Branco fasste einen Entschluss. Er musste hier weg, Jansen abschütteln und erstmal ein paar Tage zur Ruhe kommen. Einfach klar denken, ohne Angst, dann würde er weitersehen. So ging er in sein Schlafzimmer, holte eine Reisetasche hervor und packte achtlos einige Sachen ein. Dann holte er aus dem Bad und der restlichen Wohnung weitere Dinge und verstaute sie in der Tasche. Die ganze Zeit überlegte er angestrengt, wie er Jansen loswerden könnte, schließlich hatte er auch dafür eine Idee. Bevor er aus seiner Wohnung ging sah er sich noch mal um, ob er nichts Wichtiges vergessen hatte. Aber er hatte alles. So zog er die Tür zu, schloss ab und ging zu seinem Wagen. Wie gewöhnlich startete er ihn und fuhr den gewohnten Weg zur Arbeit. Jansen folgte ihm. An einer Ampel musste Branco stoppen. Er sah in den Rückspiegel, Jansen war zwei Autos hinter ihm, dann sah er nach vorn, dann auf seine Uhr. „Perfekt“ dachte Branco, nahm die Wanze von seinem Jackenkragen und sagte: „Ich hoffe du hörst mich, ich wollte nur schnell tschüß sagen.“ Danach gab er Gas und überfuhr die Ampel. Nach etwa dreihundert Metern stoppte er und bog auf einen Parkplatz ein. Dort stellte er seinen Wagen ab, schnappte sich seine Tasche und rannte so schnell er konnte zu einer nahen Straßenbahnhaltestelle. Unterwegs warf er die Wanze einfach weg. An der Haltestelle angekommen stieg er sofort in einen der Wagen ein, ließ sich auf einen der Sitze fallen und atmete erstmal tief durch. Innerlich machte er Luftsprünge, es hatte wirklich geklappt! Der Plan war riskant gewesen, wäre er nur eine Minute zu spät gewesen wäre der Zug weg gewesen. Aber ihm war vorhin kein besserer Plan eingefallen. Die Türen der Straßenbahn schlossen sich und der Zug setzte sich Richtung Innenstadt in Bewegung. Branco musste zwei Mal umsteigen, bevor er in der City ankam. Dort stieg er aus und machte sich auf den Weg zu einer Bank. Er ging hinein und stellte sich an einem Schalter an. Ständig blickte er sich um, er fühlte sich beobachtet und er hatte Angst, dass Jansen auftauchen könnte. Wenn Jansen ihn fand würde er ihn töten, da war er sich sicher. Bei diesem Gedanken musste Branco schlucken, er befand sich jetzt wirklich in akuter Gefahr und auch der Gedanke daran, dass Michael und Alexandra ebenfalls in Gefahr waren bereitete ihm Angst. Die Beiden wussten ja nicht einmal worum es ging …
Ja dann sollten sie es mal erfahren, worum es geht. Du machst es aber auch spannend . Toll, dass du weiter geschrieben hast. Die Story ist echt klasse.
Schließlich war Branco endlich dran. Er nannte der jungen Frau, die hinter dem Schalter stand ein paar Daten und ließ sich dann von seinem Konto zweitausend Euro bar auszahlen. Zum Glück hatte er im Kosovo gut verdient. Mit diesem Geld würde es ihm möglich sein einige Tage unterzutauchen. Nachdem er die Bank wieder verlassen hatte kramte er sein Handy aus seiner Tasche und schaltete es ab, niemand sollte ihn finden, auch kaufte er sich neue Kleidung. Jansen hatte gesehen, was er heute trug und Branco wollte einfach auf Nummer sicher gehen. So setzte er sich auch ein Basecap auf und zog es sich tief ins Gesicht. Er ging die Straße weiter und kaufte sich noch etwas zu essen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass es bereits Mittag war und er heute noch nichts gegessen hatte. Den Hunger hatte er bisher einfach ignoriert. Dann fuhr er abermals mit der Straßenbahn, allerdings diesmal in die entgegengesetzte Richtung, aus der City raus. Er hatte eine Idee, wo er die nächsten Tage unterkommen würde. Branco fuhr einige Zeit und stieg schließlich in einem etwas heruntergekommenen Stadtteil aus. Er ging durch einige Straßen und kam nach etwa fünfzehn Minuten an einer kleinen, schäbig wirkenden Pension an. Branco ging hinein, es überraschte ihn nicht, dass die Pension von innen nur unwesentlich besser aussah als von außen. Aber wenigstens würde ihn hier keiner finden, jedenfalls hoffte er das. Er ging nun auf einen etwa fünfzigjährigen Mann, der hinter einem Tresen stand zu und erkundigte sich, ob es ein freies Zimmer gäbe. Dieses gab es, sogar für einen Spottpreis. Branco miete sich ein, ließ sich den Schlüssel geben und ging dann nach oben. Als er die Tür aufgeschlossen hatte sah er sich erstmal um, dass Zimmer war klein und schäbig, etwas anderes fiel ihm dazu einfach nicht ein. Doch das war ihm im Moment ziemlich gleichgültig, Hauptsache er war hier sicher. Er stellte seine Tasche, die er die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt hatte unsanft ab und setzte sich auf das Bett. Wieder ließ er seinen Blick durch das Zimmer schweifen, wobei es ihm jetzt nicht mehr ganz so ungemütlich vorkam. Dann schloss er die Augen und ließ sich rücklings auf das Bett fallen. Was sollte er jetzt machen? Angst hatte er immer noch, vielleicht sogar noch mehr. Denn er war sich sicher dass er jetzt förmlich zum Abschuss frei stand, er war ein Mitwisser der außer Kontrolle geraten war – lebensbedrohlich für die Drogenhändler und lebensbedrohlich für ihn. Branco befand sich in einem innerlichen Zwiespalt. Auf der einen Seite versuchte er sich selbst Mut zuzureden, dass ihm nichts anderes übrig geblieben sei, als abzuhauen, dass es alles jetzt besser werden würde. Auf der anderen Seite fragte er sich, was er denn jetzt machen sollte. Dazu kam noch das dringende Bedürfnis sich bei Michael zu entschuldigen, für alles. Er hatte seinen Freund und Kollegen noch nie so erlebt und er konnte es ihm auch nicht verübeln. Er, Branco hatte Scheiße gebaut und war noch dazu feige. Feige dazu ihm die Wahrheit zu erzählen. Branco seufzte kurz, öffnete dann die Augen und starrte zur Decke. So hatte er sich das alles nicht vorgestellt.
Was für eine bedrückende Stimmung. *schauder* Armer Branco, er kann gern bei mir unterkommen, ich nehm ich auf *grins*. Aber Spaß beiseite, die Fortsetzung ist toll und macht wie immer neugierig auf mehr.
Danke Kitty!!! Sorry, dass es so lange gedauert hat - war 14 Tage im Urlaub ...
So lag er eine Weile da und hing in seinen Gedanken. Dazu mischten sich auch einige Erinnerungen an den Kosovo. Nach Marcs Tod war er versetzt worden, somit unterstand er direkt einem der korrupten Offiziere, dieser und zwei weitere hatten nach einiger Zeit ihren Spaß daran gefunden ihn mit Strafdiensten möglichst lange unter ihrer Kontrolle zu behalten, ihm möglichst alle Freizeit zu nehmen. Allerdings bestand dieser Strafdienst nicht einfach nur darin, das er länger blieb, nein. Dann bekam er grundsätzlich die miesesten, anstrengensten Arbeiten ab, die sich finden ließen. Häufig übermannte es ihn einfach und er war zusammengebrochen. Gelegentlich wurde er auch geschlagen oder getreten um gewissen Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen. Unter diesen ganzen Erinnerungen döste Branco vor sich hin und schlief schließlich ein. Doch es dauerte nicht lange, als er, wie so oft, aus dem gleichen Albtraum schweißnass aufschreckte. Wieder hatte er sich im Traum auf dem Boden kniend neben seinem tödlich verwundeten Freund wieder gefunden. Zum hundertsten Mal hatte er dessen letzte Worte gehört und dann wieder miterlebt, wie er die Augen schloss und jeder Muskel in ihm erschlaffte, wie er starb. Alles was danach geschah hatte er wie in Trance mitbekommen und doch hatte es sich in sein Gedächtnis gebrannt. Der Vize hatte ihn mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen mitzuhelfen die Leiche zu beseitigen. So blieb es Branco nicht erspart mit anzusehen wie unsanft der Leichnam seines Freundes auf einen Pick-Up befördert wurde. Diese Szene traf ihn immer noch wie ein Stich ins Herz. Am liebsten wäre er damals einfach weggerannt, aber er konnte nicht. Der Vize oder sein Handlanger hätten ihn bei einem Fluchtversuch wahrscheinlich auch erschossen. Aber Branco hatte in diesen Minuten auch keine wirkliche Kontrolle über sich selbst. Er hatte nur immer wieder auf Marcs toten Körper gestarrt, als würde er wieder lebendig werden. Es wollte einfach nicht in Brancos Kopf hinein, dass er wirklich für immer fort war. Letztendlich waren sie dann zu einem nahen See gefahren, wo der Handlanger des Vizes die Leiche mit Steinen beschwerte und anschließend im Wasser versenkte. Diese Nacht war mit Abstand das grausamste gewesen, was Branco je erlebt hatte. Noch Tage später stand er völlig neben sich, durfte aber mit niemandem darüber reden. So hatte er alles in sich hineingefressen und das erste Mal Drogen genommen. In der folgenden Zeit, wenn er aus seinen Albträumen erwachte, hatte er immer irgendetwas genommen oder manchmal geraucht um wieder runterzukommen.
Die Story ist so genial, wahnsinn... hoffentlich war der Urlaub schön. Schön, dass es endlich ne FS gab, hat mir echt gefehlt die Story von mienem Lieblingskommissar.
Genau wie damals erging es ihm auch jetzt. Er war innerlich durch diesen Albtraum aufgewühlt und zitterte leicht. Ebenso stieg das Verlangen in ihm irgendetwas zu tun, damit dieses Gefühl aufhörte. Branco fiel seine Reisetasche ins Auge. Hatte er wirklich keinen Stoff mehr? Nirgendwo? Er stand auf kniete sich auf den Boden neben die Tasche und begann diese zu durchwühlen. Er wurde dabei immer hektischer, aber er fand nichts. Schließlich lehnte er sich an die Zimmerwand hinter ihm und starrte durch den Raum, welcher ihm jetzt wieder extrem klein und beengt vorkam. Der Raum engte ihn ein, nahm ihm die Luft zu atmen, er musste hier raus. Schnell! Schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. So stand er auf, nahm seine Jacke und verließ so schnell es ging das Hotel. Draußen lief er erst einmal ziellos durch die Straßen. Die warme Nachmittagsluft umflutete ihn und er fand allmählich wieder zu sich selbst. Diese Träume, sie brachten ihn noch um den Verstand. Jedes mal durchlebte er all das Schreckliche wieder. Es wirkte so real, als würde es wirklich wieder geschehen. Wenn er dann wach wurde fühlte er sich jedenfalls so und sein Verstand schien ausgeschaltet. Dann stand er völlig neben sich. Wenn Branco jetzt darüber nachdachte, wie er gerade im Hotelzimmer reagiert hatte, fragte er sich, ob Michael nicht recht gehabt hatte. War er wirklich schon zum Junkie geworden? Nein! Er schaffte das auch ohne Drogen! Er durfte sich nur nicht gehen lassen. Sonst würde er womöglich doch noch abrutschen … So lief Branco durch die Straßen und zerbrach sich den Kopf an tausenden Überlegungen. Schließlich kam er an einem Park an, er ging zu einer nahen Bank und setzte sich darauf. Er lehnte sich zurück und genoss die Sonne, die ihm aufs Gesicht schien. Branco beobachtete ein paar etwa 10-jährige Jungen, die nicht weit von ihm entfernt Fußball spielten. Dieser Anblick ließ es ihm wieder schwer ums Herz werden. Das letzte Mal, dass er Fußball gespielt hatte lag schon eine Ewigkeit zurück. Es war vor etwa elf Monaten, er, Marc und ein paar andere Kollegen hatten im Kosovo an einem spontanen Fußballspiel zwischen ihnen und ein paar einheimischen Jugendlichen teilgenommen. Es war ein schöner Nachmittag gewesen, der einmal den Ernst des ganzen Aufenthaltes dort in den Hintergrund rückte. Marc und er waren zusammen ein super Team und hatten sogar zwei Tore geschossen. Die Polizisten hatten das Spiel zwar verloren, aber es hatte ihnen allen wirklich Spaß gemacht. Und die Jugendlichen waren zum Schluss stolz auf sich, es den Polizisten gezeigt zu haben. Brancos damaliger Chef hatte seine Männer anschließend für diese Aktion sogar sehr gelobt. Er hatte gemeint besser, könne man sich gar nicht in das Alltagsleben hier integrieren. Durch solche Dinge würden sie viel besser akzeptiert werden. Wenn Branco jetzt darüber nachdachte wurde ihm bewusst, dass Marc auf den Tag genau vier Wochen später gestorben war. Branco schluckte schwer und konnte ein paar Tränen nicht zurückhalten. So saß er einige Zeit da, starrte vor sich hin und weinte. Es war das erst Mal, dass er dies wirklich zuließ und es tat ihm gut. Er dachte an Marc, der in der kurzen Zeit wie beide sich gekannt hatten, wirklich einer der besten Freunde geworden war, die Branco je hatte. Wieder fühlte er sich so leer und traurig, wie schon sooft in den letzten Monaten.
*mich neben ihn setz und ihn in den Arm nehm* Armer Branco.
Letztes Wochenende war ich auf der Geburtstagsfeier meines Onkels und dort war auch ein Verwandter von ihm aus Bayern. Der ist Berufssoldat und war ein halbes Jahr im Kosovo stationiert und ein Jahr in Afghanistan. Ich habe ihn über die Zeit dort ausgequetscht, klar, da ich vorhatte und noch vorhabe so eine ähnliche Art von Story zu schreiben, nur mit anderem Hintergrund. Jetzt nach seinem Bericht gefällt mir deine Story noch mehr, sie passt zu seine Erzählungen, wirkt richtig lebendig, vor allem die Rückblicke auf die Zeit dort im Krisengebiet.
Schreib schnell weiter, die Story ist einfach genial und wahnsinnig toll geshrieben.
echt? es klingt einigermaßen real?! Dann bin ich ja ein klein wenig stolz auf mich ... Aber egal, was du schreiben wirst, es wird besser sein! Du kannst einfach schreiben, im gegensatz zu mir ... aber na ja wie gesagt, bin gespannt was du aus dieser Thematik machst!!!!
Besser? Ich denke nicht, dass ich besser schreibe. Ich schreibe anders, habe einen anderen Stil. Ich finde, sowas ist schwer zu vergleichen. Zum Glück.