Ich bin Polizist und habe mich vor einem Jahr gemeldet um im Kosovo zu arbeiten. Ich wurde auch genommen und so war ich die letzten zehn Monate dort. Erst war auch alles ganz okay, ich hatte mich in mein Team eingelebt und hatte keine Probleme. Aber dann ist vieles Passiert: Mein bester Freund wurde erschossen, von einem deutschen, hochrangigen Offizier. Ich stand daneben. Ich habe ihn streben sehen aber ich konnte ihm nicht helfen! Es war schrecklich, ich stand da und konnte nichts machen! Er ist einfach so gestorben.“ Branco stoppte kurz und musste schwer schlucken. Wieder kamen ihm die Bilder dieses verhängnisvollen Abends in den Kopf. Er holte kurz, tief Luft und sprach dann weiter: „Dieser Offizier und noch einige andere bilden einen wahren Drogenring. Die liefern das Zeug bis nach Deutschland. Sie wussten nun, dass ich ihr Geheimnis kannte und sie begannen mir das Leben zur reinsten Hölle zu machen. Ich hätte mir all das nur ersparen können, wenn ich bei ihren Aktionen mitgemacht hätte. Aber das wollte ich um keinen Preis. Irgendwie habe ich die Zeit im Kosovo überstanden und ich dachte hier in Deutschland wäre es jetzt wieder so wie früher. Aber auch hier werde ich seit meiner Ankunft verfolgt. Und jetzt werden auch meine Freunde bedroht. Ich bin heute früh von meinem Verfolger losgekommen. Aber wenn er mich jetzt findet wird er …“ Branco schluckte abermals „… wird er mich wahrscheinlich umbringen.“ fügte er leise an. Verstehen Sie mich nun? Ich habe Angst, einfach nur Angst! Angst um meine Freunde und Angst um mein Leben.“ Der Pfarrer nickte und sagte nach einer kurzen Zeit: „Ihre Freunde scheinen Ihnen sehr wichtig zu sein. Reden Sie mit ihnen.“ Branco sah ihn an und wusste nicht so recht was er sagen sollte. Leise meinte er schließlich: „Ja, sie sind mir wichtig, sehr sogar. Aber ich kann nicht mit ihnen reden, ich würde sie so nur noch mehr in Gefahr bringen und das will ich nicht. Außerdem weiß ich nicht, ob sie mich überhaupt noch sehen wollen.“ „Warum das denn? Wenn ich fragen darf.“ „Ein Freund hat mich heute Morgen abgeholt und da ich verschlafen hatte kam er in meine Wohnung und hat mich geweckt. Dabei hat er anhand der leeren Flaschen gesehen, dass ich in den letzten Tagen viel zu viel Alkohol in mich geschüttet habe. Und dann hat er auch noch Drogenreste gefunden. Daraufhin haben wir uns gestritten und er ist schließlich gegangen. Ich könnte ihn verstehen, wenn er mich nie wieder sehen will.“ sagte Branco und starrte nach unten. „Sie nehmen Drogen?“ fragte der Pfarrer ihn. Allerdings wirkte er nicht im Geringsten geschockt über Brancos Geständnis. „Nein … ja … also jetzt nicht mehr.“ begann Branco. „Ich habe nachts schrecklich Träume von meiner Zeit im Kosovo. Und die ganze Angst, die ich habe … das alles hat mich dazu gebracht. Ich wollte nur, dass das alles aufhört und dazu war mir irgendwann jedes Mittel recht. Ich weiß, inzwischen, das es falsch war, alles! Und ich werde ganz sicher nie mehr so einen Fehler begehen.“ Der Pfarrer sah ihn lange schweigend an. Branco starrte immer noch auf den Boden vor sich. Irgendwie wartete er beinahe auf die anklagenden Worte zu seinem Drogengeständnis. Doch diese blieben aus. Die ersten Worte, die der Pfarrer sprach waren: „Sie haben Mut! Nicht viele Leute sprechen so offen über ihre Fehler.“ Branco sah auf und war total verwundert über diese Worte, er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Der Pfarrer lächelte ihn an und sagte: „Das meine ich ernst. So offen habe ich noch nie jemanden über seine Fehler reden hören. Und glauben Sie mir, wenn Sie so mit Ihren Freunden sprechen werden sie Sie verstehen. Und was Ihre Erlebnisse im Kosovo angeht, reden Sie darüber. Am besten mit Menschen, denen Sie vertrauen. Und wenn Sie das im Moment nicht wollen, dann schreiben Sie alles auf, was Sie bedrückt. Aber Sie müssen sich damit auseinandersetzten, sonst werden diese Träume Sie noch lange verfolgen. Mehr kann ich Ihnen leider im Moment auch nicht raten.“ Branco lächelte und sagte: „Das brauchen Sie auch gar nicht. Ich muss mich bei Ihnen bedanken, dass Sie mir zugehört haben.“
Da hab ich einiges verpasst. Die Story wird immer besser. Irgendwie hätte ich fast gedacht, der Pfarrer wäre ein Spitzel und plötzlich taucht jemand auf, den Branco in der Kirche gar nicht sehen will. Aber anscheinend ist es ja echt nur ein normaler Pfarrer mit guten Ratschlägen. Hoffentlich hört Branco auf ihn und vertraut sich endlich den Menschen an, die ihm helfen können. Tolle Story, man fiebert und denkt mit. Schreib so bald wie möglich weiter.
Dankeschön!!!!! Man, ich werd ja wieder ganz rot!!!!!!!
So und da ich gerade Ferien und etwas Zeit hab gleich noch einen neuen Teil!!!!
Wieder schwiegen sich beide an. Brancos Lächeln verschwand und er wirkte wieder ernst und nachdenklich. Schließlich sagte er leise und zögerlich: „Es ist gut, dass ich nicht so viel Mut besitze, wie Sie mir zutrauen. Sonst würde ich vielleicht nicht mehr leben. Wissen Sie, während der Zeit im Kosovo kam ich mir manchmal so leer vor … leer und unendlich einsam. Ich habe nicht nur einmal keinen Sinn mehr in meinem Leben gesehen. Alles war immer gleich, gleich schrecklich und es schien überhaupt keinen Lichtblick mehr zu geben. Verstehen Sie? Nichts, da war gar nichts, was mich noch am Leben gehalten hat. Und doch hatte ich nie den Mut dem Ganzen wirklich ein Ende zu setzten. Ich hatte den Mut dazu nicht um…“ „Doch! Sie Haben Mut! Mut zum Leben!“ entgegnete der Priester sofort und sah ihn eindringlich an. „Verstehen Sie? Ihr Lebenswille war immer da, wenn Sie ihn vielleicht auch nicht immer gespürt haben, aber er war da! Ihre Seele will leben, Sie wollen leben, auch wenn es nicht immer einfach ist! Aber das Leben ist ein Geschenk, ein Geschenk Gottes und das sollten Sie nutzen. Es ist ja schon auf eine bestimmte Zeit begrenzt, machen Sie es nicht noch kürzer. Sie können nicht wissen, was noch alles kommt, vielleicht sieht Morgen schon alles ganz anders aus! Außerdem zeugt ein Selbstmord eher von Feigheit, als von Mut. Man flieht vor seinen Problemen anstatt sie zu lösen. Und es hinter bleiben trauernde Angehörige und Freunde, die nie verstehen werden was Sie durchgemacht haben. Oder sie machen sich auf ewig Vorwürfe, weil sie meinen sie hätten alles verhindern können. Außerdem steht es uns als Menschen nicht zu unser Leben zu beenden. Es ist uns geschenkt, von Gott, für eine bestimmte Zeit. Und Gott hat mit jedem von uns etwas vor, daran glaube ich fest. Und wir als Menschen wissen nicht, wann die Aufgabe, die Gott uns zugedacht hat erfüllt ist …“ Der Priester schwieg, sah Branco aber weiterhin an. Dieser nickte leicht. Er hatte verstanden, was sein Gegenüber ihm sagen wollte und es machte ihm auch etwas Mut. Wenn er genau darüber nachdachte wurde ihm auch klar, dass seine Familie, sowie Michael und Alexandra sich immer Vorwürfe gemacht hätten, hätte er damals seinem Leben wirklich ein Ende gesetzt. Sie hätten sich verantwortlich gefühlt und das hätten sie nicht verdient. All diese Gedanken waren Branco damals überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Erst jetzt fiel ihm auf, wie egoistisch er damals gedacht hatte. Das es immer noch Menschen gab, die ihn vermissen würden, die ihn liebten – soweit hatte er nicht gedacht. Und das fand er jetzt doch sehr erschreckend. Es kehrte wieder Stille ein in der leeren Kirche. Branco wirkte völlig in seine Gedanken versunken. Er dachte intensiv über alles, was geschehen war nach. Schließlich sah er zu dem Pfarrer, der immer noch neben ihm saß, auf und sagte: „Danke! Sie haben mir wirklich sehr geholfen. Sie haben mir die Augen geöffnet.“ Der Pfarrer lächelte ihn an und antwortete ihm nur: „Nein, ich habe nichts gemacht, dass waren Sie ganz allein. Ich habe Ihnen lediglich zugehört und Ihnen kleine Denkanstöße gegeben.“ Brancos lächeln wurde breiter. Er fühlte sich viel besser, als noch vor zwanzig Minuten. Er hatte wieder Hoffnung, dass doch noch alles gut werden könnte. „Danke!“ sagte er noch einmal zu dem Pfarrer. Jetzt fiel ihm erst auf, dass er überhaupt nicht wusste wie sein Gegenüber eigentlich hieß und auch, dass er sich nicht vorgestellt hatte. „Ich heiße übrigens Branco Vukovic.“ sagte er nun, reichte dem Pfarrer die Hand und lächelte leicht verlegen über seine vergessenen Manieren. „Ich bin Pfarrer Runge“ entgegnete der und erwiderte den Handschlag. „Machen Sie es gut. Ich bin sicher, Sie bekommen alles wieder hin, so wie Sie es sich vorstellen. Vertrauen Sie nur auf sich und lassen Sie sich von Ihren Freunden helfen … Und ich denke auf ein wenig Hilfe von ‚Oben’ können Sie auch zählen.“ sagte der Pfarrer dann zu ihm, wobei er leicht lächelte. Danach stand er auf und verließ die Kirche. Branco sah ihm nach, blieb aber noch kurze Zeit sitzen. Wieder gingen ihm tausende Dinge durch den Kopf. Je mehr er nachdachte, desto sicherer wurde er sich mit der Meinung, dass, sollte es wirklich eine göttliche Fügung geben, dieser ganze Tag eine war. Heute war so viel passiert, was er gestern noch für unmöglich gehalten hätte. Es war ja schon am Morgen losgegangen mit Michaels plötzlichem Auftauchen in seiner Wohnung. Danach der plötzliche Mut, endlich aus der Verfolgung auszubrechen, die Begegnung mit den drei Jungen, die ihm wieder Lebensmut gegeben hatte und letztlich das Gespräch mit dem Pfarrer, was ihn jetzt endgültig wach gerüttelt und wieder ins Leben befördert hatte. Ja, jetzt schien es ihm so klar vor Augen. Er konnte wieder normal Leben, wenn er denn endlich anfing etwas zu ändern. Klar, es würde gefährlich werden, aber das im Leben nicht immer alles glatt ging hatte er bereits kennen gelernt und viel schlimmer konnte es ja fast nicht mehr werden. Also was hatte er zu verlieren? Eigentlich nichts. So sah Branco sich fast in der Pflicht es jedenfalls zu versuchen. Auch wenn das Risiko bestand, dass er letztlich alles verlor. Aber wie hieß es doch so schön: „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt!“ Branco lächelte in sich hinein, warum hatte er so lange gebraucht um sich dessen bewusst zu werden? Schließlich stand auch er auf und verließ die Kirche. Er fühlte sich inzwischen viel wohler. Er hatte wieder zu sich selbst gefunden, wusste wo er stand. Ebenfalls war ihm aber auch klar, dass es ihn reichlich Mühe und Mut kosten würde um wieder an den Punkt zu gelangen, den er mit der Abreise in den Kosovo verlassen hatte. Aber ihm war jetzt auch bewusst, dass er den vielleicht schwersten Schritt, den Anfang, bereits gegangen war.
So machte sich der junge Kommissar auf den Weg zurück in sein Hotel. Er wollte dem ersten Schritt nun den zweiten folgen lassen. Und wie der aussehen sollte hatte er sich bereits überlegt. Was Branco allerdings nicht ahnen konnte war, dass sich sein Vorhaben schon bald wieder abrupt ändern würde. Ebenso wenig bemerkte er, dass ihm jemand folgte und dass bereits seitdem er das Kommissariat verlassen hatte.
„So, das war’s“ sagte Branco zu sich selbst und klickte das Symbol zum Speichern seines Dokumentes an. Dann sah er an den unteren rechten Bildrand des Monitors, wo sich die Uhrzeit befand, 0:13 zeigte diese. Dass sein Vorhaben so lange gedauert hatte hätte er nicht erwartet aber es war doch schwieriger gewesen, als erwartet, alles, was er erlebt hatte in Worte zu fassen und aufzuschreiben. Branco streckte sich kurz, lehnte sich dann in den Stuhl zurück und rieb sich mit der Hand über die Augen, welche leicht schmerzten. Nachdem er die Kirche verlassen hatte war er den restlichen Weg zur Pension gelaufen. Unterwegs hatte er sich überlegt, dass die Idee des Pfarrers, alles aufzuschreiben nicht schlecht war. Allein schon weil er dann etwas hinterließ, was sein gesamtes Verhalten erklärte, sollte ihm irgendetwas zustoßen. Branco hoffte es nicht, aber diese Tatsache ließ sich doch nicht leugnen. Deshalb hatte er den Mann und anscheinend auch den Chef an der Rezeption gefragt, ob er den PC benutzen dürfe. Um seinem Gegenüber die Entscheidung etwas leichter zu machen hatte er ihm kurzerhand noch fünfzig Euro in die Hand gedrückt und angedeutet ebenso großzügig zu sein, wenn er sein Zimmer bezahle. Schließlich hatte der Rezeptionist eingestimmt und Branco den PC für den gesamten Abend überlassen. So hatte Branco stundenlang daran gesessen und geschrieben. Letztendlich hatte er alles auf der Speicherkarte seines Handys gespeichert und wollte nun nur noch ins Bett. Er schaltete den PC ab und machte sich auf den Weg in die erste Etage zu seinem Zimmer.
2:46 Uhr las Branco auf seiner Uhr als er verschlafen die Augen öffnete. Er hatte irgendetwas gehört und war deshalb wach geworden. Irgendein Kratzen, oder so. „Wahrscheinlich gibt es hier Mäuse.“ kam es ihm in den Sinn und er wollte sich schon umdrehen um weiter zu schlafen, als er es wieder hörte. Doch diesmal konnte er das Geräusch orten. Es kam von der Zimmertür. Branco drehte sich um und starrte die Tür an. Da, er hörte es wieder. Das Geräusch kam ganz eindeutig von dort. Branco brauchte eine Sekunde um zu realisieren, was er da hört. Doch dann wurde es ihm schlagartig klar: Dort versuchte gerade jemand in sein Zimmer einzubrechen!!! Sofort war der Kommissar hellwach, nahm seine Dienstwaffe vom Nachttisch, er hatte sich mit der Waffe neben sich einfach sicherer gefühlt, und stand auf. Wobei er sich beinahe lautlos bewegte. Er postierte sich an der einen Seite der Tür, so dass man ihn nicht sofort sah, wenn diese aufging. Dann wartete er. Branco spürte, wie das Adrenalin in ihm anstieg und wie er sich zwingen musste ruhig zu bleiben. Er versteifte sich darauf auf die Geräusche an der Tür zu achten und alles andere zu ignorieren. Da, plötzlich hörte er ein viel sagendes Klicken im Türschloss und spürte, wie die Tür ein Spalt weit aufging. Anschließend herrschte kurzzeitig Stille. Dann jedoch hörte Branco, wie ein Mensch sich bewegte und in sein Zimmer eintrat. Im Dunkel erkannte er sie Silhouette eines Mannes. Branco konnte erahnen, wer diesen Typen geschickt hatte. Der Mann griff in seine Jackentasche und zog eine Waffe hervor, schraubte einen Schalldämpfer darauf fest und schoss zwei Mal auf das Bett in dem er Branco vermutete. Gleichzeitig konnte Branco nicht mehr an sich halten, seine Angst war auf einmal verschwunden, oder er handelte einfach nur noch nach Instinkt, das konnte er selbst nicht sagen. Er griff den Typen an, wie er es in hunderten Trainingsstunden im Kosovo gelernt hatte. Mit dem linken Arm umklammerte er den Hals seines Gegners und drückte ihn nach hinten. Gleichzeitig trat er ihm in die Kniekehle und zog ihm mit der rechten Hand die Waffe weg. Diese fließenden Bewegungen hatten den Mann so überrascht, dass er keinerlei Gegenwehr startete. Nach dem Tritt sank er auf die Knie. Branco indes lockerte seinen Griff keineswegs, eher im Gegenteil. Er drückte dem Mann, den er jetzt erst als Dominic Jansen erkannte, noch seine Waffe gegen die Schläfe und raunte ihm zu: „Halt still! Sonst drück ich ab!“ Jansen gehorchte augenblicklich und rührte sich gar nicht mehr, nur noch seinen hastigen Atem nahm Branco war. Auch sein Atem ging schneller als normal. Seine schnelle Reaktion hatte ihn selbst überrascht, ebenso die Situation, in der er sich nun befand. Jansen hatte Angst, Todesangst, das spürte Branco. Sein Atem ging schneller und auch sein Pulsschlag wurde stärker, das spürte er, da er ihn immer noch im Schwitzkasten hielt. Branco fühlte sich seltsam, dieses Gefühl der Macht durchfloss ihn und er genoss es in vollen Zügen. Er fand es herrlich einmal auf der anderen Seite zu stehen, nicht auf der des Opfers. Sollte Jansen nur spüren, wie man sich dort fühlte. Er selbst hatte es zu oft über sich ergehen lassen müssen. Und außerdem wollte Jansen ihn gerade kaltblütig erschießen, einfach so! Dieser Gedanke trieb Branco eine immense Ladung an Wut, Hass und Verachtung in den Bauch. „Du bist ein kleiner, feiger Mörder, der Leute im Schlaf abknallen will. Weißt du das?“ zischte Branco beinahe. Doch von Jansen kam keine Reaktion. „Ob du das weißt hab ich gefragt!“ wiederholte Branco gereizt und drückte die Waffe noch etwas kräftiger gegen Jansens Schläfe. „Ja, ich weiß.“ antwortete Jansen schließlich verängstigt und leise. Branco lachte kurz auf Jansens Angst amüsierte ihn. „Und was macht man mit Mördern?“ fragte er anschließend. „Na, was macht man mit ihnen?!“ „Ich, ich weiß nicht …“ stammelte Jansen. Wieder lachte Branco kurz auf, dann fuhr er fort: „Hier sperrt man sie ein … aber in anderen Länder bringt man sie um!“ fügte er beinahe flüsternd an. Branco schreckte innerlich auf, als ihm bewusst wurde, dass er eben für ein paar Sekunden mit dem Gedanken gespielt hatte abzudrücken. Wo hatte er sich nur hinleiten lassen? Fast wäre er zum Mörder geworden nur um dem Gefühl der Macht nachzugeben. Nein! Nein, er wollte das nicht. Diese Gefühle vernebelten ihm den Verstand. Kurz schloss Branco die Augen, atmete aus und ein. Er musste einen klaren Kopf bekommen und sich nicht von seinen Rachegefühlen leiten lassen. „Bleibt genau da wo du jetzt bist!“ sagte er zu Jansen. Dann lockerte er seinen Griff und ließ ihn schließlich los. Er entfernte sich etwa zwei Meter von ihm und kramte in seiner Tasche nach einem Paar Handschellen. Dies tat er ohne auch nur einen Moment Jansen aus den Augen zu verlieren und mit der Waffe im Visier zu haben. Nachdem er gefunden hatte, was er suchte ging er wieder zu Jansen und fesselte dessen Hände auf den Rücken. Anschließend zerrte er ihn auf die Beine. Danach warf er die paar Sachen, die er ausgepackt hatte in seine Tasche, schulterte diese und verließ mit Jansen den Raum. Unten an der Rezeption legte er einfach zwei einhundert Euroscheine auf den Tresen, damit war seine Rechnung mehr als beglichen, und verließ die Pension. „Wie bist du hergekommen? Mit dem Auto?“ fragte der Kommissar nun seinen Gefangenen und sah die Straße nach möglichen Passanten auf und ab. „Ja“ antwortete Jansen nur knapp. „Wo!“ sagte Branco nur und drückte die Pistole, die er die ganze Zeit in der Hand hielt leicht an Jansens Rücken. „Dort drüben.“ antwortete Jansen schnell und deutete mit dem Kopf nach rechts auf eines der geparkten Autos. Als sie davor standen fragte Branco Jansen abermals, diesmal nach dem Schlüssel. Nachdem er diesen hatte verfrachtete er seinen Gefangenen auf den Beifahrersitz. Er selbst stieg auf der Fahrerseite ein, startete den Wagen und fuhr davon. Während der Fahrt überlegte Branco beinahe verzweifelt, wo er jetzt hin sollte. Nach langem hin und her fiel ihm schließlich nicht besseres ein, als zu seine Wohnung. Also schlug er diese Richtung ein.
Dann sah er zu Jansen herüber, er wirkte noch immer völlig verängstigt und schien mit dem Schlimmsten zu rechnen. Branco ahnte, dass dieser Mann neben ihm lange nicht so kalt und skrupellos war, wie er zu sein schien. Dazu zeigte er jetzt viel zu viel Angst. Und das wiederum half Branco sehr seine Wut und seinen Hass auf ihn und alle die hinter ihm standen im Zaum zu halten und sich allmählich wieder zu beruhigen. Wenn er es genau bedachte war es eigentlich ganz praktisch, Jansen würde ihm bestimmt noch nützlich sein um an die Hintermänner zu kommen. Schließlich bog Branco endlich in die Straße ein, in der er wohnte, parkte den Wagen und ging gemeinsam mit Jansen hinein.
Was Branco nicht ahnen konnte war, dass Michael bis etwa zwei Uhr vor dem Haus in seinem Auto gewartet hatte, ob er noch auftauchen würde. Schließlich hatte er es, wenn auch ungern, aufgegeben und war dann ins Kommissariat gefahren. Er hatte zwar keinen Dienst, aber er wollte noch einmal genau von Gerrit hören, was passiert war und dann gleich passende Maßnahmen ergreifen. So hatte er gegen drei Uhr eine Suchmeldung nach Branco und dessen Auto an alle Streifenwagen herausgegeben und eine Handyortung angeordnet. Inzwischen machte er sich richtig Sorgen, dass Branco irgendetwas passiert war, oder dass er in großen Schwierigkeiten steckte. Warum sonst sollte er sich seine Waffe holen und seltsam war er ja in der letzten Zeit auch gewesen und hatte niemanden mehr an sich heran gelassen.
Inzwischen saß Branco in seiner Wohnung auf dem Sofa an seinem Couchtisch. Ihm gegenüber, auf einem Sessel, Jansen, dessen Hände immer noch mit Handschellen auf den Rücken gefesselt waren. Der junge Kommissar sah ihn an, dann ließ er seinen Blick auf den Tisch schweifen. Die Flaschen und Gläser, vermischt mit Scherben, Splittern und angetrockneten Flüssigleiten von heute Morgen waren immer noch da und erinnerten ihn schmerzlich an den Streit mit Michael. Ja, an alledem war ER schuld! Dieser Gedanke brachte Branco wieder dazu sein Gegenüber anzusehen und abermals seine Wut zu unterdrücken. Er musste jetzt einfach ruhig bleiben er konnte nur gewinnen, wenn er an die Hintermänner kam und das hier vor ihm war lediglich einer deren Handlanger. Branco legte seine Waffe, die er immer noch in der Hand hielt, auf den Tisch vor sich, und fragte Jansen dann: „Wer sind deine Auftraggeber? Drogendealer, hab ich recht?“ Jansen nickte nur. „Okay, was hast du ihnen bis jetzt über mich erzählt und was wissen sie bereits?“ fragte Branco weiter. Er wollte möglichst genau wissen wie seine Situation aussah nur so konnte er einen Plan fassen um aus allem herauszukommen. „Nicht viel …“ begann Jansen zögerlich „… ich habe von ihnen den Auftrag bekommen, mit allen Fakten, die ich brauchte. Bisher wissen sie nur, dass ich dich überwacht habe, bis du heute abgehauen bist. Darauf hin haben sie …“ Jansen schien es schwer zu fallen den Satz zu beenden, er atmete tief durch und sprach dann weiter: „ … Sie haben mir gedroht mich und meine Familie umzubringen, wenn ich dich nicht finde und töte.“ Branco sah ihn an, dann lächelte er kaum sichtbar. Jansen schien auch nur auf Druck und Zwang für die Dealer zu arbeiten, anscheinend hatten sie irgendetwas gegen ihn in der Hand oder so, jedenfalls schien er das alles nicht freiwillig zu tun und das wiederum machte ihm die Sache sehr einfach an Informationen zu kommen. Jansen öffnete ihm so zu sagen die Tür um an die Hintermänner zu kommen. „Gut, dann schlage ich dir folgendes vor: Ich lasse dich gehen und du wirst denen sagen, dass du mich umgebracht hast. Ich werde irgendwo untertauchen. Einzige Bedingung ist, dass du mich mit allen Informationen über die Dealer versorgst, sonst werde ich dich an die Polizei ausliefern und ich denke für einen versuchten Mord bekommst du einige Jahre Haft.“ sagte Branco nun zu seinem Gefangenem. Dieser sah ihn etwas ängstlich an und erwiderte: „Das ist nicht so einfach. Die Dealer haben Kontaktleute bei der Polizei, die werden herausfinden, ob man irgendwo deine Leiche gefunden hat …“ Bei dem Wort ‚Kontaktleute’ schoss Branco sofort nur ein Name durch den Kopf – Gerrit Grass. Gehörte er nun dazu, oder nicht? „Jansen, kennst du die Leute von der Polizei?“ unterbrach er deshalb. Jansen nickte nur. „Kommissar Grass, Gerrit Grass, gehört er dazu?“ fragte Branco. Jansen wirkte unsicher und sagte: „Sie haben nie ihre Namen gesagt … ich weiß nicht, ob …“ Doch abermals unterbrach Branco ihn: „Ich meine einen großen, dunkelblonden Typ. Ich denke so einen Meter neunzig groß, schlank und sportlich.“ Erwartungsvoll sah er Jansen an. Dieser dachte nach und schüttelte schließlich den Kopf und meinte: „Nein, so einer war nie dabei.“ Branco atmete innerlich auf. Also waren Alexandra und Michael doch nicht in so großer Gefahr, wie er befürchtet hatte. Und Gerrit, er hatte ihm anscheinend großes Unrecht getan, er hoffte, dass er das irgendwann wieder bereinigen konnte. Aber nun musste er sich erstmal einen anderen Plan überlegen um an Informationen über die Dealer zu kommen. „Gut …“ sagte Branco nach etwa fünf Minuten der Stille, „dann muss ich eben zu denen hin um an Informationen zu kommen.“ „Was?!“ Jansen starrte ihn völlig entgeistert an. „Aber, die werden dich umbringen. Das ist reinen Selbstmord!“ „Nein, ist es nicht!“ entgegnete Branco, „Du sagtest, dass die Dealer eigentlich nichts von mir wissen. Also muss ich sie doch nur glauben machen, dass meine Flucht heute einzig und allein dazu diente um mein bisheriges Leben hinter mir zu lassen um dann bei ihnen einzusteigen. Und damit es glaubhaft wirkt, wirst du mir helfen!“ Den letzten Satz sagte der Kommissar in so einem Ton, dass Jansen nichts anderes übrig blieb als leicht zu nicken und zu fragen: „Was soll ich tun?“ „Du wirst alles bestätigen! Ich werde dich zu ihnen bringen und erzählen, dass ich dich gestellt habe und dass ich die Flucht unternommen habe um bei ihnen einsteigen zu können. Du sollst das alles nur bestätigen und auch sagen, dass ich es ernst meine, dass du mir glaubst und dass du bezeugen kannst, dass ich mit keinem Polizisten oder anderen zu tun hatte, der deinen Bossen gefährlich werden könnte. Verstanden?“ Jansen nickte nur. Branco sah auf seine Uhr, es war bereits kurz nach vier Uhr morgens. „Wann sollst du dich wieder bei den Dealern melden?“ fragte er Jansen. „Bis spätestens zwölf Uhr.“ Branco nickte und stand vom Sofa auf. Er ging zu einem Schrank und holte zwei Decken heraus, eine brachte er zu Jansen und änderte dessen Fesselung so, dass er die Hände jetzt vor dem Oberkörper gefesselt hatte. Die zweite Decke nahm er selbst und legte sich dann wieder auf das Sofa auf dem er gerade gesessen hatte. Bevor er sich jedoch ganz hinlegte sah er noch einmal zu Jansen und sagte: „Versuch zu schlafen, du solltest Morgen ausgeruht sein und möglichst überzeugend rüberkommen, sonst könnte das unser letzter Tag werden.“ Jansen nickte, Branco drehte sich um und schloss die Augen. Er war bewusst nicht einfach in sein Bett gegangen um zu schlafen. Er traute Jansen nicht und er hoffte, dass dieser jegliche Fluchtversuche unterlassen würde, wenn er im selben Raum war, dass er sich in Notfall wehren konnte hatte Branco ihm ja bereits bewiesen. Doch Branco schien sich getäuscht zu haben, es dauerte nicht lange, bis er Jansen tief atmen hörte. Branco sah noch einmal zu Jansen, er schien wirklich zu schlafen. So legte sich auch der Kommissar wieder hin und schlief kurze Zeit später ein.
Langsam öffnete er die Augen, einen kurzen Moment brauchte er um sich zu orientieren, dann wurde ihm wieder bewusst, wo er war – in der Wohnung von Branco Vukovic. Er hatte etwas Seltsames gehört, es klang so, als hätte jemand gesprochen. Noch einmal hörte er es, dass Gemurmel kam von Branco, wie er jetzt herausfand. Der Kommissar lag schlafend auf dem Sofa ihm gegenüber, aber er wirkte keinesfalls entspannt, ganz im Gegenteil: Seine Stirn war schweißnass, er wälzte sich hin und her und wirkte völlig angespannt. Und jetzt verstand er auch, was Branco murmelte, der Kommissar wiederholte die ganze Zeit die Worte: „Nein, geh nicht … du schaffst das … gib nicht auf.“ Jansen sah zu ihm, Branco tat ihm beinahe leid, er schien etwas Schreckliches zu träumen, wenn es ihn so fertig machte. Kurz entschlossen stand Jansen von dem Sessel auf, auf welchem er gesessen hatte und ging zu Branco. Leicht rüttelte er ihn an der Schulter und sagte: „Hey, komm werd wach, du träumst nur schlecht.“ Es dauerte nicht lange und Branco wachte auf. Er war aber durch seinen Traum noch so durcheinander, dass er die Augen panisch aufriss und Jansen ängstlich anstarrte. Dieser erschrak selbst ein wenig und ging mit den Worten: „Ist ja alles okay“ zurück auf den Sessel, wo er sich setzte. Branco sah ihn an und setzte sich auf, dann stütze er die Arme auf seine Knie und vergrub das Gesicht in seinen Händen. „Nichts ist okay. Diese Träume machen mich langsam wahnsinnig, ich halte das nicht mehr aus! Ich will das das alles endlich aufhört!“ „Du hast so was öfter? Wovon hast du eigentlich geträumt?“ wollte Jansen wissen. Branco sah ihn an, unschlüssig, ob er ihm alles erzählen sollte. Doch dann gab er sich einen Ruck, Jansen sollte ruhig wissen, warum er ihn überhaupt überwacht hatte und warum Branco so erpicht darauf wahr seine Bosse zu finden. So begann er alles zu erzählen. „… Seit dem träume ich fast jede Nacht davon. Es ist schrecklich, immer wieder diese Bilder, dieses Gefühl nichts tun zu können und dann immer wieder Marcs leerer Blick, nachdem er gestorben war.“ Branco stoppte, allein schon das erzählen brachte ihm die Bilder davon in den Kopf zurück. Jansen sah ihn mitleidig an. Was Branco ihm gerade erzählt hatte, hatte ihn zutiefst geschockt und jetzt verstand er auch alles, was sich bisher ereignet hatte. Ebenso wurde ihm jetzt auch klar, zu wem er halten wollte, wenn es darauf ankam. Er selbst hatte einiges auf dem Kerbholz, aber mit so einem grausamen Mord wollte er nichts zu tun haben. Da stellte er sich der Polizei lieber freiwillig. „Branco, was hältst du von folgendem Vorschlag …“ begann er, „… wir gehen nachher zur Polizei und erzählen alles, dann können die Leute losschicken um die Dealer festzunehmen … ich sage alles aus, versprochen. Besser ich gehe für ein paar kleine Delikte in den Knast, als lebenslänglich für irgendwelche Morde, mit denen ich nichts zu tun habe.“ Branco sah ihn Dankbar an, Jansen schien es mit dem was er sagte, wirklich ernst zu meinen. „Warum willst du auf einmal alles sagen? Doch nicht nur, weil ich dir alles erzählt habe …“ fragte Branco. „Ja, das stimmt …“ fing Jansen an, „… ich habe zwei Kinder …“ Branco sah ihn erstaunt an, damit hätte er am wenigsten gerechnet. „… ich würde für die beiden alles tun. Und meinetwegen können sie auch wissen, was für ein Idiot ihr Vater war, sich je mit solchen zwielichtigen Typen einzulassen. Und wenn es sein muss, gehe ich für diese Dummheit auch in den Knast. Aber meine Kinder sollen nicht in dem Glauben aufwachsen, ihr Vater wäre ein Mörder.“ Schuldbewusst sah er dabei Branco an, dieser verstand, Jansen meinte Situation in der Pension, als er geschossen hatte. Branco nickte ihm leicht aufmunternd zu. Wirklich verzeihen konnte er Jansen nicht, jedenfalls im Moment nicht. Aber zumindest die Hintergründe für den Anschlag verstand er jetzt und er glaubte Jansen, dass er es nur getan hatte um seine Familie zu beschützen. „Warum arbeitest du eigentlich für die Dealer?“ fragte Branco nun und durchbrach somit die Stille im Zimmer. „Ich hatte Schulden, wirklich viele Schulden und ich brauchte ganz dringend Geld, sonst hätte ich mit meiner Familie auf der Straße gesessen. So bin ich irgendwann auf sie Typen gestoßen, die mir das Geld geliehen haben. Ich konnte aber die Raten, die sie wollten nie zurückzahlen und so verlangten sie von mir, dass ich für sie einige kleine Jobs erledige.“ Branco nickte, wohl wissend um was für ‚kleine Jobs’ es sich handelte.
Nach langer Paue geht es dann mal wieder weiter ... über Feedback würde ich mich freuen!
„Aber was ist nun? Was machen wir? Nachher zur Polizei gehen?“ unterbrach ihn Jansen nach einem Blick auf seine Uhr. Branco überlegte, sah nun ebenfalls auf seine Uhr die bereits sechs Uhr morgens zeigte. Er hatte nicht einmal zwei Stunden geschlafen und wenn er ehrlich war fühlte er sich auch dementsprechend. Trotzdem sah er Jansen entschlossen an und sagte: „Ich werde nicht zur Polizei gehen, ich muss mehr Informationen haben, verstehst du?“ Jansen sah ihn etwas irritiert an und fragte: „Das ist nicht dein Ernst, oder? Du willst da wirklich freiwillig hin? Ich sage alles aus, was ich weiß, dass habe ich dir doch schon gesagt und das gilt auch weiterhin.“ „Ja, ich weiß und dafür bin ich dir auch sehr dankbar. Aber mit deiner Aussage komme ich nur an die Typen aus München heran und das sind, im Vergleich zu den anderen, kleine Fische. Ich will aber alle haben! Verstehst du? Alle! Die haben so viel getan, mir angetan, ich will sie einfach nur im Knast sehen. Und dafür weiß ich im Moment einfach noch zu wenig. Ich zwinge dich aber nicht mitzukommen. Wenn du willst helfe ich dir zur Polizei zu kommen, denn nur da, fürchte ich, bist du im Moment sicher. So wie du sagest sollen sich dich umbringen, wenn du dich nicht meldest und auf einem Polizeipräsidium werden sie dir garantiert nichts antun.“ Jansen nickte und sah Branco einen Moment an, dann wandte er den Blick ab und starrte auf den Fußboden. Er fand es einfach alles unbegreiflich. Ihm gegenüber saß ein Mann, der Dinge erlebt hatte, die er seinem schlimmsten Feind nicht wünschen würde. Dinge, an denen auch er nicht unschuldig war, ganz im Gegenteil. Und trotzdem wollte dieser Mann ihm jetzt helfen. Jansen hätte alles verstanden. Wut, Hass, auch ihm selbst gegenüber, aber da war nichts. Jedenfalls nicht mehr. Direkt nach seinem Angriff im Hotel auf Branco, als der Kommissar ihm die Waffe an die Schläfe gedrückt hatte, nur in diesen Minuten hatte Jansen Wut und Hass in Brancos Augen gesehen und hatte befürchtet, dass er dieses Hotel nicht mehr lebend verlassen würde. Aber Branco hatte ihm nichts getan je mehr sie sich mit seinem Wagen vom Hotel entfernten desto mehr schien Branco sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Allmählich wurde Jansen klar, was er jetzt tun würde und auf wessen Seite er stand. Branco schien ihm zu vertrauen und er wollte ihm beweisen, dass er kein schlechter Mensch, sondern nur durch missliche Umstände hier angelangt war. „Branco“, begann er zögerlich „Ich … ich werde mit dir mitkommen. Es ist wahrscheinlicher, dass sie dich dort aufnehmen, wenn ich dabei bin.“ fügte er mit einem Lächeln an. Branco nickte dankbar, erwiderte aber ernst: „Überleg’ dir das gut. Du weißt genau so gut wie ich, wie die Typen drauf sind und das es nicht leicht und schon gar nicht ungefährlich wird. Wenn man so will habe ich nichts zu verlieren, du hingegen aber schon.“ Jansen schluckte schwer und dachte an seine Familie, die er nun schon seit Tagen nicht gesehen hatte. Bevor er ging hatte er seiner Frau gesagt er müsse ein paar Tage auf einer Baustelle weiter weg arbeiten. Dies hatte sie ihm ohne Probleme abgenommen. Denn sie wusste nicht, dass er seit fast drei Monaten keinen Job mehr hatte. Was würde sie und was würden seine Kinder wohl denken, wenn er nun vielleicht nie wieder kam? Konnte er das überhaupt verantworten? Branco konnte nur ahnen, was ihm durch den Kopf ging. Aber bei dieser Entscheidung konnte und wollte er ihm nicht helfen, das musste Jansen allein mit sich entscheiden. So stand Branco vom Sofa auf und ging in die Küche um sich einen Kaffee zu kochen, denn schlafen konnte er jetzt eh nicht mehr. Nach zehn Minuten kam er mit zwei dampfenden Kaffeebechern zurück ins Wohnzimmer und reichte Jansen einen. „Danke“ murmelte Jansen leise, nahm den Becher entgegen und trank einen Schluck daraus. Branco setzte sich wieder hin und trank ebenfalls seinen Kaffee. Nach einiger Zeit sah Jansen ihn an und sagte: „Ich habe mich entschieden. Ich komme mit dir mit. Zusammen haben wir eine höhere Chance, dass dein Plan funktioniert, als wenn du alleine gehst. Das immer noch ein Restrisiko bleibt ist mir klar. Aber ich würde mir immer Vorwürfe machen, wenn dir etwas passiert und ich nicht da war.“ „Gut“ sagte Branco und nickte. „Ich kann nur erahnen, wie schwer dir die Antwort gefallen ist und deshalb … mh …“ er suchte nach den passenden Worten „… einfach danke!“ Mehr viel ihm partout nicht ein, was Jansen mit einem flüchtigen Grinsen kommentierte.
Danke!!!!!!!!! Und da es scheint, als sein meine "kleine Kreativität" wieder da, hier gleich noch ein weiterer Teil ...
„Guten Morgen Herr Kollege. Na, lange Kneipentour geworden gestern Abend?“ fragte Alexandra grinsend, als Michael, mehr schlafend als wach ins Büro schlurfte. „Auch einen schönen guten Morgen und nein, keine Kneipentour, Branco ist weg und ich habe die halbe Nacht vor seiner Wohnung gewartet, aber er kam nicht.“ Bei den Worten „Branco ist weg“ war Alexandra sofort hellhörig geworden und fragte nun: „Wie weg? Ist ihm was passiert? Was ist hier eigentlich los? Warum weiß ich davon nichts, du hättest mich doch anrufen können!“ „Ja, Alex, ich weiß.“ sagte Michael und setzte sich, mit einer Tasse Kaffe in der Hand an seinen Schreibtisch um Alexandra nun alles zu erklären. Diese saß nun, gespannt auf das was kommen würde, auf der Kante ihres Schreibtisches und sah Michael an. „Du weißt doch, das Branco gestern verschlafen hatte“ Alexandra nickte. „Ich bin dann ja zu ihm hin gefahren und habe ihn dort gefunden.“ „Genau, du bist dann wieder hergekommen und hast gesagt, Branco wäre krank und würde nicht kommen.“ ergänzte Alexandra. „Das war leider nicht ganz die Wahrheit – sorry Alex, aber es ging nicht anders.“ Seine Kollegin sah ihn nun irritiert an. Michael fuhr fort: „Ich habe Branco schlafend auf der Couch gefunden, vor ihm auf dem Tisch standen Unmengen leere Flaschen von Alkohol. Er muss sich in den letzten Tagen regelrecht abgeschossen haben mit dem Zeug.“ Michael machte nun eine kurze Pause, sah kurz zu Alexandra, dann sprach er leiser weiter: „Und noch etwas habe ich gefunden. Auf dem Tisch waren noch Reste von Kokain.“ „Was? Micha, sag dass das nicht wahr ist! Branco macht so was nicht, du musst dich irren!“ sagte Alexandra fassungslos und starrte Michael nun an, in der Hoffnung er würde bestätigen, dass es ein Irrtum war. „Nein, Alex, das ist kein Irrtum, Branco hat es zugegeben, dass er das Zeug nimmt. Er hat es schon im Kosovo genommen.“ „Was?! Aber das hätten wir doch merken müssen …“ „Nicht unbedingt. Er sagte seit dem er in Deutschland ist hat er nichts mehr genommen, bis auf Gestern. Darüber haben Branco und ich uns dann gestritten und ich bin gegangen. Danach muss er irgendwann aus seiner Wohnung verschwunden sein. Gegen zwanzig Uhr war er dann hier im Büro. Gerrit hat ihn gesehen. Branco soll total seltsam gewesen und dann beinahe geflüchtet sein. Erst später hat Gerrit dann bemerkt, dass Branco seine Dienstwaffe mitgenommen hat. Deshalb hat er mich auch angerufen. Er hat sich Sorgen gemacht, dass Branco irgendwelche Dummheiten machen könnte. Daraufhin bin ich dann wieder zu seiner Wohnung und habe gewartet, ob er dort auftaucht, als er aber bis zwei Uhr nicht da war bin ich ins Büro gefahren und habe eine Fahndung nach ihm, sowie eine Handyortung in Auftrag gegeben … “ Michael seufzte „Wäre ich doch am Morgen nur bei ihm geblieben, dann wäre das alles vielleicht gar nicht geschehen. Wer weiß was mit Branco ist, wo er ist, oder ob ihm was passiert ist!“ Alexandra, die ihren Kollegen nur all zu gut verstehen konnte stand auf, ging zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Micha, mach dir keine Vorwürfe, ihm ist bestimmt nichts passiert.“ sagte sie ihm, obwohl sie in anbetracht der Schilderung von Michael auch große Angst um Branco hatte. Sie hatten doch bemerkt, dass mit ihm etwas nicht stimmte, warum nur hatten sie nicht viel hartnäckiger versucht zu erfahren was mit ihm los war? Auch Alexandra machte sich ihre Vorwürfe, vielleicht hätten sie das alles verhindern können. Beide Kommissare wurden je aus ihren Gedanken gerissen, als Michaels Telefon klingelte. „K11, Michael Naseband.“ meldete er sich und hörte dann seinem Gegenüber einige Zeit zu. „Gut, danke. Wir kommen sofort!“ schloss Michael das Telefonat schließlich, dann sah er seine Kollegin an. „Die Kollegen haben Brancos Auto gefunden. Es stand nur einige hundert Meter entfernt von seiner Wohnung auf einem Parkplatz. Das einzig komisch daran ist, dass es nicht verschlossen war. Die Spusi untersucht jetzt jeden Millimeter des Wagens und sobald sie etwas gefunden haben melden sie sich.“ erklärte er Alexandra, die aufmerksam zuhörte und dann fragte: „Und wo sollen wir hinkommen? Das sagtest du doch eben gerade.“ Michaels Gesicht wurde nun etwas ernster und er begann zu erzählen, was ihm der Kollege am Telefon noch erzählt hatte. „Also es hat sich ein Pensionswirt bei der Polizei gemeldet. Er sagte in eins seiner Zimmer sei eingebrochen worden. Er habe am Morgen die Tür aufgebrochen vorgefunden und von dem Gast, der es gemietet hatte fehle jede Spur.“ Michael machte eine Pause und sah zu Alexandra bevor er weiter sprach. „Alex, der Gast war Branco.“ „Was?!“ hauchte Alexandra entsetzt und starrte ihren Kollegen an. Dieser nickte nur. „Die Spusi ist bereits vor Ort und ich habe gesagt, dass wir den Wirt persönlich vernehmen wollen.“ ergänzte Michael noch. Alexandra nickte im zu, stand auf und ging Richtung Tür, Michael tat es ihr gleich. Auf der Fahrt zum Tatort war es still im Wagen der beiden Kommissare. Beide hofften, dass es Branco, wo immer er jetzt auch war, gut ging und dass ihm nichts passiert war. Ebenfalls wollte es ihnen einfach nicht in den Kopf, dass Branco nicht mit ihnen über seine Probleme gesprochen hatte, wie er es früher immer getan hatte. Schließlich kamen sie am Tatort an, stiegen aus dem Wagen aus und informierten sich bei einem Kollegen über bisherige Erkenntnisse. Dieser konnte ihnen allerdings nicht viel weiter helfen und schickte sie in die erste Etage des Hotels, wo sich Brancos Zimmer befand. Dort angekommen sprach Michael einen Spusi-Beamten an. „Und, was könnt ihr uns bis jetzt sagen?“ versuchte er so routiniert wie möglich zu klingen. Er wollte es nicht jedem auf die Nase binden, dass dieser Fall ihm sehr nahe ging. „Also, die Tür wurde ziemlich laienhaft aufgebrochen. Das war garantiert ein Ersttäter. Das passt allerdings nicht zu den Schüssen, denn welcher ‚kleine Einbrecher’ hat eine Waffe bei sich?“ „Moment, Schüsse? Hier sind Schüsse gefallen? Warum weiß ich davon noch nichts?“ unterbrach Michael den Beamten und warf einen Seitenblick zu Alexandra, die ebenso geschockt und sorgenvoll wirkte wie er. „Ich weiß nicht, warum das nicht weitergeleitet wurde, tut mir leid.“ antwortete der Beamte nur und fuhr dann fort die aktuelle Sachlage zu erklären. „Also der Schütze muss etwa hier gestanden haben.“ Er postierte sich etwa einen Meter von der Tür entfernt im Zimmer und tat als zielte er auf das Bett vor ihm. Dort erkannten Michael und Alexandra nun auch die Einschusslöcher. Allein der Gedanke, dass jemand auf Branco geschossen haben könnte gefiel ihnen nicht und verstärkte ihre Sorge nur weiter. „Das Projektil müssen wir allerdings noch aus dem Boden rausholen.“ sprach der Spusibeamte weiter. „Hab ihr irgendwelche Blutspuren gefunden?“ fragte Alexandra nun und hatte Mühe ruhig zu bleiben, sie betet förmlich, dass nichts gefunden wurde. Der Beamte sah sie an und sagte: „Nein. Blut haben wir nicht gefunden. Der Schütze muss sein Ziel verfehlt haben.“ Erleichtert atmeten Alexandra und Michael auf. Sie erfuhren von dem Beamten noch, dass alle persönlichen Sachen von Branco verschwunden waren und sie bisher auch nur zwei verschiede Fingerabdrücke gefunden wurden, was für eine Person als Täter sprach. Die beiden Kommissare verabschiedeten sich und gingen wieder ins Erdgeschoss um den Wirt zu vernehmen. Dieser war in seinem Büro. Der Wirt konnte ihnen nur berichten, dass er von dem Einbruch nichts mitbekommen habe. Heute Morgen habe er sich nur gewundert, weil auf dem Tresen an der Rezeption zweihundert Euro lagen. Da Branco im Moment sein einziger Gast war, sei er sofort hoch gegangen um nachzusehen, ob Branco schon abgereist sein und da habe er die aufgebrochene Tür entdeckt und sofort die Polizei gerufen. Michael nickte und fragte den Mann dann: „Und ansonsten, war Herr Vukovic ein normaler Gast oder ist ihnen irgendetwas besonderes aufgefallen?“ „Na ja, er war etwas, mh wie soll ich es sagen? In sich gekehrt und ich hatte den Eindruck er habe vor irgendetwas Angst. Und gestern Abend wollte er unbedingt an den Computer, den ich ihm dann auch für den Abend überlassen habe. Aber sonst war er freundlich und unauffällig.“ erklärte der Wirt. „Das ist interessant. Wissen Sie, was er am PC gemacht hat?“ fragte nun Alexandra. „Ich glaube er hat etwas geschrieben. Aber ich weiß es nicht genau.“ „Gut, dann werden wir den PC auch mitnehmen, vielleicht finden unsere Techniker heraus, was er gemacht hat. Sie bekommen den Computer so schnell wie möglich zurück.“ sagte Michael den Wirt, der gerade über diese Entscheidung protestieren wollte. Nachdem am Tatort alles geregelt war machten sich Alexandra und Michael auf den Rückweg ins Büro. „Man, Junge, wo bist du da nur rein geraten?!“ ging es Michael sorgenvoll durch den Kopf.