RE: Zurück auf Anfang - 3

Ich danke euch *knuddel*


Am Samstag, während Kai seiner normalen Arbeit nachging, lief Florian durch die Boxengassenanlage. Inzwischen wusste jeder hier, was mit ihm los war und jeder behielt ihn ein wenig im Auge. Seine kindliche Neugier und sein wacher Geist machten ihn sehr sympathisch. Er blieb eine ganze Weile vor der Mercedesgarage stehen und besah sich die Autos, die von hektischen Mechaniker fertig gemacht wurden.
"Na, Flo? Neugierig wie eh und je?"
Der riss den Kopf herum und sah Norbert Haug an. "J… ja… Herr Haug." Seine Augen waren riesengroß und wachsam.
Norbert lachte leise. "Mein Gott, es ist lange her, dass du mich so genannt hast." Er sah den verständnislosen Blick. "Ist schon gut, Flo."
"Störe ich hier?", fragte er unsicher.
"Nein, nein. Du störst keineswegs. Aber es wird hier gleich sehr laut werden."
"Das macht nichts. Kai hat mir die hier gegeben." Er zog zwei Ohrstöpsel aus der Tasche.
Norbert lächelte zufrieden. "Und er passt gut auf dich auf?"
"Ja."
Das Leuchten und diese tiefe Wärme in Florians Stimme berührten den Mann. "Es ist schön, dass er da ist und für dich sorgt. Aber du solltest dir das Qualifying vielleicht doch nicht von hier ansehen. Komm mit in mein Büro, da ist es leiser und du kannst es auf einem ganz großen Fernseher sehen." Etwas unsicher sah Florian sich um, dann ging er mit dem Mann mit.

Nein, er ist immer noch groß. Der Kleene...



Als das Qualifying anfing, blickte Kai sich suchend nach seinem Schützling um, aber er konnte ihn nirgendwo sehen. Er fragte sich durch, bis einer der Mercedesmechaniker ihm erzählte, dass Norbert Florian mitgenommen hatte. Also begab er sich zum Büro des Mercedeschefs. Leise klopfte er.
"Komm rein, Kai." Norbert sah ihn an und deutete auf das Sofa, wo Florian saß und den Autos zusah, die auf der Strecke ihre Runden drehten. "Ich dachte, er ist hier besser aufgehoben."
"Ich wundere mich, dass er mit dir mitgegangen ist… ach so, ihr kennt euch ja schon von damals."
"Richtig. Ich habe nicht weit entfernt von seinen Eltern gelebt und er kennt mich seit er auf der Welt ist."
Neben Florian auf dem Sofa lag ein Asterix-Heft. "Und du kennst ihn anscheinend sehr genau."
Norbert winkte ab. "Ach komm. Die halbe Formel 1 - Szene weiß, dass er Asterix mag." Grübelnd blickte er zu dem Mann hinüber. "Ich kenne Florian als Kind. Ich weiß, wie er damals war, wie er sich gegeben hat. Und seit du in den Nachrichten erzählt hast, was mit ihm passiert ist, verfolge ich seine Entwicklung."
"Und?" Kai sah ihn unsicher an. Worauf wollte der Mann hinaus?
"Er ist anders als früher. Fröhlicher, offener, neugieriger. Kai, ich weiß nicht genau, wie du mit ihm umgehst und was du tust, aber früher hat eigentlich nie gelacht. Das hast du ihm beigebracht."
Sprachlos blickte Kai Norbert an. Er wusste wirklich nicht, was er dazu sagen sollte. Ihm fehlten, wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben, die Worte. Also ging er zu Florian, der erst jetzt wahrnahm, dass Kai im Zimmer war.
"Guck mal, wie schnell die fahren", teilte er ihm seine Erkenntnis aus 20 Minuten Formel 1 gucken mit.
"Ja, die fahren unheimlich schnell."
"Sebastian ist am schnellsten, sagt Heiko. Gewinnt er?"
Kai setzte sich seitlich auf das Sofa, so dass Florian sich gegen ihn lehnen konnte, was der auch sofort tat. "Das ist kein Rennen, was die heute fahren, Flo. Wer heute am schnellsten ist, der darf morgen von Platz 1 starten. Verstehst du? Sie fahren heute nur darum, wer morgen wo starten darf."
Grübelnd blickte Florian auf den Fernseher. "Ach so." Er wirkte ein wenig enttäuscht. "Dann muss ich noch eine Nacht schlafen, bis ich weiß, wer gewinnt?"
"Richtig."
"Ich will das aber heute wissen", beharrte er.
Kai legte die Arme um ihn und lächelte leicht. "Ob du das willst oder nicht, das Rennen ist erst morgen."
"Menno", brummte Florian leise. "Kann ich ein Eis haben?"
"Nachher, wenn ich fertig bin mit arbeiten. Dann gehen wir wieder ins Hotel und dann kannst du zum Abendbrot auch ein kleines Eis haben."
"Toll." Florian legte seine Hände um Kais rechte und spielte gedankenverloren mit dessen Fingern. "Ich hoffe, Sebastian gewinnt. Er ist sehr nett. Oder Adrian, aber sein Auto ist wohl viel zu langsam."
"Wenn Sebastian morgen gewinnt, kannst du ihm ja ein Bild malen, als Belohnung."
"Das male ich ihm gleich nachher", sagte Florian begeistert.
Kai legte den Kopf leicht schief. "Und wenn er nicht gewinnt?"
Sein Schützling schwieg kurz, bevor er lächelnd sagte: "Dann ist es ein Trostbild."
Norbert saß lachend an seinem Schreibtisch und schüttelte ungläubig mit dem Kopf. Er kannte Kai nun auch schon seit 20 Jahren, aber so eine Feinfühligkeit hätte er ihm im Leben nicht zugetraut. Es sah ein wenig ungewöhnlich aus, die zwei Männer so dicht aneinander gekuschelt sitzen zu sehen, aber sobald Florian sprach, schien aus ihm irgendwie auch optisch ein kleines Kind zu werden und dann war das Bild, was sich ihm hier bot, einfach nur noch perfekt. Kai spürte den Blick und er sah Norbert ein wenig verlegen an. Doch der schüttelte nur mit dem Kopf. "Du tust ihm sehr gut", sagte er. "Es geht ihm sehr gut."
Kai beruhigte es irgendwie, das von jedem ständig zu hören. Er hatte nämlich ständig Zweifel, ob er nicht doch etwas falsch machte.

Danke euch *knuddel* Hier der nächste Teil.


Florian hatte den Rest des Nachmittags mit Malen verbracht, hatte sein Bild auch fertig bekommen und zusammengefaltet. Er steckte es in seine Hosentasche, bevor es jemand sehen konnte. Kai erklärte er, dass es ein Geheimnis sei und dass Sebastian es erst sehen dürfe, wenn er morgen mit dem Rennen fertig sein würde. Obwohl der Reporter schon neugierig war, ließ er Florian seinen Willen, bot ihm aber an, Sebastian das Bild so zusammengefaltet vor dem Rennen zu geben.
"Das muss ich mir noch überlegen", hatte Florian gesagt.
So saßen sie jetzt beim Abendessen. Florian hatte sein Brot bereits hinter geschlungen und erfreute sich jetzt an seinem Kindereisbecher. Heiko und Niki diskutierten über das Qualifying, Kai und Christian über Regeländerungen, die im nächsten Jahr anstehen würden. Norbert saß mit am Tisch und mischte sich je nach Lage der Diskussionen mal in die und mal in jene ein.
Als Florian mit dem Essen fertig war, blickte er sich im Saal um und trat dabei den Blick von Adrian. Der Fahrer deutete auf das Klavier, welches allein und verlassen auf der Bühne stand. Er zwinkerte ihm zu. Etwas unsicher zuckte Florian mit den Schultern, doch als der junge Fahrer ihm aufmunternd zunickte, stand er langsam auf und ging nach vorn.
Heute waren mehr Menschen hier, es war Abendbrotzeit und das Restaurant war ziemlich groß und nahezu voll besetzt. Florian hatte etwas Angst, aber das Klavier zog ihn magisch an und das Lob von Kai am gestrigen Abend klang ihm noch in den Ohren. Er hatte gesagt, dass er noch nie jemanden so schön hatte spielen hören. Kai hatte sich wirklich darüber gefreut. Und Florian wollte ihm einfach eine kleine Freude machen. Vor allem…
"Guck mal, dein Ziehsohn entfleucht", sagte Norbert.
Kai blickte sich um und sah ihn auf die Bühne klettern. Er ging um das Klavier, strich dabei über rechte Kante, bevor seine Hand langsam über die weißen Elfenbeintasten glitt. Genau mit dieser Geste hatte er sich auch gestern hingesetzt, fiel Kai jetzt auf. Ob das irgendeine Bedeutung hatte? Florians Blick schwirrte unsicher über die Menschen im Raum und blieb an Kai hängen. Der lächelte ihm aufmunternd zu. Langsam schloss Florian die Augen, legte seine Hände auf die Tasten und spielte.
Kai kannte das Stück nicht, aber es war ihm auch egal. Er bemerkte, wie die Menschen im Raum fast augenblicklich verstummten und dem Spiel lauschten. Und er spürte, wie ihm jede Note von den Ohren direkt ins Herz drang. Dieses Lied war so unendlich traurig und voller Schmerz, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb. Dann folgten plötzlich wieder heitere Teile, lustige, beschwingte.
Und es war lang. Florian spielte eine Stunde, ohne auch nur ein einziges Mal die Augen zu öffnen. Als er die Hände langsam vom Klavier nahm, brandete Beifall auf. Die Menschen jubelte ihm zu und er schaute sie erstaunt, ein wenig eingeschüchtert, aber vor allem sehr stolz an. Das Team um Kai und die Fahrer standen und jubelten lautstark. Kai saß am Tisch und wischte sich über die Augen. Etwas unsicher und steif verbeugte sich Florian. Dann grinste er und stimmte ein zweites Lied an, was jeder kannte.
"Happy Birthday to you", sang er und blickte Kai schüchtern an. Der starrte mit offenem Mund zurück. Als die Kollegen und einige der anderen Anwesenden mit einfielen, wurde er rot und senkte leicht den Blick. Unsicher und mit einem verlegenen Grinsen blickte er sich um und bedankte sich artig, als das Lied vorbei war.
Florian hopste von der Bühne und lief auf Kai zu, der ihn kurz in die Arme schloss.
"Das war…" Er schwieg und sah in Florians Augen. "Das war unglaublich. Du bist ein wunderbarer Musiker, Flo. Und ich danke dir ganz herzlich. Aber woher wusstest du das?"
Stolz strahlte er Kai an und schmiegte sich dann wieder in dessen Arme. "Der Geburtstagskuchen auf deinem Handy heute morgen." Kai erinnerte sich an die SMS von Nazan. Klar, er hatte das Handy einfach auf dem Bett liegen gelassen. Und die SMS nicht geschlossen. Und sein Freund war nun mal von Natur aus neugierig.
"Danke", sagte Kai noch einmal, während die anderen Florian überschwänglich für seine Leistungen am Klavier lobten.
Adrian kam zu ihnen rüber. "Du bist wirklich unglaublich gut. Meine Güte, das hätte ich dir nicht zugetraut." Er schüttelte verblüfft den Kopf. "Aber was hast du da zuerst gespielt?"
Florian sah ihn an. Er rang nach Worten, die er in seinem Alter einfach nicht finden konnte. "Es… Ich…" Hilfesuchend sah er Kai an.
"Ein Lied, was Flo uns vielleicht in einigen Wochen näher erklären kann." Sanft streichelte er ihm über den Kopf. "Unser kleiner Pianist ist jetzt nämlich sehr müde und muss schlafen gehen."
Erleichtert, dass Kai ihm half, nickte er und gähnte so gekünstelt, dass alle lachen mussten. "Gute Nacht", sagte er und nagte etwas unsicher an seiner Unterlippe. Er hatte den Kopf leicht gesenkt und blickte die Menschen um sich herum aus großen Augen an.
Kai glaubte, von einigen Anwesenden so etwas wie ein langgezogenes 'Aaaaawwwww' zu hören und legte Florian den Arm um die Schulter. "Komm, Kleiner. Ab ins Bett. Morgen wird es sehr aufregend." Sie gingen in Richtung Ausgang.
Kurz bevor sie den Saal verließen, riss sich Florian von Kai los, umarmte Adrian mit einem genuschelten 'Danke' und rannte dann aus dem Saal. Der Fahrer blickte ihm erstaunt und mit offenem Mund nach.
Nach einer Weile sagte er leise: "Ich hoffe, dass ihm das nicht irgendwann leid tut."
"Die Umarmung?", fragte Heiko.
"Auch. Aber ich meine vor allem das Spielen, seine Offenheit, seine Herzlichkeit. Es wäre schön, wenn er etwas davon über die Jahre retten könnte." Er sah sich um und sah von den meisten am Tisch ein zustimmendes Nicken.

Danke schön...


Am Morgen war Florian schon sehr früh aufgewacht und da Kai noch fest schlief, hatte er sich schnell etwas halbwegs normales angezogen und war zum Zimmer von Sebastian gelaufen. Der Fahrer war schon wach gewesen und saß vor dem Fernseher, an welchen er seine Spielekonsole angeschlossen hatte. Er ließ Florian herein und sie spielten eine Weile zusammen.
Kai hatte sich denken können, wo Florian steckte, als er aufwachte und ihn nicht in seinem Zimmer vorfand. Also holte er ihn von Sebastian ab, scheuchte ihn zum Duschen und Zähneputzen und ging dann mit ihm runter zum Frühstücken. Danach fuhren sie an die Rennstrecke.
Florian saß wieder bei Norbert im Büro und versuchte sich an Sebastians Nintendo DS. Norbert sah ihm neugierig über die Schulter. "Pokemon?", fragte er.
"Ja. Sebastian sagt, weil ich schon lesen kann, kann ich das auch spielen. Es ist gar nicht so schwer."
Eine Weile sah Norbert ihm beim Spielen zu, während Kai und Niki auf dem Bildschirm versuchten, die Zuschauer auf das Rennen einzustimmen. Kai begab sich dann in die Startaufstellung und hier wurde Florian dann auch wieder hellhörig. Er legte das Spiel kurz aus der Hand und schaute neugierig auf den Fernseher.
Kai stand vor Sebastian und fragte ihn kurz zum Rennen aus. Am Ende reichte er ihm zögernd ein zusammengefaltetes Blatt Papier. "Das ist von Flo, aber du darfst es dir erst nach dem Rennen angucken."
Sebastian nahm es, schaute es neugierig an und ließ es dann in seinem Ärmel verschwinden. Er zog die Handschuhe an und lächelte in die Kamera. "Danke, Kleiner. Ich fahre auch ganz schnell, damit ich es mir schnell ansehen kann."
Florian strahlte den Fernseher an und widmete sich dann wieder seinem Spiel. Norbert lachte leise vor sich hin und verschwand dann zu seinem Kommandostand. Solange Florian mit dem Spiel beschäftigt war, würde er sich nicht einen Millimeter von dem Büro weg bewegen.

Danke, Isi.


Nach dem Rennen saßen Niki und Kai auf einer Bank im Paddockbereich der Rennstrecke und unterhielten sich über den Ausgang des Rennens und einige spezielle Szenen. Dann begann die Pressekonferenz und der Sender schaltete rüber.
"Guck mal, Flo." Niki deutete auf ihn, als er aus Norberts Büro heraus kam, sich kurz über die Augen rieb und dann umsah.
Kai winkte ihm zu und Florian kam zu ihnen hinüber. "Hast du geschlafen? Du siehst so müde aus."
"Nein, gespielt." Er blickte missbilligend auf den kleinen Monitor. "Ob er es vergessen hat?"
"Nein", sagte Kai nach kurzem Nachdenken. "Er hat es sicher nicht vergessen. Weißt du, Flo, so ein Rennen ist sehr anstrengend und nach dem Rennen müssen die Fahrer erst einmal noch ein paar Dinge erledigen, bevor sie wieder richtig zur Ruhe kommen. Und weil Sebastian das Rennen gewonnen hat, muss er jetzt erst einmal eine Pressekonferenz geben. Aber dein Bild hat er ganz bestimmt nicht vergessen."
Niki wies auf den Bildschirm. "Die PK ist soweit rum."
"Halt mal still, Flo. Das tut nicht weh." Kai drückte Florian einen kleinen Kopfhörer ins Ohr, so dass der mitbekam, was Sebastian sagte, als ein Journalist ihn fragte, ob er noch ein paar Worte in seiner Landessprache sagen wolle.
Sebastian nickte. "Ja, gern. Das war ein wirklich sehr aufregendes Rennen und sehr stressig. Spa ist immer eine Herausforderung, aber gerade deshalb eine meiner Lieblingsstrecken. Und da unser Auto heute so hervorragend lief, hat es wirklich irrsinnig Spaß gemacht." Er wischte sich mit dem Ärmel seines Rennanzugs über das Gesicht und stutzt dann kurz. Mit den Fingern fuhr er unter den Ärmel. "Ich wollte mich bei meinen Fans entschuldigen, weil ich beim letzten Rennen diesen kleinen Aussetzer hatte. Kommt nicht wieder vor." Er hielt jetzt das Bild von Florian in seinen Händen und faltete es langsam auseinander. Sein Lächeln wurde noch breiter, als er es kopfschüttelnd betrachtete. Er lachte hell auf. "Das ist…" Langsam hob er den Kopf und blickte in die Kameras vor sich. "Danke, Flo. Das ist wirklich toll gemalt und du hast vollkommen Recht."
Lewis Hamilton, der zweiter geworden war, verrenkte sich fast den Hals, als er das Bild anschaute. "Cool", sagte er nur und grinste Sebastian an.
"Hellseher", sagte Nico Rosberg von der anderen Seite. "Da schuldest du jemandem ein Eis."
Sebastian lachte. "Das stimmt. Ein Eis hat sich da jemand wirklich mehr als verdient."
Florian strahlte vor dem Monitor mit der Sonne um die Wette. "Ich krieg ein Eis", sagte er stolz. Er blickte Kai an. "Es gefällt ihm."
Kai räusperte sich leise und blickte dann in die Kamera. "Falls Sie, liebe Zuschauer, sich fragen, was auf dem Bild war, kann ich Ihnen darauf leider auch keine Antwort geben. Das wissen nur die drei Fahrer, die in der Pressekonferenz waren und der Künstler." Er deutete auf Florian. Der versteckte sich ein wenig hinter Niki, zumindest versucht er es.
Niki blickte halb über seine Schulter und schüttelte den Kopf. "Vergiss es, dafür bin ich zu klein."
"Ich gehe lieber." Florian verschwand eilig wieder in Norberts Büro.
"Der wird doch nicht ängstlich werden, was Kameras angeht?", fragte Niki besorgt. "Ich habe ja kein großes Problem damit, ein paar Rennen mit dir zu machen, solange Florian sich erholt, aber eigentlich will ich ihn gern als Kollegen zurück haben."
"Er wird schon wieder zurück kommen. Da bin ich mir eigentlich ziemlich sicher. Flo hat mir mal erzählt, dass er es früher nie leiden konnte, fotografiert zu werden. Aber irgendwann muss sich das ja gegeben haben." Er blickte hoch und sah Sebastian auf sich zukommen. "Herzlichen Glückwunsch zum Sieg", sagte er, als der sich zwischen die beiden Journalisten fallen ließ.
"Zeig mal", sagte Niki neugierig und zupfte an dem Blatt herum, welches Sebastian immer noch in der Hand hielt. "Und herzlichen Glückwunsch auch von mir. Und nun zeig doch mal."
Lachend gab Sebastian das Bild an Niki weiter, der es dann Kai reichte. Kopfschüttelnd hob Kai es hoch und hielt es in die Kamera, damit auch die Zuschauer etwas davon hatten. "Er ist fünf Jahre alt… langsam wird das unheimlich."
Auf dem Bild war vorn Sebastians Rennwagen zu sehen, dahinter ein Podest. Und ganz oben stand Sebastian mit einem hübschen Pokal in der Hand und lachte. Darüber stand 'Spa 2010 - Du schaffst das'.
Niki nahm das Bild wieder. "Dass Flo ein absoluter Fan von dir ist, wundert mich nicht. Du kannst gut mit seinem jüngeren Ich umgehen."
"Ich hab drei jüngere Geschwister. Alles gelernt."
"Dass er dir Mut machen will, wundert mich auch nicht. Er ist fünf und heuchelt keine Objektivität. Warum auch? Aber dass er so gut malen kann… meine Güte. Guckt euch mal die Details von dem Auto an. Und Sebastian selber. Dieser Gesichtsausdruck. Und dass er schreiben kann mit fünf, wundert mich jetzt mal überhaupt nicht mehr."
Kai grinste. "Florian ist überdurchschnittlich intelligent. Das habe ich schon gemerkt, als wir uns die ersten paar Mal unterhalten haben. Er ist musikalisch sehr begabt, ebenso wie im künstlerischen Bereich, was er sehr versteckt hat als Erwachsener. Ich kann das nicht verstehen und muss zugeben, dass ich ein wenig darauf hinwirken möchte, dass er das nicht mehr tut."
"Er wird seine Gründe haben", sagte Niki nachdenklich und schaute wieder das Bild an. "Aber die gehen nur ihn etwas an." Damit reichte er es an Sebastian zurück, der es sorgfältig zusammenfaltete und in seine Hosentasche steckte.
"Du hast schon Recht, Niki. Die Gründe gehen nur ihn etwas an. Aber ich spüre, dass es ihm nicht gut geht mit dieser Entscheidung, die er irgendwann einmal getroffen hat. Ich meine, jeder Mensch wünscht sich doch irgendwann in seinem Leben einmal, eine Entscheidung rückgängig machen zu können. Florian hat die Chance dazu, wenn auch nicht das Bewusstsein für diese Chance. Ich möchte ihm nur die Augen öffnen, dass er eine einmalige Gelegenheit hat, die er nicht verstreichen lassen sollte."
"Und wenn er sich wieder so entscheidet?", fragte Sebastian nachdenklich.
"Dann muss ich es akzeptieren." Kai presste kurz die Lippen zusammen. "Aber jetzt genug von Flo. Kommen wir mal zu dir und damit wieder zurück zum Sport."

Danke dir *freu*. :) Die Story wird eindeutig die Story mit den meisten aaaaawwwwwwws :)


Mit seinem Ziehsohn war Kai am Montag nach Köln zurück gefahren. Er hatte die Wäsche gemacht, während Florian im Wohnzimmer gesessen und gespielt hatte. Am Dienstag waren sie dann gemeinsam ins Krankenhaus gefahren. Hier sprach Kai mit Florians Psychologen, während zwei andere Ärzte sich dessen Kopf genau ansahen.
"Ich verstehe, was Sie meinen. Natürlich habe ich Ihre Sendung verfolgt, schon aus Interesse an meinem Patienten. Aber ich muss eigentlich der allgemeinen Meinung zustimmen. Florian wirkt auf mich sehr ausgeglichen und fröhlich. Gute altersgerechte Entwicklung könnte man es nennen."
"Wann kann ich ihm erklären, was mit ihm los ist?"
"Ich denke er wird so zwischen zehn und zwölf selber danach fragen. Da wird er sich seiner selbst sehr viel bewusster werden. Erklären Sie ihm, was passiert ist und wenn er will, dann lassen Sie ihn einfach noch Kind sein. Er scheint das sehr zu genießen." Der Arzt legte die Fingerspitzen aufeinander. "Vorhin bei unserer Unterhaltung meinte er, dass er sich sehr wohl fühlt. Ich habe ihn nach seinen Wünschen gefragt und er hat kurz überlegt und wollte dann einen Lutscher. Wenn er weiter keine Wünsche hat, ist das ein gutes Zeichen."
"Aber er hat doch während seiner Kindheit eine gewissen Entwicklung durchlaufen. Was ist, wenn man ihm jetzt die Chance gibt, Entscheidungen zu widerrufen oder andere zu treffen?"
Interessiert lehnte der Arzt sich vor. "Was genau meinen Sie, Herr Ebel? Können Sie mir ein Beispiel dafür geben?"
Kai erläuterte ihm Florians strenge Erziehung und sein unterdrücktes Interesse im künstlerischen Bereich. "Sein Vater war wohl der Meinung, man kann etwas entweder meisterhaft oder man lässt es sein."
Dem Arzt ging ein Licht auf. "Ach so. Das Bild für Sebastian Vettel. Es war wirklich eine beeindruckende Leistung für einen Fünfjährigen. Und Sie überlegen jetzt, ob es ihm schaden würde, wenn man ihn in die Richtung ermutigt, wo er es doch gewohnt ist, seinen Träumen nicht nachzugehen."
"Genau." Kai zuckte mit den Schultern. "Er soll glücklich sein, sich entfalten können."
"Sie denken wie ein Vater. Was ist eigentlich mit seinen Eltern, außer dass sie streng waren? Sie könnten ihn doch groß ziehen."
Eine ganze Weile rang Kai mit sich, dann senkte er den Blick. "Florian bleibt bei mir. Da ist er besser aufgehoben."
Schweigend blickte der Arzt ihn an, wartete auf weitere Erklärungen, aber die kamen nicht. Also sagte er abschließend: "Sie haben pro Entwicklungsjahr nur eine Woche, maximal eine Woche. Sie können ihn eh nicht verändern. Und wenn Sie ihn jetzt ein wenig ermutigen, seine Träume noch einmal aufzunehmen, dann wird ihm das sicher nicht schaden. Sie sind ja für ihn da, wenn er reden will."
"Das bin ich. Hat man ja im Fernsehen gesehen."
"Ich finde es faszinierend, wie nett die Leute bei der Formel 1 mit ihm umgehen. Also zumindest das, was man im TV gesehen hat. Es ist schön, dass er eine Arbeitsstelle hat, wo man ihn auch in seinem derzeitigen Zustand einfach hinnimmt."
Kai kratzte sich leicht am Hinterkopf und nickte: "Ich bin selber ein wenig erstaunt. Aber Florian verhält sich so niedlich, dass bei den meisten wohl Elterngefühle aufkommen, sobald sie kurz mit ihm reden. Er ist vollkommen hilflos und die Szene ist eigentlich sehr kinderlieb. Auch wenn das Kind aussieht wie ein 43-jähriger Moderator." Er seufzte leise, als die Tür aufging und Florian ins Zimmer stürmte. Er hatte einen Lolly im Mund und grinste breit. "Fertig?"
"Ja", nuschelte er.
"Und was sagt der Doktor?"
"Dass ich wieder gaaaaanz gesund bin."
Kai stand auf und reichte ihm die Hand. Florian legte seine Hand in die seines Betreuers und hielt ihm den Lolly hin. "Iss ihn mal selber", sagte Kai lächelnd. "Auf Wiedersehen, Doc."
"Tschüß", sagte Florian und winkte über seine Schulter. Dann zog er Kai aus dem Zimmer und bettelte, dass er noch Süßigkeiten kaufen wolle.