Jaja, Taschentuchalarm . Aber es muss ja ´nen Grund haben, warum Gerrit einfach so einen Menschen abknallt und der kommt hier:
“Gerrit, komm, du weißt, dass Mom es hasst, wenn wir zu spät zum Weihnachtsessen kommen.” Katelyn stand am Fuß der weißen Treppe, die in den oberen Stock des Hauses führte. Sie war ungeduldig und blickte auf ihre Uhr. Plötzlich zuckte sie zusammen und strich über ihren Kugelbauch. Sie war jetzt Ende des sechsten Monats und fragte sich ernsthaft, wie sie noch die restlichen Wochen durchhalten sollte. “Ich komme gleich”, rief Gerrit von oben und steckte den Kopf zur Badezimmertür hinaus. Er hatte noch nasse Haare und hielt einen Föhn in den Händen. “Nur noch kurz trocken föhnen, dann bin ich fertig, Schatz.” “Du bist eitler als jede Frau”, schimpfte Katelyn nicht ganz ernst gemeint und warf sich ihren Mantel über. “Ich gehe schon raus. Es ist so schön draußen, es schneit so selten in London.” “Sei vorsichtig, nicht, dass du noch ausrutschst.” “Ja, Daddy.” Sie lachte und ging hinaus auf den Bürgersteig. Sie blickte kurz zum Badfenster im oberen Stock hoch. Es brannte Licht, also war Gerrit noch drin. Dann sah sie die Straße entlang, wo ein hübsches Einfamilienhaus neben dem nächsten stand. Überall war es weihnachtlich geschmückt, die Menschen empfingen Freunde und Verwandte, man aß, lachte, sang Weihnachtslieder und tauschte Geschenke aus. Katelyn strahlte vor Glück und legte die Hände auf ihren Bauch. “Nächstes Jahr kannst du mitfeiern, Kleiner.” Ein Auto kam die stille Straße entlang. Es hatte die Scheinwerfer aufgeblendet, fuhr aber sehr langsam. Katelyn sah es an, es schien ein Haus zu suchen, vielleicht Verwandte eines Nachbarn, die zum ersten Mal hier waren. Sie hatte die Augen etwas zusammengekniffen, um nicht geblendet zu werden. Ein Londoner Kennzeichen. Sie wunderte sich, aber vielleicht waren die Leute erst vor kurzem hergezogen. Sie zuckte mit den Schultern und blickte wieder hoch zum Fenster. Das Licht war aus, Gerrit war also endlich fertig und auf dem Weg nach unten. Der schwarze Wagen mit Londoner Kennzeichen war jetzt auf Höhe der Frau. Sie blickte ihn an, vielleicht hielt der Fahrer, um nach dem Weg zu fragen. Wenn es hier in der Nähe war, würde sie ihm helfen können. Sie kannte ihre Stadt. Die Scheiben waren abgedunkelt, so dass sie nichts vom Inneren oder den Insassen sah. Langsam und lautlos glitt die Scheibe nach unten, nur einen Spalt breit. Die Mündung einer Waffe wurde durchgeschoben. Bevor die entsetzte Frau in irgendeiner Weise reagieren konnte, blitzte das Mündungsfeuer auf. Ein gedämpfter Schuss hallte durch die stille Straße. Katelyn brach zusammen. In diesem Moment öffnete Gerrit die Haustür. “Sorry, Schatz, dass…” Die Worte blieben ihm im Hals stecken, bei dem Anblick, der sich ihm bot. Er sah seine Frau auf dem Boden liegen, Eine Blutlache breitete sich vor ihr im Schnee aus. Der Wagen fuhr an, die Scheibe schloss sich. Aber für einen kurzen Augenblick sah Gerrit im Aufflammen eines Feuerzeugs ein Gesicht. Ein Gesicht, welches er in seinem ganzen Leben nicht mehr vergessen sollte. Das Gesicht seines ehemaligen Partners Gordon Welch. Er riss seine Waffe aus dem Holster und wollte dem Wagen ein paar Kugeln nachjagen, sah aber die Sinnlosigkeit dieser Idee, steckte die Waffe wieder weg und zog sein Handy aus der Tasche. Er rief einen Notarzt, während er auf Katelyn zulief. “Schatz, halte durch”, sagte er leise und zog sie auf seinen Schoss. Ihr Kopf rollte zur Seite, ihre Augen waren halb geöffnet, Blut lief aus ihrem Mundwinkel. Gebrochen starrte sie ihn an. “Nein, Katy, bitte tu mir das nicht an”, schrie Gerrit verzweifelt. “Bitte nicht.” Er beugte sich über sie, strich über ihren Bauch. “Nimm nicht unseren Sohn mit dir, mein Engel. Ich würde es nicht ertragen, euch beide zu verlieren.” Schluchzend saß er auf dem kalten Boden. Der Krankenwagen kam, 20 Minuten später. Man versuchte, das Kind zu retten, aber es war von der Kugel getroffen worden und wahrscheinlich im selben Moment gestorben, wie seine Mutter. Gordon Welch hatte mit einem einzigen Schuss drei Menschen getötet, denn auch Gerrit war nicht mehr am Leben. So meinten es zumindest die Psychologen, die ihn nach dem zweiten Selbstmordversuch untersuchten und behandelten. Anfangs stellten sie ihn mit Psychopharmaka ruhig, als sie die Tabletten absetzten, hatte sie einen völlig neuen Patienten vor sich. Gerrit war völlig emotionslos geworden. Getrieben von seinem verzehrenden Wunsch nach Rache erledigte er die Aufträge seines Auftraggebers schnell und präzise und suchte danach wieder nach Welch. Aber der Mann war untergetaucht und niemand wollte Gerrit glauben, dass der ehemalige Agent mit dem grausamen Mord zu tun hatte. Niemand. Für seine Vorgesetzten war Gerrit ein unersetzbarer Agent, ein eiskalter, emotionsloser Killer, der nichts fürchtete, weder den Tod, noch die Folter, wenn er in Gefangenschaft geriet. Er schien jede Art von Schmerz zu genießen, die ihm zugefügt wurde. Nur dann schien er zu spüren, dass er überhaupt noch lebte. Er war aber gerade dadurch auch ein Risiko, da er niemanden an sich ranließ und nur für den Moment der Rache lebte. Immer mehr geriet er mit Morgan in Konflikte und es gab bereits Leute, die Gerrit ausschalten wollten.
Zitat von smilee_lady1988Ich muss zugeben, diese Geschichte gefällt mir fast noch mehr, als Hexenjagd.... Sie ist einfach genial!!!
Also ich find beide gleich gut! Diese hier braucht auf jedenfall den Vergleich mit deinem Meisterwerk nicht zu scheuen! Sie ist selbst eins! Wie Du alles beschreibst...Einfach WAHNSINN!*gähnsehaut bekomm*
Danke für die Kommis und hier der letzte vorgeschriebene Teil:
Doch das hatte er mit dem Mord an Gordon Welch selber getan. Jetzt stellte sich niemand mehr vor ihn, keiner half ihm mehr, keinen würde es wundern, wenn doch jemand den Befehl erließ, den Mann zu eliminieren. Aber soweit kam es nicht, denn Morgan Finch fand einen Platz, wo er Gerrit loswerden konnte und ihn gleichzeitig auch aus der Schusslinie brachte. Als Gerrit am Morgen mit nassen, dreckbeschmierten Sachen vor ihm saß, wies er ihn an, sich umzuziehen. Er tat es widerspruchslos. Die Sachen, die er noch im Spind des Hauptquartiers hatte, streifte er über und ging wieder ins Büro. Er hörte das Tuscheln, sah die mitleidigen, aber auch die verkniffenen Blicke der ehemaligen Kollegen. Wütend warf er die Tür zu und ließ sich in den weichen Sessel fallen, der vor Morgans Schreibtisch stand. “Ich habe mit einem ehemaligen Leiter eines unserer Ausbildungscamps gesprochen. Er ist Georgier und arbeitet jetzt als Staatsanwalt in München. Sein Name ist Sewarion Kirkitadse. Du wirst von mir jetzt ein Ticket und einen Schlüssel zu einer Wohnung bekommen. Ab Monatag wirst du in München arbeiten, als Kriminalpolizist. Aber reiß dich zusammen.” Mit diesen Worten schob Morgan ein Flugticket, einen Personalausweis und einen Schlüssel zu Gerrit hinüber. Der nahm den Ausweis. Gerrit Grass, Geburtsort München. Er war jetzt also Deutscher. “Hab ich eine Vergangenheit?” “Du bist in München geboren worden, hast aber eine Zeit lang in England gearbeitet und studiert. Jetzt bist du halt wieder zurückgekommen.” “Weiß Kirkitadse, wer ich bin?” “Er ist über alles unterrichtet und wird dich gern aufnehmen. Er hat eine Ader für gefallene Leute. Aber er ist streng. Halte dich an seine Anordnung. Melde dich vor Dienstantritt bei ihm.” Morgan sah ihn an. “Deine Wohnung ist bezahlt. Für ein Jahr. Bis dahin hast du dich hoffentlich so eingelebt, dass du alles selber finanzieren kannst. Und jetzt geh. Unten wartet ein Wagen, er wird dich zum Flughafen bringen.” Gerrit nahm die Sachen, stand auf und ging. Als er in den Aufzug stieg, wusste er, dass er eben seine gesamte Vergangenheit und seine gesamte Identität verloren hatte.
Freut mich, dass sie so gut ankommt. Danke den fleißigen Kommi-Schreibern und hier ein neuer Teil:
Das Flugzeug landete auf einem Airport, der von der Sonne erhellt wurde. Gerrit ging, nachdem er ausgestiegen war, durch die Halle und sah sich um. Lachende Menschen, hektische Reisende aus aller Welt, alles war so verdammt normal. Er ging zu einem Taxistand und nannte dem Fahrer die Adresse. Der fuhr ihn zu seinem neuen Zuhause. Dort angekommen, betrat er seine Wohnung. Ein Tisch, ein Sofa im Wohnzimmer, eine Küche, komplett eingerichtet, ein Schlafzimmer, ein Bad und ein Arbeitszimmer. Es war nicht luxuriös, aber sauber und ordentlich. Er blickte auf den Tisch, wo etwas lag. Ein Umschlag. Er riss ihn auf. Geld, ein Fahrerlaubnis für Deutschland, die Papiere für einen Wagen. Er zählte das Geld. Zehntausend Euro. Damit würde er sich eine Grundausstattung kaufen können. Er sah sich die Wagenpapiere an. Ein Skoda, zwei Jahre alt. Die Daten des Wagens sahen okay aus. Er sah in den Umschlag, wo noch etwas war. Eine Karte von München. Er öffnete sie und sah 3 rot eingekreiste Punkte. Seine Wohnung, die Staatsanwaltschaft und das K11, wo er demnächst arbeiten würde. Gerrit tat das, was er am besten konnte. Handeln. Er prägte sich den Weg ein und setzte sich in den Wagen. Er fuhr direkt zu Staatsanwalt Kirkitadse, denn er wusste, dass er nach wie vor unter Beobachtung stand. Man würde in London auf den Anruf des Staatsanwaltes warten. Er fragte sich im Gebäude durch und stand schließlich vor dem Büro des Mannes. Er sah an sich hinab. Zerknitterte Sachen, Turnschuhe. Er fuhr über seine Wangen und sein Kinn, spürte den Zwei-Tage-Bart und grinste. Er sah aus wie ein besserer Penner, nicht wie ein Kommissar. Er hob die Hand und klopfte. Er wurde hereingebeten und trat in den Raum. Hell und freundlich, aber es sah doch sehr nach studiertem Besitzer aus. Gerrit grinste innerlich, behielt nach außen hin aber sein Pokerface auf. Der Mann am Tisch blickte kurz auf. “Herr Grass, setzen Sie sich. Ich habe Sie bereits erwartet.” Gerrit nahm Platz und sah ihm zu, wie er sich einige Dinge notierte und schließlich die Akte schloss, die vor ihm lag. Er blickte wieder hoch und fixierte ihn. “Ich kenne Ihre Vorgeschichte und bedaure die Tatsache, dass Ihre Frau und Ihr Kind starben und ich weiß von der Elimination, die Sie auf eigene Faust durchgeführt haben. Der MI:6 gibt nicht gern Fakten preis, aber ich verstehe auch nicht ganz, warum man gegen Welch nicht eher vorgegangen ist und ich verstehe durchaus Ihre Ungeduld. Aber Sie sehen sicher auch ein, dass Sie momentan für den Geheimdienst ein Sicherheitsrisiko sind.” “Ich bin nicht verrückt, Mister Kirkitadse”, sagte Gerrit wütend. “Herr”, verbesserte der. “Gewöhnen Sie sich daran. Und ja, dessen bin ich mir durchaus bewusst, sonst würde ich Ihnen keinen Posten als Kommissar anbieten. Aber ich erwarte von Ihnen Gehorsam, Fleiß und Disziplin. Es sind Tugenden dieses Landes, die ich im Laufe der Jahre durchaus schätzen gelernt habe.” Gerrit sah den Mann an. Er war nicht leicht zu durchschauen, aber er schien ihm das Leben nicht schwerer machen zu wollen, als es ohnehin schon war. Er nickte. “Ich werde mich an die Anweisungen halten. Die Wohnung ist übrigens toll.” “Freut mich. Ich habe sie persönlich ausgesucht und hatte gehofft, dass sie Ihnen zusagt. Sie können selbstverständlich jederzeit umziehen, aber teilen mir das sofort mit.” “Nein, ich denke, ich bleibe da.” Er blickte aus dem Fenster. “Das Wetter ist besser als in London.” Der Mann sah sich um und nickte. “Vielleicht kann die Münchner Sonne ein wenig von den Schatten vertreiben, die um Sie herumschwirren, Gerrit.” Er sah ihn ernst an. “Ihr Kollegen heißen Michael Naseband und Alexandra Rietz. Sie sind offen, nett und sehr umgänglich. Sie werden ihnen nicht sagen, wer Sie sind, woher Sie kommen und so weiter, verstanden?” “Natürlich.” Er schob Gerrit einen Hefter zu. “Hier ist Ihr Lebenslauf und auch Ihr Dienstplan. Lernen Sie den Lebenslauf und kommen Sie am Montag nicht zu spät ins Büro.” “Verstanden.” Kirkitadse lehnte sich zurück. “Noch Fragen?” “Wie kommen Sie hierher? Morgan sagte, Sie seien früher Ausbilder gewesen.” Der Mann lächelte. “Ja und ich hatte durchaus auch eigene Ideen. Leider passten die nicht zu denen meiner Vorgesetzten. Also schickte man mich weg. Ich verließ das Land und landete nach einer Umschulung und Ausbildung hier.” Erstaunt blickte Gerrit sein Gegenüber an. “Das hier ist ein Strafposten? Sie sind auch ein Ausgestoßener?” “Ja, genau wie Sie. Aber ich habe hier eine Heimat gefunden und eine Frau, die ich liebe. Ich fühle mich wohl und werde hier auch den Rest meines Lebens verbringen. Sollen andere die jungen Leute ausbilden, die die Welt retten, ich kümmere mich um die Verbrechen in dieser Stadt, das ist auch eine Menge zu tun.” Ein Lächeln huschte über das bis dahin trübe Gesicht des Ex-Agenten. “Ich hoffe, dieses Glück habe ich auch.” Damit stand er auf. Kirkitadse erhob sich ebenfalls und reichte ihm die Hand. “Herzlich Willkommen beim K11.” “Vielen Dank.” Und der Dank kam durchaus von Herzen.