Gerrit hatte die Namen auf der Liste inzwischen in den Computer eingescannt. Er ließ sie durch ein Suchprogramm laufen. Bei einem Namen erschien eine Akte auf dem Bildschirm. “Gregor Meisner. 35, Kampfsportlehrer, derzeit arbeitslos. Vorbestraft wegen Einbruchs, Diebstahls, schweren Diebstahls, Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung mit Todesfolge.” “Unser Dieb?” “Bestimmt. Die anderen sind mittelgroße Fische, denen es hier in Deutschland wohl zu heiß geworden ist. Sie wollten sich absetzen, ohne an der Grenze erkannt zu werden.” Michael brummte etwas. “Aber Meisner? Warum hat der sich behandeln lassen? Das ist doch nun echt kein großer Fisch in dem Sinne.” “Hier. Er hat auch mal was mit Drogen zu tun gehabt. Hat wohl Leute bewacht, die das Zeug geschmuggelt haben.” Gerrit hackte auf der Tastatur herum. “Ich lass ihn mal über den Rechner vom Yard und vom MI:6 laufen. Vielleicht haben er und Marsh ja was miteinander…” Seine Augen wurden groß. “Was?” Alex trat hinter ihn und blickte ihm neugierig über die Schultern. “Du bist im falschen Land. Da steht CIA.” “Ich weiß”, knurrte Gerrit und überflog eine Akte. “Was steht da?”, fragte Michael. Alex zuckte mit den Schultern. “So schnell lesen kann ich nicht.” “Das ist der Bericht über eine Razzia in Dallas. Dabei wurden Dokumente gefunden, Frachtpapiere. In einigen medizinischen Geräten, die von London nach Argentinien geliefert wurden, waren Geldbündel. Viele Geldbündel.” “Drogengelder?”, vermutete Alex. “Ja, man nimmt es an.” Wieder hackte Gerrit auf der Tastatur herum. “Die Geräte gingen an ein Krankenhaus mitten im Nirgendwo. Und dieses Krankenhaus wird geleitet von… Delmaro.” Gerrit ballte die Hände zu Fäusten. “Die Geräte stammten aus einer Spende von einem Krankenhaus. Die Spendeaktion wurde von Gregory Marsh ins Leben gerufen.” Er ließ den Kopf auf seine Hände sinken. Alex strich ihm sanft über den Nacken. “Komm runter, Gerrit. Ganz ruhig bleiben.” “Ruhig?”, fragte er leise. “Scheiße. Verflucht noch mal, wieso haben wir Marsh nicht festgehalten?” “Weil wir keine Handhabe gegen den Mann hatten.” Kirkitadse stand in der Tür. “Ich hatte gerade ein längeres Gespräch mit Morgan. Er war sehr interessiert an den neuen Hinweisen. Er sagt, Marsh ist in London und bereitet sich wohl auf einen Umzug vor. Er will wohl nach Argentinien.” “Nimmt das MI:6 ihn fest?” “Nein.” “Was?”, fragte Michael aufgebracht. “Warum nicht? Zumindest wegen der OPs hier in Deutschland kriegen wir ihn ran.” “Nein, so arbeiten die Geheimdienste nicht, Micha. Die wollen die ganz großen Fische. Marsh ist nur ein kleiner Arzt. Die wollen Delmaro.” “Richtig, Gerrit.” Kirkitadse schob ihm einen Briefumschlag zu. “Morgan möchte mit dir sprechen. Persönlich.” “Wie…?” Mit zitternden Fingern öffnete er den Umschlag. Flugtickets nach London. Drei Stück. Langsam hob er den Blick. “Du fliegst nach London. Dort wirst du vom MI:6 einen Auftrag erhalten. Für diesen Auftrag wirst du vollkommen rehabilitiert. Danach wirst du freiwillig kündigen und damit auch dein Recht wiedererhalten, dir einen eigenen Job zu suchen und zu reisen. Frau Rietz und Herr Naseband werden dich begleiten und aufpassen, dass du nicht über das Ziel hinausschießt. Wir wollen Delmaro. Lebend.”
Vielen Dank für die Kommis und hier noch ein Teil:
Im Flugzeug kam Gerrit langsam wieder zu sich. Er konnte es kaum glauben. Er saß tatsächlich in einem Flugzeug nach London. London. Katelyn. Er würde sie wieder sehen, zumindest ihr Grab. Er konnte sie wieder regelmäßig besuchen, wenn der Auftrag geschafft war, konnte vielleicht wieder in London leben, ihr nah sein. Sein Blick glitt nach unten, wo Alex ihre Hände in seinen Schoß gelegt hatte. Sie lehnte gegen ihn und schlief. Die vergangenen Tage waren so hektisch gewesen, dass die drei Kommissare kaum Zeit zum Atmen gehabt hatte. Sie mussten packen, noch etwas Englisch lernen, wobei Gerrit sich als sehr guter Lehrer erwies. Dann waren sie zum Flughafen geflogen und in die Maschine gestiegen. Hier hatte Michael erst einmal festgestellt, dass sie nach Argentinien mussten und dass das eigentlich nicht zu seinem Job gehörte. Nach der Aussicht auf eine hübsche Stewardess befand er allerdings, dass das gar nicht so schlimm sei. Alex freute sich darauf, Gerrits Heimat und seinen eigentlichen Beruf kennen zu lernen. Sie hatte auch gemerkt, dass er sehr ruhig geworden war. Sie spürte, dass es an seiner Frau lag und sie nahm sich vor, ihm in dieser Hinsicht nicht im Weg zu stehen. Gleichzeitig hatte sie Angst, ihn an sie zu verlieren. Auch wenn sie versuchte, sich das schleunigst wieder auszureden, ein Funke Sorge blieb. Gerrit legte den Arm um Alex, die sich daraufhin dichter an ihn schmiegte. Er spürte ihre Angst, ihre Sorge. Er sah es ja auch jedes Mal, wenn er sie ansah. Seit er wusste, dass er nach London zurückkehren würde, wurde ihm mehr und mehr bewusst, wie ähnlich Alex Katelyn sah. Er seufzte innerlich.
“Cool. London.” Michael sah sich um. “Sieht aus wie München, nur etwas… britischer.” Gerrit lachte leise. “Stimmt ja auch”, sagte er. Er wies auf ein Restaurant. “Geht da rein. Es ist günstig, lecker und wird von einem Stuttgarter geleitet. Der wird sich freuen, wenn er mal wieder Deutsch reden kann.” “Und du?”, fragte Alex. “Ich fahr zu Finch.” “Warum können wir da nicht mit?”, fragte sie empört. Michael lachte. “Frauen. Weil Morgan Finch ein hohes Tier beim britischen Auslandsgeheimdienst ist und nicht begeistert wäre, wenn wir wüssten, wo die ihre Zentrale haben.” Beleidigt verschränkte Alex die Arme vor der Brust. “Pah.” Gerrit lächelte sie an und strich ihr zärtlich über die Wangen. Er hob ihren Kopf, küsste sie innig und verschwand im Gewühl. “Sollen wir ihm folgen?”, fragte Michael. “Nein. Lass uns was essen gehen.” Sie sah ihm traurig nach. Zusammen betraten sie das Restaurant, welches aus kleinen gemütlichen Nischen und einer Bar bestand. Sie setzten sich an die Bar. Ein Mann mit Halbglatze und einer goldenen Brille kam zu ihnen. “Was kann ich für Sie tun?”, fragte er. Der Akzent verriet ihn als den Mann, den Gerrit erwähnt hatte. “Eine Cola und die Karte”, sagte Michael grinsend. “Oh, Landsleute. Peter Kalaber mein Name, mir gehört der Laden.” Er schüttelte Michael und Alex die Hände, die sich vorstellten. “Woher wisst ihr von meinem Laden? Ich mach doch in Deutschland gar keine Werbung.” “Ein Kollege, der jahrelang hier gelebt hat, hat uns hierher geschickt.” “Ach.” Der Mann war hoch erfreut. “Das ist gut.” Er ließ die beiden in Ruhe, die sich etwas zu Essen aussuchten und sich dann in eine der Nischen zurückzogen. “Du siehst traurig aus, Alex.” “Es ist nichts”, sagte sie leise. “Lüg mich nicht an. Dann sag lieber gar nichts.” Sie hob den Blick. “Ach Micha, ich hab Angst, Gerrit zu verlieren.” “Er wird Katelyn nie vergessen, nie verlassen, das weißt du. Aber das hat doch nichts damit zu tun, dass er dich liebt.” “Und wenn er mich nur liebt, weil ich ihr so ähnlich sehe?” “Nein, Alex”, sagte Michael ernst. “Wenn es dein Aussehen wäre, dann wärt ihr seit zwei Jahren zusammen. Er liebt dein Wesen, deinen Humor, deine Intelligenz.” Alex lachte. “Ist ja gut. Ich glaube dir ja.” “Sicher? Ich kann noch weiter machen.” “Nein, danke.” Sie streichelte ihm über die Hände. “Danke, Micha.” “Keine Ursache. Dafür hat man doch Freunde.”
Danke für die Kommis. Ich wünsche allen Lesern ein tolles 2008 und viel Gesundheit im neuen Jahr.
Gerrit hatte es binnen einer dreiviertel Stunde geschafft, bei seinem ehemaligen Chef im Büro zu stehen. Der freute sich sichtlich, dass Gerrit sich so gut gehalten hatte. “Sewarion hat mir immer wieder mitgeteilt, wie du dich machst. Du hast dich in München anscheinend gut eingewöhnt.” “Ja”, sagte er. “Auch wenn ich irgendwie noch eine Bindung zu London habe.” “Vielleicht liegt es daran, dass wir dir nie die Chance gegeben haben, dich von dieser Stadt zu verabschieden.” Er senkte den Blick. “Und von deiner Frau.” Gerrit nickte. “Vielleicht. Ich werde nachher noch einmal zum Friedhof gehen.” Dann sah er seinen Chef an. “Also, was genau soll ich machen? Wieso habt ihr mich zurück geholt.” “Du hast Delmaro früher schon öfter observiert, dich mit ihm und seiner Organisation befasst. Wir sind der Meinung, du kommst am nächsten an ihn ran und kannst ihn und den Doktor überführen. Bring uns Beweise, nimm sie beide fest.” “Delmaro wird nicht einfach mitkommen.” “Das weiß ich, Gerrit. Darum bekommst du deine alten Rechte und deinen Status zurück. Du bist ab jetzt wieder ein offizieller Agent.” “Und Micha und Alex?” “Sie sollen dich davon abhalten, wieder in dein altes Muster zu verfallen. Sewarion meint, die beiden schaffen das.” “Sie sind verdammt gute Polizisten, aber sie spielen nach anderen Regeln als Delmaro. Es ist verdammt riskant. Ich kann sie nicht 24 Stunden am Tag schützen.” “Gerrit, beruhige dich bitte. Wenn eine Gefahr für sie bestehen würde, die nicht auch in ihrem normalen Berufsalltag bestünde, dann hätte Sewarion sie nicht mitgeschickt. Und dann würde der MI:6 es nicht gestatten, dass sie dich begleiten. Aber dich allein zu schicken…” “Ihr vertraut mir nicht, nicht wahr?” “Nein. Daran bist du selber Schuld.” Gerrit schluckte hart. Wütend sah er Morgan Finch an. “Hier ist meine Kündigung. Tragen Sie das Datum ein, sobald ich Delmaro habe.” “Du willst wieder nach München zurück.” Er nickte. “Ja. Ich habe dort etwas gefunden, was ich vollkommen verloren glaubte. Privates Glück.” “Fang ihn lebend und du hörst nie wieder etwas von uns und kannst dir dein Leben neu aufbauen.” “Einverstanden.” Er stand auf, reichte Finch die Hand und ging. “Lebend”, rief sein Chef ihm hinterher. “Und möglichst gesund.”