kirki ist Staatsanwalt, der merkt eben, wenn Menschen sich verändern
Ben hatte Michael geweckt und ihn in Gerrits Büro gebeten. Hier warteten ein sehr müder Gerrit und der Staatsanwalt auf ihn. Kirkitadse unterrichtete die beiden Kommissar darüber, was in der Nacht, beziehungsweise am frühen Morgen geschehen war. Sie ärgerten sich genauso wie Alex kurz zuvor darüber, dass sie nicht auf Özdemir gekommen waren. Aber jetzt war es zu spät. Der Mann war tot. Das neunte Opfer. Alex gesellte sich zu ihnen, ließ sich einfach auf Michaels Schoss nieder und kuschelte sich gegen ihn. Als Kirkitadse sie leicht strafend ansah, zuckte sie mit den Schultern. "Wir sind in einem Bordell", sagte sie und schloss die Augen. Gerrit lachte leise. "Das stimmt auffallend." Er sah die drei Menschen vor sich an. "Was machen wir jetzt? Schlösser wird uns nicht helfen, da bin ich mir sicher." "Herr Naseband und ich werden noch einmal mit Herrn Schlösser reden. Frau Rietz, Sie bleiben hier im Bordell und ruhen sich aus. Und Sie Herr Grass brauchen bei dem Mann eh nicht auftauchen, wie es aussieht. Sie sind schließlich der Grund, warum Schlösser auf die Liste unseres Killers gerutscht ist." "Kann ich doch nichts für, wenn er so gierig ist." Gerrit sah Kirkitadse empört an. "Habe ich das gesagt? Also los. Herr Naseband, trennen Sie sich." Michael küsste Alex innig und schob sie dann von seinem Schoss. "Hab ein Auge auf sie, okay Gerrit?" "Klar." Der winkte ab und sah, wie die Tür hinter seinem Kollegen und dem Staatsanwalt ins Schloss fiel. "Kirkitadse hat Recht, Alex. Soll ich dich nach Hause fahren, damit du mal richtig ausschlafen kannst?" "Nein. Nein, ich möchte hier bleiben. Kann ich in deinem Zimmer schlafen?" "Ist doch eh fast eures." Gerrit grinste. "Geh hoch. Wenn du was essen willst, sag Ben Bescheid. Er besorgt dir alles, was du willst." "Danke. Du bist echt ein netter Zuhälter." Sie zwinkerte ihm zu und verließ das Zimmer. Gerrit zündete sich eine Zigarette an und lachte leise. "Du kannst gern bei mir anfangen, Alex", murmelte er und wusste nicht genau, ob er das ernst meinte oder nicht.
Kirkitadse hatte Recht gehabt. Schlösser war stinksauer, dass ihn die beiden Männer aus dem Bett holten, wo er gerade einmal drei Stunden gelegen hatte. Und er hatte kein Interesse an den Sorgen und Problemen der Münchner Polizei, wie er sich ausdrückte. Damit war die Tür seines Ladens wieder zu und die beiden standen wütend davor. "Wir werden heute Nacht trotzdem hier aufschlagen, egal was der Typ meint. Wir werden hier sein und wenn unser Killer uns den Gefallen tut, hier aufzukreuzen, kriegen wir ihn. Das verspreche ich Ihnen, Herr Staatsanwalt." Der nickte Michael zu. "Gut. Ich nagele Sie auf dieses Versprechen fest." "Das können Sie." Sie fuhren zurück zum 'Red Tycoon', wo Gerrit mit Abrechnungen beschäftigt war, während Alex sich wirklich wieder hingelegt hatte. Kirkitadse hatte einen Gerichtstermin und musst weg, Michael legte sich noch etwas zu seiner Freundin. Er war müde und ihnen allen stand noch eine letzte harte Nacht bevor. Wie hart die werden würde, ahnten die Kommissare nicht einmal.
Jaja, ist schlimm, wenn die Leute sich nicht retten lassen wollen.
Einer noch. Nur einer war noch übrig. Die Polizei war ihm dicht auf den Fersen, aber irgendwie würde er es noch schaffen, den letzten zu töten. Elf Kugeln hatte er gekauft, hatte sie nummerieren lassen. Neun waren verbraucht. Morgen würde die zehnte im Herzen von Dieter Schlösser stecken und dann… Er nahm die letzte Kugel, seine eigene, in die Hand und blickte sie liebvoll an. Im Licht der Kerze, die ihm ein wenig Wärme und Helligkeit schenkte, glitzerte sie leicht. Immer wieder hatte er sie poliert, hatte sie dann in ein Kästchen gebettet. Ein Kästchen, wo vorher ein Ring gelegen hatte. Der Ring, der für ihn die Hoffnung symbolisiert hatte. Die Hoffnung auf ein Leben mit ihr. Glück, Zufriedenheit, eine Familie. Jetzt bestand seine Zukunft nicht mehr in einem Ring, sondern einzig und allein in dieser Kugel. Ein Hustenanfall übermannt ihn, Blut sammelte sich in seinem Mund, lief aus seinem Mundwinkel und rann über sein Kinn. Er lag zusammengekrümmt auf dem kalten Boden bis er Minuten später endlich wieder zur Ruhe kam. Keuchend rang er nach Luft, spürte dabei das Stechen in seinen Lungen, die Schmerzen in seiner Brust. Als diese abklangen, hob er die Kugel auf, die ihm aus den Fingern gerollt war und jetzt auf einer der alten Akten lag. Sorgfältig polierte er sie und packte sie wieder in das Kästchen zurück. Er zog die Jacke enger, die er geschenkt bekommen hatte und legte sich auf seine alte Matratze. Er musste sich ausruhen, seine letzten Kraftreserven sammeln. Es war ja nur noch ein Tag, nur einen einzigen musste er durchhalten, dann war seine Mission erfüllt und er konnte endlich seine Ruhe finden. In wenigen Stunden würde er endlich schlafen, ruhig und tief und ohne die Alpträume, die ihn seit so langer Zeit quälten.