Den Abend verbrachte Kai dann auch fast die ganze Zeit damit, Sachen für sich und Florian zusammenzupacken. Es war nicht ganz so einfach, wie er es sich vorgestellt hatte. Denn Florian hatte einen sehr eigenwilligen Modegeschmack und Stoffhosen oder Hemden gehörten nicht dazu. Er wollte lieber einen Pullover mit Tom und Jerry drauf. Kai war froh, ihm das noch ausreden zu können, nahm dann aber doch eines der Simsons-T-Shirts mit, auf welches Florian lautstark bestand. Was der Ausspruch: 'Eat my Shorts' bedeutete, verriet er ihm allerdings nicht. Florian hatte Kai die ganze Zeit dabei zugesehen, wie der den Koffer packte und reichte ihm jetzt noch einige Spielzeuge, die er unbedingt mitnehmen wollte. Kai packte die Sachen mit ein, schließlich musste er seinen Freund irgendwie beschäftigen. Zuletzt reichte Florian Kai noch ein Buch. Erstaunt blickte Kai es an. "Harry Potter?" "Ich habe angefangen, es zu lesen. Es gefällt mir." Dieser Satz war nicht dazu geeignet, Kais Verwunderung zu mindern. Im Gegenteil, er riss die Augen auf. "Wie meinst du das? Lesen… Du kannst schon lesen?" "Ja", sagte Florian kichernd. "Natürlich kann ich lesen." "Aber du bist erst vier." "Ja." Kai sah den unschuldigen Blick, reichte Florian das Buch und ließ ihn ein paar Sätze vorlesen. Es klang ein wenig stockend, aber ansonsten sehr gut. Vorsichtig nahm Kai ihm das Buch wieder aus der Hand und packte es in seine Tasche. "Florian, wer hat dir das Lesen beigebracht?" Dessen Blick verdüsterte sich wieder. "Vater. Er meinte, jeder Idiot kann lesen, also würde ich es wohl auch schaffen." "Und wer hat dir das Malen verboten?" "Vater." Kai wusste, dass Florian zu seinem Vater ein, gelinde gesagt, miserables Verhältnis hatte. Wie sehr der Mann seinen Freund jedoch geprägt hatte, war ihm nie aufgefallen. Vorsichtig legte Kai seine Hände auf die von Florian. "Was hat er dir noch verboten?" "Verbietest du mir das auch, wenn ich es dir sage?", fragte der leise. Ganz sanft streichelte Kai ihm über die Wange. "Nein. Ich möchte es einfach nur wissen." "Musik", sagte Florian leise. In seinen Augen schimmerten Tränen. "Ich habe mit drei Jahren Klavier spielen gelernt. Aber für eine Musikschule war ich nicht gut genug. Da hat Vater gesagt, wenn ich kein Meister darin bin, soll ich es lassen." Florian überlegte krampfhaft. "Ama… Ama…" "Amateure?" "Ja. Amateure braucht kein Mensch. Dann durfte ich nie wieder ans Klavier." Er senkte den Blick und fragte dann scheu. "Kai? Was ist ein Amateur?" Kai sah, dass sein Freund log. Oder zum Teil log. Oder ihm etwas verschwieg. Aber es hatte jetzt nicht viel Sinn, näher nachzufragen. Also beantwortete er erst einmal die Frage. "Jemand, der etwas zwar gut kann, es aber eigentlich mehr zu seiner eigenen Freude macht. Ich bin ein Amateurboxer. Ich bin nicht schlecht, aber für Profikämpfe war ich nie gut genug. Also habe ich den Sport zusammen mit anderen betrieben, die auch Spaß daran hatten, aber keine richtigen Sportler werden wollten. Verstehst du, was ich meine?" "Ja, ich glaube schon." "In dem Hotel in Spa, wo wir wohnen werden, steht ein Klavier. Würdest du mir den kleinen Gefallen tun und mir mal etwas vorspielen?" Bittend sah Kai Florian an. Der lächelte erfreut. "Jaaaa", sagte er und nickte hastig. Kai hielt seinen Kopf schnell fest. "Hey, langsam. Du sollst den Kopf noch ruhig halten." "Ja. Ich spiele dir gern was vor." Er verzog ein wenig unsicher das Gesicht. "Aber ich bin nicht so gut…" "Flo", sagte Kai lächelnd. "Ich will dich nicht bewerten. Ich mag nur einfach Klaviermusik und möchte dich mal gern spielen hören." Plötzlich schmiegte Florian sich gegen ihn. Ein wenig hilflos nahm er den Mann in seine Arme und setzte sich auf das Sofa. "Es ist so schön bei dir", nuschelte er mit seiner hohen Kinderstimme. "Wieso kannst du nicht mein Papa sein?" Sanft streichelte Kai ihm über den Kopf. "Bin ich doch im Moment. Und eines vergiss bitte niemals, Flo. Ich bin für dich da. Immer." Ein wenig verwirrt über dessen Anhänglichkeit wiegte er ihn leicht in seinen Armen. Er spürte, dass Florian müde wurde. "Komm, Kleiner, lass mich mal aufstehen. Ich muss uns noch Abendbrot machen und dann musst du schlafen gehen." Florian klammerte sich noch fester an Kai. "Ich möchte nicht", wisperte er. "Draußen donnert es." "Wenn…" Kai schluckte leicht. "Wenn du solche Angst hast, kannst du bei mir im Bett schlafen." Er spürte, wie Florian ihn langsam losließ. "Und jetzt geh ins Bad, wasch dich und zieh dir den Schlafanzug an. Bis dahin ist das Essen fertig." Schnell bereitete er das Essen zu und sah Florian dann zu, wie der aß. Er selber hatte keinen Hunger. Der ganze Tag heute hatte ihn sehr nachdenklich gemacht. "Bist du glücklich?", fragte er den kleinen Jungen im Körper seines Freundes schließlich. Florian hob den Blick und sah ihn aus großen Augen an. "Ja", sagte er schlicht und aß weiter.
"Ja". AWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWW!!!! (ja, es war mal wieder Zeit dafür...)
Oh man, diese Story ist SO süß! Und dürfte ich Flos Vater BITTE schlagen? Oder überfahren oder so? Wie KANN er nur?! So ein ...grrrrr! Ich hab noch nie gesehen, dass ein Meister vom Himmel gefallen ist, und wenn ein Dreijähriger Junge einigermaßen gut Klavier spielt, dann ist das SEHR GUT wenn man Erwachsenenmaßstäbe anlegt. Was für ein .... *vor Wut kein Wort mehr rauskriegt* Und ihm dann auch noch das Malen zu verbieten ...*kopfschüttel*
Bitte mach ganz schnell weiter, Flo ist ja so süß als kleiner Junge ...
Die Nacht war sehr unruhig gewesen, denn genau wie Florian befürchtet hatte, war ein schweres Unwetter über Köln hinweg gezogen. Kai war mitten in der Nacht aufgestanden und hatte Florian schluchzend und zusammengekauert in seinem Bett vorgefunden. Mit weit aufgerissenen Augen hatte er in der Dunkelheit gelegen und panisch auf das Fenster gestarrt. Dass Florian Gewitter nicht mochte, war bis heute so. Er war immer etwas unruhig, wenn eines bevorstand. Aber dass es ihn so in Panik versetzen würde, hätte Kai nicht erwartet. Er grübelte über sich selber, ob er in dem Alter solche Angst vor Gewittern gehabt hatte, aber er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern. Nach einigem guten Zureden hatte er Florian schließlich ruhiger bekommen und mit zu sich in sein Schlafzimmer genommen. Hier war sein Freund dann auch irgendwann dicht an ihn geschmiegt eingeschlafen. Am Morgen hatte Kai dann einige Probleme gehabt, ihn zu wecken. Jetzt saßen sie nach einem kurzen Frühstück im Auto. Florian schlief halb, während Kai sich auf den Verkehr konzentrierte und nebenbei einen Radiosender suchte, der zu seiner momentanen Gefühlswelt passte. Irgendwann gab er es auf, öffnete das Handschuhfach und nahm einen USB-Stick heraus. Grinsend schob er ihn in den passenden Anschluss am Radio und wartete. Florian wachte nach einer Weile auf und lauschte neugierig. "Wer ist Benjamin Blümchen?", fragte er nach einer Weile. "Ein Elefant. Ein ganz schlauer Elefant." "Aha." Interessiert lauschte er wieder dem Hörspiel, welches Kai seit Jahren mit sich herumfuhr. Seit seine Kinder noch so klein gewesen waren, dass sie sich dafür hatten begeistern können. Irgendwann waren sie am Ziel und Kai deutete auf ein großes Haus. "Guck mal, Flo. Das ist unser Hotel." "Sensationell", murmelte der und ahmte in wirklich entzückender Manier Karla Kolumna nach, die Reporterin in dem Hörspiel. Kai musste darüber lachen und fuhr das Auto in die Tiefgarage. Er nahm die Tasche in die eine Hand, seinen Ziehsohn an die andere und gemeinsam gingen sie nach oben zum Empfang. Hier holte er sich seinen Zimmerschlüssel und wollte hoch zu seinem Zimmer. Als er sich umdrehte, stand jedoch Niki vor ihm. Florian musterte den Mann eine ganze Weile schweigend und sagte schließlich leise: "Hallo." Erleichtert registrierte Kai, dass Florian vor Niki nicht diese Scheu zu haben schien, die er vor den meisten anderen hatte. Niki lächelte ihm zu und reichte ihm die Hand. "Hallo, Florian. Ich heiße Niki. Wie geht es dir?" "Gut." Niki blickte ihn prüfend an, dann sah er Kai an. "Danke für den Anruf." "ich wollte nicht, dass du es aus den Nachrichten erfährst und ich muss zugeben, in der ersten Woche hatte ich wirklich Angst um ihn." "Das glaube ich dir gern. Ich habe eure Nachrichten und die Berichte in der Zeitung über ihn sehr genau verfolgt. Geht es ihm wirklich gut?" "Die Ärzte sagen, ja." Kai zuckte mit den Schultern und deutete auf ein Aquarium. "Guck mal, Flo. Fische." Der ließ Kais Hand los und ging rüber, um sich die Tiere genauer anzusehen. "Wie kommt er mit den Zeitsprüngen klar?" "Er bemerkt sie nicht. Das neue Wissen, die neuen Fähigkeiten sind dann eben da. Und mit ihnen jedes Mal ein etwas neuer Florian." Kai seufzte. "Niki, ich glaube, dass es ihm gut geht. Er sagt das auch, wenn man ihn fragt. Aber ich habe irgendwie ein komisches Gefühl. Er ist so anders." Niki lachte. "Er ist… vier." "Ja, ich weiß. Das meine ich nicht. Ich kenne Florian seit fast 20 Jahren. Er war fast sofort mein bester Freund. Wir haben uns kennen gelernt und auf Anhieb gut verstanden. Wir sind durch dick und dünn gegangen, haben zusammen viel Blödsinn gemacht und ich habe ihm eine Menge anvertraut, was nur er weiß. Und ich dachte immer, umgekehrt wäre es dasselbe. Aber jetzt, wo ihm die Kontrolle über das fehlt, was er mir sagt und von sich zeigt, lerne ich einen anderen Florian kennen." "Wenn ein Kind erwachsen wird, verändert es sich. Das ist normal, Kai. Vielleicht fällt es dir bei ihm nur so extrem auf, weil es so schnell geht." "Er kann Klavier spielen." "Flo?" Niki war wirklich erstaunt. "Er kann unglaublich gut malen." "Also für einen künstlerisch begabten Typen hätte ich ihn wirklich nicht gehalten." "Er kann lesen." "Mit vier?" Langsam nickte der Ex-Rennfahrer. "Ich verstehe, was du meinst. Gut, er hatte früher andere Interessen, aber auch das kommt vor." "Mich stört nicht, dass er Interessen hatte, die er nie erwähnt hat. Mich stört, dass ich nicht richtig verstehe, warum er sie aufgegeben hat. Mich stört, dass er nachts manchmal Alpträume hat und mir nicht sagt, wovon er träumt." "Ach, Kai. Der Kleine fühlt sich doch anscheinend wohl bei dir, das kam zumindest bei euch in den Nachrichten so rüber und wenn ich ihn mir so ansehe, sieht er alles andere als unglücklich aus. Vielleicht interpretierst du aus Sorge um ihn zuviel hinein. Er ist erst vier Jahre alt. Kinder in dem Alter haben Ängste, viele sogar. Sei einfach für ihn da, das scheint ihm verdammt gut zu bekommen." "Kai", rief Florian in diesem Moment und sah ihn mit großen Augen an. Dann winkte er aufgeregt mit der Hand. "Komm mal her." Der ging zu ihm rüber und sah sich die Fische an. Dann entdeckte er, was Florian so in Aufregung versetzte. "Das ist eine Wasserschildkröte." "Aber sie ertrinkt", sagte Florian hektisch. "Nein, sie ertrinkt nicht. Wasserschildkröten leben im Wasser. Und Landschildkröten eben an Land." Beruhigter sah Florian sich wieder die Tiere an und freute sich, als die kleine Schildkröte innen am Glas an ihm vorbei krabbelte, auf eine Felsen hinauf, der ein Stück aus dem Wasser ragte. "Sie kann auch an Land leben", stellte er tadelnd fest. Kai lachte leise. "Ja. Aber nicht lange. Dann muss sie zurück ins Wasser." "Ach so." Niki betrachtete Florian neugierig, aber auch ziemlich belustigt. Er sah Kai an. "Du machst das wunderbar", sagte er und zwinkerte ihm zu. "Bis später, ihr zwei." "Bis später." "Tschüß, Niki", sagte Florian und winkte in seine Richtung, während seine Augen weiter die Schildkröten beobachteten.
Awwwwwwwwww! (mal wieder) Das ist wirklich total süß, wie "klein" Flo da im Auto sitzt und Benjamin Blümchen hört und aus Angst vor Gewittern bei Kai ins Bett kriecht und sich dann noch Sorgen um eine Schildkröte macht. Das ist so niedlich! Aber ich kann echt nachvollziehen, warum Kai sich trotzdem Sorgen macht. Dafür, dass Flo erst vier ist, hat er ganz schön seltsame Meinungen und Ansichten...da kann ja irgendwas nicht stimmen. Kein Wunder, wenn er so einen herrischen, verbohrten Vater hatte. lg, Isi =)
Wieder zwei total schöne Teile. Niki scheint sich erstmal so richtig dran gewöhnen zu müssen, dass Flo so anders ist. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Flo ihm gegenüber auch lockerer wird. Ich freu mich schon auf die Fortsetzung.
Flo kann lesen, mit 4??? Was hat ihm seit Vater noch alles verboten? *grummel* Ich frag mich wie Flo in der Pubertät wird. *hust* Aber ich glaub das Kindheitsalter wird noch lustig werden, vor allem bei den Rennen. Ich dachte erst er vergleicht die Schildkröte mit Niki. *g*
In der Nacht wachte Florian schweißgebadet auf. Kai hatte mehrere Minuten lang versucht, ihn wach zu bekommen und saß jetzt neben ihm. Besorgt strich er ihm die Haare von der Stirn. "Florian, was ist denn mit dir los?" Schluchzend warf der sich in Kais Arme und er hatte alle Mühe, ihn wieder ruhig zu bekommen. Minutenlang redete er auf ihn ein. Eine Viertel Stunde später schluchzte sein Schützling nur noch leise. "Rede mit mir, Flo. Was ist passiert?" Langsam hob der den Blick, senkte ihn dann schnell wieder und schüttelte mit dem Kopf. "Nichts. Albtraum", nuschelte er. Kai sah natürlich sofort, dass sein Freund ihn anlog. Er hatte als Kind auch nicht die Fähigkeiten, die Wahrheit zu verstecken. Aber Kai wollte ihn nicht bedrängen. Also saß er noch eine Weile schweigend neben ihm, streichelte ihm immer wieder sanft über die Haare und über die Wangen, bis der kleine Junge in Florian sich wieder beruhigt hatte. Irgendwann kuschelte Florian sich dann wieder unter die Decke und schloss müde die Augen. "Du kannst mit mir über alles reden, okay?" "Ja." "Wie alt bist du?", fragte Kai leise. "Fünf", nuschelte er und schlief ein. Kai blickte ihn erstaunt an. Die einzelnen Sprünge wurden immer heftiger und nahmen Florian immer mehr mit. Er erlebte die Erinnerungen intensiver. Vielleicht war der Zusammenbruch einfach eine Folge von einem Jahr mit guten und schlechten Erinnerungen. Was genau in Florians Kopf vor sich ging, konnte keiner der Ärzte sagen. Er musste wohl einfach darauf warten, dass sein Freund noch etwas älter war und verstand, was genau mit ihm passierte. Dann würde er mit dieser Überflutung von Reizen wohl auch besser fertig werden.
Oh man, der arme Flo muss ja echt einiges durchgemacht haben! *besorgt guck* Wenigstens hat er Kai, der sich um ihn kümmern kann, während er diese ganzen Sprünge mitmacht und langsam wieder zu seinen Erinnerungen zurück findet. Mach bitte bald weiter, ich bin süchtig wie immer. Klein Flo ist ja so niedlich!
"Hey, Kai, du siehst so müde aus." Heiko und Christian setzten sich zu ihm. "Wo steckt unser Kleiner?" "Morgen." Kai nippte an seinem Kaffee. "Er hat heute Nacht wieder einen Sprung gemacht und ist jetzt fünf. Das ist immer ziemlich viel für ihn. Diese ganzen Erinnerungen, die plötzlich hochkommen." "Er schläft noch?" "Ja. Ich geh auch gleich wieder hoch zu ihm. Wollte nur schnell einen Happen Essen." Heiko senkte etwas die Stimme. "Wie ist das eigentlich für dich, ihn zu betreuen? Ich meine, ihr seid sehr enge Freunde, aber er hat doch jetzt ganz andere Bedürfnisse." Kai grinste. "Klar hat er die. Er ist sehr kuschelbedürftig, was für mich irgendwie ein wenig komisch ist." "Kai, er ist fünf. Natürlich will er kuscheln. Sei froh, dass er dir so sehr vertraut, dass er damit zu dir kommt." Heiko blickte nachdenklich auf den Tisch. "Wenn wir dir irgendwie helfen können, dann sag es." "Ja, sag es ruhig", stimmte Christian schnell zu. "Ihr könnt mir nicht helfen. Und ihm auch kaum. Versucht euch mit ihm anzufreunden, wenn wir bei den Rennen sind. Dann kann ich ihn immer mal in eure Obhut geben und mal ein paar Minuten ausruhen. Vor allem, wenn er älter wird, wird das nötig werden, fürchte ich." Kai konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Ach du meinst, wenn die Hormone angreifen." "Ja. Ich weiß nicht, wie Flo in seiner Jugend war. Er war Sportler und ein guter Schüler, also hoffe ich einfach auf ein gewisses Maß an Selbstdisziplin. Aber letztendlich wird er ein Teenager sein." "Aber nur für ein paar Wochen." "Das ist ein Lichtblick." Kai grinste. "Zumindest will der dann nicht mehr ständig auf meinem Schoß sitzen." Heiko und Christian lachten leise. "Das ist nicht witzig", beschwerte Kai sich. "Er ist ein Kleinkind. Natürlich will er auf deinem Schoß sitzen." Heiko zog einen Schmollmund und sah Kai von unten an. "Er ist doch erst fünf", nuschelte er. Kai lachte bei dem Blick. "Ja, er ist erst fünf. Und trotzdem über 1,90 Meter groß und dementsprechend schwer." Christian hob den Blick und deutete in Richtung Fahrstuhl. "Eindeutig. Da ist dein Pflegekind." Hastig sprang Kai von seinem Sitz hoch, wurde aber wieder ruhiger, als er Florian zwischen Sebastian und Adrian stehen sah, die ihn beide an die Hand genommen hatten und mit ihm redeten. Als er Kai entdeckte, riss er sich von den Fahrern los und kam auf ihn zugelaufen. Lächelnd fiel er ihm in die Arme. Kai streichelt ihm kurz über den Rücken, sah ihn dann aber streng an. "Warum hast du nicht oben gewartet? Ich wäre doch gleich wieder hoch gekommen." "Es war langweilig", beklagte sich Florian. "Da hab ich an der Tür geguckt. Und dann kamen Sebastian und Adrian und haben gefragt, ob ich mit runtergehen will. Und dann bin ich mitgegangen." "Du sollst nicht mit Fremden mitgehen", tadelte Kai streng, strich ihm aber gleichzeitig leicht über die Wange. Er sah die zwei jungen Fahrer an, die jetzt hinter Florian standen. "Danke euch." "Kein Problem. Er ist irgendwie knuffig." Sebastian grinste breit. "Er erinnert mich an meine kleinen Geschwister." "Ich darf mir ihre Autos angucken. Haben sie versprochen." "Dann halten sie das Versprechen auch. Komm, Flo, du musst erst mal etwas frühstücken, sonst bist du viel zu schwach zum Autos gucken." Er nahm die Hand seines Freundes und brachte ihn zum Tisch. Bei einem Kellner orderte er eine Schüssel Cornflakes und einen Teller frisches Obst. Sebastian und Adrian ließen sich mit am Tisch nieder und schlossen sich Kais Bestellung an. Adrian blickte Florian die ganze Zeit an. "Er sieht aus wie immer, aber sobald er sich bewegt oder redet, hat man ein Kind vor sich." Florian zog die Stirn leicht in Falten. "Ich bin doch ein Kind", beschwerte er sich bei Kai. "Natürlich bist du das. Lass dich von den großen Kindern nicht ärgern." Die Jungs lachten. "Du machst dich ganz gut als Papa, wie es aussieht. Florian schwärmt ja richtig von dir." "Ich gebe mein Bestes", nuschelte Kai ein wenig verlegen. "Leute, ich bin euch wirklich unglaublich dankbar, dass ihr euch nicht darüber lustig macht, was passiert ist und dass ihr mir so die Chance lasst, meinem Job normal nachzugehen und mich gleichzeitig um Flo zu kümmern." "Das einzig Witzige ist Florians süßes, unschuldiges, kindliches Verhalten. Und für den Unfall kann er nichts. Wir sind froh, dass er sich wieder ganz erholen wird." Sebastian schob ihm ein Stück Melone von seinem Teller rüber. Florian strahlte ihn an und aß es hastig. "Danke", nuschelte er. "Mit vollem Mund spricht man nicht", erinnerte ihn Kai. "Dasch weisch isch", sagte sein Freund und blickte ihn verständnisvoll aus großen Augen an.
Isch weisch au, dasch man mit follem Mund nisch ischt, aber isch masch troschdem! Awwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwwww. Fünf und schon entdeckt er seine große Klappe. *lach* Wie süß. Ich stell mir das grade vor, wie Flo versucht, bei Kai aufm Schoß zu sitzen...das ist sicher spaßig, vor allem, da Kai ja kleiner ist, wenn ich mich recht erinnere. *lach* Bin mal gespannt, wie das erst an der Strecke wird. lg, Isi =)
Flo ist echt knuffig...wie er an der Hand von Adrian und Seb da steht. *kicher* Je älter er wird, desto "aufmüpfiger" wird er. Und wie er bei Kai auf dem Schoß sitzt....*lach* Freu mich auf nen neuen Teil. *knuddel*
Danke euch *knuddel*. Und danke Nic, die DVD ist angekommen *megafreu* :)
An der Strecke konnte Kai seinen jungen Schützling nicht mehr halten. Der rannte begeistert zwischen den Autos und Garagen herum, was bei einigen der ausländischen Mitarbeiter mit einem Kopfschütteln beobachtet wurde. Natürlich sprach es sich schnell herum, was mit ihm los war. Viele der Mechaniker ignorierten ihn einfach, die deutschsprachigen fanden es lustig, wie der Moderator sich benahm. Spätestens am Nachmittag hatte sich das Lächeln in ein verklärtes Grinsen weiterentwickelt und bei den meisten war der kleine Junge im Körper eins Mannes ein sehr willkommener Gast. Es störte auch niemanden, wenn Kai kurz reinschaute, nach Florian sah und dann wieder verschwand. "Mach dir keine Sorgen", sagte Niki mehrfach. "Die Leute hier sind alle kinderlieb und die sehen in Flo längst nur noch den kleinen Knirps, der nur deutsch kann und eigentlich relativ schüchtern ist." "Schüchtern?", fragte Kai und sah zu Florian hinüber, der aufgeregt um Sebastians Auto lief und zusah, wie der Fahrer angeschnallt wurde. Als Florian plötzlich stehen blieb, sich nach Kai umsah, ihm erleichtert zulächelte und sich dann wieder um das Auto kümmerte, verstand er, was Niki meinte. "Solange du in seiner Nähe bist, ist er fröhlich", bestätigte Niki das dann auch. "Sobald er für einen Moment nicht weiß, wo du steckst, wird er regelrecht panisch." "Das habe ich zu den anderen schon gesagt: Er fremdelt momentan etwas. Kann ich ihn morgen während der Sendung mit dir an einen Tisch setzen? Oder lenkt er dich zu sehr ab?" "Quatsch. Natürlich kannst du das. Aber wie machen wir das mit der Sendung? Wir zwei?" "Ich denke schon." Einer der Red Bull - Mechaniker kam mit Florian an der Hand aus der Garage. "Hier hast du deinen kleinen Schützling wieder. Nicht, dass er noch überfahren wird." "Danke, Clemens. Entschuldigt, wenn er euch stört." "Solange er nicht offiziell für den Sender arbeitet, stört er uns überhaupt nicht. Nach dem Training kann er gern wiederkommen. Wir überlegen schon, ob wir ihn als Maskottchen behalten wollen." Clemens, selbst vierfacher Familienvater, zwinkerte Kai grinsend zu und verschwand dann wieder. "Die sind sooooo nett", schwärmte Florian gedehnt. "Und das Auto ist sooooo toll und Sebastian ist auch sooooo nett." Kai und Niki lachten leise. "Er ist echt niedlich. Schade, dass er diese Begeisterungsfähigkeit irgendwann verloren hat." "Ja. Er ist sehr zurückhaltend als Erwachsener." Kai grübelte und schüttelte dann mit dem Kopf. "Nein, eigentlich ist er es auch als Kind. Sehr lieb, anhänglich. Nur der Rennsport scheint ihm wirklich schon immer im Blut gelegen zu haben." "Ich will auch mal Rennfahrer werden", bestätigte Florian dann auch und hielt sich die Ohren zu, als Sebastians Auto angelassen wurde. Begeistert verfolgte er vor einem Fernseher das Autorennen und ließ sich vom Wirt von Mercedes mit einem großen Eisbecher versorgen, von dem Kai allerdings mehr als die Hälfte essen musste, weil Florian das gar nicht schaffen konnte. Niki amüsierte sich mit seinem Co-Moderator und Florian gewann sehr schnell das alte Vertrauen zu dem Ex-Rennfahrer zurück. Es war also kein Zufall gewesen, dass die zwei sich auf Anhieb so gut verstanden hatten, als sie sich vor Jahren das erste Mal über den Weg gelaufen waren. Florian fragte Niki dann auch über dessen Rennkarriere aus und lauschte begeistert. Bis sie zu Nikis Unfall kamen. Interessiert hörte er Niki zu, wie der von dem Unfall berichtete, von seiner Zeit im Krankenhaus und wie er dann wieder ins Auto gestiegen war. Kai saß daneben und beobachtete Florian. Für einen Fünfjährigen besaß er ein sehr gutes Konzentrationsvermögen. Und er stellte ziemlich gute Fragen. Sein beruflicher Werdegang war ihm also praktisch in die Wiege gelegt worden. "Ich glaub, ich will doch kein Rennfahrer werden", sagte Florian schließlich. Er sah Kai an. "Das ist mir zu gefährlich. Ich gehe lieber zum Fernsehen, so wie du." Kai verzog das Gesicht und legte den Kopf leicht nach hinten. Er stieß einen unartikulierten Laut aus. Niki hingegen lachte amüsiert und sagte: "Ist doch schön, wenn der Kleine ein Vorbild hat. Tut gut, sowas zu hören, mmm?" "Zu gut", gab Kai zu und sah zu Florian hinüber, der ihn aus großen Augen ansah. Er hob die Hand und strich ihm über den Kopf. "Manchmal ertappe ich mich bei dem Wunsch, dass er immer so bleiben soll. Ich entwickle langsam richtige Vatergefühle für ihn." "Du entwickelst langsam…? Kai, ich glaube, du hängst da etwas hinterher. Jeder hier sieht, dass du für ihn nicht nur die Vaterrolle übernommen hast, sondern vor allem, dass er für dich wie ein eigener Sohn ist. Was meinst du, warum hier niemand Witzchen macht? Die haben Angst, dass du ihnen an die Gurgel gehst, wenn sie Flo weh tun." Florian legte den Kopf leicht schief. "Ich bin wie ein Sohn für dich?" Kai nickte ein wenig unsicher. "Sensationell", sagte er und strahlte über das ganze Gesicht.
*schlapplach* SENSATIONELL!!! Ja, so kann man es auch ausdrücken. Und um dich nicht zu enttäuschen: AWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWW!! (#4) Flo an der Rennstrecke ... oh man. Wenigstens ist er so groß, dass er nur schwer zwischen den anderen Leuten verloren gehen kann, sonst hätte Kai da echt ein Problem, denke ich. Das ist total süß, wie Flo sich immer wieder nach ihm umguckt und so aufgeregt durch die Gegend wuselt und Kai Vatergefühle entwickelt ... und wie alle anderen Angst haben, Kai könnte ihnen an die Gurgel gehen, wenn sie was falsches sagen - und dieser Satz hat eindeutig zu viele "und"s.
Ich bin gespannt auf den nächsten Teil. lg, Isi =)
Schön, das die DVD angekommen ist und gefällt.*knuddel*
Das war wieder ein knuffiger Teil. *g* Ich stell mir Flo mit nem großen Eisbecher vor und dann guckt er Kai treuherzig an, weil er den nicht ganz schafft. Und mit Niki versteht er sich prächtig, das ist doch auch hervorragend. Und er hat Spaß an der F1...
Am Abend, Florian lag längst im Bett, saß Kai noch mit den anderen in einem kleinen gemütlichen Raum neben der Lobby des Hotels und besprach die Sendung vom nächsten Tag. An einem anderen Tisch saßen die deutschen Fahrer und unterhielten sich leise. Plötzlich kam Florian im Schlafanzug und barfuss in den Raum getapst. Kai seufzte leise und winkte ihn zu sich. "Was machst du denn hier? Du solltest doch schlafen, sonst bist du morgen zu müde, um die Autos zu sehen." "Ich kann nicht schlafen", nuschelte er und setzte sich zu Kai. Heiko zog seine leichte Jacke aus und reiche sie Kai. Der nahm sie mit einem dankbaren Nicken und hängte sie Florian um die Schultern. "Ich weiß, dass das alles sehr aufregend ist. Aber du musst schlafen, Flo. Kleine Jungs gehören um diese Zeit ins Bett." Florian schmiegte sich gegen ihn und Kai nahm ihn ein wenig unsicher in den Arm. Sein Blick war auf die kleine Bühne gerichtet und auf ein Klavier, was dort stand. "Geht das?", fragte er schüchtern. "Sicher. Warum sollte es nicht gehen? Wollen wir es mal ausprobieren?" "Kommst du mit?" "Natürlich." Aufmunternd lächelte Kai ihm zu. Florian stand unsicher auf und ging auf die Bühne zu. "Keine Sprüche, Leute, sonst erwürge ich euch." Heiko und die anderen Teammitglieder lächelten und hoben abwehrend die Hände. Kai folgte Florian auf die Bühne und stellte sich hinter ihn, als der auf einem Hocker vor dem Klavier saß. Unsicher und vorsichtig drückte Florian auf eine der weißen Tasten. Der Ton schwebte durch den Raum und schien ihn zu erschrecken, denn er zog hastig die Hand weg. Kai setzte sich neben ihn und nahm vorsichtig die Hände seines Freundes. Er führte sie zu den Tasten. "Ich habe keine Noten", sagte er leise und blickte Kai ängstlich an. "Spiel was einfaches. Du kennst doch bestimmt ein Lied, was du auch so hinkriegst." "Mir fällt im Moment nur ein Lied ein… aber das ist ein falsches." "Falsches? Wie meinst du das?" Kai sah, wie Florian mit sich rang. "Weißt du was, spiel einfach. Klimper auf dem Ding, was immer du willst. Das stört hier niemanden." Vorsichtig legte Florian die Hände auf die Tasten und fing zögernd an, ein Lied zu spielen. Es war 'Jingle Bells' und Kai verstand jetzt auch, was Florian mit 'falsch' meinte. Bei fast 20 Grad, die draußen noch herrschten, passte es tatsächlich nicht ganz zur Jahreszeit, aber das war egal. Florian verspielte sich ein paar Mal, aber das lag wohl hauptsächlich an seiner Unsicherheit. Aber er spielte nicht schlecht. Kai fühlte regelrecht eine Art Stolz in sich aufsteigen. Als er sein Team und die Fahrer unten applaudieren hörte, blickte er Florian an. Der musterte die Leute unsicher, lächelte dann aber stolz. Adrian kam auf die Bühne und nahm sich einen Hocker. Er setzte sich neben Florian. "Du bist sehr gut, aber sehr unsicher. Du hast gelernt, nach Noten zu spielen, nicht wahr?" "Ja", antwortete der leise. "Ohne war ich immer besser." Er starrte auf seine Handrücken. "Aber ohne Noten ist es nur…" Adrian legte ihm leicht eine Hand auf den Mund. "Ohne Noten ist es einfach Musik. Musik ist Fühlen, Lachen, Weinen, Tanzen. Dafür braucht man keine Noten. Ich glaube, du kannst sehr, sehr gut spielen." "Ich… ich konnte es mal… Aber dann kamen die Noten und dann…" Vorsichtig schob Adrian seine Hand unter die linke von Florian und spielte ein Lied an. "Kennst du das?" "Ja, das ist 'Für Elise'. Das ist leicht." Florian schloss die Augen und spielte das Lied ruhig und vollkommen fehlerfrei. Adrian legte den Finger auf die Lippen, als die Leute unten wieder applaudieren wollten und sah Kai an. "Komm, lassen wir ihn ein wenig mit dem Klavier allein. Wir sind unten, du kannst dich hier ruhig austoben." Etwas unsicher strich der junge Fahrer Florian über den Kopf. "Du spielst wirklich wundervoll." Florian saß vor dem großen Flügel wie paralysiert. Er hatte die Hände auf den Tasten liegen, tat aber nichts. Kai sah Adrian dankbar an. "Ich habe nicht so einen Draht zur Musik, außer dass ich ständig welche höre. Danke, Adrian." "Wer hat ihn so verwirrt? Wenn er mit fünf Jahren so spielen konnte, warum kriegt er dann ein einfaches Weihnachtslied nicht fehlerfrei hin?" "Sein Vater war ziemlich streng und hat wohl auf Noten bestanden." "Verstehe", sagte Adrian sofort. "Wenn einem ständig jemand über die Schultern sieht und Grenzen setzt, kann man sich nicht entfalten und wird unsicher. Mich wundert nur, wie extrem verunsichert er ist." Er blickte wieder hoch auf die Bühne. "Er ist verdammt gut. Ich wusste nicht mal, dass er es überhaupt kann." "Ich wusste, dass er Töne treffen kann, aber dass er richtig spielen kann, davon hatte ich auch keine Ahnung. Er hatte die Musik eigentlich aufgegeben." Kai sah, wie Florian Tränen über das Gesicht liefen. Er schluchzte leise. Adrian hielt ihn fest, als er auf die Bühne laufen wollte. "Nicht, Kai. Er weiß, dass du hier bist. Lass ihn dort oben mal allein, auch wenn es dir schwer fällt, ihn weinen zu sehen. Musik kann in einem Menschen viel auslösen und es muss nicht unbedingt negativ sein." "Es tut mir weh, wenn er weint." "Ich habe keine Kinder, aber… Ein Fünfjähriger weint schon mal. Das ist nicht das Ende der Welt. Aber er hat vor sich etwas, womit er Gefühle auch rauslassen kann und ich glaube, er möchte das auch." "Wieso seid ihr so verdammt nett und verständnisvoll?", fragte Kai jetzt, als er sich zu den anderen setzte. Die Fahrer saßen mittlerweile bei den Journalisten am Tisch. "Wo bleiben die blöden Kommentare, wenn Florian durch die Gegend flitzt oder wenn ich ihn in den Arm nehme?" "Er ist krank. Und du hilfst ihm, gesund zu werden. Da ist kein Platz für blöde Sprüche." Sebastian grinste. "Die kriegt ihr noch, sobald Flo sich wieder dagegen wehren kann." "Genau." Timo nickte eifrig. "Wir treten nicht auf Leute ein, die am Boden liegen." Kai spürte ein leichtes Brennen in seinen Augen. Dankbarkeit für das Verständnis der Menschen, mit denen er hier schon lange zusammenarbeitete. Doch lange hatte er keine Zeit, denn ein Ton vom Klavier riss ihn aus seinen Gedanken. Florian hatte die Augen geschlossen, auf seinen Wangen glitzerten immer noch Tränen, aber seine Hände glitten über die Tasten. Sicher, als hätte er nie etwas anderes gemacht. "Das ist Mozart", sagte Christian erstaunt. Adrian nickte. "Eine kleine Nachtmusik. Ein sehr schweres Stück. Erst Recht für ein kleines Kind. Und dann noch ohne Noten. Ich bin neidisch." Kai lächelte und lauschte den Tönen, die sanft durch den Raum schwebten. Er sah Florian an, dass der an jemanden dachte bei dem Stück, denn die Mundwinkel seines Freundes waren leicht nach oben gezogen. Er lächelte unendlich traurig und schien sich immer mehr in die Musik fallen zu lassen. Als schließlich der letzte Ton verklang, klatschten die Anwesenden Beifall, selbst die Angestellten des Hotels. "Ich bringe ihn hoch, er ist ziemlich fertig." Kai stand auf und ging zu Florian, der halb über den Tasten hing und immer noch die Augen geschlossen hatte. Er hob ihn vorsichtig hoch und trug ihn in ihr gemeinsames Zimmer. Ganz sanft zog er ihm die Jacke aus, legte ihn ins Bett und deckte ihn zu. "Ich habe noch nie jemanden so schön Klavier spielen hören", sagte er leise. Florian lächelte im Halbschlaf und öffnete einen Spalt breit die Augen. "Adrian ist ein toller Lehrer", nuschelte er. "Und er hat mich nicht ausgelacht." "Niemand hat gelacht, dafür hast du viel zu zauberhaft gespielt." "Ich will nie wieder aufhören", wisperte er gähnend, bevor er einschlief. Kai streichelte ihm sanft über die Wange. "Wenn es nach mir geht, sollst du nie wieder aufhören zu spielen, Flo", sagte er leise. "Ich wollte mich eigentlich nicht in deine Entwicklung einmischen, mein lieber Freund, aber wie es aussieht, muss ich das doch tun. Aber vorher muss ich noch einmal mit deinen Ärzten reden." Er nahm sich fest vor, das am Dienstag zu machen, da hatte Florian sowieso einen Nachsorgetermin. Kai hatte seine Aufgabe eigentlich nicht so sehr im Erziehungsbereich gesehen, sondern einfach in der Betreuung. Er wollte ja nur, dass sein Freund wieder so wurde, wie er es vorher gewesen war. Aber durch die strenge Erziehung seines Vaters schienen Florian einige Türen vor der Nase zugeknallt worden zu sein. Türen zu Welten, in die Kai ihn gern einlassen wollte. Allerdings wollte er ihn auch nicht zusätzlich verwirren und stressen. Also musste er mit seinen Therapeuten sprechen und sie fragen, ob es schädlich sein könnte, wenn Florian jetzt Entscheidungen treffen würde, die ihm vor Jahren anscheinend verwehrt worden waren. "Ja, ich liebe dich wie einen Sohn", gestand er sich selber ein, während er seinen schlafenden Freund beobachtete. "Zumindest das kleine Kind in dir. Und ich will für dich dasselbe, wie ich es mir auch für meine Kinder wünsche. Dass du dich so entwickeln kannst, wie es für dich gut ist und nicht so, wie es irgendwann mal andere Leute für dich entschieden haben."